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Neunzehn Monate später August 1951

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Im August flirrte die Luft durch Hitze und Regen, als unser alter Impala mit röchelndem Vergaser auf den Sommersitz von Chad und Eva Walsh einbog. Nachdem ich Chad wegen seines Artikels kontaktiert hatte, war durch Telefonate und Briefe eine intellektuelle wie geistliche Freundschaft zwischen uns entstanden. Letztlich hatten seine Frau und seine vier Töchter uns auf unserer Farm nördlich von New York besucht. Die Walshs waren gute Freunde geworden.

Davy und Douglas hüpften auf dem Rücksitz herum, erschöpft von der langen Fahrt und hungrig. Sie hatten ihren großzügig eingepackten Proviant bereits vollständig verdrückt, bevor wir auch nur die Staatsgrenze von New York passiert hatten. Bills Hände umklammerten angespannt das silberfarbene Steuer, als wir eine saftig grüne Landschaft durchfuhren – mit zerklüfteten Felsen und moosbewachsenen Bäumen, mit dichten, wilden Feldern und einem kristallklaren See, der im Sonnenlicht funkelte.

Wir waren uns beide einig, dieser Ausflug, um Chad und Eva zu besuchen, bot die Aussicht auf eine willkommene Atempause.

Doch am Morgen hatte Bill sich plötzlich quergestellt. „Willst du den Urlaub bei Chad verbringen, nur weil er Lewis gut kennt?“, fragte er mich, während wir packten.

„Das ist doch absurd.“ Ich stand am Fußende des Bettes mit meinem halb gefüllten offenen Koffer.

Bill zog eine Schublade auf und wandte sich dann wieder mir zu. „Immerhin war er es, der dich überhaupt auf die Idee gebracht hat, Lewis zu schreiben.“

„Bill“, sagte ich und trat näher zu ihm. „Chad ist der führende Experte für Lewis in den Vereinigten Staaten. Er ist ein Professor. Und er hat genau wie wir in der Mitte seines Lebens zum Glauben gefunden. Er ist dir ein ebenso guter Freund wie mir. Wenn du diesen Urlaub nicht machen willst, dann fahren wir eben nicht zu ihm. Aber sag es mir bitte jetzt.“

Bill gab mir einen flüchtigen Kuss, der meinen Mund verfehlte und auf meiner Wange landete. „Nein, wir müssen hier mal raus. Wir brauchen eine Pause“, sagte er. „Vermont ist vielleicht genau das Richtige.“

Joy:

Mr. Lewis, ich stecke fest in einem „dunklen Wald, wo der Weg völlig verschwunden ist“, wie Dante es beschreibt. Mutterschaft ist etwas Selbstloses. Schreiben ist egoistisch. Das Aufeinandertreffen dieser beiden unerbittlichen Wahrheiten schafft ein dünnes Drahtseil, von dem ich jeden Tag herunterfalle, und wir alle Schaden erleiden. Doch von meinem Garten zehre ich. Ist Ihrer schon erblüht?

C. S. Lewis:

Mrs. Gresham, in diesem dunklen Wald habe ich mich auch schon verirrt und dasselbe empfunden, natürlich nicht im Hinblick auf Mutterschaft (was sehr merkwürdig wäre), sondern auf mein Leben und meine Arbeit. Gott hat uns solche Zeiten vorausgesagt; die Dunkelheit gehört dazu. Wie Sie finde ich Trost und Stärkung in der Natur und bei meinen langen Spaziergängen auf dem Shotover Hill (Werden Sie eines Tages kommen und sich diesen Ort anschauen und mit uns wandern?). Das Einzige, was die Natur von uns verlangt, ist hinzuschauen und einfach da zu sein. Aber verlangen Sie nicht mehr von ihr, als sie geben kann.

Es war anderthalb Jahre her, seit jener erste Umschlag aus Oxford gekommen war. Inzwischen wusste ich schon nicht mehr, wie viele Briefe Mr. Lewis und ich bereits ausgetauscht hatten. Sie flogen über den Ozean wie Vögel, die sich im Flug begegneten.

Ich sammelte die kleinen Begebenheiten meines Alltags und bewahrte sie auf wie Schätze. Das alles wollte ich ihm erzählen, wollte ihm mein Leben zeigen und von seinem lesen. Auf nichts in meinem Leben wartete ich so gespannt wie auf seine Briefe, und die alten las ich immer wieder, bis ein neuer eintraf.

