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Kapitel 4

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1953. Die Möbelfabrik von Samuel Miller lief wie geschmiert, die letzten Arbeiten des Baues der fast drei Jahre gedauerte hatte, waren so gut wie abgeschlossen. In seiner Fabrik arbeiten mittlerweile 300 Menschen aus verschiedenen Schichten,vom Vorarbeiter bis zur billigen Hilfskraft. Die meisten von ihnen waren illegal beschäftigt und lebten auf dem Grundstück der Tischlerei in kleinen verkommenen Baracken. Es gab dort kein fließendes Wasser und kein Strom, in den kalten Wintermonaten mussten sie Abfallholz des Betriebes kaufen, um ihre spärlich ausgestatteten Hütten zu beheizen. Zu dieser Zeit gab es nicht viel Arbeit, deshalb waren sie froh überhaupt einen Job zu haben, egal wie hart er war. Den Vorarbeitern ging es besser, sie wohnten in Häusern im Ort, hatten Autos und verdienten nicht schlecht.

Allerdings mussten sie alles tun, was Samuel Miller ihnen befahl und das war nicht immer einfach.

Immer wieder waren Unfälle an der Tagesordnung. Meist waren es kleinere Fleischwunden, aber es kam auch vor, dass ganze Körperteile einer Säge oder einer Richtbank zum Opfer fielen. In der Fabrik gab es ein kleines Lazarett. Es war spärlich ausgestattet, aber immerhin waren dort zwei Leute mit weißen Kitteln beschäftigt, die irgendwie nach Sanitätern aussahen. Das beruhigte die Arbeiter in der Fabrik und trieb sie an ihrer Arbeit weiter nachzugehen. Am 16.02.1953 durchdrang ein Schrei die Halle der Sägerei in der Fabrik. Ein Helfer wurde beim Holzzuschnitt in die Kette des Antriebes gezogen und kam langsam der Säge näher. Sein Fuß hatte sich verfangen und er versuchte mit aller Kraft irgendwie freizukommen. Vergeblich bemühte er sich von der öligen Kette losgelassen zu werden, die ihn unerbittlich immer dichter den scharfen Zähnen der Säge zuführte. Andere Mitarbeiter versuchten ihn zu befreien und die Säge abzuschalten, vergeblich. Der Produktionsablauf war zu lang, das Band brauchte einige Minuten, um vollständig zum Stillstand zu kommen.

Da war es auch schon geschehen, die ersten Zähne der riesigen Säge erreichten seinen Schuh, der wie Styropor auseinander gefetzt wurde und trafen Sekunden später auf das Fleisch seines Fußes. Immer noch bewegte er sich wie wild und versuchte der Säge zu entkommen, da spritzte das erste Blut. Die Zacken der Klinge durchtrennten alles, was ihnen in den Weg kam. Knochen, Sehnen und Muskeln wurden so schnell zerschnitten, das es fast wie eine Wurstscheibe ausgesehen hätte wäre da nicht das viele Blut gewesen. In der Mitte der Wade trat das erste Blatt der Säge aus, das Zweite hatte aber schon seinen Oberschenkel erreicht und fetzte den Stoff der Hose auseinander. Wahnsinnige schreie durchdrangen die gesamte Fabrik, überall drehten die Arbeiter voller schrecken ihre Köpfe in die Richtung aus der die Laute kamen. Stan, so nannten ihn seine Freunde, verlor nicht nur seinen linken Fuß, sondern auch sein rechtes Bein. Oberhalb des Knies rumpelte die Säge durch seinen Oberschenkelknochen und kam irgendwann zum Stillstand. Kollegen liefen zu ihm, konnten ihn aber nicht befreien, das Sägeblatt steckte genau in seinem Bein. Das viele Blut ließ nicht erkennen, wie weit es durchtrennt war. Die Sanitäter kamen. Stan war bereits bewusstlos, der große Blutverlust hatte dafür gesorgt. Harry, einer der Sanitäter, erkannte sofort die Notwendigkeit ihn aus der lebensbedrohlichen Lage zu befreien. Er zog sein Messer und begann sofort, das restliche Fleisch, das im Sägeblatt fest hing zu durchtrennen. Schwer arbeitete sich das Messer durch die Sehnen und Muskelstränge. Plötzlich gab der Druck nach und der Körper von Stan war frei. Freiwillige Helfer trugen ihn in das Lazarett, andere brachten seine in Tücher eingewickelten Körperteile. Harry und Lloyd banden die schweren Verletzungen von Stan ab um die Blutung zu stoppen, da wurde die Tür geöffnet.

Samuel Miller betrat den Raum.

