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EINLEITUNG

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Ein sonniger Samstagmorgen im September um kurz nach elf Uhr

Ich bin auf unbestimmte Zeit alleine in eine Auszeit gefahren und liege in meinem Zimmer in Montegiove, einem kleinen Ort im malerischen Umbrien in der Mitte Italiens. Selbst das Liegen finde ich anstrengend. Ich möchte nichts unternehmen. Dazu ist mein Körper zu k.o. und ich habe zudem auch noch Kopfweh, was sich gerade in eine Migräne verwandelt.

Die letzten Monate und Jahre habe ich einfach auf Autopilot funktioniert. Nie habe ich etwas hinterfragt, ob es mir Spaß machte oder ich die Energie oder gar Lust dazu hatte. Bzw. habe ich mich hinterfragt, allerdings viel zu oberflächlich. Man könnte von einer Pseudo-Reflektion sprechen. Mein Ziel war glasklar vor Augen: Eine profitable Firma aufzubauen, damit ich danach – dank Dividenden – mehr Freizeit haben sollte und mir alles leisten könnte, was ich wollte. Koste es was es wolle. Ganz zu schweigen von annähernd normalen Arbeitszeiten. Es gab Zeiten, da habe ich mich sogar bei solchen Gedanken ertappt. Schließlich wollte ich schneller weiter höher hinauskommen.


Es musste einiges passieren, bis ich die Augen aufmachte.

In den letzten Jahren gründete ich ein paar Firmen im Bereich Startup Consulting, Copywriting und Marketing, arbeitete mit den verschiedensten Kunden und hatte bei manchen Projekten Partner. Manche von ihnen erwarteten, dass ich rund um die Uhr erreichbar war. Sie genossen es, wenn andere Menschen Feierabend oder an Sonn- und Feiertagen frei machten. Denn so könnte man selbst mehr arbeiten und sich jenen gegenüber, die nicht sieben Tage die Woche arbeiteten, einen Vorsprung sichern. Ich wollte mithalten und wuchs immer mehr über mich hinaus. Auch wenn das bedeutete, dass ich fast durchgehend erreichbar war. Es kam überhaupt nicht in Frage schlapp zu machen. Immer wieder hörte ich von anderen Jungunternehmern: „Wer bremst, verliert”.

Aus Angst zu verlieren, sah ich keine Möglichkeit, diesem Teufelskreis zu entkommen. In jeder Instagram-Story, jedem LinkedIn-Artikel oder Facebook-Post wird motiviert mehr Vollgas zu geben. Schneller, höher, weiter, besser. Mehr, mehr, mehr. Wie könnte ich da nun auf die Idee kommen, mal einen Gang herunterzuschalten oder gar einen vollständigen Tag meinen Laptop nicht hochzufahren?

Feier- und Sonntage wurden genauso oft ignoriert. Auch wenn ich versuchte, jene Tage mir freizuhalten, wurde ich dennoch kontaktiert. Ich versuchte hart zu ­bleiben und teilte meine Kommunikationskanäle auf. E-Mail und Telegram galten der Arbeit, mein Whatsapp-Account ausschließlich Privatem und Notfällen. Doch meine Kunden und Partner hielten sich nicht daran. Erhielten sie keine schnelle Antwort per E-Mail oder Telegram, so ­sendeten sie mir eine Whatsapp-Nachricht. Obwohl ich nicht antwortete, erinnerten diese Nachrichten mich daran, dass anscheinend nur ich an diesem Tag „faul” war. Mein Kopf ratterte also nichtsdestotrotz. Kein Augenblick von Entspannung, schon gar nicht am Tag danach. Jeder Montagmorgen bzw. Tag nach dem Feiertag hieß direkt doppelte Arbeit für mich, da ich einiges aufzu­arbeiten hatte. Nun kommt die ungeschickte ­Kombination daraus zusammen, dass ich, die Perfektionistin, mir Work­aholics zur Zusammen­arbeit herausgesucht hatte. Wenn ich etwas erledige, dann zu hundertzehn Prozent. Ich weiß - ungute Idee. Im Endeffekt erhöht es nur meinen eigenen ­Stresspegel. Ja, meist ist es besser, Dinge lockerer zu sehen. Das weiß ich heute auch.

