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Kapitel 7

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Immer noch auf dem Boden kniend blickte Quinn zu Connor auf. „Die Arbeit des Mannes kann noch so gut sein, wenn die Ketten nichts taugen.“

„Du bist doch ausgebildeter Schmied. Kannst du sie nicht reparieren?“

„Ich glaube nicht, dass das so eine gute Idee ist.“

„Warum nicht? Du hast mir selbst gesagt, dass du beim alten Seamus gelernt hast. Und wir haben eine Schmiede, die nur darauf wartet, endlich wieder benutzt zu werden.“

Quinn ließ die Kette zu Boden fallen. „Ich werde nicht lange genug hier sein, um die Schmiede zum Laufen zu bringen.“

„Nicht hier sein?“ Überrascht riss Connor den Kopf herum und starrte Quinn an. Die Verwirrung war in seiner Stimme deutlich zu hören. Dann blickte er zu Isabella, zu Kiera und anschließen zu den Männern, die sich nach der Aufregung längst wieder an die Arbeit gemacht hatten. Anschließend meinte er zu seinem Bruder: „Ich verstehe. Möchtest du unter vier Augen mit mir darüber sprechen?“

Quinn richtete sich auf. Die Zeit schien gekommen zu sein, endlich ein paar Dinge klarzustellen. Ansonsten konnte es passieren, dass sich die Verbitterung, die sich in all den Jahren in ihm eingenistet hatte, festsetzen und ihn nie wieder loslassen würde.

Isabella beobachtete beide Männer sehr genau und reichte ihnen dann den vollen Korb. „Nun gut. Dann könnt ihr wenigstens währenddessen essen.“

Daraufhin hakte sie sich bei Kiera unter und die beiden Frauen ließen Quinn und Connor zurück. Mit einem Kopfnicken wies Connor zur Holzhütte. Ungesehen von den anderen Arbeitern ließen sie sich auf der Veranda nieder. Keiner von ihnen rührte das Essen im Korb an.

„Was hat das alles zu bedeuten?“ Stirnrunzelnd saß Connor seinem Bruder gegenüber. So wie er Quinn anblickte, erinnerte er ihn an Pa. Wenn er ärgerlich gewesen war, hatte er genau so ein Gesicht gezogen. „Wenn es immer noch wegen dieses Mädchens ist – ich habe meinen Teil dazu gesagt“, sagte Connor.

„Das hat nichts mit Kiera und ihren Schwestern zu tun.“

Zumindest nicht sein Wunsch nach Freiheit und Ungebundenheit. Andererseits hatte alles mit den Mädchen zu tun, weil er durch sie erneut spürte, wie sehr er es leid war, ständig Verantwortung für andere übernehmen und dafür seine eigenen Träume hintenanstellen zu müssen.

„Aber weshalb dann? Ich dachte …“ Die Unsicherheit ließ Connors Stimme versagen und er atmete tief ein und wieder aus, bevor er fortfuhr: „Für eine sehr lange Zeit wollte ich nichts mehr, als endlich wieder zurück nach Irland zu gelangen, um mit meiner Familie vereint zu sein. Nachdem Ma und Pa gestorben waren und es in Irland nichts mehr gab, was uns dort hätte halten können, habe ich davon geträumt, dich und die anderen hierher nach Amerika zu holen. Es fühlt sich an, als würdest du dir wünschen, niemals hergekommen zu sein.“

Sanft wehte die morgendliche Brise den Klang von der anderen Seite der Hütte zu ihnen hinüber. Die beiden Männer vernahmen das ferne Geräusch einer Säge, die rhythmisch durch das Holz gezogen wurde, und auch das Brüllen der Viehtreiber, die sich irgendwo auf ihrem Weg durch den Wald befanden. Ansonsten herrschte auf der Veranda Grabesstille.

„Es stimmt nicht, dass ich nicht kommen wollte“, sagte Quinn. In Gedanken ergänzte er: Es ist nur so, dass ich nicht bleiben möchte. Laut fragte er seinen Bruder: „Sag mir eins, Connor. Wirst du Rory und Patrick genauso im Stich lassen, wie du uns alle vor neun Jahren im Stich gelassen hast? Falls das der Fall ist, lass es mich bald wissen, damit ich mit den Jungs so schnell wie möglich von hier verschwinden und den Staub dieses Ortes von unseren Füßen wischen kann.“

In Connors Wange hüpfte ein Muskel auf und ab. „Wie kommst du auf die Idee, ich würde sie im Stich lassen?“

„Du hast es schon einmal getan. Du bist gegangen. Einfach so gegangen.“ Quinn nahm seine rechte Hand hoch und schnippte mit den Fingern. „Und plötzlich warst du weg. Für mehr als ein Jahr haben wir nicht gewusst, ob du tot oder lebendig bist.“

Mit Blick auf die aufgehende Sonne, die das Land in warmes Licht tauchte, saß Connor da. Schließlich sah er wieder zu Quinn: „Es war nicht mein Entschluss, Irland zu verlassen …“

„Es war aber dein Entschluss, dich mit Charlotte Young zu amüsieren, so sieht’s aus“, gab Quinn zurück.

