Читать книгу Wer's glaubt, wird selig ... Wer's nicht glaubt, kommt auch in den Himmel - Ottmar Fuchs - Страница 7
1. Hinführung
ОглавлениеSelbstbewusst setzt sich das Sprichwort „Wer’s glaubt, wird selig, wer’s nicht glaubt, kommt auch in den Himmel“ in Widerspruch zu Mk 16,16: „Wer glaubt und sich taufen lässt, der wird selig (gerettet) werden; wer aber nicht glaubt, wird verdammt werden.“
Nun, es gibt auf der anderen Seite eine Reihe von biblischen Texten, die sich selbst zu diesem Satz aus dem zugefügten Markusschluss in einen hoffnungsvollen Widerspruch bringen, wie etwa der Satz aus dem Lukasevangelium, dass bei Gott nichts unmöglich sei1 (vgl. Lk 1,37 und Mt 19,26). Und die Weltgerichtsrede in Mt 25,31–46 erwähnt gerade den Glauben nicht als Einlassbedingung in das Himmelreich, sondern gute und helfende Taten: ob man Kranke besucht, Obdachlose aufgenommen und Hungrige gespeist hat. Und dann gibt es jene Texte, die auch über die Verurteilung hinaus Gottes Liebe und Versöhnung in den Blick nehmen. In Jesus ist ein Verdammter Gottes Augapfel.
Welche biblischen Texte etwas bedeuten, auch in Ergänzung und Kritik zu anderen biblischen Texten, hängt davon ab, welche Bedeutung die jeweils Lebenden ihnen zumessen, im Zusammenhang ihrer Verhältnisse, Herausforderungen und Dringlichkeiten.
In diesem Buch begebe ich mich auf eine solche Spurenlese für die Zukunft des christlichen Glaubens in seiner lokalen und globalen Weltverantwortung.2 Dabei geht es besonders darum, den christlichen Glauben aus seinem eigenen Herzen heraus von Bemächtigungsattitüden, Zwangsvorstellungen und darin von zerstörerischen Wahnbildern, kurz: von der Angst zu befreien und so in ihm und ihm gegenüber den Horizont der Freiheit schier unendlich weit werden zu lassen.
Ein Hinweis zum Gebrauch der Gottesrede: Den Gottesbegriff wiederhole ich lieber, als dass ich ihn mit „er“ wiedergebe und damit vermännliche. Allerdings hat dies den Nachteil, dass es im Text so viel „gottet“, als könnte man leicht und selbstverständlich über Gott reden. Dieses Dilemma sei als Vorbehalt eingebracht: Ein sprachlicher Zugriff ist immer auch, vor allem und wenn er häufig kommt, ein Versuch, etwas in den Griff zu bekommen. Über Gott reden macht Gott eher zum Gegenstand als „mit Gott zu sprechen“, also zu beten. Denn eine Ich-Du-Begegnung, wenn sie gut ist, bringt von vorneherein die andere Person nicht in die Herrschaft eines verdinglichenden Zugriffs, sondern lässt ihr auch ihr unantastbares und unergründliches Geheimnis. Dies gilt vor allem auf dem Hintergrund meines Anliegens, Gott „wirklich“ Gott sein zu lassen, unendlich über alle menschliche Fassungskraft hinaus: im Glauben berührbar, aber erst im Lobpreis Gottes abgebbar, in der Anbetung, die Gott die Ehre gibt und in dieser „Doxologie“ Gott „größer“ und „mehr“ sein lässt als alles Menschliche und Irdische, jenseits seines/ihres „Nutzens“ für die Menschen.
Es geht hier um nicht weniger als darum, wie Christinnen und Christen künftig ihre Wahrheit vertreten. Geschieht dies im Selbstbewusstsein eines Wahrheitsbesitzes, das schon in der Form, nämlich etwas zu besitzen, Gott verliert und zum Götzen macht? Vertritt man die Ideologie eines „Clash of religions“ (Krieg der Religionen), in dem es zur Herrschaftsfrage wird, welche Religion sich exklusiv gegenüber der anderen durchsetzt? Lässt sich das Christentum von solchen Bewegungen in seinem Inneren wie auch im Außen anderen Religionen gegenüber das Gesetz des Handelns aufzwingen? Wird damit die Chance verspielt, jene neue Daseinsform der eigenen Identität zu suchen und zu finden, die dem Christentum von Anfang an in sein eigenes Herz geschrieben ist und die auch in seiner Geschichte immer wieder Wirklichkeit war, nämlich den Glauben als Gnade zu erleben und Gott als Geheimnis unerschöpflicher Liebe zu preisen? Sich in Wahrheit für die kleinen und nichtsiegreichen Menschen und Völker und sich in Wahrheit für die Freiheit der Menschen mit, vor, ohne und gegen Gott einzusetzen, dies wäre das religionskritische Gegenkonzept zur Religionsgeschichte als Siegergeschichte.