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I have loved some ghost or other all my years Dead men, their kisses and their fading eyes

„Prayer before daybreak“, Joy Davidman

Am Tag, nachdem der Brief von Lewis gekommen war, lauschte ich dem winterlichen Lockruf des Windes. Auf dem Stuhl gegenüber lag ein Haufen Sachen, die zu nähen waren, doch ich beachtete sie nicht, sondern starrte aus dem Fenster. Ich vermisste meine ausufernden Spaziergänge über unser Land und die nach Apfelblüten duftende Luft meines Frühlingsgartens, der unter dem Frost schlummerte. Es würde wieder Frühling werden; so wie immer.

Ich setzte mich an meine Underwood-Schreibmaschine mit ihren schwarzen Tasten und dem eingespannten weißen Blatt, das auf mich wartete. Diese Nachmittagsstunde hatte ich fürs Gedichteschreiben reserviert; ein Geschenk an mich selbst.

The fires are in my guts and you may light

A candle at them that will do no good.

Ich hielt inne, nahm einen Schluck von meinem Tee und strich mir eine verirrte Haarsträhne hinters Ohr. Mit geschlossenen Augen forschte ich in den Tiefen meines Innern nach den nächsten Zeilen. Mein ganzes Leben lang hatte ich zum Schreiben die Stellen in mir angezapft, die verknotet waren, in der Hoffnung, die Knoten würden sich lösen.

„Joy!“, Bills Stimme zerriss die Stille.

Die Gedichtzeile wurde von seiner Stimme weggeblasen wie Löwenzahnsamen, die sich zerstreuen und nur einen verwaisten Blütenstand zurücklassen.

„Hier oben“, rief ich, als er schon in der Tür erschien und sich gegen den Rahmen lehnte. Zwischen seinen Lippen hing eine Zigarette.

„Nicht im Haus.“ Meine Worte würden nichts nützen, aber ich sagte es trotzdem.

„Die Jungs sind in der Schule.“ Er nahm einen langen Zug, inhalierte tief und ließ dann zwei Rauchfontänen aus den Nasenlöchern strömen. Dann fragte er mich: „Hast du das Telefon nicht gehört?“

Ich schüttelte den Kopf und schlang meine Strickjacke fester um mich.

„Brandt und Brandt haben angerufen. Sie wollen mit Macmillan einen Termin für dein Autorenfoto für die Umschlagrückseite vereinbaren.“

Brandt und Brandt waren meine Agentur. Es ging um Verlagsangelegenheiten.

„Danke“, sagte ich, leicht verärgert, dass ich den Anruf verpasst und Bill stattdessen mit ihnen gesprochen hatte. „Ich werde zurückrufen.“

„Alles okay?“, fragte er, kam näher und ließ Asche in den Papierkorb neben meinem Schreibtisch fallen.

„Ich bin rastlos. Und ich finde heute Nachmittag keine Worte, jedenfalls keine, die einen Sinn ergeben.“

„Warum rufst du nicht Belle in der Stadt an und lädst sie ein, zu Besuch zu kommen? Sie schafft es immer, dich aufzuheitern.“

„Sie hat auch viel um die Ohren mit ihrer Familie. Und wir versuchen beide, so viel wie möglich zu schreiben. Im Moment müssen wir es beim Telefonieren belassen.“

„Dieser Weg, den wir gewählt haben“, sagte er, die Zigarette dicht vor den Lippen. „Schriftsteller zu sein. Vielleicht hätten wir uns etwas Leichteres aussuchen sollen.“ Er sagte es im Scherz; es war ein trauter Moment.

„Als ob wir uns irgendetwas anderes hätten aussuchen können.“ Ich sah ihn an. „Ich vermisse das Gedichteschreiben, Bill. Ich vermisse es schrecklich.“

„Wir tun, was wir tun müssen. Du wirst schon wieder dazu kommen.“ Er küsste mich auf die Stirn und hielt dabei seine Zigarette hoch in die Luft. „Und jetzt zurück an die Arbeit.“

Er schaltete meinen kleinen Heizlüfter ein und schloss dann die Tür. Solche freundlichen Gesten milderten die Spannung und riefen längst verblasste Gefühle in mir wach. Ich wandte mich wieder der Schreibmaschine zu. Doch statt ein Gedicht zu schreiben, wollte ich Mr. Lewis antworten. Es war erst einen Tag her, und obwohl ich es mir nicht anmerken lassen wollte, brannte ich vor Ungeduld.

C. S. Lewis:

Ihre geistliche Suche gleicht ziemlich der meinen. Ziemlich erschreckend, wenn einem der große „Jagdhund des Himmels“ auf den Fersen ist, nicht wahr? Meine erste Reaktion war Wut und Entsetzen. Ich frage mich, ob Sie es ähnlich empfunden haben. Ich glaube, ich habe all die Jahre seit jenem Moment mit dem Versuch zugebracht, mir einen Reim auf all das zu machen. Aber sollen wir uns überhaupt einen Reim darauf machen? Ich bin mir nicht sicher, ob das der Grund für unsere Begegnung ist. Dennoch versuchen wir es. Es hört sich an, als hätten Sie sich in seinem Netz verfangen – Sie haben keine große Chance, zu entkommen.

