Читать книгу Der Schreiberling - Patrick J. Grieser - Страница 7
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ОглавлениеAus der Ferne machte Cheops einen stattlichen Eindruck. Die meisten Gebäude waren aus Stein gemauert oder mit getrockneten Lehmziegeln errichtet worden. Es gab Arkaden, auf denen man mit der Dame seines Herzens flanieren konnte. Die alte Mission mit dem Glockenturm hatte erst vor Kurzem einen neuen Anstrich erhalten. Am Stadtrand erhoben sich mehrere Wassertürme, die im Sonnenuntergang wie schlafende Riesen aussahen.
In Cheops waren die Dürreperioden im Sommer ausgesprochen lang, sodass die Menschen mit dem Trinkwasser haushalten mussten. Doch die Einwohner waren an die harten Zeiten gewöhnt. Im Winter wurden sie von heftigen Blizzards geplagt und im sogenannten Tornado Alley wüteten oft sehr starke Tornados. Hinter der Stadt erstreckte sich die endlose Prärie, in den letzten Sonnenstrahlen ein rot gefärbtes Tuch, besprenkelt mit Farmen und Ranchen.
Obwohl Kansas relativ flach war, gab es im östlichen Teil ausgeprägte Hügel- und Waldlandschaften. Rainer Mehnert, Bezwinger der mächtigen Göttin Hekate, Cowboy und Vagabund, Revolverheld und Überlebender der Stadt der Nacht, Dionaea muscipula, blickte zufrieden von der Anhöhe auf das idyllische Cheops herab. Er war endlich am Ziel angekommen!
Er klopfte sich den Staub von seinem Cowboyhut und seiner Fransenlederjacke. Der Weg nach Cheops war hart und entbehrungsreich gewesen. Doch hier wollte er einen Neuanfang wagen! Er war entschlossen, ein legendärer Maverickjäger zu werden. In den weitläufigen Ebenen hatte sich das Vieh auf Teufel komm raus vermehrt. Viehherden so weit das Auge reichte. Da es während des Krieges keinen Absatz für die Rinder gegeben hatte, war der gesamte Viehbestand ungebrändet! Auf diese Rinder – die sogenannten Mavericks – hatte es der Cowboy abgesehen.
In Kansas gab es riesige Verladebahnhöfe, die das Vieh zu den Schlachthöfen transportierten. Die Maverickjäger fingen die verwilderten ungebrändeten Tiere ein und brachten sie zu den Verladestellen. Und dafür gab es eine Menge Geld! Geld, das der Cowboy für feuchtfröhliche Pokerspiele und heiße Weiber ausgeben wollte. Denn es war schon lange her, dass er die warmen Schenkel einer Frau genossen hatte. Eine Frau mit tollen Brüsten, muskulösen Waden und einem schönen Becken, an dem man sich festhalten konnte! Ja, ein solches Prachtweib wäre jetzt genau das Richtige für ihn, den Westmann.
Doch solche Fantasien mussten vorerst noch warten, bis er ein Maverickjäger werden würde. Vielleicht reichten die paar Dollars in seiner Westentasche noch, um sich ein Tingeltangel-Girl in einem der zwielichtigen Varietés anzuschauen.
Der Cowboy ging zurück zu seinem Pferd, das er an einem Baum angebunden hatte. Ächzend schwang er sich auf den alten Gaul. Nur widerwillig setzte sich das Tier in Bewegung. Das Reiten hatte in den Wildwestfilmen immer so mühelos und heldenhaft ausgesehen, aber davon musste er sich verabschieden. Sein Hinterteil schmerzte höllisch von dem harten Ritt, da seine Gesäßknochen gegen den Reitsattel scheuerten, und das, obwohl er eine grobe Baumwollhose mit Ledereinlagen trug. Vielleicht sollte ich es mal mit einer Fellauflage auf dem Sattel probieren, dachte er.
Während er in das Tal Richtung Cheops trabte, sagte er sich, dass diese Szene etwas von einem Groschenroman an sich habe und schmunzelte. Früher hatte er immer die Wildwestromane vom Kiosk gelesen. Fast jeder Heftroman fing damit an, wie der Protagonist hinunter in die Stadt ritt. Das hatte etwas Heldenhaftes! So könnte es jetzt auch bei ihm sein. Wenn nur nicht sein Hintern so furchtbar brennen würde!
Hekate hatte ihn in eine Parallelwelt befördert: nach Nordamerika, in eine Zeit nach dem Bürgerkrieg. Es musste eine Parallelwelt oder zumindest ein sehr großes Taschenuniversum sein. Am Anfang war er misstrauisch gewesen, ob die alte Schlampe ihn betrogen und in eine Zeit befördert hatte, in die er nicht hingehörte. Solche Dinge konnten weitreichende Konsequenzen haben. Es könnte eine Anomalie entstehen, die das kosmische Muster veränderte. Und dann würde er Besuch von seinen Freunden, den tollwütigen Seemännern, bekommen. Unheimliche Wesen in archaisch wirkenden Taucheranzügen, ausgestattet mit gewaltigen Flammenwerfern, die eine Welt auslöschten, bevor die Anomalie sich verselbstständigte und ein Ungleichgewicht im gesamten Universum verursachte. Die tollwütigen Seemänner waren sozusagen die Ordnungspolizei der griechischen Götter, die über den Kosmos herrschten.
