Читать книгу Fräulein Quakis Versuche, ein Mensch zu werden - Otto W. Bringer - Страница 4

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Aber einen Überlebensinstinkt haben sie wie alle Geschöpfe. Flüchten, verstecken sich. Schreien, blöken, flattern um ihr Leben, wenn man sie zur Schlachtbank führt. Auch die Menschen fürchten den Tod. Blöken nicht, flattern nicht mit den Armen, schreien nur in äußerster Not. Dieser Instinkt zu leben funktioniert automatisch ohne dass man sich entscheiden muss. In kritischen Situationen geschieht, was geschehen muss.

Menschen tun alles, um Leben zu erhalten. Medikamente für alles und jedes. Schönredner, die langes Leben prophezeien. Trauern, wenn es nicht geklappt hat und das Leben zu Ende geht. Trösten sich mit Himmel und anderen Hoffnungen. Entschuldigen sich für Massenmorde an Juden. Kein Mensch entschuldigt sich für Massenmorde an Kröten und Fröschen. Wenn sie Sümpfe trocken legen oder Auto-Rennstrecken asphaltieren in unseren heimatlichen Gefilden.

Nur wenige Menschen verzichten auf Fleisch. Die meisten genießen das Fleisch. Wie ein Naturgesetz dieses Fleisch zu Fleisch. Schon in den vorsteinzeitlichen Höhlen von Lascaux sieht man Jäger und Gejagte. Tiere waren immer schon die Grundlage menschlicher Ernährung. Fräulein Quaki beschäftigen laufend Gedanken. Auch über anderes als ihre Artgenossen denken. Und das macht sie zur Ausnahme von der Regel. Und interessant.

Sie nennt sich Quaki, obwohl sie das i nicht aussprechen kann. Betont in Gedanken die zweite Silbe ihres Namens immer wieder. Hofft inständig, eines Tages kann ich Quaki sprechen statt quak. Wollte aber keinesfalls verwechselt werden mit Quappi, der Geliebten und späteren Ehefrau des berühmten Malers Max Beckmann. Im Bett eines Künstlers sieht sie sich nicht. Sie würde sich immer wie sein Modell fühlen. Nicht wie eine Froschkönigin. Sei kein Frosch sagt man, wenn einer oder eine sich ziert. Seltsame Sitte, Menschen zu Tieren zu machen.

Als Frau eines Künstlers hätte sie Farbe an allen Körperteilen, die ein Künstler streichelt. Nicht vorstellbar, eine violette Brust zu haben, eine feuerrote Vagina. Eine andere als ihre natürliche Farbe will sie nie und nimmer an sich dulden. Flecken sind ihr seit Kindheitstagen ein Greuel. Wenn sie aus dem Wasser auftaucht, glänzt ihr Körper blank wie die kupferpatinierte Domkuppel von Sankt Quirinus in Neuss am Rhein nach einem Regenguss. Schöner kann eine Froschfrau nicht aussehen.

Und sicherer nicht sein. Das Grün ihrer Haut ist die perfekte Tarnfarbe. Liegt sie im hohen Gras oder zwischen Blättern sieht sie kein Feind. Es sei denn, sie bewegt sich. Plötzlicher als Grashalme und Blätter sich bewegen bei leicht wehenden Winden. Fräulein Quaki hat Erfahrung im Stillsitzen.

Als sie eines Tages wieder einmal sitzt und nachdenkt, hat sie eine Idee. Schreibt auf, was sie bedroht. Plant Gegenmaßnahmen. Pingelig wie ein schlecht bezahlter Buchhalter sammelt sie Material. Plätze und ihre biologischen Zustände. Hofft, es wird ihr nützen eines Tages. Lohn ist das eigene Leben.

Fräulein Quakis Versuche, ein Mensch zu werden

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