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Kapitel 6: Ganz schön clever

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Die Wochen vergehen wie im Flug. Nun habe ich also auch schon Aufträge außer Haus vergeben. Ich kann es kaum glauben. Da darf man nicht zu zimperlich sein. Schon clever, wie ich gleich erkannt habe, daß ich auf diese Art mein Angebotsspektrum erweitern kann. War etwas aufgeregt, als ich ’Beatrice aus Catania’ den Auftrag gab. Ich kannte sie ja gar nicht, aber so lernt man sich kennen und das ist unbedingt sinnvoll. Ich sage nur eins: Völkerverständigung!

Ein gutes Gefühl, als ich ihre Bewerbung las: ’An die Geschäftsleitung.’

Wer sagt es denn! Das habe ich mir gleich zweimal laut vorgelesen: An die ’Geschäftsleitung’...Die meinte mich! Wen auch sonst? Ist ja sonst niemand da. Ein rasanter Aufstieg. Vor kurzem noch arbeitssuchend und jetzt schon Geschäftsführer, mein eigener Chef! Ich warte auf den Tag, an dem ich meinen eigenen Urlaubsantrag abzeichne: (Kritsch musternder Blick, wobei ich mich gleich danach wieder in den Wirtschaftsteil der FAZ vertiefe): ‘Und Sie meinen, Sie haben U r l a u b verdient?‘ Ich habe keine Vorgesetzen mehr. Natürlich habe ich Beatrice gleich ausführlich geantwortet, den Eingang bestätigt und ihr zugesichert, daß ihre Kontaktdaten in meine Datenbank aufgenommen werden. Das wird ihr imponiert haben. Als dann die Anfrage kam, rief ich bei ihr zu Hause in Italien an. Vorher habe ich noch nachgeprüft, was ’Geschäftsführer’ auf Italienisch heißt:

’Gerente’, ’Amministratore.’ Solche Worte hat man einfach parat. Nach einigem Nachdenken habe ich mich für den zweiten Ausdruck entschieden.

Am Telefon war aber nicht Beatrice, sondern ’Antonio’, ihr Bruder. Er sprach mit starkem Akzent und war nur bedingt zu verstehen. Der hat bestimmt einen eher praktischen Beruf. Sprachliche Verständigung schien nicht seine Stärke. Nach kurzer Zeit schrie er regelrecht und ich mußte den Hörer ein Stück weit weghalten. Irgendwann kam sie dann und man hörte im Hintergrund lebhafte häusliche Szenen. (So erweitert man ganz nebenbei seine interkulturelle Kompetenz.) Ob ich ein falsches Wort erwischt habe? Ein Missverständnis? Nun denn. Auf jeden Fall erkannte sie mich nach einiger Zeit und konnte sich nach 10 Minuten sogar an ihre Bewerbung erinnern: Den Auftrag könne sie natürlich übernehmen. Wir wurden uns schnell einig,

Einige Tage später rückte der Abgabetermin immer näher. Von Beatrice bzw. ihrer Übersetzung war keine Spur zu sehen...Sollte da etwas verloren gegangen sein? Sizilien ist schließlich eine Insel. Wer weiß, wie die da die Internetkabel verlegen. Ich rief also wieder an. Erfreulich war, daß Antonio mich gleich an der Stimme erkannte. Er zeigte dies durch Schreien. Irgendwann hatte ich den Eindruck, daß er mich verdächtigte. Er ließ sich dann aber doch bewegen, Beatrice zu rufen. Sie kam, etwas atemlos und ließ einen Wortschwall los: Es sei etwas S c h r e c k l i c h e s geschehen, ein Cousin von ihr sei plötzlich verstorben. Und da habe sie auf die Beerdigung gemusst. Deshalb sei sie noch nicht fertig, dafür habe ich doch bestimmt Verständnis, oder? Ich habe sie natürlich sofort beruhigt. Als Unternehmer hat man nicht zuletzt eine soziale Verantwortung. Der Cousin geht vor (auch, wenn er jetzt nicht mehr gehen kann). Der Kunde wird das auch so sehen. Es geht doch nichts über einen verständnisvollen Geschäftsführer. Mir schien regelrecht, wie sie um einige Kilo leichter wurde, vor lauter Erleichterung. Ich gab ihr also einen Aufschub von 1 Tag.

Wie schwer von Begriff manche Leute sind: Ich rief meinen Kunden gleich an und informierte ihn detailliert über den Unglücksfall und was macht er? Statt mir für meine gewissenhafte Erklärung zu danken (ich hätte ihn ja auch schmoren lassen können), brüllt er (!), er kenne diesen Herrn Cousin nicht, hege auch keine Absicht die Familie kennenlernen, er wolle einzig und allein die zugesagte Übersetzung!!! Wie soll Europa da zusammenwachsen?! Was für ein Egozentriker!

Adrian Babelssohn

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