Am Anfang schlief er schlecht, legte sich manchmal sogar nachts auf die Lauer, weil er glaubte, jeden Moment könne einer der tollwütigen Seemänner aufkreuzen und ihn vernichten. Manchmal hatte er das Gefühl, dass er die Wesen in der Stille der Nacht hören konnte: ein angestrengtes Schnaufen, das den Atemgeräuschen einer Herz-Lungen-Maschine in nichts nachstand. Doch sie waren nicht gekommen. Vorerst nicht … Sein Blick spähte über das von der Sonne verbrannte Gras. Immer auf der Suche nach verräterischen dunklen, ausgetrockneten Flecken. Es war ein Tic, den er sich in den letzten Wochen angewöhnt hatte, immer auf der Suche nach Nacktschnecken. Doch hier in Kansas schien es keine Schnecken zu geben – jedenfalls hatte er noch keine gesehen. Die toten Schnecken waren die ersten Vorboten der tollwütigen Seemänner. Sie läuteten damals in seiner alten Welt das Ende ein!
Als er fast die Stadt erreicht hatte, richtete er sich im Sattel auf, denn ein Westmann musste Eindruck schinden, wenn er in eine Stadt ritt.
Cheops war eine typische Westernstadt. Schon von Weitem konnte man das Gelächter aus dem Saloon hören, die laute Klaviermusik aus den Varietés, in denen die Tingeltangel-Girls sich auf der Bühne herumtummelten, das Wiehern der Pferde. Die Geräusche waren dem Cowboy allesamt vertraut. So ein Leben hatte er sich immer gewünscht. Und jetzt, wo es da war, wollte er es in vollen Zügen genießen. Zum Teufel mit den Nacktschnecken und den tollwütigen Seemännern. Er war hier, um ein waschechter Maverickjäger zu werden! Yeah!
Er war ein neues Gesicht in der Stadt und die Bürger von Cheops musterten ihn neugierig von den Arkaden aus. Die Stadt bot Platz für drei- bis vierhundert Siedler. Verglichen mit den großen Städten im Osten, war es ein kleines Kaff. Vor dem Saloon standen einige zwielichtige Gestalten, Dollarwölfe, die für Geld alles machten. Aufmerksam musterten sie den Cowboy.
Er nickte ihnen zu, doch keiner erwiderte den Gruß. »Dann halt nicht, ihr Arschlöcher«, murmelte der Cowboy in seinen Bart, schob den Hut in den Nacken und betrat den Saloon des »Irish Cattlemen«. Als der Cowboy durch die Schwingtür trat, richteten sich alle Gesichter auf ihn, den Fremden. Grinsend schaute er in die Runde. In der Mitte des Saloons befand sich ein runder Pokertisch, an dem mehrere Herren in schwarzen Anzügen saßen und über ihre Karten hinweg in Richtung des Cowboys starrten. Ihre abwertenden Blicke zeigten ihm, dass sie sich für etwas Besseres hielten. Den Chips nach zu urteilen, die auf dem Tisch lagen, spielten die feinen Herren nur um kleine Beträge. Schade!
Der Wirt hinter dem lang gezogenen Schanktisch war ein wahrer Brocken von Kerl, vermutlich sechs Fuß groß, mit dem Kampfgewicht von einem ausgewachsenen Ochsen. Seine rotblonden Haare verrieten seine Herkunft und hatten dem Saloon wahrscheinlich auch seinen Namen gegeben. Von dem Rothaarigen ging eine rohe Kraft aus. Jetzt schielte der Wirt auf etwas hinter der Theke – vermutlich auf eine Schrotflinte, die er griffbereit dort liegen hatte, falls es Ärger gab. Die Schrotflinte würde er aber wahrscheinlich gar nicht brauchen. Wenn sich dieser rothaarige Bulle auf den Cowboy werfen würde, dann wäre von ihm nicht mehr viel übrig.
Der Saloon war um diese Uhrzeit schon gut gefüllt. Viele Leute standen in kleinen Gruppen zusammen und unterhielten sich über die Tagesgeschäfte, während sie ihren Durst mit frisch gezapftem Bier stillten. Nachdem sich die meisten Leute an dem Cowboy sattgesehen hatten, war ihr Interesse erloschen und sie kümmerten sich nicht mehr um ihn.
Der Cowboy ließ sich auf einem der Barhocker nieder und verzog dabei das Gesicht. Er musste heute Abend seinen wunden Hintern mit einer Salbe einreiben.
»Was darf es sein, Fremder?«
»Mach mir einen Jacky-Cola«, erwiderte der Cowboy, während er ein paar Dollarnoten aus seiner Tasche fischte.
