Читать книгу Wer's glaubt, wird selig ... Wer's nicht glaubt, kommt auch in den Himmel - Ottmar Fuchs - Страница 13

2. Begrenzt gut?

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Die vorfindbaren Spuren in der Schöpfung deuten auf einen zwiespältigen Gott hin, auf einen, der beides will, die Freude und das Leid, das Gute und das Böse. Die Reaktion der menschlichen Vernunft ist hier nicht von vorneherein festgelegt. Denn beides gibt es in der Schöpfung. In diesen Spuren liegt wenig Hoffnung, dass eine neue Welt, von dem gleichen Schöpfer geschaffen, sehr viel anders sein könnte. Religionen, die am Ende vom Heil aller Menschen ausgehen, bilden so etwas wie ein Gegenprojekt, weil sie auf einen Gott hoffen, der nur gut ist und Gutes will und dessen neue Welt tatsächlich ohne Böses und ohne Leid ist. Es ist ein unwahrscheinliches Projekt und muss deshalb mit viel Aufwand an Phantasie, Ästhetik, Symbolen und Kult erlebbar werden. Und oft bleiben die Religionen dabei selbst auf halbem Weg stehen, wenn sie den ungläubigen bzw. bösen Teil der Menschheit aus dem Gottesheil ausschließen (als gäbe es diese Anteile nicht auch in ihnen selbst). Natürlich muss man dann einen Gott voraussetzen, einen absichtsfähigen, also in analoger Weise personalen, denn vom Kosmos und von seiner Evolution kann nichts anderes als „stirb und werde und stirb“ erwartet werden.

Die Spuren dieser Welt sind also nicht so, dass Gott aus der Erfahrung dieser Spuren als radikale Güte gedacht werden müsse. Vielmehr ist, ohne die Güte dieser Welt gänzlich zu leugnen, die andere Seite genauso deutlich zu sehen, die viele, die sie erleben, ganz anders darüber denken lassen. Weder Natur noch Vernunft können hier einlinig für einen guten Gott beansprucht werden, wo es doch so viel Ungutes, Böses und am Ende immer die Vernichtung gibt. Und man muss wohl innerhalb der Theologie die Vorstellung aufgeben, die vor allem im Verhältnis von Glaube und Vernunft vorherrschend ist, dass eine „gesunde“ Vernunft und eine „gesunde“ Naturbetrachtung zum Glauben führe, während dann, konsequent, eine ungesunde Vernunft dies nicht täte. Vielmehr ist auch jene Vernunft nicht als „ungesund“ abzuwerten, die angesichts der Naturkatastrophen und der Katastrophen, die sich Menschen zufügen, nicht zu diesem Glauben an einen gütigen Gott führen. Hier ist die Theodizeefrage sehr ernst zu nehmen: Wer kann einen guten Gott zur Sprache bringen, wer kann Gott verkünden, wenn diese Verkündigung so gegenläufig zu vielen Erfahrungen steht?

Das kann der Mensch nie im eigenen Namen tun, sondern nur im Namen dieses Gottes selbst und auf seine Verantwortung, also auf der spirituellen Basis der Doxologie, nämlich Gott größer sein zu lassen als die eigene Not, die eigene Größe, die eigenen Grenzen, unendlich größer sein zu lassen und dieses Größerseinlassen zugleich mit der Qualität seiner Liebe zu identifizieren.

In der Bibel begegnen uns dazu jene Texte, die den Wandel von einem Gott, der das Leiden nicht beseitigt, zu Gott, die nicht anders kann, als es zu beseitigen, auch wenn es verschuldet ist, in eindrucksvollen Passagen zeigen: wo sich Gott im eigenen Herzen umwendet und allen Zorn und alle Vernichtungsabsicht in der eigenen Liebe auflöst. Ähnliches gilt für die Theologie des Kreuzes, am deutlichsten in der Vorstellung von der Sühne Christi am Kreuz für die Sünden der Menschen, so dass es nichts mehr gibt, was Gott einen Grund liefern könnte, das Heil der Menschen, und zwar aller Menschen, in Frage zu stellen. Jedenfalls ist das Strafen nicht Gottes letztes Wort. Bei ihm gibt es ein Darüberhinaus, nämlich dass es ihm selbst leidtut. Wie sehr seine Barmherzigkeit über seinen Zorn wegen der Untreue seines Volkes siegt, zeigt ein wunderschöner Text aus dem Alten Testament, bei dem Gottesboten Hosea (11,1–9), der Gott sprechen lässt:

Als Israel jung war, liebte ich es;

aus Ägypten rief ich mein Kind heraus.

Ich habe es laufen gelehrt, nahm sie auf meine Arme.

Doch sie haben nicht erkannt, dass ich sie heilte.

Mit Menschenbanden zog ich sie, mit Stricken der Liebe.

Und ich wurde für sie wie die, die einen Säugling an ihre

Wange heben.

Ich neigte mich zu ihm, gab ihm zu essen.

Mein Herz wendet sich gegen mich, mein Mitleid lodert auf.

Ich will meinen glühenden Zorn nicht vollstrecken,

will Israel nicht verderben.

Denn ich bin Gott, nicht ein Mann.

Ich komme nicht mit Schrecken.

Die Erzählungen der Bibel kann man als eine nie aufgegebene Suche nach Gottvertrauen wahrnehmen. Religiöse Menschen sehnen sich danach, dass sie Gott wichtig sind. Viel wichtiger als die Frage, ob es Gott gibt, ist die Frage, wo, in welchem Ereignis Gott zu „finden“, besser zu erahnen ist: im Hass oder in der Liebe, im Leben oder in der Vernichtung? Ist es ein Gott, der grausam zuschaut, der ins Leben ruft, um es zu zerstören, sei es aus kalter Gleichgültigkeit, sei es aus heißer Lust am Leiden? Dann schon lieber das gottlose kalte Universum mit seiner diesbezüglich absichtslosen Evolution. Und wenn Gott liebt, liebt Gott dann nur ein wenig, nur unter ganz bestimmten Bedingungen, gewissermaßen wenn die Menschen brav sind?

Jedes Wenn-Dann kann die Einbruchstelle von Gewalt werden, wenn die Bedingungen und ihre Erfüllungen erzwungen sind. Wenn es ein Wenn-Dann des Glaubens für Liebe und Rettung gibt, besteht immer die Versuchung, Menschen mit Gewalt vor der göttlichen Vernichtung zu retten, wenn Religionen die Ordnungsmacht haben bis hin zu Todesurteilen für Menschen, die konvertieren. Die Geschichte zeigt, dass Menschen das Fürchten lernen und lehren, wenn fundamentalistische Kreise auch gesellschaftliche und staatliche Macht erhalten. Theokratische Herrschaftsformen gehören nicht nur der Vergangenheit an, sondern formieren sich auch heute in der religiösen Unterdrückung kleiner und großer Gesellschafts- und Lebensbereiche. Die Symbiose zwischen Gottes- und Menschenwerk ist perfekt: dem „Allmächtigen“ wird durch menschenverachtendes Menschenwerk Allmacht verschafft. Die Frage „Wer ist wie Gott?“ erweist sich von daher so aktuell wie eh und je. Und hierzulande mag die Dankbarkeit dafür umso größer werden, dass es – trotz ihres geschichtlichen Schattens – eine Aufklärung und Säkularisierung gegeben hat.

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