Читать книгу ich du er sie es - null DERHANK - Страница 32

26.

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Natürlich könnte sich Yukiko in der Nacht exklusiv ihrem FRIEND widmen, derweil ihr FRIEND über Nebenroutinen die sieben Aufrechten glücklich macht, es also ganz allein und selbstständig die weniger selbstständigen Maschinen bedient - die zum Gucken wie die zum Anfassen wie die, die alle erdenklichen sensuellen Dinge tun. Aber Yukiko hat den genetisch disponierten Anspruch, die Sache von ganzem Herzen, also mit Leidenschaft und hundertpro engagiert anzugehen, was sie nicht müsste, was auch ohne ihr physisches Dazutun nicht minder gut funktionieren würde, ihr physisches Dazutun das Überflüssigste an der Sache überhaupt ist, da Hanas Simulationen multipler Orgasmen den Herren die physischen wie die virtuellen Hirnwindungen regelrecht pürieren würde.

Was sie sich verdient haben. Doch vorher ein mannhafter Drink am langen Tresen, und Yukiko mitten unter ihnen und die Wirtin mimend (auch das Teil ihres zeitvertraglichen Geschäfts, wie überhaupt die Besetzung von Führungspositionen im Tagelohn sehr im Kommen sind). Da ist zum Beispiel der kleine dunkelhaarige Dicke, der sich einen Tatarenschnurrbart hat wachsen lassen, was mit annähernd 50 trotz guter Grundkonstitution weniger tatarisch aussieht, als vermutlich gewollt, der kleine Dicke hat das Glück, neben ihr zu stehen und gibt ihr dafür in typischer Einsamer-Wolf-Manier ein intimes Geheimnis preis, ins linke Ohr geraunt, dass er sein Leben lang Schlachten schlägt, Quartalsschlachten für seine Firma, Akquisitionsschlachten, Abrechnungsschlachten, Zahlenschlachten mit Blut, Leib und Seele gewissermaßen ausgefochten, was Yukiko verrückt vorkommt, wie so einer sich im Geiste in einem historisierten Kampfgetümmel wähnen kann, mit Lanze und Schwert um sich schlagend, mit dem Schild über dem Kopf feindliche Attacken abwehrend, und selbst Schlachtplan für Schlachtplan umsetzend; jedes Geschäft eine neue Front, jeder Wechsel eine Attacke, jede eingegangene Zahlung ein Sieg, während er doch nur an einem Schreibtisch sitzt, ein Pad bedient und bestenfalls zwischendurch videophoniert. Verrückt, wie so einer all diese Kämpfe aus den Zahlenkolonnen herausabstrahiert, die seinen Screen ausfüllen wie das unsterbliche Pac-Man-Spiel. Obwohl nichts Figuratives darin ist, an Ziffern, nichts, was auch nur eine Form hat, keine Helden, keine Fighter, Monster, nichts, und ihm dennoch jeder Heller und Pfennig ein Soldat ist, einer der loszieht ins Gefecht, und der - »bring the Boys back home!« - heimzuholen ist. Jede Rechnung, die der Tatarenbart schreibt, ist eine Legion, und jede Zurückweisung, jede Kürzung in Wahrheit ein Gemetzel. Yukiko hat Mühe, sich die Zahlen als Krieger vorzustellen, eine Fünf ist einer, ebenso die Hundertacht, und die Zwölftausend auch, und als der Mann wehmütig wird, weil ihm eine große Schlacht einfällt, da nimmt sie ihn vollumfänglich in den Arm, »100.000 Fälligkeiten«, zischt er ihr ins Ohr, »Hunderttausend, die den Feind, den verhassten 'Kunden', in die Zange nehmen sollten, im Sturm, und dann das Sperrfeuer, das Fallen, das Sterben, das fürchterliche Streichkonzert, von manchen Einheiten kamen weniger als die Hälfte zurück, dezimiert, schlimmer als dezimiert, und der Vorstand hat geschrien 'Quintili Vare, eurones redde!'» Und am Ende hatte man keine 20.000 eingenommen und mehr als 80.000 verloren. Das erzählt der Tatarenbart Yukiko und Yukiko hört ihm zu und beneidet ihn fast, ihn, den Tatarenbart, der die wunderbare Gabe innehat, mit diesem algorithmischen Nichts ein lebenslanges Game zu spielen! Er kommt ins Schwärmen, der noch lange nicht alte Mann, und es beeindruckt Yukiko sich vorzustellen, wie er mit Anzug und gelockerter Krawatte, mit über dem Hosengürtel hängenden Bäuchlein, das Jahr für Jahr runder geworden ist und sich nicht mehr einziehen lässt, wie er, während er über den Velours-Flur geht, zum Kaffeeautomaten, vorbei an offenen Großraumbüros, in denen andere sitzen und arbeiten, wie er zu diesen seinen Mitstreitern geht, ihnen aufmunternd auf die Schultern klopft und er sich mit ihnen in einem ausgebombten Schützengraben wähnt, wie er »durchhalten!« sagt, gemeint ist ein Termingeschäft, aber in seinem Kopf ist es der Granatbeschuss feindlicher Artillerie, ringsum Explosionen und umherspritzende Schrapnells, und wie er beim Weitergehen an seinem Bart zwirbelt und Pulverrauch riecht und die Schreie der Gefallenen in seine Ohren gellen, und wie er aber sich davon nicht überwältigen lässt, wie er weitergeht, zum Automaten, und wie er, während Brühkaffee in seinen Plastikbecher tropft, nach Rache schreit, und einen Plan schmiedet, einen Plan zur Aufstellung einer ganzen Armada von Rechnungen, die dem Feind, dem in Wahrheit also Kunden, wer auch immer das ist, Yukiko hat keine Ahnung, die dem die Hosen ausziehen werden, davon schwärmt er ihr immer feuchter ins Ohr, der Tatarenbart, und wird für die Uhrzeit ein bisschen zu zudringlich, sodass Yukiko ihn wieder loslässt und ihre Aufmerksamkeit auf ihre linke Körperhälfte beschränkt, während der Mann zu ihrer rechten, der Älteste der Gruppe, ein gestandener Fiskalhasardeur, sich rühmt, dass seine Kunden, seine!, ihre Steuern nur noch in Drachmen bezahlen würden, früher, vor der Währungsunion, da wären Steueroasen noch etwas Geografisches gewesen, ferne Inseln oder Stadtstaaten, heute dagegen seien es gewisse frei handelbare Währungen, handverlesene, man müsse nur wissen welche und wie, und er, er bevorzuge die mediterranen, nicht nur die griechische, auch spätantike Sesterzenderivate versprächen nahezu steuerfreie Einkommen, er wisse eben wie, sein Leben habe er dem Schutz der concernations gewidmet, Schutz vor der Kleinkrämerei bornierter Sozialstaaten, und Yukiko zieht ihm die Haut vom Handrücken, weil der Mann das Pech hat, mit einer Haut geboren zu sein, die für zwei oder drei gereicht hätte, und die sich deshalb in feine Wellen aus Falten legt, so runzelig, dass man diese Haut überall, aber bevorzugt am Handrücken, mit zwei Fingern fassen und hochziehen kann, und das tut Yukiko, weil es ihm gefällt, dieses Hauthochziehen, denn es ist, als bräuchte man gar nicht aufhören damit, es ist, als könne man die Haut abziehen und ein junger Gott käme darunter zum Vorschein. Doch der Hautlappenmann hat irgendwann genug davon und auch die anderen werden langsam unruhig, Yukiko verlässt die Gruppe umgehend, noch zwei, drei Hinweise zu den Zimmern, ein »bis gleich!«, was überwiegend (aber nicht nur) virtuell gemeint ist, und begibt sich auf die andere Seite des Bartresens der Hotelgaststätte und während die vorgeilen Kerle die Treppe hinaufstiefeln, fragt sie sich, warum sie immer wieder an Jobs gerät, bei denen so schwer Verdauliches angepriesen wird wie auf der aktuellen Speisekarte des 'Mühlrads'.