»Einen was?«
»Jacky-Cola!«
»Noch nie gehört!« Der Wirt verschränkte seine gewaltigen Arme vor der Brust.
»Ach verdammt, wir haben das falsche Jahr! Falsches Jahr! Hehehe … Sorry, mein Fehler!«
»Was willst du? Wenn du hierbleiben möchtest, dann musst du was trinken!«
»Mach mir ein Bier!«
Doch der Wirt streckte seine Pranke nach vorne und hielt sie dem Cowboy ungeniert vor die Nase. Seufzend legte der Cowboy den Dollarschein in die Tatze des Mannes, die sich sofort schloss.
»Wo kommst du her? Du hast einen schrecklichen Akzent! Reden alle da, wo du herkommst, so beschissen?«, wollte der Wirt wissen, während er das Bier für seinen Gast zapfte.
Laut lachte der Cowboy auf und schlug sich dabei auf die Knie. »Junge, du gefällst mir, du Prachtkerl von einem Mann!«
Auch der rothaarige Wirt lachte und entblößte dabei eine Reihe brauner Zähne, die mit zu viel Kautabak in Berührung gekommen waren. »Ein Franzose bist du nicht …«
»My Goodness! Ein Franzmann? Nein!«
Er stellte dem Cowboy das Bier auf die Theke. Das Glas war verschmutzt, doch das kümmerte den Cowboy nicht, denn er war nur an dem köstlichen Inhalt interessiert.
»Ich bin Deutscher. Ein Allemann!«
»Wirklich? Ha, dann hast du einen weiten Weg hinter dir!«
»Das kannst du laut sagen! Aber halleluja, jetzt bin ich endlich hier und das alleine zählt!« Er setzte das Bierglas an und leerte es in einem Zug, wobei ein Teil des würzigen Gesöffs an seinen Barthaaren herunterfloss. »Gib mir noch eins!«, teilte er dem Wirt mit und schob dabei das Glas in dessen Richtung.
Erneut streckte der Wirt ihm seine Pranke entgegen.
»C’mon, dein Ernst?«, fragte der Cowboy erstaunt.
»Fremde bezahlen hier im Voraus!«
Der Cowboy stieß einen Seufzer aus; ein weiterer Schein wechselte den Besitzer.
»Wie lebt es sich in der Alten Welt?« Der Ire schien ein verdammt neugieriger Kerl zu sein. Wahrscheinlich arbeitete er für einen der Dollar- oder Townwölfe, die hier in dieser Stadt das Sagen hatten und versorgte diese gegen das nötige Kleingeld mit Informationen.
»Ich komme aus dem Odenwood. Schon mal davon gehört?«
»Odenwood? Nicht, dass ich wüsste.«
Der Cowboy starrte auf das frisch gezapfte Bier und wurde rührselig. »Dort gibt es ein Bier, mein Freund, das schmeckt besser als das köstlichste und klarste Quellwasser, das du einem verdurstenden Menschen an die Kehle hältst.«
»Du übertreibst!«
»Well, schon mal was von Schmucker-Bier gehört?«
»Schmucker?«
»Ja, das Bier der Götter.«
»Du bist verrückt, Fremder!«, antwortete der Wirt und schüttelte den Kopf.
Doch der Cowboy deutete auf das Glas vor sich. »Im Odenwood würden wir mit so einem Gesöff nicht einmal unsere Autos … äh, ich meine, Postkutschen reinigen.«
Nach dieser Aussage verfinsterte sich das Gesicht des Iren. »Willst du damit sagen, dass mein Bier Pisse ist?«
»Ne, es schmeckt nach Kotze! Ihr Yankees müsst noch viel lernen, was die hohe Kunst des Bierbrauens betrifft.«
Der Wirt starrte seinen Gast an, wobei sich in seinen Gesichtszügen ein wahres Gewitter zusammenbraute. Die Zornesröte stieg in ihm auf, und der Cowboy merkte, dass er langsam aber sicher den Bogen überspannte.
»Aber Kumpel, ich bin nicht den weiten Weg gekommen, um mich an deinem Bier zu ergötzen, sondern ich brauche Informationen«, sagte er deshalb eilig und klopfte dem Bären hinter der Theke kumpelhaft auf die Schulter.
»Informationen?« So schnell wie der Ärger hochgekommen war, war er auch schon wieder verflogen. »Ich handle mit Informationen! Ich bin Barkeeper und Herr über den größten Saloon in Cheops! Wenn jemand etwas weiß, dann ich!«
Aha, man konnte den Riesen offensichtlich leicht besänftigen, wenn es ums Geschäft ging. Es erhärtete den Verdacht des Cowboys, dass dieser Mann mit den Dollar- und Townwölfen in Verbindung stand. Wissen ist Macht!
»Ich will ein Maverickjäger werden!«, sagte der Cowboy selbstbewusst. »Ich brauche einen Namen und eine Adresse!«
»Du ein Maverickjäger?«, fragte der Wirt ungläubig.
»Gibt es da ein Problem, Kumpel?«, konterte der Cowboy und ließ seine rechte Hand ganz zufällig über sein Pistolenhalfter gleiten.
