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Panoptikum oder Durch das Schlüsselloch

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Das Panoptikum verkörpert das Unheimliche der Soziologie. Das von einem Philosophen erdachte ideale Gefängnis, in dem jeder Häftling unter ständiger Überwachung steht. Zugleich ist es die beste soziologische Gottesmetapher. Die Brothers Quay plagt der böse Traum von der Welt als Käfig, als abgeschlossener Raum, in den man hineinschauen und den Menschen beobachten kann. Die Figuren ihrer Filme sind häufig in solchen Räumen gefangen. Mit tragischer Entschlossenheit versuchen sie, ihre Lage zu erfassen und die Grenzen ihres Gefängnisses zu erforschen. Denken wir an Nocturna Artificialia oder The Epic of Gilgamesh, or This Unnameable Little Broom und die Bewegung der Hand, die durch ein Loch in der Wand nach draußen gelangt und blind zu entdecken versucht, was außerhalb ist. Beide Szenen erinnern an die alte Radierung mit dem Wanderer, der am Ende der Welt angekommen ist und nun, nachdem er den Kopf durch das halbrunde Himmelsfirmament hinausgesteckt hat, den Bau und die Mechanik der Sphären bewundert. Doch bei den Brothers Quay ist alles ganz anders – die Hand irrt im Nichts umher. Wir verfolgen ihre Anstrengung mit Mitgefühl und Trauer; wir wissen, dass es außerhalb des Gefängnisses, außerhalb der kantigen Box der Welt, nichts Interessantes gibt. Allenfalls findet sich dort das Auge eines namenlosen Beobachters, dessen gleichgültige Position wir, die Zuschauer, übernehmen.

Übungen im Fremdsein

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