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3.2 Allgemeiner Inhalt des Textes
ОглавлениеSie haben nun gelesen, dass die Beschäftigung mit den allgemeinen Informationen über den Text auch der inhaltlichen Richtigkeit Ihrer Analyse und Interpretation dient. Gleiches gilt für den Inhalt des Textes, dem Sie in der Schule den zweiten Satz der Einleitung gewidmet haben.
Das Nachdenken über den Inhalt des Textes soll Ihnen von Anfang an klar machen, worauf sich Ihre Arbeit materiell bezieht (während die allgemeinen Informationen über den Text entsprechend den formellen Gegenstand Ihrer Arbeit betreffen). Bis zum Abitur ist vielen Schülern nicht klar und daher auch in ihrem Studium nicht bewusst, was es heißt, sich in Vorbereitung auf die Erschließung mit dem Inhalt eines Textes auseinanderzusetzen. Allerdings ist es äußerst ratsam, sich auf einer allgemeinen, d.h. von inhaltlichen Details noch unberührten Ebene die Frage zu stellen, womit Sie es zu tun haben. Denn nur dann, wenn Sie im Groben verstanden haben, wovon der Text handelt, können Sie erfolgreich mit der Detailarbeit fortfahren, ohne befürchten zu müssen, den roten Faden zu verlieren.
Dass Sie zu diesem Zwecke ein bloß grobes Textverständnis anstreben, hat zur Folge, dass sich die anfängliche Beschäftigung mit dem Inhalt in zweierlei Hinsicht von Ihrer späteren Inhaltsanalyse unterscheidet. Erstens soll nun der Inhalt des gesamten Textes kurz überblickt werden, während sich die Inhaltsanalyse – je nach dem Erwartungshorizont Ihrer Arbeit – auf einen Teilbereich des Inhalts konzentrieren kann, innerhalb dieses relevanten Bereiches aber viel ausführlicher ausgestaltet sein muss und auch die Struktur des Textes, d.h. seinen (zum Beispiel argumentativen) Aufbau berücksichtigt. Zweitens müssen Sie auch das Thema des TextesThema des Textes erfassen. Wenn ich hier vom Thema spreche, dann meine ich etwas, das über dem vordergründigen Geschehen steht. Anders als den Inhalt, die sich im Text abspielende „StoryStory des Textes“, können Sie es den gelesenen Zeilen nicht unmittelbar entnehmen. Denn es ist so abstrakt, dass der konkrete Text nur eine von vielen Möglichkeiten darstellt, sich mit diesem Thema zu beschäftigen.
Erlauben Sie mir zunächst ein ganz simples Beispiel: Thema kann etwa der Kampf des Guten gegen das Böse sein. Diesem Thema hat sich nicht nur J. K. Rowling mit ihren „Harry Potter“-Bänden, sondern auch J. R. R. Tolkien in seiner „Der Herr der Ringe“-Reihe gewidmet. Die Geschichten sind völlig unterschiedlich, sie nehmen aber dasselbe Thema in Bezug. Übertragen wir dies nun auf einen Text, der Ihnen im Studium vielleicht eher begegnen mag, so ließe sich in Bezug auf Bastian Sicks Glosse „Stop making sense!“ behaupten, dass sich der Autor thematisch mit der unreflektierten Verwendung sprachlicher Wendungen im 21. Jahrhundert (Thema) beschäftigt, was er am Beispiel der aus dem Englischen ins Deutsche übernommenen Phrase „Das macht Sinn“ (Story) verdeutlicht.
Man könnte das Thema als vorweggenommene, hypothetische Kurzinterpretation bezeichnen, über die Sie abschließend erst dann entscheiden können, wenn Sie den gesamten Text analysiert und interpretiert haben. Die Behauptung Ihres Themas soll mithin durch die sich anschließende genauere Auseinandersetzung mit dem Text verifiziert werden. Gemessen an der (regelmäßigen) Deutungsoffenheit eines Textes ist es sodann nicht verwunderlich, dass für das Thema zumeist mehrere Alternativen zur Verfügung stehen. Dem Schüler war an dieser Stelle geraten: Geben Sie in der Einleitung nicht alle denkbaren Themen an, sondern entscheiden Sie sich für dasjenige Thema, das auch den Schwerpunkt Ihrer Interpretation darstellen wird. Der wissenschaftlich arbeitende Student muss hingegen alle Themen berücksichtigen. Und gerade dadurch, dass Sie eine Aussage in einen anderen Kontext stellen, können Sie häufig die Eigenständigkeit Ihrer Arbeit begründen.
Nehmen wir als Beispiel den „Mythos von Sisyphos“, einen Text des französischen Schriftstellers Albert Camus, der vor allem Philosophiestudenten bekannt sein dürfte. Es handelt sich um einen Klassiker der existentialistischen Philosophie, mit dem Camus zweifellos den menschlichen Umgang mit der Absurdität der Welt thematisiert, womöglich die Frage nach dem Sinn unseres Daseins stellt und nicht zuletzt eine Anleitung für ein erfülltes Leben gibt. Aus diesem Grunde mag man den Existentialismus vielleicht auch als Glücksphilosophie verstehen, obgleich er sich jedenfalls vordergründig weder mit dem Begriff des Glücks noch mit den Möglichkeiten des Glücklichseins beschäftigt. Es wäre aber allemal eine Untersuchung wert, inwiefern hier Überschneidungen bestehen. Denn sollen wir uns – in Camus’ Worten – Sisyphos zuletzt nicht „als einen glücklichen Menschen“ vorstellen?