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Oneiropractica oder Der Goldfisch

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Lassen wir uns nicht täuschen: Das Vorhandensein von Elektrizität, Motoren, Straßenbahnen, Türglocken, Uhren und Menschen bedeutet nicht, dass wir diese Welt als unsere eigene, gewohnte erkennen können. Sie ist eine Illusion, Kostümierung mit bekannten Formen, trügerische Imitation. Wir haben scheinbar Vertrautes und Familiäres vor uns, doch bei genauerem Hinschauen zeigt sich, dass etwas nicht stimmt. Manchmal ist die Illusion reines Spiel, wie im Fall der Verweise auf die witzigen Arbeiten Arcimboldos, manchmal aber ist sie mit etwas Bedrohlichem unterfüttert, das verwirrt und Schwindel auslöst (das aus Fleisch bestehende Uhrwerk). Wir bewegen uns am Rande der Vernunft, dort, wo die einfachen Prinzipien der Wahrnehmung ihre Selbstverständlichkeit verlieren. Hier ist der Mond gerade einmal ein Fußball. »Statt des Geheimnisses gibt es hier nur einen Goldfisch«, sagt die Hauptfigur in Institute Benjamenta.

Erkennt ihr anhand meiner skizzenhaften, flüchtigen Beschreibungen dieses Land wieder? Kommt es auch euch vertraut und irgendwie unser vor? Wie immer man es nennen will, sicher ist, dass viele von uns hier leben.

Doch was bedeutet »unser«? Unser, das heißt wessen? Derer, die dieselben Bücher gelesen haben, oder vielleicht derer, die einen von Neurologen noch nicht erforschten Knick im Hirn haben (nennen wir ihn vorläufig die »Quay-Falte«)? Kommen daher unsere merkwürdigen Idiosynkrasien, unser Hang zu einer wirren Metaphysik des Degradierten? Oder sind wir Bürger eines phantasmagorischen grenzüberschreitenden Staates, der wie eine flimmernde Fata Morgana über Mitteleuropa schwebt und sich von dessen Albträumen nährt? In jedem Fall liefern uns die Alchemisten-Brüder ein abgeschlossenes und vollkommenes Werk, das sein Nigredo, Albedo und Rubedo schon durchlaufen hat, um im Quay’schen Tiegel die Vollkommenheit eines filmischen Steins der Weisen zu erlangen.

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