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Tag 4 der Isolation, 19. März 2020

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Liebes Tagebuch,

ich habe heute einen neuen Zug an mir entdeckt: Ich bin gschamig. Und das kam so: Die Leute kaufen immer noch wie verrückt ein, was sie erwischen, vor allem Klopapier. Und da bin ich schon ein bisserl verzagt. Ich krieg’ seit Tagen kein Klopapier. Jetzt war ich wieder einkaufen. Jetzt tät’s wieder eines geben, aber ich trau’ mich keines verlangen. Siehst du? – Gschamig! Ich will einfach vermeiden, dass die Verkäuferinnen komisch schauen, wenn ich „Klopapier“ sag’. Die rollen dann die Augen, und schauen einen an, als hätte man ihren Hochzeitstag vergessen.

Abgesehen davon war mir der Weg zum Klopapier auch versperrt von zwei Gladiatorinnen mit Rollator, die beide versucht haben, die letzten Familienpackungen auf jeweils ihr eigenes Gefährt zu packen. Dabei hat sich das Plastik einer Verpackung gelöst und ein paar Rollen haben sich auf den Weg gemacht. Eine der Rollen, die unmittelbar in den Infight der Seniorinnen verwickelt gewesen ist, ist dies im wahrsten Sinn des Wortes gewesen – nämlich verwickelt. Wie viel Papier doch auf einer Rolle Platz hat! Man kann damit locker zwei Rollatoren, zwei Einkäuferinnen und eine Verkäuferin einwickeln, und dann bleibt immer noch Papier, um ein Regal mit Katzenfutter umzureißen. Eine Zahnprothese ist am Papier hängen geblieben, zur Hälfte in eine blaue Maske eingewickelt, die wahrscheinlich einer Pflegerin gemopst worden ist – die Maske, nicht die Prothese. Wobei ich nicht ausmachen konnte, wer von den Dreien jetzt zahnloser als vorhin agiert hat – der Mensch ist dem Menschen eine Wölfin.

In meiner Not habe ich nun Küchenrollen gekauft. Jetzt hab’ ich ein Problem. Ich habe mir überlegt, dass man aus einer Küchenrolle zwei Klopapierrollen machen kann. Ich habe zu Hause, weil ich einen modernen Haushalt führe, eine Brotschneidemaschine: Da kriegst keine gescheiten Bandbreiten zusammen, wenn du was runterschneidest. Und jetzt bin ich meine Nachbarin, die Gundi, fragen gegangen, ob sie vielleicht ein gescheites Brotmesser hat. Die ist vielleicht alt, aber nicht dumm. Sofort hat sie gefragt, wofür. Damit ich meine Küchenrollen teilen kann, muss ich zugeben. Sie hat für sich drei durchgeschnittene Rollen ausverhandelt. Ich bin stolz auf sie.

Wir brauchen immer noch keine Masken. Zumindest wenn wir uns die Zeit nicht als Ärzte oder Schwestern im Krankenhaus vertreiben. Die brauchen die Masken dafür umso mehr. Man sagt ja, Österreich und Deutschland trennt die gemeinsame Sprache. Eh schon wissen: Schlagobers versus Schlagsahne, Topfen versus Quark, Semmel versus Brötchen, Frankfurter versus Wiener Würstchen … Nun trennen uns auch die gemeinsamen Masken. Unsere Lieblingsnachbarn stehen nämlich auf der Bremse bei den so dringend bei uns benötigten FFP3-Masken. Die fangen nämlich auch die Aerosole ab, in denen sich wiederum unsere Karonaviren fortbewegen – vielleicht. Weil nichts Genaues weiß man nicht. Bezahlt hätten wir Ösis die Millionen von Masken ja schon. Blöd nur, dass die Piefke einen Exportstopp verhängt haben und die Masken jetzt im Lastwagen an der Grenze hängen. So ein Topfen!

Die letzte Rolle

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