Читать книгу Wer's glaubt, wird selig ... Wer's nicht glaubt, kommt auch in den Himmel - Ottmar Fuchs - Страница 15

4. Heiligkeit als Entgrenzung 1. Beschmutzte Heiligkeit

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Wo in einer Religion die inhaltliche Abgrenzung gegenüber anderen Religionen gerade darin liegt, dass das Heil gegenüber allen, auch den ganz anderen Menschen und Religionen, zu entgrenzen ist, sind das Leid und das Böse mit dem „guten“ Gott selbst, nämlich im Sinne der universalen, also alles umfassenden Unendlichkeit der Gottesvorstellung (einschließlich seiner Eigenschaften), auszuhandeln. Genau dies ist die biblische Spur. Wo Gott dagegen keinen Kontakt zu dem Schlimmen, was Menschen begegnet und sie einander zufügen, wo Gott keine gute Beziehung zu den Nichtglaubenden haben darf, sind beide auch von seinem Heil fernzuhalten. Wo das Schmutzige derart von Gott ausgeschlossen wird, muss es auch zwischenmenschlich ausgeschlossen werden. Wo Gott sauber gehalten wird, muss auch die eigene Religion rein gehalten werden. Mit immer wieder zerstörerischen Folgen für die Nichtdazugehörigen, verbunden mit dem guten Gewissen, Gottes Willen zu tun. Wobei es nochmals eine eigene Frage ist, worauf sich die Reinheitsvorstellung in den Religionen in besonderer Weise bezieht; im Katholizismus war und ist es oft genug vor allem die Sexualität im Horizont der Kultreinheit.

Joachim Kügler hat die jüdische und christliche Alternative zur Abtrennungsheiligkeit herausgestellt: „So realisiert sich die königliche Heiligkeit Gottes bei Jesus im Staub der galiläischen Landstraße.“36 Der Gottesdienst Jesu beinhaltet das heilsame Berühren der Kranken, die Gemeinschaft mit Menschen, „von denen er sich eigentlich hätte absondern müssen“37. Jesu Handeln ist also norm- und kultsprengend um einer möglichst wirksamen Solidarität mit den Menschen willen, verbunden mit den Konflikten, die man sich dabei einhandelt mit denen, die ein ausgrenzendes Heiligkeitskonzept vertreten. Bei Jesus begibt sich die Heiligkeit seiner Identität und Sendung in die Alltagswelt der Menschen hinein und erweitert dort so weit wie möglich die Räume der Gnade, der Barmherzigkeit, der Gerechtigkeit und der Freiheit.

Jesu Profil besteht darin, dass er die Grenzen zu den Ausgeschlossenen und den Sündern und Sünderinnen überschreitet und ihnen Heilung bzw. Versöhnung bringt. Indem er ein solches Handeln mit dem Glauben an Gott verbindet, grenzt er diesen Glauben praktisch von all jenen Glaubensformen ab, die den Gottesbegriff zur Legitimation von Ausgrenzung und Zerstörung der anderen gebrauchen. In dieser Hinsicht gibt es für ihn keine Kompromisse, bis hin zum Kreuz. Jesus stirbt nicht am Kreuz, weil er an Gott glaubt – das tun seine Gegner auch –, sondern weil er diesen Glauben mit einer ganz bestimmten, ganz anderen Praxis verbindet, bis hin zu seiner Vergebungsbitte für die Gegner und Täter, also ohne selbst diese auszugrenzen. Die Schärfe der paulinischen Rechtfertigungstheologie liegt ja darin, dass Gott auch für die anderen gestorben ist, auch für die aus unserer Perspektive Gottlosen.

Heiligkeit ist der gesamte Vorgang, in dem sich das Erlösende mit dem Unerlösten berührt. Das innerste Prinzip dieser Heiligkeit ist nicht die Ausgrenzung, sondern die Überbrückung und Verbindung zwischen ausgrenzendem und ausgegrenztem Bereich. Das Heilige ist also in diesem Sinn nicht mit dem Sakralen identisch, welches das Profane entweder ausgrenzt oder in sich auflöst, sondern stellt das Profane selbst in den Raum Gottes, in dem es profan bleibt.38

Dies gilt übrigens nicht nur für den Alltag, sondern auch für die Liturgie: Gerade aus gnadentheologischen Gründen sind die Sakramente jener Ort, wo im Symbolhandeln Gottes unbedingte Liebe in bestimmten Situationen in besonderer Weise erfahrbar ist. Sakramente also nicht nur für den inneren Kern der Kirche gedacht sind, sondern auch für ihre Außenbeziehung. Denn sie eröffnen für die Ausgegrenzten und Ausgrenzbaren Zugänge, die an sie keine anderen Zugangsbedingungen stellt als nur solche, die das Zustandekommen der sakramentalen Symbolhandlung selber ausmachen.39

So kann und darf das Grundsakrament der Taufe niemandem verweigert werden.40 Denn die Taufe verbindet die Geburt in dieses Leben mit der Geburt in die Liebe Gottes hinein. Und wie die Geburt das Leben umsonst, also ohne Vorleistungen, schenkt, so schenkt auch die Taufe Gottes Liebe ohne Vorleistung und unverdient, also umsonst.

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