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Between two rivers, in the wistful weather, Sky changing, tree undressing, summer failing

„Sonnet VI“, Joy Davidman

Der September in Oxford ist eine Pracht aus Farben und seidiger Luft, aus Goldtönen und efeubedeckter Hoffnung. Es war, als wäre man versetzt worden in das Land eines Märchens, von dem man vergessen hatte, dass man es gelesen hat.

Ich schlenderte neben Jack her, während er bei jedem Schritt seinen Gehstock schwenkte. Sein Anglerhut saß ihm schief auf dem Kopf. Wir überquerten die High Street, und ich sah zum ersten Mal das Magdalen College vor mir, das Ehrfurcht gebietend am Ufer des Cherwell lag. Ich blieb wie angewurzelt stehen. „Umwerfend!“ Ich bestaunte den steinernen Turm des Colleges, dessen acht Zinnen zum tiefblauen Himmel emporragten. Eine mächtige Befestigung aus Mauern und Türen umringte die Kalksteingebäude.

„Ich war ebenso überwältigt, als ich es zum ersten Mal sah“, sagte Jack. „Es geht mir immer noch so. Aus der Nähe ist es genauso schön. Kommen Sie.“

„Wissen Sie“, sagte ich, „nach dem hektischen Trubel in London und den Trümmerfeldern dort kommt mir das hier so ursprünglich und unberührt vor.“

Ein Ausdruck von Wehmut glitt über Jacks Gesicht, aber dann wandte er sich mir zu und nickte. „Ja, die Bomben sind uns erspart geblieben – Hitler hatte vor, sich Oxford einzuverleiben, und wollte es erhalten. Wir haben einige Male Flugzeuge kommen sehen, die dann aber am Fluss nach links oder rechts abdrehten.“

Ich schaute unwillkürlich nach oben, als schwirrten dort auch jetzt Flugzeuge über uns hinweg. „Ich bin so froh, hier zu sein.“

„Ich freue mich, dass Sie die Reise unternommen haben.“ Er lächelte mich an.

Phyl und George gingen voraus durch die große Holztür des Colleges. Jack und ich blieben allein zurück. Das gelbe Laub bildete einen dicken Teppich unter unseren Füßen, während sich noch ein paar wenige Blätter mit ihren zarten Stielen an die Bäume klammerten. Grabsteine waren am Rand des Bürgersteigs genauso selbstverständlich wie Bänke oder steinerne Mauern.

Wir gingen gemächlich; ich hatte es nicht eilig. Die graue, verwitterte Holztür zum Magdalen College, die so imposant wie die Türen am Buckingham-Palast waren, die ich gesehen hatte, ließen wir links liegen, und Jack führte mich zuerst über eine steinerne Brücke. Auf halbem Weg blieb er stehen, und wir lehnten uns zusammen an das alte Mauerwerk und ließen den Anblick des Cherwell auf uns wirken. Als wir so nebeneinanderstanden, unsere Schultern nur einen Hauch voneinander entfernt, kam mir eine Zeile aus Shakespeares König Johann in den Sinn, die von Flüssen handelte: „Traut nicht den schlauen Wassern seiner Augen, denn Bosheit ist nicht ohne solches Nass.“

Wir schauten einander mit großen Augen an und sagten wie aus einem Mund: „König Johann.“

Jack holte ein Etui aus seiner Tasche und entnahm ihm eine Zigarette. Das Streichholz schlug er mit einer schnellen Bewegung fest gegen die Reibefläche. Dann hielt er die Flamme an das Ende der Zigarette und zog an ihr, bis sie brannte. All das geschah langsam, mit Bedacht, als hätte er alle Zeit der Welt, um diese eine Handlung auf einer steinernen Brücke über einem Fluss zu vollbringen.