»Keine gute Idee! Nicht in diesen Zeiten. Vielleicht solltest du lieber dein Glück in Texas versuchen. Das ganze Land dort ist bis zum Pecos voller Rinder!«
»Warum sollte ich es nicht hier versuchen? Ich habe gesehen, dass eure Rinder sich wie die Karnickel vermehrt haben.«
»Desmond Pickett wird etwas dagegen haben.«
»Wer ist der Pisser?«, erkundigte sich der Cowboy völlig ungeniert.
Schlagartig verfinsterte sich die Miene des Barkeepers wieder. Doch es war nicht nur Wut, die sich in dem kantigen Gesicht widerspiegelte, sondern seine Augen zeigten auch einen Anflug von Furcht.
»Desmond Pickett ist jemand, mit dem du dich nicht anlegen solltest!«
»Klingt nach einem richtig sympathischen Burschen, wenn du mich fragst.«
»Ihm gehören mehrere Ranchen außerhalb der Stadt. Das ganze Land da draußen ist Pickett-Land. Er behauptet, dass dort alle ungebrannten Rinder zu seiner gottverdammten Stammherde gehören. Für ihn sind die Maverickjäger Gesetzlose, die sich an seiner Herde vergehen. Er hängt jeden, den er erwischt.«
»Ich bin noch nicht lange in dieser Gegend, aber ungebrändete Rinder sind laut Gesetz frei.«
»Erzähl das mal Desmond Pickett!« Der Ire nahm eines der Biergläser von einem seiner Gäste zurück und begann es zu spülen. Sauberkeit schien für ihn ein Fremdwort zu sein, denn er tauchte das Glas in eine braune Brühe hinter dem Tresen.
»Und selbst wenn er niemanden erwischt, warten seine Dollarwölfe vor den Toren von Kansas auf die Herdenbosse, um ihnen dann zehn Dollar für jedes Tier abzuknöpfen, bevor es in die Stadt darf. Wer nicht zahlt, dessen Herde wird in alle vier Himmelsrichtungen verjagt.«
»Verfluchte Bastarde!«, murmelte der Cowboy und begann zu begreifen, dass sein Plan gar nicht so leicht in die Tat umzusetzen war.
»Das kannst du laut sagen!«
Lautes Fluchen drang vom Pokertisch zu ihnen herüber; anscheinend hatte jemand die Partie verloren. Der Wirt blickte kurz zu den Spielern, um sich zu vergewissern, dass kein Ärger bevorstand. Dann wandte er sich wieder dem Cowboy zu.
»Ich werde trotzdem ein Maverickjäger«, sagte der Cowboy trotzig und leerte sein zweites Bier.
»Du bist ein hartnäckiger Bursche, was?« Der Barkeeper beugte sich nach vorne, sodass sein Gesicht von dem seines Gegenübers nur noch wenige Zoll entfernt war. »Siehst du den Revolverhelden hinter dem Pokertisch?« Der Cowboy ließ seinen Bick über die Saloonbesucher wandern. »Den Mann mit der Kalbfelljacke und dem Colt im Schulterholster!« Jetzt sah er ihn. Für einen Revolverhelden war der Kerl mit seinen mindestens vierzig Wintern schon ziemlich alt, denn diese Burschen starben meistens früh. Es war ein Mann, wie ihn der Cowboy aus den Wildwestromanen kannte. Das Gesicht voller Ecken und Kanten verlieh ihm eine gewisse Härte. Mit seinen blonden Haaren, die ihm ins Gesicht fielen, erinnerte er mehr an einen Löwen, der erhaben von seinem Felsen auf sein Rudel blickt.
»Das ist Jeremy Slater«, sagte der Wirt, nachdem der Cowboy die richtige Person im Blickfeld hatte. Seine Stimme war nicht mehr als ein leises Flüstern. »Ihm gehört die Blue-Lodge-Ranch außerhalb der Stadt.«
»Einer von Desmond Picketts Männern?«, erkundigte sich der Cowboy.
Doch der rothaarige Wirt schüttelte den Kopf. »Nein, Slater ist ein Rebell. Die Blue-Lodge-Ranch führt seit Jahren Krieg gegen Pickett und seine Männer. Er ist der Einzige, der ihm Paroli bietet. Wenn du unbedingt ein Maverickjäger werden willst, dann sprich mit ihm.«
Mit der Faust klopfte der Cowboy auf den Tresen. »Danke, Kumpel! Das werde ich gleich machen!« Bevor er sich jedoch von ihm abwenden konnte, hielt dieser ihn mit seiner fleischigen Pranke an seiner Lederjacke fest. »Nicht so schnell! Informationen kosten Geld!« Der Cowboy rollte mit den Augen, dann zog er eine weitere Dollarnote aus seiner Tasche und ließ sie in der ausgestreckten Hand des Iren verschwinden. »Danke, mein Freund! Du bist zwar verrückt, aber ich mag dich! Viel Glück, denn das wirst du brauchen!«
Der Cowboy rutschte vom Barhocker und ging zielstrebig auf jenen Mann zu, den der Wirt als Jeremy Slater bezeichnet hatte und der inmitten der anderen Gäste wie ein Fels in der Brandung wirkte. Als der Cowboy nur noch wenige Meter von ihm entfernt war, richtete Slater seinen Blick auf den Fremden. Seine Augen waren so grau wie ein kalter Gletscherfluss im Winter. Seine schiefe Nase schien mehrere Male gebrochen worden zu sein, was ihm aber einen männlichen, selbstbewussten und kühnen Anblick verlieh. Ja, dieser Mann war durch und durch ein Revolverheld!
