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ОглавлениеKapitel 1
Kaleos, der 8. Tag, grüne Sonne
Mond: Derun
Shamiira öffnete ihre Augen und blinzelte gegen das grüne Licht der Sonne, zog ihren Lendenschurz an, warf sich ihren Brustschutz über und ging wie jeden Morgen zuerst zum Brunnen des Dorfes, um Wasser für den Stall zu holen. Jeden Morgen zum Sonnenaufgang aufstehen, zum Brunnen laufen, Wasser holen, zum Stall laufen, Wasser auf den Boden gießen, dann wieder zurück zum Brunnen und das Ganze mehrmals wiederholen, bis genug Wasser im Stall verteilt war. Shamiiras tägliches Ritual. „Pfff. Das muss reichen“, sagte sie mehr zu sich selbst als zu irgendjemandem sonst. Shamiira befand sich schließlich ganz allein in dem riesigen Stall mit fünfzehn Meter hohen Wänden aus lebendigen Bäumen, die so perfekt nebeneinander gewachsen waren, dass sie eine lebendige Holzwand von 250 Metern Länge und 70 Metern Breite bildeten. Das Dach des Stalls bestand aus den Baumkronen der lebendigen Bäume und ließ nur an ganz bestimmten Stellen genug Licht hinein, um den Stall in eine leicht schummrige Atmosphäre zu tauchen. Shamiira atmete tief ein und wieder aus. „Ach ja. Wunderbar, dieser Geruch von frischen Blättern mit einer Note von Ammoniak und Zuckergras“, sagte sie mit einem dezenten sarkastischen Unterton zu den Kintas, die fröhlich vor sich hin stehend am Fressen waren und keines der vier Meter großen sechsbeinigen Tiere schien es zu interessieren. Sie schauten Shamiira nur mit ihren für diesen gewaltigen Kopf viel zu kleinen Augen an und fraßen weiter. Viele würden wahrscheinlich vor Staunen beim Anblick dieser riesigen Tiere mit offenem Mund wie erstarrt stehen bleiben und sich fragen, wie man diese Monstren nur halten kann. Für Shamiira war der Umgang mit den Kintas schon lange nichts Besonderes mehr. Auch die tägliche Arbeit war zur Gewohnheit geworden. Den Boden säubern, dann die Stützbalken reinigen und diese anschließend mit einer honigartigen Masse einreiben. Da Kintas Pflanzenfresser waren, kam es schon öfters mal vor, dass diese die lebendigen Balken anknabberten. Lebendig waren die Stützbalken darum, da es normale Bäume waren, die man an bestimmten Stellen gepflanzt hatte und dann einfach wachsen ließ, damit sich ihre Kronen zu einem Dach verflochten. Als kleines Mädchen war Shamiira total begeistert von dieser Art des Häuserbauens gewesen. Aber als die Jahre vergingen und Shamiira zu einer Kintaszüchterin ausgebildet wurde, schwand die Begeisterung. Jeden Tag tat sie das Gleiche. Boden schrubben. Balkenbäume einreiben, Dach schneiden und wenn sie noch Zeit hatte, durfte sie beim Melken der vier Meter hohen Tiere helfen. Sie wusste, dass Kintas ein wichtiger Bestandteil von Derun waren und dafür dankte sie Derun auch beinahe jeden Tag. Ohne diese großen und schweren Sechsbeiner würde ihre Stadt nicht viele Möglichkeiten haben zu überleben. Doch es musste doch noch etwas Anderes geben, das sie tun konnte. Etwas, das das Leben aufregender gestaltete. Shamiira sah zu dem Dach hinauf. Eines der Kintas schnaufte neben ihr. Und für einen Moment hätte sie schwören können, dass Derun ihr ein Zeichen geben wollte.