An den Ufern unter uns lagen dicht gedrängt die Stechkähne, fest miteinander vertäut, und warteten darauf, dass jemand sich ihrer bediente. Die Weiden standen über den Fluss gebeugt, als wollten sie ihn streicheln, und ihre Zweige tanzten in der Brise.

Ich brach das Schweigen. „Dieser Fluss“, sagte ich, „ist wie das Leben.“

„Inwiefern?“ Jack drehte sich zu mir um, lehnte sich gegen das Steingeländer und nahm einen langen Zug aus seiner Zigarette.

Das hatte ich nun davon, dass ich so gedankenlos daherredete. „Das fließende Wasser“, sagte ich mit fester Stimme. „Es erreicht sein Ziel am Meer, was auch immer geschieht.“

Er überlegte. „Ich finde, das Leben ist eher wie ein Baum. Die Äste verzweigen sich immer mehr, je größer er wird. Jeder davon ist eine individuelle Entscheidung.“

„Jack.“ Ich deutete auf den Fluss, der unter uns dahinströmte. „Das ist der Fluss des Lebens. Er ist durch seine Ufer gebunden, aber dennoch frei. Diskutieren Sie manchmal nur so aus Spaß?“, fragte ich dann lachend. „Nur um zu sehen, ob ich mithalten kann?“

„Ach nein – dass Sie mit mir mithalten können, bezweifle ich nicht. Der Fluss allerdings ist zwar eine schöne Metapher, aber zu unseren Entscheidungen im Leben passt er nicht. Wir treffen uns nicht alle am selben Ort, wie Flüsse es tun.“

Seine Augen waren tief dunkelbraun, und ich fragte mich unwillkürlich, was sie in mir sahen – er verstand es, ganz da zu sein, im Hier und Jetzt, und dadurch freundliche Aufmerksamkeit auszustrahlen.

„Entscheidungen.“ Ich beugte mich herab und hob eine Handvoll Blätter auf, um sie dann durch meine Finger fallen zu lassen. „Was ist, wenn wir uns falsch entscheiden? Brennen wir dann in einer ewigen Hölle? Glauben Sie das?“ Ich warf ein Blatt auf ihn. „So wie Sie es in Die große Scheidung geschrieben haben? Man kann kein Souvenir von dem mitnehmen, was man liebt?“

Er lachte. „Unser Briefwechsel hat mir schon Spaß gemacht, aber mit Ihnen zu plaudern, ist noch besser.“

„Ja.“ Ich holte tief Luft und sprach die Wahrheit aus. „Im Lauf der Jahre begannen wieder Worte in meinem trägen Herzen zu schlagen, unsere Worte, mit der Kraft, die in ihnen liegt.“

Jack lächelte. Das goldene Sonnenlicht lugte hinter einer ausgefransten Wolke hervor und fiel sanft auf sein Gesicht. Einen Moment lang, nicht länger und nicht kürzer als der, den ich im Kinderzimmer meiner Söhne auf den Knien verbracht hatte, fühlte sich mein Körper losgelöst von der Erde, als wären wir nur ein Fragment aus einem Traum. Mein Puls flatterte in meinen Handgelenken, in meiner Brust, in meinem Bauch. Ein warmer Strom, zaghaft, aber unaufhaltsam, durchflutete mich.

Oh, Joy, sei bloß vorsichtig, sehr vorsichtig!

Er hatte meinen Verstand und mein Denken erobert; ich konnte nicht zulassen, dass er dasselbe auch mit meinem Herzen tat.

Ich löste meinen Blick von seinem Lächeln und seinen verschmitzten Augen, und wir schlenderten zusammen zurück, woher wir gekommen waren, vorbei an Bäumen, in deren Ästen sich Vogelnester verbargen, die aussahen wie kleine Hüte. Schließlich trennten uns nur noch wenige Schritte vom Eingang des Magdalen College. Als ich den Namen des Colleges zum ersten Mal gelesen hatte, hatte ich ihn falsch ausgesprochen. Dem Himmel sei Dank, dass ich erfuhr, wie es richtig heißen muss, bevor ich Jack begegnete – nämlich „Modlin“ mit einem langen, offenen O. Doch wir gingen immer noch nicht hinein. Jack setzte sich auf eine Bank und schlug die Beine übereinander.

