Читать книгу Wer's glaubt, wird selig ... Wer's nicht glaubt, kommt auch in den Himmel - Ottmar Fuchs - Страница 8

2. Erste Spuren 1. Glaube, eine „Kettensäge“?

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In der Tagespresse und in den Feuilletons insbesondere der letzten Jahre wird das Verhältnis von Glaube und Zwang immer wieder aufgegriffen. So schreibt Christian Nürnberger in der Süddeutschen Zeitung: „Dogmatische Abrüstung wäre daher angesagt, dieser noch unbeschrittene, nicht zu Pferd, sondern nur zu Fuß gangbare Weg des ‚geistlich Armen‘ ist die vermutlich letzte Chance beider Kirchen. Ihn zu gehen, hieße: vom Dogma schweigen, aber den Willen Gottes tun, also die Armut bekämpfen, Unterdrückten zur Freiheit verhelfen, der Wahrheit Geltung verschaffen, Frieden stiften, Kranke heilen, die Mächtigen kritisieren, falschen Göttern den Gehorsam kündigen und hoffen, dass sich dann erfüllt, was verheißen wurde: Wer den Willen Gottes tut, wird Gott schauen.“3 Den Glaubenden von heute trägt nichts anderes als „ein Balken, an den nichts geheftet, treibend auf dem Meere.“4 Auch wenn der Dogmenbegriff hier aus theologischer Perspektive korrekturbedürftig ist, trifft er in diesem Sprachgebrauch doch das Richtige: nämlich die Strategie, den Glauben an einen Zwangszusammenhang zu heften, wie dies, nach Ansicht des Autors, die Kirche jahrhundertelang immer wieder getan hat.

Katholischen Gläubigen wird darüber hinaus vorgeworfen, dass selbst noch ihr Einsatz gegen die Verbindung von Glaube und Zwang das damit verbundene Autoritätssystem nicht verlässt, auch in der Gegenabhängigkeit nicht. Dies zeigt die spöttische Bemerkung, von der der von der katholischen zur evangelischen Kirche konvertierte Arnd Brummer zu berichten weiß: „Einmal katholisch, immer katholisch. Ihr braucht doch den Papst! Die einen, um ihn zu verehren, die anderen, um sich gegen ihn zu wehren.“5

Ein wirklich erschreckendes Buch hat jüngst Andreas Altmann geschrieben, ein Wutbuch über seine brutale katholische Kindheit und Jugend in Altötting.6 In einem Interview in „DIE ZEIT“ spricht er von Religionslehrern, die „Götter der Scheinheiligkeit (waren). Keine Wärme, kein Verzeihen, keinen Funke Liebe für uns Kinder.“7 Altmann ist Devotionalienhändlersohn, „den aber kein Gott vor seinem sadistischen Vater und seinen brutalen Lehrern rettete, so dass er die Gnadenlosigkeit auskosten musste“8. Altmann selbst spricht von der „Kettensägenmonsterideologie des Glaubens“, die das Leben terrorisiert und Liebessehnsucht unerfüllt sein lässt. Und er bekommt zuhauf Zuschriften und E-Mails von Menschen, die Ähnliches erfahren haben.9 Die öffentlichen Fälle schlimmster Erfahrungen mit Kirche bzw. ihren Hauptamtlichen ist nur die Spitze vom Eisberg: bis in unsere Gemeinden hinein, vor allem auch hinsichtlich der Unterdrückung im Glauben selber, mit dem Überraschungswort, wenn dessen erlösende und liebevolle Aspekte zur Sprache kommen: „Warum hat uns das bisher niemand gesagt?!“

Dass es sich bei diesen bekannt gewordenen Fällen um Extremfälle auch ansonsten tiefsitzender Erfahrungen und Ängste bei Gläubigen selbst handelt, habe ich in der Seelsorge immer wieder erfahren. Vor allem seitdem ich mich um die Bedeutung des „Jüngsten Gerichts“ bemühe,10 werde ich gefragt, warum ich als praktischer Theologe dieses an sich bisher weitgehend in der Dogmatik erörterte Thema von den „Letzten Dingen“ bearbeite. Das Gerichtsthema reicht bis in meine Kaplanszeit hinein, wo ich die Ängste in Bezug auf den Tod und auf das, was danach kommt, auch vor der Hölle, nicht nur bei älteren Leuten unglaublich vital erlebt habe. Übrigens auch noch bei Menschen, die das alles anzweifeln oder ablehnen. Bis hin zur Angst auch jüngerer Eltern, dass Gott ihre Söhne und Töchter nicht mehr lieben könnte, weil sie, oft aufgrund von Enttäuschungserfahrungen, von der Kirche Abstand genommen haben.

Mich hat bis heute diese Fragestellung nach dem Verhältnis von Glaube, Unterdrückung und Angst nicht mehr losgelassen. Im Grunde ist es die Aufarbeitung eines kollektiven Traumas der Kirchengeschichte, dieser jahrhundertealten Angst vor einem gnadenlos strafenden Gott, weil die Menschen nicht gläubig und/oder nicht gut genug waren. Das steckt tief, auch bei den nicht zur Kirche dazugehörigen Menschen. Sie übertragen auf die Kirchen immer noch die religiöse Angst und rebellieren dagegen. Bestimmte Medienprodukte und Filme tun das ihrige, diese Projektionen aufrechtzuerhalten.

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