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Kapitel 5

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Eine weitere aufregende Woche war vergangen, und das lag nicht unbedingt an Lucy. Auch wenn die Affendame Emmas ganze Aufmerksamkeit erforderte, war es eher Joshs Frage, ob sie am Wochenende etwas gemeinsam unternehmen wollten, die verwirrende Gefühle in ihr weckte. Natürlich wollte sie, auch wenn Emma das nicht so deutlich zum Ausdruck gebracht hatte. Trotzdem konnte sie den Samstag kaum erwarten. Die Tage vergingen unterschiedlich. War sie mit Josh und Lucy zusammen, verstrich die Zeit sehr schnell. War sie außerhalb des Tierparks, zogen sich die Stunden dahin, auch wenn Hector und ihre Mutter sich große Mühe gaben, dass Emma sich wohlfühlte. Und das tat sie, woran Josh einen nicht unerheblichen Anteil hatte.

Als er Emma am Samstag abholte, war es heiß und stickig. Sie entschied sich daher für einen kurzen schwarzen Rock, der ihre inzwischen gebräunten Beine gut zur Geltung brachte. Dazu trug sie ein dunkelrotes Top. Ihre Haare hatte sie hochgesteckt und mit einer Spange fixiert, die sie sich von ihrer Mutter auslieh. Emma war ein wenig nervös, als der Fahrstuhl kam, der Josh in die Penthouse-Wohnung brachte.

„Hey, gut siehst du aus.“

Emma legte den Kopf leicht zur Seite und lächelte ihn an. „Vielen Dank, aber das Kompliment kann ich zurückgeben.”

Josh hatte sich für ein paar hippe Bermudas und ein blaues Shirt entschieden.

„Wollen wir gleich los?”, fragte Emma, als er das Penthouse betrat.

„Für einen Kaffee wird es schon noch reichen.” Claudia trat auf ihn zu. „Freut mich, dich wiederzusehen.”

Josh ergriff Claudias Hand. „Ganz meinerseits, Miss Chapman. Wie ich höre, haben Sie sich gut in New York eingelebt?”

„Das haben wir, Josh”, antwortete Emmas Mutter mit einem Zwinkern und reichte ihm eine Kaffeetasse.

„Danke.” Josh pustete in die Tasse und nahm vorsichtig einen ersten Schluck. „Ist Hector nicht da?”

„Nein, er ist geschäftlich in Mexiko City und kommt erst morgen wieder.”

Josh nickte, und Emma meinte, für den Bruchteil einer Sekunde eine Spur von Erleichterung in seinem Blick zu erkennen.

„Und, was habt ihr vor?”, wollte Claudia wissen.

„Da bin ich auch gespannt”, antwortete Emma. „Josh wollte partout nicht sagen, wo er mit mir hinwill.”

„Wollen wir?” Ohne auf die Frage von Claudia einzugehen, deutete Josh auf die Tür.

„Dann los!” Emma griff nach ihrem Rucksack, in dem sie ihre Kamera verstaut hatte.

„Viel Spaß euch beiden.” Claudia winkte ihnen zu.

Ein paar Minuten später saßen sie in Joshs Pick-up. Anhand der Straßenschilder konnte Emma erkennen, dass sie in Richtung Brooklyn fuhren. „Willst du mir nicht endlich mal verraten, wo unsere Fahrt hingeht?” Emma blickte Josh mit Unschuldsmiene an.

„Geduld ist nicht gerade dein zweiter Vorname, oder?”, antwortete er amüsiert.

„Komm, ich habe schon die ganze Woche ausharren müssen. Da kann es nicht zu viel verlangt sein, wenn du mir einen kleinen Hinweis gibst.”

Josh sah aus den Augenwinkeln, dass Emma einen übertriebenen Schmollmund aufgesetzt hatte. Er musste lachen. „Meinetwegen. Du gibst ja doch keine Ruhe.” Josh wechselte die Spur. „Wir fahren nach Coney Island.”

„Ist das nicht eine Insel der Bermudas?”

„Kluges Mädchen.” Josh pfiff anerkennend durch die Zähne. „Aber auch hier gibt es eine Halbinsel, die so heißt.” Sie bogen auf den Ocean Parkway ein, und Josh erzählte Emma etwas über die geschichtlichen Hintergründe ihres Ziels. „Die Bezeichnung Kanincheninsel stammt aus der Zeit, als sich die ersten Europäer an der Ostküste ansiedelten und hier noch große Kaninchenpopulationen ansässig waren. In der Zeit der Sezessionskriege wurde die Insel zu einem Ferien- und Badeort für wohlhabende Amerikaner. Um den Reichen ein wenig Zerstreuung zu bieten, eröffneten einige Pferderennbahnen. Die zogen immer stärker normale Bürger an, sodass sich bald die ersten Fahrgeschäfte und Jahrmarktsbuden auf Coney Island ansiedelten. Bis zum Zweiten Weltkrieg entstand hier der größte Vergnügungspark der Welt. Nach dem Krieg lag das Gelände lange brach. Erst in den Siebzigern ging es wieder bergauf.”

