Читать книгу Analysieren, Interpretieren, Argumentieren - Pascal Pitz - Страница 8

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Wer etwas lernen will, sollte sich zunächst darüber im Klaren sein, wo er steht. Lassen Sie mich zu Beginn daher einen Blick auf die Vergangenheit werfen, um so das bisher angestrebte Niveau der Texterschließung zu verdeutlichen. Mit der Technik des Analysierens und Interpretierens wurden Sie – jedenfalls in Grundzügen – bereits in der Unter- und Mittelstufe konfrontiert. Spätestens in der Oberstufe werden Sie sodann einen gewissen Quantensprung erlebt haben, sind doch die Anforderungen des Abiturs in zweierlei Hinsicht spürbar verschärft:

Zunächst mussten Sie sich mit der jeweiligen Aufgabenstellung weitaus intensiver auseinandersetzen und etwa einen Text auch vor dem Hintergrund seiner Epoche und der Biographie des Autors verstehen. Es wurde von Ihnen eine tiefgründigere Untersuchung verlangt, die im Vergleich zu früheren Arbeiten einen qualitativen Unterschied ausmachte.

Während Sie den erhöhten Erwartungshorizont insoweit in die Aufgabenstellung nur hineinlesen konnten, sahen Sie ihr den quantitativen Unterschied vergleichsweise deutlich an. Denn wo Sie sich früher nur mit spezifischen Teilaspekten der Gesamtuntersuchung beschäftigten, also beispielsweise das Reimschema eines Gedichts benennen, den Text in Handlungsabschnitte untergliedern oder die Erzählperspektive des Autors aufzeigen sollten, dort wurde von Ihnen nun ganz allgemein die Analyse und Interpretation des Textes verlangt. Erwartet war also eine umfassende Bearbeitung, die alle notwendigen Aspekte berücksichtigt und den Bearbeiter am Ende dazu befähigt, zur Kernaussage des Textes persönlich Stellung zu nehmen. Welche Aspekte zu den „notwendigen Aspekten“ gehören, war dem Wortlaut der Aufgabenstellung allerdings nicht unmittelbar zu entnehmen. Vielmehr mussten Sie selbstständig erkennen, welche Fragen im Rahmen Ihres Aufsatzes geklärt werden mussten.

Freilich erscheint diese Einteilung in qualitative und quantitative Unterschiede als unzulänglich, bedenkt man, dass erst das Zusammenspiel von Quantität (Berücksichtigung aller relevanten Aspekte) und Qualität (intensive Beschäftigung mit dem jeweiligen Aspekt) die Erschließung des Textes ermöglicht und dass etwa die ausführliche Auseinandersetzung mit den sprachlichen Besonderheiten sowohl eine Aussage über die Qualität als auch über die Quantität der Bearbeitung zulässt. Will man daher ein Fazit ziehen, so kann dieses nur lauten, dass Sie zu Beginn der Oberstufe im Fach Deutsch mit einer Aufgabenstellung konfrontiert wurden, auf die Sie zwar schrittweise vorbereitet wurden, die Sie aber zunächst vor eine überwiegend neue Herausforderung stellte.

Dem erhöhten Erwartungshorizont haben Sie mit dem bestandenen Abitur erfolgreich Rechung getragen. Die grundsätzliche Herausforderung aber besteht fort, mehr noch: Das Studium birgt einen zweiten Quantensprung. Dass das Erfordernis der Texterschließung mit der letzten Deutschprüfung nicht entfällt, wurde bereits angesprochen. Und inwiefern der Erwartungshorizont nun gegenüber dem einer Schulklausur nochmals erhöht ist, wird vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Zielsetzungen klar: Der Deutschunterricht soll Ihnen die Grundlagen und mithin die technische Seite der Texterschließung vermitteln, auf der das Studium sodann aufbauen kann. Dazu werden die allgemeinen Regeln mitunter fachspezifisch ergänzt. Aber auch wenn dies nicht der Fall ist, so besteht die erhöhte Anforderung doch zumindest darin, dass neben der technischen Seite Ihrer Bearbeitung nun deren inhaltliche Qualität von weitaus größerer Bedeutung ist. Um Missverständnissen vorzubeugen: Selbstverständlich muss auch in Schulklausuren der Inhalt stimmen. Die wissenschaftliche Leistung zeichnet sich jedoch in besonderer Weise durch ihre Vollständigkeit und Detailgenauigkeit aus, weil sie im wissenschaftlichen Kontext bestehen und auf alle denkbaren Einwände vorbereitet sein muss. Der Student arbeitet – anders als der Schüler – ausgehend von dem Ergebnis früherer fachlicher Errungenschaften und in dem Bewusstsein, dass seine Arbeit einen Beitrag zum wissenschaftlichen Diskurs leistet. Die darin liegende qualitative Herausforderung kann aber nur bestehen, wem die technische Seite der Bearbeitung keine Probleme mehr bereitet. Der erste Teil dieses Buches ist daher dem Ziel gewidmet, Sie mit der Technik des Erschließens vertraut zu machen.

Analysieren, Interpretieren, Argumentieren

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