Der Rauch seiner Zigarette, die er zwischen Daumen und Zeigefinger hielt, stieg in Ringen nach oben. Er breitete seine Arme auf der Rückenlehne der Bank aus.

„Es geht nicht so sehr um irgendwelche Souvenirs, die wir mitnehmen wollen, sondern um unsere Herzen, die wir bei uns tragen müssen“, sagte er. „Sie sehnen sich nach dem Hochland, wie ich es nenne, und doch kommen wir nicht hin, ohne unsere Überzeugung aufzugeben, das hier sei alles, was es gibt, und wir müssten es nach Kräften auskosten und versuchen, etwas davon mitzunehmen.“ Dann sah er mich schweigend an, wie jemand in einer Debatte, der gerade sein Argument besiegelt hat.

„Oh, Jack“, sagte ich und setzte mich neben ihn. „Ihr Hochland ist mein Märchenland. Ich habe davon geträumt, seit ich ein Kind war. Als ich Das Schloss und die Insel las, wusste ich, dass Sie von demselben Ort sprachen – von der ‚Insel‘, wie Sie es nannten.“ Dieser Gedankenaustausch mit einem Mann, dessen Verstand ich schätzen gelernt hatte, fühlte sich an wie Wasser für eine ausgetrocknete Seele.

Ich fuhr fort. „Sie und ich, wir hatten beide als Kinder dasselbe Erlebnis, dieses Entzücken, das die Natur bringt, das Wissen, dass manchmal die Welt ein so sehnsuchtsvolles Gefühl hervorruft, dass es sich mit Worten nicht beschreiben lässt. Und diese Sehnsucht deutet hin auf einen Ort, wo Böses nicht existieren und Leid nicht bestehen kann. Schon als wir noch nicht gläubig waren, glaubten wir dennoch. Es kommt mir vor, als hätten wir denselben Weg eingeschlagen und als hätte das Hochland uns beide gerufen.“

Er nickte, und ich hatte fast den Eindruck, er würde ein wenig rot. „Das Schloss und die Insel war das erste Buch, das ich nach meiner Bekehrung geschrieben habe, als ich über die Sehnsucht nachdachte und darüber, was sie bedeuten könnte.“ Er sah mich mit einem stillen Lächeln an. „An diesem herrlichen Nachmittag mit seinem gelben Laub sehne ich mich noch mehr nach solch einem Ort“, sagte er. „Ist das nicht seltsam? Dass wir hier glücklich sein können und dennoch … dorthin gehen wollen?“

„Als ob wir gerade dann, wenn wir am glücklichsten sind, noch mehr wollen. Als ob das hier der Vorgeschmack wäre.“ Ich holte tief Luft. „Jack, wenn ich auf mein Leben zurückblicke, verstehe ich die Verlockung des Atheismus, aber jetzt erscheint er mir fast unmöglich. Wie konnte ich überhaupt nicht glauben, wenn mein Herz es doch schon immer wusste?“

„Vielleicht haben wir zu einfach gedacht.“

Ich spürte meinen Erinnerungen nach und schüttelte den Kopf. „Ich weiß nicht; ich glaube, ich wollte einfach, dass meine Seele mir selbst gehört.“

„Genau.“ Er nickte, als hätte er dieselben Erinnerungen.

„Haben Sie jemals …?“ Ich zögerte.

„Habe ich jemals was?“

„Eine andere Präsenz gespürt? Das Gefühl gehabt, als ob sich der Schleier für einen Augenblick hob? Und ich meine nicht nur im Gebet.“

„Wie meinen Sie das, Joy?“ Er beugte sich vor.