Von Weitem konnte Emma einen großen Turm und die Silhouette eines Riesenrads erkennen.

„Ist das unser Ziel?”

Josh nickte, setzte den Blinker und fuhr auf einen Parkplatz, der gut gefüllt war. „Von hier können wir einen Shuttle-Bus nehmen.”

Die Küstennähe sorgte dafür, dass ein angenehmer Wind die Luft etwas erträglicher machte.

Emma kramte ihre Kamera hervor, ging zur Beifahrertür und bat Josh, sich an die Fahrertür zu lehnen. „Bitte recht freundlich, Herr Reiseführer.”

Nachdem Josh das Bild begutachtet hatte, stiegen sie in den klimatisierten Bus. Über den Riegelman Broadwalk erreichten sie die Surf Avenue. Der Bus hielt direkt vor einem Eingangsportal, auf dem in geschwungenen Lettern ASTROLAND stand. Der Park war eine Mischung aus Jahrmarktsfahrgeschäften, die Emma aus Deutschland kannte, und Attraktionen, die in Disneyland hätten stehen können. Herzstück war der 84 Meter hohe Astrotower, der ihr erstes Ziel war. Emma und Josh hatten Glück, denn anders als bei der Achterbahn oder der Mondrakete hielt sich der Besucherandrang beim Panoramaturm in Grenzen.

„Das ist der absolute Wahnsinn!”, kommentierte Emma den Aufstieg und kam mit dem Fotografieren kaum hinterher. „Was ist mit dem Riesenrad? Fahren wir damit auch noch?”

„Ja, allerdings steht das in einem anderen Park, den wir erst nach dem Mittagessen auf dem Programm haben.”

Es war kurz nach eins, als sie sich in einem der zahlreichen Schnellrestaurants einfanden. Sie reihten sich in die Schlange ein, und während Emma einen Burrito und eine Cola Light nahm, entschied sich Josh für einen großen Bacon-Cheeseburger mit Kartoffelecken und ein Root Beer. Mit ihren Tabletts steuerten sie nach draußen und fanden noch einen Platz im Schatten. Genussvoll biss Emma in ihren Burrito und hatte Mühe, dessen Füllung nicht komplett zu verlieren. Auch Josh hatte mit seinem Burger zu kämpfen. Schweigend genossen sie ihr Essen. Schließlich brach Emma das Schweigen.

„Was sagt eigentlich deine Freundin dazu, dass du den Tag mit mir verbringst?” Emmas Puls beschleunigte sich. Sie hatte die letzten Tage gegrübelt, wie sie herausfinden konnte, ob Josh eine Freundin hatte. Jetzt war die Chance gekommen.

„Nichts.”

Die Antwort erfreute Emma, denn sie musste sich eingestehen, dass sie Josh schon toll fand. Allerdings ernüchterten sie seine nächsten Worte.

„Mallory ist derzeit in Asien und absolviert dort ein Praktikum.”

Emma merkte, wie ihre gute Laune dabei war, sich zu verflüchtigen. Sie versuchte jedoch, sich nichts anmerken zu lassen.

„Und sie hat nichts dagegen, dass du mit mir unterwegs bist?”

„Warum sollte sie? Ich habe ihr erzählt, dass ich mich um dich kümmern soll.”

Emma verschluckte sich fast an ihrer Coke. „Was soll das denn heißen? Hat dich jemand beauftragt, mich zu beschäftigen?”

„Ja … nein.” Emma sah, dass Josh die Sache äußerst unangenehm war. „Wollen wir weiter?” Er deutete auf die leeren Tabletts, doch Emma war nicht gewillt, das Thema so einfach auf sich beruhen zu lassen.

„Nein. Ich gehe nirgendwo hin, bevor du mir nicht gesagt hast, wer dich auf mich angesetzt hat. War es Hector?”

„Aber es ist nicht so, wie du denkst”, antwortete Josh. „Ich bin sehr gern mit dir unterwegs.” Sanft berührte er Emmas rechten Arm. „Und Hector hat es nur gut gemeint. Er sorgt sich um dich und will, dass du dich hier wohlfühlst.”

Josh hoffte, dass Emma die Erklärung ausreichen würde. Offenbar verfehlten die Worte ihre Wirkung nicht, denn Emmas Gesichtszüge entspannten sich etwas. „Dann können wir weiter?“

Emma griff nach ihrem Rucksack. „Also los.”

Ihr nächstes Ziel war der Wonder Wheel Amusement Park. Neben einer Fahrt mit einer der ältesten Geisterbahnen war natürlich eine Fahrt mit dem Wonderwheel der Höhepunkt ihres Besuchs. Josh erzählte ihr, dass das Riesenrad 1920 nach den Entwürfen von Charles Herman geplant und von der Familie Garms erbaut worden war, und es gehörte seit vielen Jahren zu den Wahrzeichen von New York City. Die Wartezeit betrug gut eine Stunde, dafür bekamen sie einen Platz in einer der acht stationären Kabinen, von denen man einen wunderschönen Blick auf die Bucht von Coney Island hatte. Emma war in ihrem Element und machte unzählige Bilder, wobei Josh immer wieder als Model herhalten musste. Viel zu schnell ging auch diese Fahrt vorbei.