„Eine Entscheidung, die mich in all den Jahren verfolgt hat. Und jetzt, wo ihre Schwestern unter meinem Dach leben, hat sie mich erneut eingeholt.“ Ernst blickte Connor seinem Bruder in die Augen: „Aber am schlimmsten ist, dass ich in all den Jahren nicht für dich und die Jungs da gewesen bin. Kannst du mir das jemals vergeben?“

Am liebsten wollte Quinn Ja sagen, aber …

Um sich zu beruhigen, atmete er einmal tief ein und wandte sich dann in Richtung des Waldes. Dann drehte Quinn sich wieder zu seinem Bruder und sagte: „Weißt du, ich habe dich dafür gehasst, was du getan hast. Dass du mich einfach zurückgelassen und von mir erwartet hast, auf Ma und Pa und die Kleinen aufzupassen. Aber ich kann diesen Hass jetzt nicht mehr spüren. Ich will einfach nur wissen, ob du bereit dazu bist, endlich die Verantwortung für deine kleinen Brüder zu übernehmen. Rory ist jetzt ungefähr so alt, wie ich es war, als du gegangen bist. Patrick ist noch ein Kind.“

„Du würdest deine Brüder zurücklassen?“ Obwohl Connor leise sprach, konnte Quinn den Schmerz in seiner Stimme deutlich hören.

So gesehen klang Quinns Wunsch tatsächlich selbstbezogen und egoistisch; aber er hatte sich so lange angebunden gefühlt, dass er es nicht mehr aushalten konnte. Verbissen erwiderte er: „Alles, was ich je kennengelernt habe, war die Arbeit in den Minen und schließlich in der Schmiede. Nachts, wenn ich im Bett lag, habe ich mir immer ausgemalt, was Caleb und du erleben und welche Orte ihr bereisen würdet. Ich wollte das auch. Ich will es jetzt.“

„Caleb war schon immer ein Herumtreiber.“

„Du nicht, oder was?“, grummelte Quinn.

„Nie ist mir der Gedanke gekommen, Irland zu verlassen, bis ich dazu gezwungen wurde“, gab Connor zurück.

Stille trat zwischen die Brüder und Quinn widerstrebte es, sie zu unterbrechen. Sie hatten alles gesagt, was gesagt werden musste, oder nicht? Nach einem sehr langen Moment war Connor es, der der Stille ein Ende machte. Nichts von dem Zorn oder dem Feuereifer war in seiner Stimme zurückgeblieben, als er sagte: „Ich werde dich nicht aufhalten. Patrick und Rory sind hier zu Hause und ich bin an der Reihe, auf sie achtzugeben.“

Die Worte beflügelten Quinn und dennoch spürte er Panik in sich aufsteigen. Er würde Patrick zurücklassen können, oder? Rory war längst alt genug, um auf sich selbst aufzupassen. Wann immer er wollte, würde er seine eigenen Entscheidungen treffen können. Aber Patrick war noch ein Kind. Er konnte sich nicht einmal mehr an seine Mutter erinnern. Für Patrick war Quinn der einzige Elternteil, den er je gekannt hatte.

„Ich kann mir vorstellen, dass du ein paar Pennys gebrauchen könntest, bevor du losziehst, was? Außer dir weiß niemand mit der Schmiede-Esse umzugehen und ich könnte deine Hilfe wirklich gut gebrauchen“, fuhr Connor fort.

Quinn biss die Zähne zusammen. Es ärgerte ihn, dass sein Bruder ihn schon wieder in irgendwelche Verpflichtungen hineinzudrängen versuchte. In einem Punkt hatte Connor jedoch recht: Nicht eine einzige Münze konnte Quinn bis jetzt sein Eigen nennen.

„Bis zum Frühling“, nickte er deshalb Connor zu.