Wie es scheint, hat mein Freund Chad Walsh Ihnen viel über mein Leben erzählt; bitte erzählen Sie mir auch von sich. Wie lautet Ihre Geschichte, Mr. und Mrs. Gresham?

Ich hielt inne, denn ich spürte den Wunsch, langsam an die Sache heranzugehen, mit Bedacht, mich nicht hineinzustürzen, wie ich es fast immer machte, um dann zu stolpern und hinzufallen und wieder aufstehen zu müssen.

Meine Geschichte – danach hatte er mich gefragt. Es war zu lange her, dass irgendjemand sich für mehr interessiert hatte als dafür, was es zu essen gab, ob die Wäsche fertig war oder ob die Hausaufgaben gemacht waren.

Joy:

Lieber Mr. Lewis, wie wunderbar, in der Eiseskälte des neuen Jahres hier in New York Ihren Brief zu bekommen.

Und jetzt? Wie findet man Worte für etwas, was man nur undeutlich wahrnimmt, wenn man selbst darin lebt? Mein ganzes Leben lang war ich auf der Suche nach der Wahrheit gewesen, oder zumindest nach meiner Wahrheit. Wenn es etwas gab, was ich schon immer mit beharrlicher Zielstrebigkeit getan hatte, dann war es dies – das Suchen besänftigte mein unruhiges Herz.

Ich hatte an so vieles geglaubt und an so wenig.

Ich hatte mich selbst zugrunde gerichtet und mich selbst gerettet.

Hier ist Mrs. Gresham, die Ihnen antwortet. Danke, dass Sie einige unserer Fragen beantwortet haben. Am meisten verblüfft hat mich, wie Sie mein Argument demontiert haben, die Sehnsucht sei etwas, was wir bekämpfen müssten – Ihre Aussage, dass, wenn wir uns nach mehr sehnen, dieses Mehr (Gott) auch existieren muss, leuchtet mir ein wie der blaue Himmel über mir.

Aber Sie haben ja nicht gefragt, ob ich Ihnen widerspreche oder zustimme. Sie haben mich nach meiner Geschichte gefragt.

Ich hielt inne und atmete durch.

Müsste ich nicht witziger und schlagfertiger sein? Eine Brieffreundin, mit der er sich gerne auf intellektuelle Debatten einlassen würde? Intelligenz war das Einzige, was mich über die Jahre aufrechterhalten hatte. Sie war das, was mich auszeichnete. Wie meine Eltern mir (und jedem, der es hören wollte) immer wieder in Erinnerung riefen, war ich nicht übermäßig mit Schönheit, Anmut oder Charme gesegnet. Meine Cousine Renee hatte all diese Eigenschaften für sich gepachtet. Sie war die Hübsche. Dafür war ich die Kluge, oder?

Masken sind das Kennzeichen meines Lebens, mein Thema, wenn Sie so wollen, die Geschichte der Joy. Die Fassade hat sich unzählige Male verändert, aber der Schmerz und die Leere in mir blieben immer gleich, und heute glaube ich, dass sie die Sehnsucht sind, die mich auf die Knie gebracht hat.

War das zu ernst?

Nein, schließlich hatte er gefragt.

Es waren meine Eltern, die mich mit meiner ersten Maske versahen: als Jüdin. Ich wurde als Helen Joy Davidman geboren. Gerufen wurde ich aber immer Joy.

Ich schrieb wie in Trance – schwarze Tinte grub sich unter dem Stakkato der Metalltypen in die Seiten. Als die Rufe meiner Söhne mir verrieten, dass sie aus der Schule zurück waren, tippte ich gerade die letzten Sätze.

Nach der tief greifenden Bekehrungserfahrung, die mich von meinem festen atheistischen Fundament riss, lässt mir meine Seele keine Ruhe mehr, bis ich Antworten auf einige meiner geistlichen Fragen finde – Fragen, die mich nicht loslassen, Fragen, die mit vollem Recht an mir nagen, bis ich Frieden finde. Wer ist dieser Gott, an den ich jetzt glaube? Was soll ich mit dieser Wahrheit anfangen? War es überhaupt real, oder habe ich mich wieder einmal selbst hinters Licht geführt mit einem Allheilmittel, das doch nichts heilen kann?

Ihre Joy

Als ich fertig war, reckte sich mein Herz, als erwachte es gerade aus einem langen, trägen Schlummer, und eine stille Hoffnung machte sich in mir breit. Ich lächelte. Dann zog ich die letzte Seite aus der Schreibmaschine, faltete die vier Seiten zusammen und steckte sie in einen Umschlag.

Draußen heulte ein beginnender Sturm durch den Winternachmittag; meine Söhne spielten Ritter, die um eine Jungfrau kämpften, mein Mann hatte sich in sein Arbeitszimmer zurückgezogen; und ich versiegelte einen Brief an C. S. Lewis, in dem ich alle meine Masken fallen ließ.

Ich wollte, dass er mich kannte. Ich wollte, dass er mich sah.

Mrs. Lewis

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