„Als mein Freund Steven Vincent Benét starb, konnte ich ihn spüren. Ich glaube … nein, ich weiß, dass ich seinen Geist vorübergehen sah.“ Ich zog sogar den Kopf ein. „Klingt das verrückt?“

Jack rückte näher und senkte seine Stimme, während er den Rest seiner Zigarette zertrat. „Joy, als Charles Williams starb, war ich am Boden zerstört; es traf mich wie ein Schlag. Ich ging in den Pub, in dem wir oft zusammengesessen hatten – das ‚King’s Arms‘ – und bestellte mir ein Bier. In diesem Moment spürte ich meinen Freund. Er war bei mir, und er ging an mir vorbei. Niemand wird mich je vom Gegenteil überzeugen. Tollers findet das absurd, aber ich weiß, dass es wahr ist.“

Wir sahen einander mit großen Augen an – wieder eine Gemeinsamkeit, die uns verband.


Wir durchschritten den Torbogen ins College, und ein unermessliches Glücksgefühl erfüllte mich, als Jack sich in einen Fremdenführer verwandelte. Seine Stimme wurde tiefer.

„Sie wissen sicher, dass Oxford aus fünfunddreißig Colleges besteht, und dieses hier – Magdalen – ist nur eines davon, und es befindet sich außerhalb der Mauern der mittelalterlichen Stadt.“

„Neunhundert Jahre alt“, sagte ich. „Das habe ich gelesen. An einem Ort mit so langer Geschichte fühlt man sich klein.“

Der Glockenturm von Magdalen hob sich glitzernd weiß vor dem blauen Himmel ab, ein Meisterstück geometrischer Präzision, gekrönt von acht Zinnen. Ich deutete auf den Turm, als wir näher kamen. „Das ist ein Phallussymbol für eine von Männern beherrschte Institution, stimmt’s?“

Jack blieb stehen und hob seine Augenbrauen über den Rand seiner Brille, um dann mit einer Wolke aus Zigarettenrauch in schallendes Gelächter auszubrechen. „Sie halten mit Ihrer Meinung nicht hinter dem Berg, nicht wahr, Joy?“, sagte er in einem so herrlichen irischen Ton, dass mir das Herz in die Kniekehlen rutschte.

Seine Stimme, dachte ich, klingt wie ein Ozean in einer Muschel.

„Ich habe das Gefühl, ich könnte nie genug bekommen von diesem Ort.“ Ich blieb stehen und ließ meinen Blick über die Gebäude wandern, die efeubedeckten Mauern, die dichten, makellosen Rasenflächen mit säuberlich gepflegten Gehwegen. „Und dieser Eingang …“ Wir näherten uns der massiven Holztür, die mit dicken Messingbesätzen dekoriert war und geschützt unter einem steinernen Torbogen saß. „Er sieht aus, als könnte jederzeit eines von Ihren magischen Wesen daraus zum Vorschein kommen.“

„Der Haupteingang zum Innenhof“, sagte er. „Es ist faszinierend, diese vertrauten Dinge mit Ihren Augen zu sehen.“

Die steinerne Mauer, so informierte mich Jack, wurde „Longwall“ genannt und umschloss das Magdalen College: die Mensa, den Kreuzgang, die Räumlichkeiten der Tutoren, die Kapelle, die Studentenzimmer, die Bibliothek und alles andere. Wir traten ein und gingen durch die aus Kalkstein gemauerten Gänge und Flure, die von einer Erhabenheit waren, in der das ganze Gewicht ihrer Vergangenheit lag. Flechten wuchsen entlang der Pfade und in den Spalten zwischen den Kalksteinen aus dem Steinbruch von Headington. Ich machte einen Witz über geheime, verborgene Räume – ein Verlies vielleicht. Das Mittelalter hing in der Luft und schien sich in den Fluren und den engen Treppenhäusern zu verstecken.