Es war bereits kurz nach sieben, als der Park seine Pforten schloss und Emma und Josh auf der Promenade von Coney Island standen. Hier tobte noch immer das Leben. Emma taten zwar die Füße weh, aber sie wollte nicht nach Hause und hoffte inständig, dass Josh das auch so sah.

„Was machen wir jetzt?”, fragte sie so unverfänglich wie möglich.

„Hast du Hunger? Unser Mittagessen ist schließlich schon eine Weile her.”

Emma nickte, und Josh deutete auf ein Hotdog-Restaurant. „Die Filiale von Nathan’s Famous ist ein weiterer Höhepunkt von Coney Island. Es ist immerhin das erste Lokal der Kette und wurde 1916 eröffnet. Du wirst sehen, die Hotdogs sind einfach unglaublich.”

„Dann lass uns hingehen.” Emma hakte sich bei Josh unter und betrat kurz darauf mit ihm das Restaurant. An den Wänden hingen zahlreiche Bilder, die Emma fragend ansah. „Jedes Jahr findet hier am vierten Juli ein Wettbewerb statt”, erklärte Josh, „bei dem es darum geht, in zwölf Minuten so viele Hotdogs wie möglich zu essen.”

„Toll”, kommentierte Emma, „und woanders verhungern die Menschen.”

„Da hast du schon recht”, pflichtete Josh ihr bei, „aber das ändert nichts an der Qualität der Hotdogs. Du wirst sehen.”

Josh hatte nicht zu viel versprochen, denn Emma hatte in der Tat noch keinen besseren Hotdog gegessen. „Solltest du nicht langsam mit dem Biertrinken aufhören? Immerhin willst du noch fahren.”

Josh sah Emma überrascht an.

Sie deutete auf seine Flasche. „Das ist bestimmt dein viertes oder fünftes Bier heute.” Emma hörte, wie Josh herzhaft zu lachen begann, und sah ihn verständnislos an. „Was ist daran so witzig?”, fragte sie bissig.

„Das ist Root Beer.”

„Ja und?”

„Das ist kein Bier, das ist ein alkoholfreies Erfrischungsgetränk.”

Emma spürte, wie ihr die Röte ins Gesicht stieg. „Sorry, das wusste ich nicht.”

„Kein Problem.” Josh lächelte noch immer und schob ihr die Flasche hin. „Möchtest du mal probieren? Schmeckt gut.”

Emma griff nach der Flasche und nahm einen kräftigen Schluck. Sekunden später verzog sie das Gesicht. „Igitt, was ist das denn?” Josh begann abermals zu lachen. „Das schmeckt ja fürchterlich.”

„Findest du? Ich finde es lecker.”

„Lecker?”, fragte Emma gedehnt. „Das Zeug ist eine Mischung aus Hustensaft und Kräuterbonbons.” Sie leerte ihre Coke, wurde aber den süßlich intensiven Kräutergeschmack nicht los.

„Sag ich doch, lecker”, antwortete Josh schelmisch. „Wenn wir ausgetrunken haben”, wechselte er das Thema, „machen wir uns langsam auf den Heimweg.”

„Schon?”, fragte Emma mit leichter Enttäuschung in der Stimme. „Hat Hector dir etwa vorgeschrieben, wann ich zu Hause sein muss?”

„Nein, aber ich will noch mit Mallory telefonieren.” Nur die Erwähnung des Namens ließ Emma zusammenzucken. Jedoch versuchte sie, sich nichts anmerken zu lassen. Immerhin hatte auch sie ja einen Freund, der ebenfalls Tausende Kilometer weg war. Seit Emmas Ankunft beschränkte sich der Kontakt allerdings auf ein paar belanglose Mails. Sie musste sich eingestehen, dass sie drauf und dran war, Gefühle für Josh zu entwickeln. Und Emma war sich sicher, dass auch sie Josh nicht gleichgültig war. Dafür war der Tag bisher viel zu schön gewesen. Nebeneinander gingen sie die Promenade entlang und sprachen über Gott und die Welt. Selten zuvor hatte sich Emma mit einem Jungen so gut verstanden. Von ihm fühlte sie sich ernst genommen. Allerdings sollten ihre aufkeimenden Gefühle nur einen Moment später eine eiskalte Dusche bekommen.

Joshs Handy klingelte, und Emma merkte mit Argwohn, dass es Mallory war.

„Hi, Mal. Ich dachte, wir wollten später telefonieren … nein, ich bin mit der Kleinen noch auf Coney Island … ja, wir hatten viel Spaß. Emma ist wie eine kleine Schwester …” Den Rest des Gesprächs nahm Emma gar nicht mehr wahr. Sie stieg in den Pick-up, und während der Rückfahrt sprach sie kein Wort mehr mit Josh.

Ein letzter Tag mit dir

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