So oder so sah ich keine Möglichkeit, mein Hamsterrad zu verlassen. Ich glaubte, daran gebunden zu sein. Es musste ja schneller, höher, weiter, besser gehen. Ich war überzeugt, dass meine Kunden mich brauchten und eine Veränderung keine Option war, ohne dass ich meine komplette berufliche Karriere ruinieren würde.

Bis mir meine Freundin Silke vor zwei Monaten mitgeteilt hat: „Denk dran. Wenn wir jung sind, arbeiten wir unsere Körper und unsere Gesundheit kaputt, um viel Geld zu verdienen. Und wenn wir alt sind, brauchen wir all das Geld, um unsere Gesundheit wieder zu erlangen.” Sie hatte damit so unfassbar Recht. Dieser Satz riss mich aus all meinen bisherigen Gedanken, Entschuldigungen und Denk-Karussells. Mein Hautausschlag, meine Schlafstörungen, mein Herzrasen, mein Zittern, meine Antriebslosigkeit, mein Magenprobleme, mein Ohrensausen, meine Unzufriedenheit und innere Unruhe und vor allem meine Aggression gegenüber meinen Mitmenschen waren unzählige Anzeichen, die ich alle ignoriert hatte. Selbst extremes Ohrensausen mit einer Kiefer­höhlen- und Nebenhöhlenentzündung haben mich nicht auf­gehalten. Noch während der Behandlung meines Hals-Nasen-Ohren-Arztes hatte ich mein Handy in der Hand, um erreichbar zu sein. Spätestens in diesem Moment hätte ich das von mir selbst erbaute, sinkende Schiff verlassen sollen. Doch ich blieb weiter rund um die Uhr erreichbar.

Erst eine Panik-Attacke mit Atemnot und körper­lichem Zusammenbruch brachte mich zum Um­­denken. Es ging nichts mehr. Ich saß auf meinem Bürostuhl und starrte meine Bildschirme an. Minuten… ­vielleicht Stunden lang… Es ging nichts. Es war selbst zu an­­strengend auf den Computerknopf zu drücken. Es war zu anstrengend aufzustehen. Es war zu anstrengend zu denken. Ich saß einfach nur da und wartete ab, dass es irgendwie von allein besser werden würde. Doch dann kam mir ein Gedanke in den Sinn: Während ich hier tatenlos herumsaß, türmte sich mein Berg an Aufgaben noch weiter auf. Und dann würde ich es erst recht nicht schaffen. Ich musste. Ich hatte keine Wahl. Ich musste wieder arbeiten. Auch wenn es Samstag war. Heute und morgen musste ich ran. Meine Gedanken kreisten immer schneller, mein Atem wurde immer ­schneller. Ich konnte mich nicht mehr beruhigen. Ich war allein. Wusste nicht, was zu tun ist. Wie die Tage davor, ­zitterte ich auch an jenem Tag am ganzen Körper und hatte Herzrasen. Ich ging in Tränen auf. Sollte mein Herz noch einen Schlag schneller werden, würde es mir in der Brust zerspringen. In diesem Moment stieg alle Panik auf: War das ein Herzinfarkt? Werde ich gleich sterben? Meine Atmung wurde immer schneller, mein Herzschlag auch, meine Tränen nahmen mir die letzte Möglichkeit zu atmen. Bis ich schließlich gar keine Luft mehr bekam. Mit letzter Kraft versuchte ich aufzu­stehen, um mich von meinen Bildschirmen abzu­wenden. Doch mir sanken die Beine weg. Ich hatte keine Kraft mehr und fiel auf den Boden. Dort versuchte ich mich zu be­­ruhigen. Einfacher gesagt als getan. Nichts half. Ich hechelte wie ein Fisch an Land. Ohne Wasser in Sicht. Einige Minuten, die sich wie Stunden anfühlten, lag ich am Boden, zu fertig zum Atmen, zum Aufstehen, zu sonst irgendetwas. Irgendwann liefen mir die Tränen nur so übers Gesicht. Und noch während ich wie ein hilfloser Fisch auf dem Boden lag, wurde mir eines klar: So etwas will ich nie wieder erleben.