»Greetings, ich habe gehört, dass Sie auf der Suche nach fähigen Männern sind? Nun, ein solcher Kerl steht jetzt vor Ihnen!«, eröffnete der Cowboy das Gespräch und streckte dem Mann seine Hand zur Begrüßung entgegen.
Die grauen Augen blicken kurz in Richtung des Tresens, wo der Ire stand und das Gespräch neugierig verfolgte. Dann musterte er den Cowboy stillschweigend, ohne den Händedruck zu erwidern.
»Gefällt Ihnen, was Sie sehen?«, wollte der Cowboy wissen und verschränkte die Arme vor der Brust.
»Ich habe dich in dieser Gegend noch nie gesehen? Woher kommst du?«
»Odenwood!«
»Nie gehört.«
»Wie sieht es aus? Brauchen Sie eine starke Hand oder nicht?«
»Ich habe genug Männer. Tut mir leid, aber ich brauche deine Hilfe nicht!«, antwortete Jeremy Slater und blickte wieder in sein Whiskeyglas, um zu zeigen, dass die Sache für ihn erledigt war.
»Schade, sehr schade!« Der Cowboy fasste zum Abschied an seine Hutkrempe, kehrte Slater den Rücken zu und trat durch die hölzerne Schwingtür ins Freie. Es war bereits dunkel geworden; überall brannten Öllampen oder Laternen in den Fenstern. Bei Nacht wirkte die Stadt mit ihren Arkaden richtig heimelig. Der Cowboy begann »Jezebel« von Frankie Laine zu pfeifen, während er zu der Haltestange ging, an der er sein Pferd angebunden hatte. Kurz überlegte er, ob er einem der schäbigen Varietés einen Besuch abstatten sollte, doch die Müdigkeit von dem harten Ritt steckte ihm schwer in den Knochen. Er sehnte sich nur noch nach einer Matratze. Außerdem hatte er Angst, dass er seine letzten Dollars einem der Tingeltangel-Girls zustecken würde. Seine Geldreserven waren fast aufgebraucht.
»Einen Moment, Mister!«, erklang es hinter dem Cowboy, als er gerade dabei war, sein Pferd loszubinden. Langsam drehte er sich um. Hinter dem Handlauf des Gehsteiges stand ein Mann mit einem langen Schnurrbart. Sofort stach ihm der silberne Stern ins Auge, der die staubige Weste des Mannes zierte. Dies ist also der Deputy-Sheriff von Cheops!, dachte der Cowboy und erwiderte den Blick des anderen.
Der Deputy-Sheriff fuhr sich mit der Hand über die Enden seines Schnurbartes, die spitz nach oben standen, um diese zu zwirbeln. Es war wohl eine alte Angewohnheit, die so in Fleisch und Blut übergegangen war, dass es fast unmöglich war, sie sich wieder abzugewöhnen.
»Wer bist du?«, wollte der Deputy-Sheriff wissen.
»Ein Besucher dieser Stadt!«
»Und was willst du hier?«
»Ehrlich gesagt, will ich nur noch ein weiches Bett und schlafen. Ich habe einen harten und weiten Ritt hinter mir«, antwortete der Cowboy grinsend.
»Du kommst erst einmal mit in mein Office!«
»Und, was will ich da?«
»Ich werde nachschauen, ob deine Visage sich nicht auf einem Steckbrief wiederfindet. In meiner Stadt haben Satteltramps nichts verloren, verstanden?«
»Und wenn ich mich weigere? Ich bin ein Reisender und außer Alkohol und geilen Weibern habe ich keine Laster!«
»Du weigerst dich?«, zischte der Ordnungshüter böse, und seine Hand fuhr über den Griff seines Colts, der in einem Lederhalfter an seinem Gürtel hing.
»Sheridan, lass den Fremden in Ruhe!«, ertönte es auf einmal hinter dem Deputy-Sheriff. Es war Jeremy Slaters Stimme, der gerade aus dem Saloon getreten war.
»Misch dich nicht in Angelegenheiten ein, die dich nichts angehen, Slater!«, erwiderte der Deputy-Sheriff trotzig.