Im Jahr zuvor war Der König von Narnia auf unserer Seite des Ozeans erschienen, wodurch meine Jungs Anteil an Mr. Lewis genommen hatten, als ich ihnen das Buch vorlas. Nun war gerade Prinz Kaspian veröffentlicht worden, und wir hatten es mit auf die Reise genommen. Unentwegt las ich aus der Erzählung vor, bis Aslan und Lucy und Edmund uns so vertraut waren, als gehörten sie zur Familie.

C. S. Lewis:

Aha, Sie bemerken den mittelalterlichen Einfluss in meinen Geschichten; er rührt vor allem aus meiner Weltsicht. Von Beruf bin ich hauptsächlich ein Mediävist – mit einem Verlangen nach Sinn und auf der Suche nach Wahrheit, und ich glaube daran, dass Geschichten dazu da sind, zu erfreuen und zu belehren.

Joy:

Ihre arthurischen Einflüsse stecken tief in Ihrer Prosa. Sie müssen schon früh auf seine Legenden gestoßen sein.

C. S. Lewis:

Tatsächlich habe ich König Arthur schon sehr früh entdeckt, mit acht Jahren, um genau zu sein. Wie ich sehe, war das im selben Alter, als Sie beschlossen haben, Atheistin zu sein. Und seitdem hat er meine Vorstellungskraft vermutlich stark beeinflusst. Nebst Dante, Platon und antikem griechischen Denken und natürlich vielen anderen Einflüssen. Wie können wir je sicher sein, was alles unsere Arbeit durchdrungen hat? Aus eben diesem Grund müssen wir gut darauf achten, was wir lesen.

Durch die Sichtweisen in seinen Briefen lernte ich eine andere Art von Leben kennen: eines, das von Frieden, von Verbundenheit und von intellektueller Vertrautheit geprägt war, von Humor und Freundlichkeit, und ich labte mich daran.

Indessen drehte sich im Jahr 1951 die Welt weiter um ihre Achse: die „Große Flut“ überschwemmte die Staaten des Mittleren Westens, an einem geheimen Ort in Nevada wurde die Atombombe getestet, im Koreakrieg kamen amerikanische Männer ums Leben. Und Perry Como, Tony Bennett und I Love Lucy bemühten sich, unsere Ängste mit Musik und Gelächter zu zerstreuen, während Harry Truman General MacArthur feuerte.

In unserem Haus aber tobte ein anderer Kampf. Meine immer wiederkehrenden Auseinandersetzungen mit Bill nahmen monströse Ausmaße an. Es war mir peinlich, was im Laufe der Jahre aus uns geworden war, und ich war entschlossen, es zu ändern und unsere Ehe zu retten und zu heilen.

Nur einen Monat vor dem Urlaub hatte Bill betrunken die Seiten eines misslungenen Manuskripts durchs Zimmer geschleudert und sich dann sein Jagdgewehr geschnappt und wild damit herumgefuchtelt.

„Hör auf!“, hatte ich gerufen. „Du machst mir Angst, und die Jungs schlafen!“

„Du hast mich nie verstanden, Joy. Nicht ein einziges Mal. Du hast das Haus bekommen, das du wolltest, den Ruhm, den du dir gewünscht hast, aber was ist mit mir?“

„Bill, du redest Unsinn. Du bist betrunken. Leg jetzt das blöde Gewehr weg!“

„Es ist nicht geladen, Joy. Mach doch nicht so ein Drama um alles!“

Er richtete den Lauf zur Decke empor, zog den Abzug und schoss ein Loch in den Putz. Voller Angst, getrieben von einem Adrenalinschub und mit wild pochendem Herzen, stürmte ich die Treppe hinauf. Ich war so verwirrt, dass ich mir nicht vorstellen konnte, wo mit Blick auf das Schlussloch das Zimmer der Jungs lag. Ich konnte vor Panik kaum atmen, als ich den oberen Treppenabsatz erreicht hatte und merkte, dass die Kugel ins Gästezimmer eingedrungen war und im Fußboden ein Guckloch hinterlassen hatte.

Bill kam gemächlich hinter mir her, das Gewehr hing schlaff in seiner Hand.