In einem vollkommenen Quadrat umlief der Kreuzgang eine grüne Rasenfläche. Diese Gänge waren blassgelb verputzt, die offenen Fensterbögen zum Innenhof mit Kragsteinen und Reliefen verziert. Wir umrundeten gemeinsam den ganzen Innenhof und gelangten, nachdem wir dreimal links abgebogen waren, wieder an unseren Ausgangspunkt zurück. Die ganze Zeit über unterhielten wir uns angeregt, als würden wir nie wieder damit aufhören. Nach der zweiten Runde blieben wir stehen und blickten in den grünen Innenhof. Von den Gebäuden, die sich über den Kreuzgang erhoben, starrten Wasserspeier auf uns herab. „Ich bin mir nicht sicher, ob sie uns beobachten oder bewachen“, sagte ich und deutete hinauf.

Er duckte sich mit gespielter Angst unter den steinernen Fratzen. „Nun hier entlang.“ Er deutete voraus. „Gehen wir ein Stück am Fluss entlang.“

Ich folgte ihm aus dem Kreuzgang hinaus auf ein weit offenes Feld. „Knapp fünfzig Hektar“, sagte er. Und dann gingen wir durch ein schmiedeeisernes Tor unter einem Bogen auf eine kleinere Steinbrücke, unter der ein Nebenarm des verzweigten Cherwell entlangfloss. „Dies ist Addison’s Walk.“ Der Fußweg war von zwei dichten Baumreihen gesäumt, unter denen gerade so viel Platz war, dass man sich zugleich frei und geschützt fühlte.

„Mit dem Bau des Ganzen wurde 1458 begonnen“, erklärte er mir und blieb mit ausgebreiteten Armen stehen. „Und diese Wiese“ – er deutete voraus – „ist im Frühjahr übersät mit Blüten von einer überwältigenden violett-grünen Farbe.“

Fritillaria Meleagris“, sagte ich.

Sein herzhaftes Lachen klang mir jetzt schon vertraut.

„Sind Sie etwa ein wandelndes botanisches Lexikon?“, wollte er wissen.

„Der Meinung sind jedenfalls meine Söhne“, sagte ich. „Ich habe so manchen Tag meiner Kindheit damit zugebracht, durch den Botanischen Garten in der Bronx zu wandern und mir die wissenschaftlichen Bezeichnungen all der Pflanzen und Blumen einzuprägen.“

Als wir gemeinsam dort auf dem Fußweg standen, fragte ich mich, ob meine Augen je in der Lage sein würden, die ganze Herrlichkeit dieses Ortes wahrzunehmen; für einen Besuch war es zu viel. Die Architektur und die umgebende Natur verschmolzen zu etwas so Erhabenem, dass es Jahre oder Jahrzehnte dauern würde, alles wirklich wahrzunehmen.

Ich drehte mich zu ihm um. „Jack, da ist etwas, worüber ich mir den Kopf zerbreche.“

„Und das wäre? Welche Frage habe ich denn noch nicht beantwortet?“

„Warum nennen alle Sie Jack, wo Sie doch eigentlich Clive heißen?“

„Ach so!“ Er schwang seinen Gehstock empor und steckte ihn dann in den Boden. „Nun, das ist eine längere Geschichte.“

„Erzählen Sie!“ Ich stemmte meine Hände in die Hüften und blieb unverwandt stehen. „Ich bin bereit, Sir.“

„Na schön. Als ich ein kleiner Junge war, hatten wir einen Hund namens Jacksie. An einem warmen Sommertag, einem Tag wie aus dem Bilderbuch, waren Warnie und ich unterwegs in die Stadt, als ein Auto um die Kurve gerast kam und unseren Hund überfuhr. Er starb direkt vor unseren Augen.“ Jack schüttelte den Kopf. „Wenn ich eine Sache von Gott erbitten könnte, dann würde ich ihn bitten, dass kein kleiner Junge jemals mit ansehen muss, wie sein geliebter Hund getötet wird.“ Er schüttelte sich und fuhr dann fort. „Deshalb verkündete ich, mein Name sei Jack, und schwor, niemals Auto zu fahren.“

„Sie haben sich nach einem Hund benannt, und Sie fahren nicht Auto.“ Ich lachte, und er setzte sich mit seinem Gehstock wieder in Bewegung und vergewisserte sich mit einem Blick über die Schulter, ob ich ihm folgte.

