Читать книгу Fräulein Quakis Versuche, ein Mensch zu werden - Otto W. Bringer - Страница 8

Оглавление

Eines schönen Morgens macht sie sich auf in Richtung Autostraße. Dahin, wo sie geboren wurde. Der Weg von zahllosen Frosch- und Krötenfüßen platt getreten. Es ist ein beliebter Weg, weil viele Büsche sich als Versteck anbieten. Und am Ende ein Gewässer ist. Nach etwa einem Kilometer trennt eine Autostraße das wasserreiche Gebiet auf der gegenüberliegenden Seite ab. Mutige Kröten und unerfahrene Frösche wagen die Querung. Viele werden überfahren. Liegen lange noch wie Plattfische auf dem Asphalt. Und werden immer platter, platt wie ein Papier. Opfer der Zivilisation.

Sagten die von der Grünen Partei. Und wollten die Autos verbieten. Als das verständlicherweise nicht gelang, bauten sie einen Tunnel unter der Fahrbahn. Fräulein Quaki hatte von alle dem keine Ahnung. Sie beteiligte sich bisher nie an Massenveranstaltungen. Heute Morgen aber war sie schon bald nach ihrem Weggang umgeben von wandernden Artgenossen. Die ganze Froschlurchsippschaft unterwegs. Frösche und Kröten der verschiedensten Art. Fröhlich scheinen sie zu sein. Als ginge es zu einer Hochzeit. Geht es ja auch. Im gegenüber liegenden Gewässer wollen sie die Frucht ihrer Liebe ablegen. Damit der Nachwuchs gesichert ist.

Fräulein Quaki ist bald auch soweit. Spürt Geschlechtsreife wie eine Lust. Käme jetzt ein Jüngling, ging sie mit ihm ins Laub. Sie weiß, in ihrem Leib werden hundert Eier und mehr reifen. Dann wird sie wird sich mit anderen auf die Wanderschaft begeben, die ihr eingeimpft ist seit Geburt. Dahin zu gehen, wo sie selbst geboren ist. Immer ist es dasselbe Gewässer.

Quaki wundert sich an diesem Morgen über die große Zahl der Wanderer. Es fließt wie ein richtiger Strom in Richtung Autostraße. Rücken neben Rücken, alle Köpfe in eine Richtung. Quaki, in katholischer Gegend aufgewachsen, hat den Eindruck einer Fronleichnamsprozession. Wo ist die goldene Monstranz? Etwas, das höher ist als die Menschen.

Auf dem Rücken von Kröten sieht sie nur Männchen sitzen. Sie sind kleiner als ihre dickrundlichen Krötenfrauen. Zu schwach, den langen Weg auf ihren kurzen Beinen zu schaffen. Um größer zu erscheinen als sie sind, setzen sie sich auf den Rücken ihrer Frauen. Wer ist wohl der größere? Fragt sich Fräulein Quaki und beschließt eine Frau zu bleiben.

Zwischen den nicht gerade schönen, warzigen Krötenweibern entdeckt sie schwangere Froschfrauen. Ein wenig aufgedunsen mit so viel Eiern im Bauch. Aber immer noch schön anzusehen. Es treibt sie zum selben Gewässer, in dem sie geboren wurden. Um dort ihren Laich abzulegen.

Quaki ist neugierig. Es muss einen Grund haben, dass so viele denselben Weg gehen. Zum Wasser jenseits der Autostraße. Irgendeine schlaue Kröte hat es sicher entdeckt. Und weiter gesagt. Dass es sich wie ein Lauffeuer ausbreitete in der ganzen Region. Die Grüne Partei hat die Autostraße ganz einfach untertunnelt. Röhre, die breit genug ist, auch die dickste Mamsell hindurch zu lassen. Auf der anderen Seite ihre Eier abzulegen. Auf dass die Welt der Lurche dem Rest der Welt erhalten bleibt.

Quaki ist neugierig, bleibt in der Schlange der Pilgerinnen. Will sehen und erleben wie es sich anfühlt durch einen Tunnel zu kriechen. Was aber, wenn der einstürzt unter einem dicken Laster?

Was ist, wenn er zugeschlammt ist? Verstopft von Zweigen und Wurzeln? Fräulein Quaki weiß nicht, dass Tunnel aus Stahl oder Beton nicht einstürzen können. Aber sie ist ein kluges Kind und kalkuliert den Ernstfall. Zurück an die Ill kein Problem. Noch muss sie nicht an ihren Geburtsort, zu laichen. Noch nicht. Denkt und weiß nicht, ob sie sich darüber freuen oder ärgern soll. Für alle anderen könnte es eine Katastrophe werden.

Fräulein Quakis Versuche, ein Mensch zu werden

Подняться наверх