»Und ich sage es dir noch einmal: Lass den Mann in Ruhe! Sonst …«
»Sonst was?«
Jeremy Slater machte einen Schritt auf den Deputy-Sheriff zu. Er überragte diesen um mindestens einen Kopf. In der Dunkelheit ließ sich Slaters kantiges Gesicht nur erahnen, trotzdem spürte man Bedrohung und mitleidlose Härte, die von ihm ausgingen. Instinktiv wich der Deputy-Sheriff einen Schritt zurück. Er glich in diesem Moment einer verängstigten Bergkatze, die vor einem mächtigen Löwen zurückweicht. Dann spürte der Cowboy, wie Slater den Blick auf ihn richtete. Die Konturen des mächtigen Mannes waren nun vom Licht des Saloons, das nach draußen fiel, klar umrissen.
»Das hier ist Sheridan Webster, der sich für den Ordnungshüter dieser Stadt hält«, begann Slater mit knirschender Stimme – eine Stimme, die zu seiner rauen Gestalt wie die Faust aufs Auge passte. »Er ist Desmond Picketts Knecht, der Sklave eines verabscheuungswürdigen Kerls, der meint, mit Angst und Schrecken könne man alles kaufen. Solange Webster macht, was Pickett will, darf er diesen Stern tragen.«
Sheridan Webster, der Deputy-Sheriff, blieb still. Trotz der Geräusche, die aus dem Saloon drangen, lag so etwas wie eine angespannte Stille über dem Gehsteig. Eine unsichtbare Glasglocke, die alle Geräusche von draußen dämpfte. »Pass auf, Sheridan! Irgendwann wirst du für diese Banditen nichts mehr wert sein und dann werden sie dich zum Teufel jagen!«
»Wir werden sehen, wer zum Teufel gejagt wird, Slater!« antwortete der Deputy-Sheriff, doch in seiner Stimme klang ein unsicherer Ton mit. Deshalb zog er seinen Hut tief ins Gesicht und würdigte die beiden Männer keines Blickes mehr. Es war ihm sichtlich unangenehm, dass seine innere Unruhe in seiner Stimme mitgeschwungen war. Wie ein Schemen verschwand er in den dunklen Gassen von Cheops.
»So ein Arschloch!«, murmelte der Cowboy und spuckte auf den Boden.
Slater bückte seine massige Gestalt unter den Handlauf des hölzernen Laufstegs und trat dem Cowboy direkt gegenüber. Und diesmal streckte er ihm die Hand entgegen. »Mein Name ist Jeremy Slater, aber das weißt du bestimmt schon – sonst hättest du nicht nach einem Job gefragt!«
Der Cowboy ergriff die Hand und musste sich sichtlich anstrengen, vor lauter Schmerz keine Grimasse zu schneiden. Der Händedruck seines Gegenübers war so stark, dass er das Gefühl hatte, Slater würde ihm alle Knochen brechen.
»Mein Name ist …«, er stockte für einen Moment, denn seinen alten Namen hatte er schon lange abgelegt. »Ich bin Rainer.«
»Du siehst aus, als hättest du einen langen Ritt hinter dir! Es sind noch ein paar Meilen bis zur Blue-Lodge-Ranch, aber wenn du die Zähne zusammenbeißt, dann kannst du in einem warmen Bett bei mir auf der Ranch schlafen und eine heiße Bohnensuppe am Lagerfeuer genießen!«
Slater mochte zwar ein hartes Äußeres haben, das in der Vergangenheit schon viele Prüfungen zu überstehen hatte und ihn zu dem gemacht hatte, was er jetzt war, aber in seinem Inneren gab es etwas Gutes, Reines, das Ungerechtigkeiten verabscheute und zu bekämpfen versuchte, wo immer es auftrat. Ihm war sofort klar, dass der Fremde nach dem Verlassen des Saloons Webster in die Arme laufen würde und danach verhaftet, ausgeraubt und womöglich auf Desmond Picketts Ranch verschleppt werden würde.
»Das weiß ich sehr zu schätzen, Sir!«, sagte der Cowboy und klopfte dem Rancher anerkennend auf die Schulter, wobei er das Gefühl hatte, dass er gegen ein Stück Stahl schlug. An dem muskulösen Mann war kein Gramm Fett zu viel.
»Gut, dann lass uns losreiten!«
Die Sonne brannte unbarmherzig auf die Prärie nieder, sodass sich feine Schweißperlen auf der Glatze des Reiters bildeten. Eine seltene Erbkrankheit hatte dazu geführt, dass kein einziges Härchen auf seinem Kopf gewachsen war. In der Schule hatte man Desmond Pickett deshalb gehänselt und Skull-Boy genannt; die Mädchen in seiner Klasse kicherten stets, wenn sie ihn sahen. Dieser Spott hatte ihn geschliffen wie einen rohen Diamanten, machte ihn zu dem, was er heute war: zu einem der mächtigsten und gefürchtetsten Männer in ganz Kansas!
Er stieg von seinem Pferd und musterte die Männer, die vor ihm auf den Knien im Staub lagen und deren Hände hinter dem Rücken gefesselt waren. Sie schwitzten wie die Tiere. Pickett musterte sie kalt. Seine stumpfen ausdruckslosen Augen wirkten in der Mittagssonne fast farblos. Es war, als blickte man in ein Wesen, das keine Seele besaß. Die perfekte Imitation eines Menschen, dessen Bewegungen wie bei einer Marionette von unsichtbaren Fäden eines Puppenspielers gesteuert wurden.