„Oh!“, sagte er und starrte auf das zersplitterte Holz. „Ich dachte, die Kammer wäre leer.“

Ich schlug ihm die Tür vor der Nase zu, ließ mich auf das Bett fallen und zitterte vor Wut. Das war bloß eine schwache Reaktion meinerseits, aber ich wusste einfach nicht, was ich sonst hätte tun sollen. Ich konnte mir nur noch mehr Mühe geben. Beten. Mehr tun. Und mich an den Briefen festhalten, von denen ich bei meiner Suche nach Wahrheit und Sinn zehrte.

C. S. Lewis:

Mein Bruder Warnie liest Ihre Briefe genauso gern wie ich. Er lacht schallend über Ihre Geschichten. Er wird Ihnen auch bald schreiben. Zurzeit steckt er tief in Recherchen für eine Sammlung zur französischen Geschichte. Habe ich Ihnen schon gesagt, dass er ebenfalls ein famoser Schriftsteller ist?

Joy:

Ich beneide Sie (womit ich ein Gebot übertrete, nicht wahr?) um Ihre enge Verbundenheit mit Ihrem Bruder und darum, wie Sie miteinander umgehen. Meine Beziehung zu meinem Bruder ist zerbrochen, und das ist meine Schuld. In der New York Post erschien eine Artikelserie unter dem Titel „Girl Communist“, in der ich viel von meiner Seele preisgab und Geschichten aus meiner Vergangenheit erzählte, wie ich vom Atheismus zum Kommunismus und schließlich zu Christus gekommen war. Damals hatte ich das Gefühl, Integrität zu beweisen, indem ich wahrheitsgemäß von dieser Reise berichtete. Aber jetzt bin ich mir nicht mehr sicher. Howie waren diese Familiengeschichten peinlich; es kränkte ihn, dass ich mein Engagement für die Partei gestanden und mich zu meinen jugendlichen Missetaten bekannt hatte. Er ist immer noch wütend und hat seither nicht mit mir gesprochen. Das ist ein großer Verlust. Kennen Sie nicht auch diesen Schmerz, beim Schreiben Ihre Seele offenzulegen und darunter zu leiden?

C. S. Lewis:

Ja, Joy, diesen Schmerz kenne ich gut. Wenn wir die Wahrheit schreiben, wird uns nicht immer eine große Masse applaudieren. Aber schreiben müssen wir sie dennoch.

An jenem ersten Nachmittag in Vermont, nachdem ich ausgepackt hatte und die Männer mit den Kindern zum See hinuntergegangen waren, spazierten Eva und ich in der strahlenden Sommersonne die langen Pfade zwischen wilden Blumenbeeten am Seeufer entlang. Sie erkundigte sich, wie es unserer Familie ging.

„Das ist zu viel, um darüber zu reden“, sagte ich ihr. „Ich versuche, mich davon frei zu machen und immer ein Lächeln für die Jungs zu haben, Eva. Ich möchte, dass sie glücklich sind. Wir finden es wunderbar, dass wir hier sein dürfen. Lass uns jetzt nicht über schwere Dinge sprechen.“

„Welche schweren Dinge, Joy? Ich bin doch deine Freundin.“ Sie pflückte eine Schwarzäugige Susanne und steckte sie sich hinters Ohr. Die gelben Blütenblätter hoben sich leuchtend von ihren dunklen Haaren ab.

Ich wollte ihr nicht alles sagen, wollte nicht klagen. Meine Schilddrüse verhielt sich wieder einmal sehr träge, was mich sehr müde machte. Die Jungs hatten mit Asthma und Allergien zu kämpfen, Bill mit Heuschnupfen, Phobien und einem drohenden Nervenzusammenbruch. Dann der Alkohol, immer wieder der Alkohol. Und insgeheim hatte ich den Verdacht, dass es wieder andere Frauen gab.