„Und wenn du gehst …“ Eine Hand legte sich auf Quinns rechte Schulter und er drehte sich zu seinem Bruder um. „… sollst du wissen, dass du hier zu jeder Zeit willkommen bist und immer zurückkommen kannst.“

Die Berührung seines Bruders verwirrte Quinn und seine Muskeln verhärteten sich. So schnell würde er die in den letzten neun Jahren aufgestaute Verbitterung wohl nicht vergessen können. Knapp erwiderte er: „Ich werde daran denken.“

Kurzerhand griff Connor nach dem Korb, der immer noch unangetastet neben ihnen stand. Seinem Bruder reichte er eines der verpackten Brote. Beim Geruch nach gebratenem Speck lief ihm das Wasser im Mund zusammen. „Jetzt sollten wir wenigstens tun, was meine Frau gesagt hat, und essen. Wenn ich nämlich mit dem vollen Korb wieder zurückkomme, köpft Isabella mich.“

Auch Quinn biss in das mitgebrachte Frühstück, doch Käse und Speck schmeckten für ihn in diesem Moment nur wie Sägemehl.

So greifbar wie heute war die lang ersehnte Freiheit noch nie für ihn gewesen. Doch jetzt wusste er nicht genau, ob er seine Pläne wirklich umsetzen könnte.


Pierre legte beide Handflächen auf die Tischplatte und starrte die drei Männer an, die vor ihm standen. Bellend fragte er: „Immer noch keine Spur von ihnen?“

„Nicht eine, Monsieur“, kam die kleinlaute Antwort eines der drei Männer.

Langsam ließ Le Bonne sich in den weichen Ledersessel zurücksinken, den er extra aus Frankreich hatte importieren lassen. Nicht eine Sekunde ließ er dabei die drei Trottel aus den Augen. Unbeweglich und kerzengerade stand Claude vor ihm, den Blick starr geradeaus gerichtet. Doch die anderen beiden zappelten nervös herum. Ihre Blicke glitten unruhig durch den Raum und mieden, so gut es ging, den Augenkontakt mit Pierre. Ihr wehleidiges Gehabe ging Le Bonne gehörig auf die Nerven.

„Ihr wollte mir also allen Ernstes sagen, dass diese drei schönen Filles verschwunden sind, ohne die geringste Spur zu hinterlassen?“, brüllte er weiter.

„Ja, Monsieur“, lautete die Antwort.

Wutschnaubend fuhr Pierre von seinem Sessel auf. Der Mann, der sich die Nacht mit Kiera erkauft hatte, war ein Fremder für Pierre gewesen. Obwohl er ihn ordentlich in die Mangel hatte nehmen lassen, konnte er nicht ein Wort aus dem feinen Herrn herausbekommen; weder wie er hieß, noch wo die Mädchen geblieben waren.

„Und was ist mit unserem netten Gast, der im Fluss baden gegangen ist? Hat sich jemand von euch nach einem britischen Handelsmann erkundigt, der vermisst wird?“, fragte Le Bonne weiter.

Wortlos standen die drei Volltrottel vor ihm. Imbéciles! Musste er ihnen denn alles vorkauen? Konnten sie nicht ein einziges Mal allein denken?

„Ein wohlhabender, gut gekleideter Mann aus London verschwindet nicht einfach so. Es muss doch jemanden geben, der diesen Mann vermisst!“ Weit spreizte er seine Hände. „Dass niemand Fragen stellt, bedeutet, dass er nicht allein gehandelt hat. Er muss Verbindungen in Natchez haben. Irgendjemand kannte ihn und dieser jemand hat die Mädchen. Ich will sie zurück.“ Forsch blickte er nacheinander jedem Mann in die Augen. „Wenn ihr verhindern wollt, dass ihr unserem britischen Freund auf den Grund des Mississippi folgt, fangt ihr lieber sofort an zu suchen.“


Um nicht an sein Gespräch mit Quinn denken zu müssen, hielt Connor sich den ganzen Tag über beschäftigt. Erst spät in der Nacht, in der Stille seines Schlafzimmers, ließen sich Quinns Worte nicht länger verdrängen. Auf der Bettkante sitzend gab Connor einen tiefen Seufzer von sich.

„Was bedrückt dich?“, fragte Isabella. Sie saß an dem Waschtisch, den Connor ihr zu ihrer Hochzeit gezimmert hatte, und bürstete sich die Haare. Mitten in der Bewegung hielt sie inne und wartete auf Connors Antwort.

„Es war ein langer, langer Tag.“ Erschöpft nahm er sich das Wams ab und warf es über einen Stuhl.

„Meinst du das Chaos mit dem Pferd heute Morgen? Glaub mir, Kiera und ich sind vollkommen unverletzt“, versuchte seine Frau, ihn zu beschwichtigen.