Pickett zog ein blau-weiß kariertes Tuch aus seiner Tasche und tupfte sich damit seinen glänzenden Schädel ab. »Wen haben wir denn hier, Gary?« Seine Stimme klang weich und sanft wie bei einem Knaben, der noch nicht in den Stimmbruch gekommen ist. Dabei wirkte die Stimme so fremdartig, dass den knienden Männern ein Schauer über den Rücken lief. Sie tauschten verängstigte Blicke aus.
Der Mann namens Gary trat nach vorne. Seine Hände umklammerten ein altes Sharpgewehr. Sein Narbengesicht weckte Erinnerungen an eine Ratte.
»Wir haben diese Bande von Viehdieben entdeckt, als sie unsere Rinder stehlen wollten, Boss!«, entgegnete Gary und zog seinen Hut zurecht, damit ihn die Sonne nicht blendete.
»Viehdiebe also?«
»Ganz recht, Boss!«
»Das stimmt nicht!«, wimmerte einer der gefesselten Männer. »Wir sind Maverickjäger und diese Rinder sind Mavericks! Sie werden kein Brandzeichen auf ihnen finden. Wir tun nichts Illegales!«
»Diese Rinder gehören zu meiner Stammherde«, sagte Desmond Pickett; in seiner kindlichen Stimme schwangen keinerlei Gefühle mit.
»Mavericks gehören demjenigen, der sie einfängt, Sir!«, protestierte der Mann auf dem Boden.
Desmond Pickett trat vor den Maverickjäger. Seine hohen schwarzen Reitstiefel glänzten makellos. Weder Staub noch Dreck befand sich auf der glatten Lederoberfläche. Es unterstrich die Andersartigkeit dieses Mannes.
»Was sollen wir mit ihnen machen, Boss?«, fragte Gary, der den Lauf des Gewehrs auf den Hinterkopf von einem der knienden Männer gerichtet hatte. In seinen Augen funkelte die Mordlust. Er war ein Bursche, der Gefallen am Töten gefunden hatte.
Einige von Picketts Männern waren von ihren Pferden abgestiegen und bildeten einen Halbkreis um die Gefangenen.
»Von welcher Ranch kommt ihr?«, erkundigte sich Pickett.
»Von keiner Ranch, Sir!«, antwortete der Gefangene, der sich zum Sprecher der Gruppe erhoben hatte. »Wir stammen aus San Juan und wollten eine Herde zusammentreiben, um sie nach Kansas zu bringen, wo die Verladebahnhöfe warten. Sir, wir haben wirklich nichts Illegales getan. Die Rinder haben kein Brandzeichen!«
Gary sah seinen Boss erwartungsvoll an, um von ihm das Zeichen zum Töten zu erhalten. Doch Desmond schüttelte den Kopf.
»Ricardo!«, rief er einem seiner Handlanger zu, der etwas abseits bei den Pferden stand. Es war ein schmieriger Kerl, vermutlich mexikanischer Herkunft, dem ein gewaltiger Sombrero auf dem Rücken baumelte. »Ich möchte meine Gäste singen hören!« Der Kerl grinste über beide Ohren und holte etwas aus der Satteltasche seines Pferdes, das zunächst wie ein feiner Draht aussah.
»Wisst ihr, was das ist?«, wollte Pickett von den Gefangenen wissen. Ricardo hielt den Leuten die Drähte vor die Nase, die unsicher den Kopf schüttelten. »Das sind Klaviersaiten!«, erklärte Desmond Pickett und seine feinen Lippen verzogen sich; in seinem Gesicht war so etwas wie eine Gefühlsregung zu erkennen. Das Gesicht dieses mächtigen Mannes erinnerte an einen grinsenden Totenschädel. »Wenn man einen Mann mit dem Draht einer Klaviersaite aufhängt, dann gibt er wunderbare Laute von sich. Ich bekomme jedes Mal einen Orgasmus, wenn wir Abschaum wie euch am nächsten Baum aufknüpfen!« Ein leises Beben durchzog seinen Körper und ein wohliger Schauer überkam ihn. »Ich möchte euch Pisser singen hören!«
»Bitte, Sir, ich flehe Sie an … wir haben doch Familien in San Juan …«
Desmond Pickett gab seinen Männern ein Zeichen. »Knüpft sie da hinten an den Bäumen auf. Ich will sie singen hören!« Und diesmal war so etwas wie Lust in seiner Stimme zu hören.
Die Gefangenen schrien wild durcheinander, einige versuchten sich aufzuraffen, wollten fliehen, doch sie bekamen den Kolben von Garys Sharpgewehr zu spüren. Es dauerte fast zehn Minuten, bis man die Männer zu den Bäumen geschleift hatte. Einer seiner Männer kletterte auf die Bäume, um die Klaviersaiten zu befestigen, denn dies erforderte mehr manuelle Feinarbeit, als ein Seil über den Ast zu werfen. Die Gefangen versuchten sich verzweifelt zu wehren, doch Picketts Handlanger hielten sie in Schach.
