Читать книгу Das Haus hinter den Magnolienblüten - Pam Hillman - Страница 5
Prolog
ОглавлениеDie Lady Gallant auf dem Atlantischen Ozean Januar 1792
„Halten Sie Ihren Bruder von meiner Schwester fern!“
Breitbeinig stellte sich Quinn O’Shea auf das Deck der Lady Gallant, um das Gleichgewicht besser halten zu können. Zum ersten Mal seit Wochen auf hoher See stand er einigermaßen sicher. Tagelang hatte ein heftiger Sturm das Meer in Aufruhr versetzt. Den Passagieren blieb nichts anderes übrig, als unter Deck auszuharren. Für die vielen Reisenden des Zwischendecks bedeutete das, Tag und Nacht auf engstem Raum eingepfercht zu sein.
Zum Glück war der Sturm nun vorübergezogen – zumindest abgesehen von dem Sturm, der sich gerade vor Quinn zusammenbraute: mit lodernden blauen Augen, herumwirbelnden blonden Haarsträhnen und hellen Wangen, die sich kirschrot gefärbt hatten.
Die junge Frau, die ihn wütend anstarrte, steckte in einem edlen pfirsichfarbenen Kleid. An Deck hatte er sie nun schon zweimal gesehen, doch entsprach sie nicht der Art Passagiere, die im Bauch des Schiffes in niedersten Verhältnissen zusammenlebten.
Quinn grinste. „Welchen meinen Sie denn genau? Rory oder Patrick?“
Ihren zusammengezogenen Augenbrauen nach zu urteilen missfiel der jungen Frau diese Antwort. Sie stand etwas erhöht und blickte abschätzig auf Quinn herab.
„Wollen Sie mir damit sagen, dass es noch mehr von dieser Sorte gibt?“, gab sie zurück und verzog das Gesicht, als hätte sie etwas Faules gerochen.
Quinn blickte finster drein. Obwohl die junge Frau sich große Mühe gab, konnte sie ihren irischen Akzent nicht ganz verbergen, der sich in ihr sonst tadelloses britisches Englisch mischte. Wohl eine von denen, hm? Wahrscheinlich floss kaum britisches Blut in ihren Adern, aber selbst für dieses kümmerliche bisschen verleugnete sie rigoros ihre irische Herkunft. Genau dasselbe hatten die britischen Gutsherren auch von ihm und seiner Familie verlangt.
„Einer besonderen Sorte gehören sie allemal an.“ Quinn trat näher, den Blick fest auf die junge Frau gerichtet. Sie blinzelte und trat zurück. „Und ja, ich habe mehr als einen Bruder. Es wäre also von Vorteil zu wissen, welchen Sie genau meinen. Finden Sie nicht?“
Nun traten zwei gut gekleidete Männer an Deck, um ein bisschen frische Luft zu schnappen. Argwöhnisch blickten sie von Quinn zu seiner Gesprächspartnerin. Beim Näherkommen wandte sich einer der Herren an die junge Frau: „Miss Young, belästigt Sie dieser …“ Abschätzig wanderte der Blick des Mannes an Quinn auf und ab. „… Gentleman?“
„Nein, Mr Marchette.“ Ihr Kleid raschelte sanft, als sie einen Knicks machte. Der seidige Rock ergoss sich in Falten über das Deck bis hin zu den Spitzen von Quinns abgenutzten Stiefeln. „Er hilft mir bei der Suche nach meiner Schwester. Danke für Ihre Besorgnis, Sir.“
„Natürlich. Guten Tag, Miss.“
Noch bevor der Mann ganz außer Sicht war, wirbelte die hochmütige Miss wieder zu Quinn herum und bedachte ihn mit ihrem verächtlichen Blick. „Ich habe keine Ahnung, wie Ihr Bruder heißt. Aber seit der Sturm sich gelegt hat, sind die beiden ständig auf und davon. Ich bin mit meinen Nerven und mit meiner Weisheit am Ende.“