Ein Mann und eine Frau, von denen Yukikos extern gebeuteltes Gedächtnis eine vorübergehend nicht greifbare Erinnerung in sich spürt, sind erwartungsgemäß eingetroffen, ohne dass sich Yukiko die Erwartung erklären kann. Alt sind sie, die beiden, so viel stellt sie fest, er ein klassischer Europide mit einem PG von 8 oder 9 und einer lange nicht mehr upgegradeten bzw. sehr unvollständigen RudimentärConnexion, und sie eine mit einem PG von 95 oder mehr und disconnected bis zum Geht-nicht-mehr. Mutmaßlich noch nie gesehen, die beiden, und doch seltsam vertraut. Yukikos innere Sperre ist wie eine plötzlich aufgetane Lücke, um die jeder aktive Gedanke nun einen Bogen machen muss, ein assoziatives schwarzes Loch, aus dem heraus von Yukiko plötzlich und intuitiv verlangt wird, das Paar mit den nimmersatten Augen Papa BIGs anzusehen. Kaum tut Yukiko das, schaut also achtsam und analytisch, ist sie wieder freigeschaltet und wiedererkennt das Paar, auf das sie ein Auge zu werfen hat (ohne zu wissen warum).

»Lass die Augen zu!«, ermahnt sie Hana sogleich, wieso eigentlich, Hana?, fragt sich Yukiko und schließt folgsam die Augen und sieht, dass die Männer nun oben sind, auf ihren elektrischen Stühlen sitzen und auf gewisse Anwendungen warten, für die Yukiko quasi geboren ist. Ihr kommt bei der Connexion mit dem Hautlappenmann eine unerwünschte Aversion in den Sinn, ein leichter Ekel und die kurze aber intensive Vorstellung, sein Stuhl wäre ein Original aus der Hochzeit der amerikanischen Todesstrafe und der ihn stimulierende Elektrodenstrom ein finaler.

»Unprofessionell!«, kommentiert Hana dieses ungeplante Negativgefühl, und Yukiko öffnet die Augen wieder und legt beide Hände auf ihr FRIEND, das wie eine Unterlage auf dem Tresen liegt. Sie wird später, wenn die Elektronik das Vorspiel beendet hat, hochgehen und jedem einzelnen ihr Tool, also sich selbst, anbieten für dies und das, aber das hat noch Zeit, und sie fragt sich, wieso sie so daran gefesselt ist, an dieses Tool, wenn es doch stimmt, wie man sagt, dass ihre Kerndisposition eine prägenetische bzw. virtuell ist. Doch so naheliegend dieser körperlose Gedanke auch ist, seine konkrete Ausformulierung entzieht sich ihr wie ein übergeordneter Verbotstatbestand.

Lieber als die auf sie wartenden User upstairs ist ihr allemal ein Tool wie das männliche dort, ein Tool, dessen FRIEND übrigens auch keinen Namen hat, worauf ihr Hana explizit entgegnet, dass dessen FRIEND ein END sei, und ein END von sich aus nie auf die Idee käme, nach einem Namen zu fragen.

ich du er sie es

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