Das Gefühl war so überwältigend. Meine Ge­­danken rasten, während ich mich ins Bett schleppte, um mich dort auszuruhen. Ich habe keine Ahnung, wie ich dort hingekommen bin. Was ist das eigentlich? Ausruhen? Sicher nicht einfach nur daliegen und „nichts tun”. Irgendwie war ich sauer auf mich selbst, dass es soweit kommen musste, gleichzeitig bemerkte ich, dass mir jeder negative Gedanke noch weiter schadete.

Später rief ich mein Team an, um mir Unter­stützung einzuholen. Sie würden mich bestimmt verstehen und mir ein paar Tage den Rücken freihalten. Was für ein Irrglaube! Der Anruf machte es sogar noch ­schlimmer: „Schade. Wir arbeiten nur mit High Performern zusammen. Das bist du ja wohl offensichtlich nicht. Du kannst dich selbst entscheiden, auf welche Weise du gehst oder gegangen wirst.“ Daraufhin versuchte ich zu erklären, dass ich nur ein paar Tage Auszeit brauchte. Schließlich leitete ich das Projekt seit Jahren und keiner kannte sich so gut darin aus wie ich. Die Reaktion darauf zog mir schließlich vollständig den Boden unter den Füßen weg: „Ach weißt du, jeder ist ersetzbar. Selbst wenn der Papst stirbt, kommt ein neuer. Es wird auch ohne dich weitergehen.“ Ich fühlte mich ausgenutzt und alleine. Und das Schlimmste daran war, dass ich es zugelassen hatte.

Dieser Moment war der Beginn eines längst überfälligen Wandels. Es war genau diese Situation, die mich dazu gebracht hat, nach Italien zu fahren und versuchen, es mir dort gut gehen zu lassen. Vor allem nach der harten Arbeit in den letzten Jahren habe ich es mir verdient. Mein Konto ist ausreichend gedeckt, ich brauche mir vorerst also gar keine Sorgen zu machen.

Und trotzdem quälen mich Gedanken wie: Aus­ruhen - was ist das? Wie geht das? Wie geht es weiter? Welchen Job will ich ausführen? Was macht mir Spaß? Was ist das überhaupt… echter Spaß? Das Karussell scheint nun erst richtig in Fahrt zu kommen, dieses Mal allerdings in eine andere Richtung.

Das Hirn abschalten ist gar nicht so einfach. Vor allem, wenn nicht nur das Hirn, sondern auch der Körper malade ist. Aus diesem Grund bin ich dem Rat meiner Therapeutin gefolgt und habe mich genau für diese Auszeit entschieden. Endlich hat mir jemand gesagt, was ich tun soll, sodass das nicht mehr selbst entscheiden musste. Das kann ich dir auch nur empfehlen. Scheue dich nicht davor, dir professionelle Hilfe zu holen. Heutzutage ist es kein Tabuthema mehr, mit einem Therapeuten zu sprechen. Nimm die Hilfe an, die für genau solche Situationen angeboten wird. Ich tat es auch und bin sehr dankbar dafür. Denn meist steckt weit mehr dahinter als man selbst erkennen und verarbeiten kann.

Dieses Büchlein soll dir als Rettungsleine dienen, wenn du merkst, dass du gerade in ein Burnout ­schlitterst oder sogar schon mittendrin steckst. Es ist bewusst so kurz wie möglich und so ausführlich wie nötig gehalten, damit du alle relevanten Infos und Tipps auf wenigen Seiten lesen kannst, ohne einen unüberwindbaren Wälzer in den Händen zu halten. Gerade als Selbstständiger oder Unternehmer ist es herausfordernd, sich nicht dem Druck hinzugeben und rund um die Uhr erreichbar zu sein, sondern ebenfalls ausreichend auf dich selbst zu achten. Vergiss nicht, dass niemand perfekt ist und das ist in Ordnung so. Selbst wenn deine Kunden das erwarten. Wenn du möchtest, so kannst du dich mit Gleichgesinnten verknüpfen und austauschen, denn du musst diesen Weg nicht alleine durchstehen: www.patriciazinnecker.de/buecher/burnout/

Nun wünsche ich dir viel Kraft beim Durch­arbeiten, sodass du bald wieder Freude verspürst und mit beiden Beinen wieder fest im Leben stehst.

Vom Burnout zurück ins Leben

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