Читать книгу Schatten der Vergangenheit - Das verfluchte Dorf - Norbert Zagler - Страница 12
ОглавлениеIm südlichen Tal, zu dem vom Dorf eine steile Straße hinunter führte, zweigte weit hinten, wo der Wald zu den Abhängen des Wechsels anstieg, noch ein Graben ab. In dem ärmlichen Haus am Talschluss saß der Mann in der Stube beim Tisch und sah auf die Zeitung vor sich. Er war sehr zufrieden. Der Bauernhof weit draußen, wo das Flusstal in die Breite ging, war bis auf die Grundmauern abgebrannt. Die alten Leute hatte es erwischt. So hatte er es gewollt. Verräter mussten bestraft werden. Die Zeitung schrieb über drei Seiten von dem Brand. Nachbarn, Feuerwehr und Bürgermeister gaben ihre Meinung dazu ab. Niemand konnte sich erklären, wer das sein sollte - der Werwolf. Die Polizei ermittelte, aber der Mann hatte keine Angst, dass er gefunden würde.
Er stand auf und ging zur Kredenz und holte seine Medizin, die Flasche mit dem Obstler. Das Gehen bereitete ihm heute besondere Mühe. Die alte Verletzung kündigte einen Wetterumschwung an. Im Haus war es kalt und ungemütlich. Ein unangenehmer Geruch nach Schimmel und etwas Undefinierbarem hing in der Luft. Der Mann hatte sich daran gewöhnt. Die Mutter lag oben im Bett. Erst im Mai würden die Sonnenstrahlen zur Mittagszeit auf das Haus treffen. Dann würde er oben lüften können. Er wusste nicht, wie lange eine Leiche schlecht roch, es war ihm auch egal. Früher oder später würde die tote Mutter aufhören zu stinken. Ab Mai würde er mehr lüften können. Die Mutter hatte er nicht verscharren wollen wie die Frau. Im vorigen Herbst war das gewesen. Die Wanderin hatte sich in dieses Sacktal verirrt. Er hatte sie auf einen Schnaps eingeladen, den hatte sie getrunken. Hatte mit ihm gescherzt und zu seinen Witzen gelacht. Als sie dann gehen wollte, hatte er sie zum Bleiben gedrängt. Die Frau hatte begonnen zu schreien. Sie hatte einen Hund dabei, den versuchte sie auf ihn zu hetzen. Die Mutter, damals schon bettlägrig, hatte gerufen, was da los sei. Er hatte der Wanderin den Mund schließen müssen. Als sie bewusstlos war, hatte er sie in den Stall geschleppt und dort gefesselt. Den Hund hatte er niedergeknüppelt und eingesperrt. Drei Tage lang hatte er sich über die Frau hergemacht. Als er ihrer überdrüssig geworden war, hatte er ihr ein Seil um den Hals gebunden, es über einen starken Ast des Nussbaums geworfen und den Körper aufgezogen. Wäre damals die Mutter schon tot gewesen, hätte er die Frau im Haus wie eine Sklavin behalten. Den Leichnam hatte er weit hinten im Wald vergraben. Zwei Wochen danach war ein Polizist erschienen und hatte ihn befragt. Er hatte gesagt, er habe der Frau den Weg gezeigt, die sei weitergegangen. Der Polizist gab sich damit zufrieden und war abgefahren.
Der Mann brauchte die Mutter dringend. Die wollte er noch lange im Bett liegen lassen. Seit seinem Arbeitsunfall vor sieben Jahren bezog er eine karge Invaliditätsrente. Die Pension der Mutter machte ihm das Leben leichter. Seit er ganz allein hier wohnte, war alles einfacher geworden. Die Mutter war immer lästig gewesen. Dauernd hatte sie was gebraucht, hatte ihn herumkommandiert. Bei ihr zählte nur Arbeit, am Haus, auf dem kleinen Feld und im Stall. Die Ziege war die erste die dran glauben musste. Das Gemecker war ihm auf die Nerven gegangen. Bier schmeckte ihm besser als Milch. Er hatte es genossen, sie an einem Strick aufzuhängen und beim Todeskampf zuzusehen. Als er die Frau aufgehängt hatte, war es noch besser gewesen. Da hatte er eine Erektion bekommen.
Der Mann trank aus der Flasche und setzte sich wieder hin. Der wichtigste Plan, die große Aktion bedurfte sorgfältiger Vorbereitungen. Er dankte seinem Großvater für die Aufzeichnungen. Die Depots würden nicht leicht zu finden sein. Aber wenn es gelang würde er dem Dorf ein großes Finale bereiten. Der Werwolf lebte, die Verräter sollten zittern!