Ich sah forschend in ihr liebes Gesicht, bevor ich sie fragte: „Hast du je das Gefühl, dass es mehr gibt, dass das Leben so viel mehr zu bieten hat und wir es irgendwie verpassen? Ich möchte Teil eines größeren Ganzen sein, möchte etwas bewirken, es sehen und spüren, mich damit auseinandersetzen. Spürst du nicht auch diese Sehnsucht in dir?“

Sie lächelte mich an. „Aber wir bewirken doch etwas – indem wir uns um das kümmern, was Gott uns mit unseren Kindern gegeben hat.“

„Das meine ich nicht, Eva.“

„Ich weiß.“ Sie berührte meinen Arm. „Ich weiß.“

„Ich möchte ein eigenes Leben – mit Herz, Verstand und Seele, als die, die ich wirklich bin. Ich will, dass mein Leben mir gehört, und doch will ich zugleich auch, dass es meiner Familie und Gott gehört. Ich weiß nicht, wie ich das miteinander vereinbaren soll.“

Sie lachte. „Und du möchtest das alles auf einmal herausfinden, nicht wahr?“

„Genau.“

Sie schüttelte den Kopf. „Es geht nicht immer nur um Logik, aber das weißt du ja – ich habe deine Gedichte gelesen.“ Sie überlegte einen Moment. „Es geht um Hingabe, glaube ich.“ Sie hielt ihre flache Hand über die Augenbrauen, um ihre Augen vor der Sonne zu schützen, und rief nach einer ihrer Töchter. „Madeline?“

„Wir sind im See, Mami“, rief Madeline zurück.

Eva nahm mich an der Hand. „Komm schon, Joy. Lass uns ein bisschen Spaß haben!“

C. S. Lewis:

Sie fragen nach meinem traurigsten Moment? Ganz offensichtlich der Tod meiner Mutter, als ich zehn Jahre alt war. Sie wurde vom Krebs dahingerafft; es war der prägende Moment des Grauens in meinem Leben, in dem alles verlässliche Glück verschwand. Es war, als ob der Kontinent meines Lebens im Meer versank. Und übrigens, nennen Sie mich bitte Jack, wie es alle meine Freunde tun.

Joy:

Ja, sind es nicht unsere Tiefpunkte, die anschließend unser ganzes Leben beeinflussen? Welcher war meiner? Vielleicht gibt es zu viele, um sie zu zählen, aber wenn ich einen auswählen soll, dann ist es der Tag, als ich mit ansah, wie sich ein junges Mädchen das Leben nahm. In meinem zweiten Jahr auf dem Hunter College – ich saß gerade an meinem Schreibtisch und lernte –, schaute ich aus dem Fenster und sah sie wie einen Vogel vom obersten Geschoss des Gebäudes auf die gegenüberliegende Seite des Innenhofs fliegen. Als sie auf dem Pflaster aufschlug und ganz verrenkt und blutig dalag, wusste ich, dass ich nie wieder dieselbe sein würde. Und nachdem ich herausgefunden hatte, dass ihre Armut und ihr Hunger die Ursache gewesen waren, war das, glaube ich, mein erster Impuls, der mich zum Kommunismus trieb – die Ungerechtigkeit.

Und übrigens, ja, es ist mir eine Ehre, dass Sie mich als Freundin betrachten und ich Sie Jack nennen darf. Bitte nennen Sie mich Joy.

„Wovon träumst du, wenn du dir mehr erträumst als das hier, Joy?“, wollte Eva wissen, als wir den Hügel hinabschlenderten.

„Als ich ganz klein war, und noch viele Jahre danach, hatte ich immer wieder denselben Traum.“

„Erzähl mir davon!“ Eva blieb abrupt stehen und schob ihre Sonnenbrille hoch.

„Ich gehe eine Straße entlang. Es fängt immer in einer vertrauten Nachbarschaft an, aber wenn ich weitergehe, komme ich an eine Biegung auf einem Feldweg, und plötzlich kenne ich mich da nicht mehr aus. Aber ich gehe immer weiter. Ich weiß, dass ich mich verlaufen habe, aber aus irgendeinem Grund habe ich keine Angst. Der Pfad ist von Weiden und Eichen gesäumt, mit hohen Ästen, die sich schützend über mich breiten. Osterglocken und Tulpen blühen leuchtend wie in den Parks meiner Kindheit. Das Gras ist dicht und smaragdgrün. Es kommt mir alles zu üppig und zu vertraut vor, als dass ich Angst haben müsste. Ich gehe immer weiter, bis der Weg sich weitet.“

„Und dann?“ Eva war neugierig geworden.