„Und Sie meinen, mein Bruder sei verantwortlich dafür? Vielleicht ist es ja auch Ihre Schwester, die sich von meinem Bruder fernhalten sollte?!“
„Dafür werde ich schon sorgen.“ Ihre blauen Augen funkelten. „Könnten Sie dennoch so freundlich sein und … oh!“
Auf einmal neigte sich das Schiff zur Seite. Rasch griff die junge Frau nach der Reling, doch sie fasste ins Leere. Kurz bevor sie auf dem Deck aufschlug, umschlang Quinn ihre Taille und hielt sie fest. Mit vor Schreck weit geöffneten Augen starrte sie ihn an. Für einen kurzen Moment formten ihre vollen rosanen Lippen ein überraschtes O, dann presste sie sie wieder fest aufeinander. Das offensichtliche Missfallen der jungen Frau kehrte genauso schnell zurück, wie es gegangen war. Rasch entzog sie sich Quinns Griff, strich ihr Kleid glatt und benahm sich so hochmütig wie zuvor. „Meine Schwester ist eindeutig zu jung, um …“ Zwei kleine rote Flecken erschienen auf ihren sonst elfenbeinfarbenen Wangen. „Sie sollte sich nicht so viel mit Jungen herumtreiben.“
„Sie meinen wohl mit irischem Abschaum?“ Auch wenn sein Ton lässig klang, brodelte es in Quinn.
„So etwas habe ich nie gesagt.“ Die junge Frau seufzte. „Sehen Sie, Mr …“
„O’Shea. Quinn O’Shea.“ Quinn berührte die Krempe seines Hutes und nickte kurz.
„Mr O’Shea. Die Wahrheit ist, dass wir in nur wenigen Wochen in den Hafen von Natchez einlaufen. Ich werde dort heiraten und …“ Ihre Augen loderten auf. „Megan benimmt sich in letzter Zeit sehr aufsässig. Je weniger Sorgen ich mir um sie machen muss, desto besser für uns alle.“
„Ein Wildfang, wie? Und jetzt haben Sie Angst, was Ihre Schwester und Rory anstellen könnten? Sagen Sie mir, wie alt ist Ihre Schwester?“
„Sie ist acht.“
„Acht?“ Quinn warf seinen Kopf in den Nacken und lachte laut.
„Ich kann dieser Situation leider nichts Amüsantes abgewinnen, Mr O’Shea.“ Sie funkelte ihn an.
„Wie ich bereits sagte, habe ich mehr als einen Bruder. Meiner Meinung nach müssen Sie sich keine Sorgen um Patrick und Ihre Schwester machen. Die beiden sind acht Jahre alt. Was könnten sie schon anstellen?“
„Genau an diesem Punkt liegen Sie falsch! Wissen Sie überhaupt, wo sich einer von den beiden gerade aufhält?“
Quinn seufzte. „Nein, aber …“
„Sie könnten also von Bord gefallen sein und Sie würden es nicht einmal wissen …“
„Scheint ein wenig weit hergeholt, meinen Sie nicht, Miss …?“
„Young. Kiera Young.“ Sie verschränkte die Arme vor der Brust. „Darüber hinaus ist es überhaupt nicht weit hergeholt. Wissen Sie, wo ich sie gestern gefunden habe?“
„Wo?“, fragte Quinn, obwohl es ihn nicht sonderlich interessierte. Miss Young würde ihm die Antwort ja ohnehin auf die Nase binden.
Mit ausgestrecktem Finger zeigte sie zum Hauptmast. „Dort. Den halben Weg hatten sie auf der Takelage schon zurückgelegt. Sind Sie immer noch der Meinung, Ihr Bruder hat einen guten Einfluss auf meine Schwester?“
Quinns Mundwinkel zuckten gefährlich, doch er bemühte sich, ernst zu bleiben.
„Ich entschuldige mich zutiefst. Ich werde tun, was in meiner Macht steht, um meinen frechen Bruder von Ihrer … äh … lieblichen und unschuldigen Schwester fernzuhalten.“
„Bitte sorgen Sie rasch dafür.“
Nach diesen Worten drehte sie sich auf dem Absatz um und war verschwunden.