„Nun wissen Sie vielleicht alles, was es zu wissen gibt.“

„Das bezweifle ich“, sagte ich, während wir zu Phyl und George aufschlossen.

„Liebes“, rief sie und kam zu uns. „Ich muss los, wenn ich den letzten Zug noch erwischen will.“

„Und ich“, sagte George, „muss zurück nach Malvern. Der Tag heute war mir ein ausgesprochenes Vergnügen.“ Er neigte seinen Kopf, tippte sich an den Hut und entfernte sich anschließend.

Ich bedanke mich bei Phyl, und wieder waren Jack und ich allein. Wir unterhielten uns und wanderten über das Collegegelände, bis sich der Nachmittagshimmel gegen Abend rosa einfärbte.

Dann nahmen wir höflich voneinander Abschied. Als ich ihm verriet, dass ich noch zehn Tage bleiben würde, lächelte er. Und dieser Mann, wenn er lächelte … dann war das das Einzige, was man sehen wollte. Auf den Fotos sah sein Gesicht immer so ernst aus, doch es steckte voller Leben und Heiterkeit. Er schien jederzeit bereit, unter dem leisesten Vorwand in Gelächter auszubrechen. Ich verspürte den Drang, ihm jeden Vorwand zu liefern.

Ich war unsicher, ob ich ihn umarmen oder ihm die Hand schütteln sollte. Letzten Endes tat ich keins von beiden, denn er hielt mit beiden Händen den Knauf seines Gehstocks fest. „Mein Bruder Warnie hat morgen Zeit. Möchten Sie gerne mit uns hier zu Mittag essen?“

„Sehr gern“, sagte ich.

„Wo wohnen Sie?“

„Bei der Freundin einer Freundin, Victoria Ruffer. In der Zwischenzeit werde ich es voll auskosten, kreuz und quer durch die Stadt zu laufen und alles zu bewundern. Der Herbst hier dürfte so ziemlich das Schönste sein, was ich je gesehen habe.“

„Ja, er ist herrlich. Im Herbst hat man das Gefühl, alles sei möglich.“

„Das Gefühl habe ich eher im Frühjahr.“ Ich öffnete meine Hände wie eine aufblühende Blume. „Wenn alles Leben aus der gefrorenen Erde wieder zum Vorschein kommt.“

Er lächelte verschmitzt.

„Was ist? Habe ich etwas Falsches gesagt?“

„Nein.“ Er schüttelte den Kopf. „Aber Sie haben jedenfalls Ihre eigene Meinung über alles. Das wusste ich schon aus Ihren Briefen, aber jetzt merke ich es auf Schritt und Tritt.“

„Ja, es ist schlimm mit mir. Ich weiß.“

„Ich finde das überhaupt nicht schlimm.“ Er musterte mich genau, als ob er mich zum ersten Mal sähe.

Wir gingen unserer Wege, und ich machte mich durch die märchenhaften Straßen von Oxford auf den Weg zurück zu Victorias Wohnung. Ich wusste schon, was ich tun würde, sobald ich die Tür zu meinem kleinen Gästezimmer hinter mir zugemacht hatte: ein Gedicht schreiben. Was sonst sollte man tun mit all diesen Gefühlen, die, wie der Frühling, zu verkünden schienen, dass die Welt im Begriff war, von Neuem zu beginnen?

Mrs. Lewis

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