Читать книгу Schatten der Vergangenheit - Das verfluchte Dorf - Norbert Zagler - Страница 5
ОглавлениеZEITGESCHICHTE
Berichte von Zeitzeugen über die letzten Monate des Zweiten Weltkriegs und die letzten Kämpfe im Gebiet Semmering, Rax und Wechsel. Das bevorstehende Ende des Kriegs war abzusehen. Durch fanatisierte Mitglieder der NSDAP und der Hitlerjugend wurden in diesen Tagen noch Verbrechen an unschuldigen Zivilisten begangen. Wegen angeblichen Landesverrats wurden nach fadenscheinigen Prozessen Todesurteile ausgesprochen und unter grausamen Umständen vollstreckt.
31. März 1945: Die Aufregungen werden immer größer, da die Russen schon bis Kirchberg vordringen konnten. Unendliche Kolonnen von Flüchtlingen ziehen durch Schottwien.
1. April 1945: Um die Mittagsstunden konnten die Russen über Kirchberg bis Gloggnitz vordringen. Kleine Kämpfe in Gloggnitz und Schlöglmühl.
2. April 1945: Die Panzersperre in Schottwien wurde geschlossen, Schottwien geräumt. Die Russen rückten gegen Schottwien vor. Mittags 4 Russen in Schottwien gesehen…Nach kurzem Kampf fiel Schottwien in die Hände der Russen…Großer Waldbrand in Gloggnitz am Silbersberg…
3. April 1945: Am Nachmittag besetzten die Russen ohne Widerstand Klamm und die Ruine Klamm. Starker Waldbrand von Schottwien bei den Hirschstadeln bis zum Pfarrhof Klamm…SS Gebirgsjäger besetzen den Semmering, Breitenstein und den Kreuzberg, mit der höchsten Erhebung den Kobermannsberg…In der Ortschaft Klamm wurde die Lehrerin von den Russen vergewaltigt.
6. April 1945: Schießerei in den Adlitzgräben…
8. April 1945: Beschuss von Maria Schutz. Maierhof brannte…
12. April 1945: …um 15.15 begann bei uns der bis jetzt schwerste Kampf. Haus Wallner lag zwischen der deutschen SS und russischen Truppen.
23. April 1945: Da die Front beim Payerbacher Viadukt zum Stillstand gekommen war, wurde der am 1. April geräumte Gendarmerieposten Prein wieder besetzt. Neue Verhaftungswelle in Prein und Reichenau. Anna F. war mit ihren Bewachern bei ihrem Kaffeehaus in Reichenau, Hauptstraße 79, angelangt, wo sie in den Keller geführt und durch mehrere Pistolenschüsse getötet wurde. Die gerade vorbeikommende Gendarmeriestreife G. und Z. wurde von den schwer bewaffneten HJ-Burschen gezwungen, die Leiche der Anna F. aus dem Keller herauszutragen und an einem Gartenpfeiler aufzuhängen. Als den beiden Gendarmeriebeamten beim Anblick der entstellten Leiche übel wurde, wurden sie von den HJ-Jungen als alte Schlappschwänze bezeichnet. Anna F. war mit einem roten Fahnentuch umwickelt und trug um den Hals eine Tafel mit der Aufschrift „Ich war eine Verräterin!“
25. April 1945: Am Eichberg keine Schießereien. Den ganzen Tag kommen Russen ins Haus…
8. Mai 1945: Um 10.15 kam ein Russe und sagte, ein Deutscher Sender um 10.00 Uhr hat gesagt: Alle deutschen Truppen, auch in Österreich haben kapituliert.
10. Mai 1945: Auf der Straße fuhren unendliche Kolonnen von Pferden und Autos. Viele russische Flieger flogen ganz nieder über Wörth….zu Hause schaute es fürchterlich aus…Herr und Frau D. lagen noch immer unbeerdigt, so wie sie getroffen wurden, nur waren sie schon halb verwest.
11. Mai 1945: Herr B., Herr K. und Herr W. haben die Familie D. an Ort und Stelle ohne Sarg begraben. Diese Tagebücher sind noch nicht zu Ende, doch wiederholt sich alles, Gott sei Dank sind die Vergewaltigungen zurückgegangen, Plünderungen, Raub und Diebstahl leider weiter auf der Tagesordnung.
Sommer 1945: Zonengrenze in Tauchen. Nachdem die Engländer dann schon weg waren, hat die Jugend bei den Baracken am Sonntag oft mit der Ziehharmonika gespielt und getanzt. Einmal sind auch die Russen, zum Teil in Zivil gekommen, worauf die meisten aus Angst sofort nach Hause gelaufen sind. Aber es hat auch Österreicherinnen gegeben, die mit sowjetischen Offizieren Verhältnisse hatten. Ein sowjetischer Offizier, der bei einem Bauern oberhalb unseres Ortes ein Zimmer hatte, bekam immer Besuch von einer österreichischen attraktiven Frau. Im August 1955 haben uns die Russen dann verlassen. Das Haus meiner Tante haben sie mit langen Nägeln zugenagelt. Erst nach der Unterzeichnung des Staatsvertrages hat sie ihr Haus zurückbekommen.
Sommer 1946: An der Demarkationslinie wurde Johanna S. ermordet aufgefunden. Sie war vollkommen entkleidet und durch mehrere Messerstiche getötet worden. Der Mord war jedoch am Dachboden der Villa K. erfolgt und die Leiche danach erst an den Auffindungsort gebracht worden. Es dürfte sich um eine Eifersuchtstragödie gehandelt haben. Dann wurde wieder eine Frau von zwei Männern in sowjetischer Uniform vergewaltigt. Die Täter konnten von der sowjetischen Militärpolizei ausgeforscht und verhaftet werden.
Textteile der Tagebuchaufzeichnungen der 14-jährigen Hansi W. und der 16-jährigen Hermine W. Sowie Berichte der 17-jährigen Maria K. und Wilfried G., alle im Originalwortlaut, aus dem Buch: Geflüchtet, Vertrieben, Besetzt, von Friedrich Brettner, erschienen im Kral-Verlag GmbH, 2560 Berndorf.