„Weckt nicht schon das Bild dieses Pfades in dir die Sehnsucht nach etwas Wunderbarem? So, als würde ich dir gleich die beste Geschichte erzählen, die du je gehört hast? Eine Geschichte, die dich zutiefst erfüllen wird?“

Sie lachte. „Ja, das stimmt. Erzähl weiter.“

„Der Weg ergießt sich in eine immergrüne Waldlandschaft mit mächtigen Felsen und einem Waldboden voller kleiner Pilze und Blüten“, sagte ich. „Es ist ein Ort, den ich Feenland nenne. Und wenn ich dort ankomme, habe ich das Gefühl, dass mir das Herz vor Glück zerspringt. Weit hinten hinter dem Hügel steht ein Schloss, dessen Turmspitzen sich bis in die Wolken erheben. Ich bin noch nicht dort, aber ich weiß schon, dass es dort keinen Hass gibt, kein Herzeleid. Alles Traurige oder Schreckliche ist nur eine Lüge. Alles ist gut. Friede regiert.“

„Gelangst du jemals dorthin?“, fragte Eva. „In deinem Traum?“

„Nein.“ Ich schüttelte den Kopf und spürte wieder die alte Enttäuschung, die mich oft erfüllte, wenn ich aus diesem Traum erwachte. „Ich wache immer auf, bevor ich dort ankomme. Ich kann es nur dort sehen.“ Ich hielt inne. „Jack habe ich auch von diesem Traum erzählt.“

„Lewis? Das hast du ihm erzählt? Ich wusste nicht, dass ihr euch so nahe steht.“

Ich lachte. „Wir sind uns noch nicht einmal begegnet, aber ja. Das Erstaunliche ist, dass er sich denselben Ort auch schon vorgestellt hat. Er hat in seinem Buch Das Schloss und die Insel darüber geschrieben, über dieses Feenland. Also, er nennt es ‚die Insel‘, aber es ist die Beschreibung, die Vorstellung von einem Ort, wo die Sehnsucht sich erfüllt.“

„Wir alle möchten glauben, dass etwas Vollkommenes vor uns liegt. Das ist der Himmel, Joy.“

„Ich weiß. Aber hier ist der Unterschied – ich habe das schon geträumt, als ich noch gar nicht glaubte, dass es etwas Größeres gibt als das, was wir vor Augen haben. Erst Jacks Buch hat mir die Augen dafür geöffnet, was mein Traum wirklich bedeutet.“

„Kommt denn sein Pilger je auf seiner Insel an?“, fragte sie, als wäre nichts wichtiger für sie, als das zu erfahren, und vielleicht war es ja auch so.

„Ja, das tut er.“

Sie atmete erleichtert aus.

Jack:

Sie müssen allmählich frustriert sein, dass ich nicht alle Ihre Fragen beantworten kann, Joy. Ich kenne kaum jemanden mit einem so schnellen und geschmeidigen Verstand wie Sie. Aber manchmal habe ich keine andere Antwort als die, die er selbst gegeben hat, nämlich „Folge mir nach“. Ihre Ehe und die Untreue Ihres Mannes hören sich an wie das blanke Grauen, aber Sie klingen auch entschlossen zur Liebe.

Joy:

Ja, bei den Fragen, die mir keine Ruhe lassen, ist es das Beste, mich an Ihre Antwort zu erinnern. Daran werde ich mich immer und immer wieder halten: „Folge mir nach.“

Eva blieb stehen, als wir die Hügelkuppe erreichten und Bill und Chad mit einem Picknickkorb zwischen sich auf einer Decke liegen sahen. Alle sechs Kinder planschten lärmend am Ufer des Sees herum. Ein Farbenmeer wilder Blumen, Fingerhut und Leberblümchen, Astern und Christophskraut, reckte uns seine offenen Blüten entgegen, als sehnte es sich verzweifelt nach unserer Aufmerksamkeit.

„Schau dir diese Welt an“, sagte ich. „Was für ein unfassbares Wunder der Schönheit. So möchte ich leben, nicht so, als wäre das Leben eine einzige Last.“ Ich bückte mich, pflückte eine Blume und hielt sie der Sonne entgegen.

„Das ist ein wunderbarer Gedanke. Meine liebe Freundin, du bist die faszinierendste Frau, die ich kenne. Ich bin überglücklich, dass du hier bist.“ Sie drückte mich fest und setzte sich anschließend in Bewegung, den Hügel hinab, um zu den Männern zu gelangen.