»Ich will euch singen hören«, säuselte Pickett wieder und blickte erwartungsvoll in die Runde.
»Sir, ich habe einen zwei Jahre alten Sohn. Bitte verschonen Sie mich!«, ertönte es angstvoll aus einer Kehle.
»Wenn Sie mich losbinden, dann gebe ich Ihnen mein ganzes Geld. Ich habe zu Hause einen ordentlichen Batzen angespart. Bitte!«, flehte ein anderer Mann verzweifelt um sein Leben.
Zehn Minuten später hingen sie wie Vieh im Schlachthof an den Klaviersaiten und kämpften erfolglos um ihr Leben. Die Klaviersaiten bohrten sich ins Fleisch; Blut rann aus dem Hals. Einer der Gehängten war so schwer, dass sein Gewicht stark nach unten zerrte und die stählerne Schlinge wie Butter durch sein Fleisch und sein Genick schnitt. Hart schlug der kopflose Körper auf dem staubigen Boden auf, während sich aus dem Stumpf eine wahre Blutfontäne ergoss. Die anderen Gehängten hatten nicht dieses Glück. Die Laute, die aus ihren geschundenen Kehlen erklangen, waren eine Mischung aus einem leisen Krächzen und Wimmern, während ihr Mund sich langsam mit Blut füllte und dieses sich über ihre Lippen ergoss. Das war es, was Pickett meinte, als er Ricardo befahl, die Männer zum Singen zu bringen. Die armen Teufel am Baum zappelten wie wild, während langsam alles Leben aus ihrem Körper wich. Es sollte jedoch noch einige Minuten dauern, bis sie endlich von ihren Qualen erlöst wurden.
Währenddessen stand Desmond Pickett mit heruntergelassener Hose vor den sterbenden Maverickjägern und onanierte. Einige seiner Männer grinsten, während andere ihren Ekel unterdrücken mussten. Sie wussten, dass Pickett ein Irrer war. Aber niemand wagte dies laut auszusprechen, denn sonst wäre er der Nächste, der um sein Leben singen würde.
Picketts farblose Augen gierten die zappelnden Leiber der Gehängten an; es schien, als wäre doch noch so etwas wie Leben in ihnen. Eine tiefe, niemals enden wollende Lust trieb diesen Irren zum Höhepunkt und brach dann mit einem lauten Schrei ab. Die Gehängten waren tot! Ihre Beine zuckten immer noch unrhythmisch hin und her, als wolle der Körper nicht akzeptieren, dass sich kein Leben mehr darin befand. Ein wohliger Schauer durchlief Pickett, er hatte dieses Schauspiel in vollen Zügen genossen.
»Mann, war das geil!«, schnurrte er wie eine zufriedene Katze. Während Pickett die Hose wieder hochzog, bemerkte er, dass etwas Weißes auf seinen makellosen Reitstiefeln gelandet war. Hastig fischte er das karierte Tuch aus seiner Tasche und begann, die Stiefel wie ein Wilder zu putzen. Immer und immer wieder. Seine Bewegungen wirkten dabei fahrig und verkrampft.
Keiner der Männer wagte es, Pickett anzuschauen. Einige starrten in die Weite der Prärie, andere schienen plötzlich ein ungewöhnliches Interesse an ihren eigenen Stiefeln gefunden zu haben.
»Verfluchte Scheiße!«, brüllte Pickett und es klang, als ob ein kleines Kind einen Wutanfall hatte. Er spie auf seine Stiefel, um mit seiner Spucke die Schlieren zu entfernen. Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis er das Tuch wieder wegsteckte und zufrieden auf seine Stiefelspitze schaute. Neuerliche Schweißperlen hatten sich auf seinem Schädel gebildet.
Pickett atmete tief ein und sein hagerer Körper schien sich von jetzt auf die nächste Sekunde zu beruhigen. Der Wutanfall war verschwunden und zurück blieb dieses leere ausdruckslose Gesicht mit den fast farblosen Augen.
»Wir kehren zum Stammhaus zurück!«, sagte er und wandte sich von den Toten ab. Die Männer erwachten aus ihrer Starre und eilten zu ihren Pferden.
»Ich werde Jenny heute keine Lust mehr bereiten können«, meinte Pickett zu dem Rattengesicht Gary, während sie aufstiegen.
»Warum nicht, Boss?«
»Ich muss mich erst erholen. Morgen werde ich es ihr ordentlich besorgen!«
»Genau, Boss!«, lachte Gary und gab seinem Pferd das Zeichen, sich in Bewegung zu setzen.
»Jetzt brauche ich etwas Anständiges zum Essen. Der Nigger soll uns ein Festmahl kochen!«, rief Pickett seinen Männern zu. Die Männer grölten ihre Zustimmung, denn sie waren ebenso hungrig wie ihr Boss.
Und so ritten Desmond Pickett und seine Bande zurück zu ihrem Stammhaus in den Wäldern.