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Tag 8 der Isolation, 23. März 2020

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Guten Morgen, liebes Tagebuch,

meine Nachbarin, die Frau Gundi, die ist 95, Mindestrentnerin! Sie geht immer zuversichtlich durch die Gegend, strahlt Optimismus und Hoffnung aus, als gäbe es kein Morgen. Nur in letzter Zeit wirkt sie betrübt. Ich habe sie gefragt, ob ich etwas für sie tun kann. Da hat sie gesagt, dass sie nicht mehr rausgehen darf wegen dem Karona. Und das ist deswegen so schlimm, weil sie jetzt den Lottoschein nimmer aufgeben kann. Das ist ja immer ihr Antrieb gewesen: Jede Woche die Vorahnung, bei der nächsten Ziehung den Lotto-Sechser zu machen, den großen Gewinn, und sich dann mit dem Geld alle ihre Träume erfüllen.

Da habe ich gesagt: Pass auf Gundi. Eine Hand wäscht die andere: Ich gebe den Lottoschein für dich auf, und du gibst mir dafür die Hälfte, wenn du gewinnst. Weil: Besser die Hälfte von etwas als alles von nix. Das hat sie verstanden und zugestimmt.

Wie ich bei der Trafik bin, treffe ich zufällig meinen Doktor. Der fragt streng, was ich da mache. Wie er den Lottoschein sieht, sagt er, dass das total verrückt ist. Die Wahrscheinlichkeit, an Covid zu erkranken, ist viel höher, als im Lotto zu gewinnen. Ich soll gefälligst zu Hause bleiben, schließlich gehöre ich zur Risikogruppe.

Ich bin zurück zur Frau Gundi gegangen und habe ihr von der Begegnung mit meinem Arzt berichtet und dass ich ihren Schein nicht aufgeben hab’ können. Sie hat kurz nachgedacht und gesagt, dass der Doktor vollkommen recht hat und dass ich nächste Woche unbedingt drei Lottoscheine für sie aufgeben soll. Recht hat sie!

Und wenn morgen die Welt untergeht, pflanze ich heute noch einen Apfelbaum! Und gebe einen Lottoschein auf! Oder besser noch drei!

Die letzte Rolle

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