Ich blieb einen Moment lang stehen. Das Wasser kräuselte sich vom Planschen und Schwimmen der Kinder. Bill und Chad boten einen einladenden Anblick, wie sie da lachend auf der Picknickdecke lagen.

Es waren zwei Leben, die ich führte: eines hier unter der warmen Sonne, mit dem fröhlichen Lärm der Kinder, dem Gesang der Vögel im Baldachin der Eichen über uns, dem Plätschern des Sees. Parallel dazu gab es ein zweites Leben: das, in dem meine Gedanken darum kreisten, wie ich diese Momente und Gefühle Jack beschreiben sollte. Was von diesem Tag würde ich mit ihm teilen? Ich lebte mit ihm in meinen Gedanken, während ich äußerlich mit meiner Familie picknickte. Es war verwirrend und machte mich zugleich ausgeglichener.

Langsam ging ich hinunter und erreichte die Decke, wo Eva bereits Platz genommen hatte und unbeschwert lachend ihr Gesicht in die Sonne hielt. Ich war neidisch. Wie glücklich sie war mit ihrem Mann und ihren vier Mädchen.

Chad lächelte mich an. Seine dunklen Haare klebten feucht an seinem runden, lebhaften Gesicht. „Willkommen, die Damen.“ Ohne es zu merken, kratzte er an ein paar Mückenstichen herum, die sich auf seinen sommersprossigen Armen erhoben.

Eva wandte sich ihm zu, und er beugte sich über sie und küsste sie auf den Mund. „Was treibt ihr Jungs denn hier unten?“

Bill setzte sich auf. „Poogle!“, rief er so überschwänglich, dass es sich anhörte, als wäre ich gerade von einer weiten Reise zurückgekommen. Auch er beugte sich über mich und küsste mich. Seine Lippen schmeckten nach Chianti, und er legte sanft seine Handfläche an meine Wange. „Bist du nicht froh, dass wir hergekommen sind?“ Er wandte sich wieder an Chad. „Wie können wir euch das je danken?“ Übermütig sprang er auf und rannte an den See zu den Kindern. Im Laufen schnappte er sich Davy, hob ihn hoch über den Kopf und stürzte sich mit ihm begeisternd quietschvergnügt ins Wasser.

Jack:

Ich habe den Aufsatz „Longest Way Round“ gelesen, den Sie über Ihre Bekehrung geschrieben haben. Ich staune über Ihre Fähigkeit, etwas zu erklären, was beinahe unmöglich in Worte zu fassen ist – die Kraft einer Umkehr und die Erkenntnis, dass der Atheismus zu simpel war. Das ist flammend geschrieben. Nicht vieles in unserer Welt ist so einfach, wie es erscheint, und wenn man tiefer graben will, wie Sie es tun, Joy, muss man sich auf die Schwierigkeiten auf diesem Weg gefasst machen. Die meisten tun das nicht. Und es ehrt mich, dass Sie in Ihrem Aufsatz meine Werke erwähnen. Danke dafür.

Joy:

In diesem Aufsatz sage ich, dass ich mich seit jener halben Minute ganz allmählich in eine neue Person verwandle. Und zum ersten Mal seit langer Zeit spüre ich diese Veränderung wieder – die Umgestaltung hin zu einem neuen Leben mit meinem wahren Ich.

Ja, natürlich habe ich Ihre Werke erwähnt. Sowohl die Dienstanweisung für einen Unterteufel als auch Die große Scheidung haben die schlummernden Bereiche meines geistlichen Lebens aufgeweckt. Es hat ein wenig gedauert, aber die Geschichten rumorten in meinem Innern, bis ich bereit war. Ist es nicht mit allen guten Geschichten so? Aber Sie waren es, Jack, der mich gelehrt hat, wo ich in meiner intellektuellen Analyse in die Irre gegangen war. Ihre Worte waren nicht der letzte Schritt zu meiner Bekehrung, sondern der erste.

Chad nahm eine Flasche Chianti, füllte ein Glas damit und reichte es mir.