>> Was ist hier los, was hat dieser Idiot schon wieder angestellt? <<

>> Er ist in die große Säge gekommen Boss, aber er wird überleben! <<

>> Ihr wisst doch genau was passiert, wenn wir ihn ins Krankenhaus fahren, nicht nur ich verliere meine Arbeit, sondern auch ihr. <<

Samuel Miller knallte die Tür zu und schritt entschlossen zu der Sägeanlage in Halle drei. Dort angekommen trieb er seine Vorarbeiter an mit den Arbeiten fortzufahren, das Blut an der Säge mit Sägemehl abzustreuen und die Stelle von Stan anderweitig zu besetzen.

Auf die Fragen der Kollegen, was mit Stan geschehen wird, antwortete er lässig.

>> Leute, wir haben ihn sofort ins Krankenhaus gebracht. Er wird dort versorgt, ich hoffe, er schafft es, er ist ein guter Kerl. <<

Die Arbeiter klopften Samuel Miller auf die Schulter, als er die Halle verließ, ihr harter Boss war doch ein guter Mann.

Im Lazarett waren Harry und Lloyd am Diskutieren.

>> Harry doch nicht noch einen, wie weit soll das noch gehen? <<

>> Ich weiß es doch auch nicht, aber was sollen wir tun, wir verlieren unsere Arbeit, wenn wir nicht machen, was Mr. Miller von uns verlangt.

Was hat Stan denn noch von seinem Leben, wenn er das hier überlebt, ewig als Krüppel rumzulaufen? <<

>> Vielleicht hast du recht, also los, bevor Mr. Miller zurückkommt. <<

Die beiden Sanitäter näherten sich der Trage, auf der Stan immer noch bewusstlos lag. Harry hatte wieder sein Messer in der Hand und setzte es am Hals von Stan an. Gerade als er es durchziehen wollte, öffnete Stan hustend die Augen.

>> Harry, Lloyd was ist passiert? <<

Schnell steckte Harry das Messer ein und lächelte Stan liebevoll an.

>> Du hattest einen Unfall, wir werden alles Erdenkliche tun, damit es dir bald wieder besser geht. <<

In dem Augenblick schlug Lloyd von hinten mit einer Eisenstange auf Stan ein, immer wieder und wieder traf er den Kopf des Mannes. Die ersten Teile des Schädels fielen zu Boden, Blut bespritzte die weißen Wände. Der halbe Schädel war weggeplatzt und der Blick auf das Gehirn offenbarte sich den beiden. Zur Sicherheit stach Harry noch einige Male mit seinem Messer auf den leblosen Körper von Stan ein, bevor er abließ und sich beide sicher waren, dass er tot war. Dann schauten sie sich an, tränen liefen aus ihren Augen, als sie den leblosen Körper ansahen. Sie wickelten ihn in ein Tuch und legten den Körper in einen Nebenraum ab und warteten, bis die arbeiten in der Fabrik beendet waren.

In der kommenden Nacht brachten sie den Leichnam und die Leichenteile in einen Lagerraum unterhalb der Fabrik. In einen Raum, in dem das wertvolle Holz gelagert wurde. Am Ende des Lagerraumes, in dem Eichenstämme und Edelholz lag, war seitlich noch eine kleine Tür, die mit einem schweren Schloss gesichert wurde. Nur sie und Mr. Miller hatten jeweils einen Schlüssel für diesen Raum. Mit zittrigen Händen öffnete Harry das alte Schloss der Tür, quietschend gab sie dem Druck von ihm nach und öffnete sich langsam. Es war dunkel in dem Raum, Lloyd zündete eine verrostete Petroleumlampe an, die einen kleinen gemütlichen Lichtschein ausstrahlte und den Raum erhellte. Harry und Lloyd traten vor, hinter sich zogen sie die Überreste von Stan in den Raum. In der hinteren Ecke des Raumes stoppten sie und legten den leblosen Körper von Stan ab. Die kleine Laterne erhellte den Bereich und mit schaudern sahen sie die Überreste der anderen Leichen, die sie in den letzten Jahren hier heruntergebracht hatten. Die anderen Leichen, die hier lagen, waren stark verwest und ihre Körper von den Ratten aufgefressen worden. Überall saßen sie mit ihren rot glühenden Augen und warteten auf Nachschub.

Harry und Lloyd hatten Mühe die vielen Tiere mit ihren Füßen zur Seite zu schieben, um in die Ecke des Raumes zu gelangen. Sobald sie den Körper abgelegt hatten, machten sich die Ratten daran die ersten Fleischstücke aus Stans Körper zu reißen. Wie hungrige Wölfe warteten sie auf ihre Fütterung. Obwohl hier mehr als fünf Leichen lagen, war kein Verwesungsgeruch zu riechen.

Der Raum lag am Außenbereich nahe an den Felsen, kleine Öffnungen und Spalten ließen genügend Luft zirkulieren, sodass der Geruch der Toten nach draußen zog. Lediglich ein großer Schwarm Krähen zog regelmäßig an den Felsen vorbei und versuchten vergeblich in das Innere zu gelangen. Da der Raum auf der abgewandten Seite des Berges lag, nahm kein Mensch Notiz vom Schauspiel, das hier immer wieder stattfand.



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