„Ich weiß auch nicht, wieso ich so kopflos reagiert habe.“ Kopfschüttelnd erinnerte Connor sich an die Szene, die er heute geboten hatte. Dann wandte er sich zu Isabella: „Aber das ist es nicht.“

Isabellas Augenbraue schoss in die Höhe. „Hast du wenigstens gegessen, was ich dir vorbeigebracht habe?“

„Ja, Madam, ich habe gegessen.“ Ein Lächeln stahl sich auf Connors müdes Gesicht.

Isabella legte die Bürste nieder, erhob sich und setzte sich neben ihren Gatten auf die Bettkante. Behutsam hakte sie nach: „Was ist es dann? Ist es wegen Quinn? Ihr beiden saht aus wie zwei wilde Bären nach einer langen Zeit der Winterruhe. Niemand von euch hat sich darum geschert, etwas zu essen. Von daher war es kein Wunder, dass …“

„Die ganzen letzten Jahre wollte ich nichts mehr, als wieder mit meinen Brüdern zusammenleben zu können. Ich wollte, dass wir wieder eine Familie sind wie früher“, fuhr Connor ihr ins Wort und seufzte erneut. „Aber Quinn will nichts mit mir zu tun haben. Er beschuldigt mich, dass ich ihn und die Kleinen in Irland zurückgelassen habe.“

„Rede mit ihm. Sag ihm, dass du die Vergangenheit ändern würdest, wenn du nur könntest.“

„Ich glaube nicht, dass er zuhören würde.“ Mit beiden Händen fuhr Connor sich durch die Haare. „Es hilft auch nicht gerade, dass er diese Frau und ihre Schwestern hierhergebracht hat.“

„Connor O’Shea, Quinn konnte nicht wissen, dass diese Mädchen Charlottes Schwestern sind, und selbst wenn, hättest du sie etwa in dem Bordell zurückgelassen?“ Wütend flackerten Isabellas Augen.

„Ich glaube kaum“, kam Connors ehrliche Antwort.

Er hielt sein Gesicht in den Händen vergraben. Auch wenn Isabella recht hatte, mussten ihm diese Umstände noch lange nicht gefallen. Allein der Gedanke an Charlottes Schwestern brachten Erinnerungen an längst vergangene Tage an die Oberfläche, die Connor schon vor Ewigkeiten verbannt hatte.

Sanft sprach Isabella weiter: „Quinn wird sich schon noch einleben. Gib ihm etwas Zeit.“

„Ich glaube nicht, dass er lange genug hierbleiben wird, um sich einzuleben.“ Nun war es raus. Connor hatte es ausgesprochen.

Verwirrt blickte Isabella ihn an. „Er will gehen? Aber sie sind doch gerade erst angekommen!“

„Ja, er plant, von hier fortzugehen. Was er will, ist ein Abenteuer. Quinn will reisen, die Welt entdecken und all die sagenhaften Dinge erleben, die auch Caleb und ich seiner Meinung nach erlebt haben.“ Mühsam zog Connor sich die schweren Stiefel von den Füßen und schmiss sie in eine Ecke. Laut klang ihr Aufprall in seinen Ohren. „Wenn er nur wüsste“, murmelte er.

Isabella streckte eine Hand aus und strich ihm eine Strähne aus der Stirn. Connors Herz fing an zu rasen. Noch immer hatte sein Herzschlag sich nicht an ihre Berührungen gewöhnt. „Wie, du hast also keine Abenteuer erlebt, mein Liebster?“, neckte Isabella ihn.

Glucksend drehte Connor sich zu seiner Frau um und schlang seine Arme um ihre Hüfte, um sie näher an sich heranzuziehen. „Oh, meine Geliebte. Ich hatte definitiv mehr Abenteuer mit dir als in meinem gesamten Leben davor.“

„Na also, geht doch. Breeze Hill ist nicht annähernd so langweilig, wie viele oft denken. Zumindest nicht, wenn man weiß, wo man hinschauen muss.“ Liebevoll legte sie ihre Arme um seinen Hals und lächelte ihn an. „Wir müssen Quinn also nur dabei helfen, sich die richtigen Dinge anzusehen.“

„Was meinst du damit?“, fragte Connor, obwohl ihn die Antwort nicht interessierte. Zumindest nicht, solange die Arme seiner Frau noch um ihn geschlungen waren und ihr zarten Lippen sein Ohr liebkosten.

Quinn war so ziemlich das Letzte, was ihn in diesem Moment interessierte.

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