Eva sah zu Bill im See hinüber und senkte dann ihre Stimme, als sprächen wir über ein Geheimnis. „Ich möchte wissen, wie das alles angefangen hat“, kam sie auf das Thema Jack zurück. „Worüber schreibt ihr beide in euren Briefen?“

„Alles Mögliche. Bücher. Theorien. Wir führen eine ausgedehnte Debatte über Empfängnisverhütung. Liebe. Mythologie. Unsere Träume. Unsere Arbeit.“ Ich lachte. „Kein Thema ist tabu.“

Eva lächelte. „Es gibt überall gelehrte Männer, die sich darum reißen würden, mit Lewis über Philosophie und Träume zu korrespondieren.“

„Eva, mir kommt es so vor, als hätte mich alles, was ich in meinem Leben gelesen und geschrieben habe, zu dieser Freundschaft hingeführt.“

„So ein Gefühl kenne ich gar nicht.“ Eva lächelte mich an. „Außer für meine Mädchen.“

„Und was ist mit mir, mein Schatz?“, fragte Chad und zog sie an sich.

„Für dich auch.“

Ich warf einen Blick hinunter zu Bill, der am Seeufer gerade Davy vom Ende des Bootssteges ins Wasser warf.

Ich schrieb über die Zehn Gebote, doch ich kämpfte damit, was sie für mein eigenes Leben bedeuteten. Ja, ich war entschlossen, verheiratet zu bleiben. Ich wollte, dass es mit Bill funktionierte, und doch drehten sich meine Gedanken darum, was ich einem anderen Mann sagen oder schreiben könnte und was er mir wohl darauf antworten würde. Das war keine Untreue, aber was war es dann?

Jack:

Sie haben nach der Mythologie gefragt. Es war Tolkien (Haben Sie schon etwas von ihm gelesen?), der mich von dem einen wahren Mythos überzeugt hat – Jesus Christus. Es war keine leichte Bekehrung für mich, sondern sie brauchte ein langes nächtliches Gespräch am Flussufer.

Joy:

Natürlich habe ich Der Hobbit gelesen (und meinen Söhnen vorgelesen). Ein außergewöhnliches Buch. Was die Mythen betrifft, habe ich mich früher für meine Neigung zu Mythologie und Fantasie geschämt, aber sie hat mir geholfen, mir einen Reim auf eine scheinbar sinnlose Welt zu machen. Und jetzt bin ich dankbar dafür, denn sie hat mich zu Ihren Werken und zu meinen Überzeugungen geführt. Mit zwölf habe ich MacDonalds Phantastes entdeckt, als ich mich in der Schulbibliothek langweilte. Früher glaubte ich nur an eine dreidimensionale Welt, aber was ich mir wünschte, war eine vierdimensionale Welt, und die fand ich in jenen Geschichten. Im Rückblick scheint ein genialer Plan dahinterzustecken – jede Geschichte war ein Trittstein auf dem Weg dahin, wo ich heute stehe.

Jack:

Meine Güte! Was für ein freudiger Zufall – Phantastes war das Buch, das meine eigene Vorstellungskraft getauft hat, und nun hat es Sie zu meinen Werken geführt. Was für eine Freude, eine Brieffreundin zu haben, die ich bewundere und von der ich stets gerne höre. Ich freue mich schon sehr auf Ihren nächsten Brief.

Chad stand auf und gesellte sich zu Bill und den Kindern im See. Ich ließ langsam den Chianti über meine Zunge rollen und mich von dem warmen Dunst um uns herum einhüllen. Von ferne war ein Donnergrollen zu hören.

Eva stöhnte. „Nicht schon wieder Regen!“ Sie drehte sich auf die Seite und musterte mich. „Was hat dir geholfen, dieses Jahr zu überstehen“, fragte sie, „wenn doch so viel im Argen liegt?“

Ich zog meine Beine an mich und legte das leere Glas seitlich ins Gras. „Meine Söhne. Das Schreiben. Mich Gott zu nähern, oder dem, was ich von ihm weiß, so gut ich kann. Manches am Christentum ist mir immer noch nicht so ganz klar wie anscheinend dir.“

„Mir ist keineswegs alles klar.“ Sie stützte ihr Gesicht auf ihre Handfläche. „Das geht wohl uns allen so.“

„Werden wir es je verstehen? Du bist schon so viel länger gläubig als ich.“

„Ich glaube nicht, Joy. Es ist ein Entfalten. Ein beständiges Entfalten hin zu einem neuen Leben – oder im besten Fall ist es so.“

„Neues Leben.“ Ich sprach die Worte aus, als wollte ich sie schmecken.

Mrs. Lewis

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