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Prolog

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Forest of the wolvesWhere the trees have a thousand eyesTake a primordial breathLet the ancient spirits rise“

~ Varg – A Thousand Eyes

"Wie eine Eule oder zauberhafte Elfe:wie ein schrecklich feuriger Drache,wie Warwulf, Löwe, Stier oder Bär,doch geh nun, ehe jene kommt.im Abbild deiner selbst."

~Scottish Poems: Philotus

The faerie temperament is a complex one.“

~ Faeries, Brian Froud and Alan Lee

Die Mittagssonne stand hoch über der Suwanischen Steppe. Die gleißende Scheibe brachte jedoch nur wenig an Wärme, denn der Winter war bereits gekommen und dieser nahm sich jenes Land stets mit besonderer Härte. Blau beherrschte den Himmel und nur ganz wenige Wolkenfetzen hingen wie in Starre. Die Weite zur Erde bot allein Ebenen und Hügeln dar, die sich in alle Richtungen gleichermaßen erstreckten. Alles war bedeckt von Schnee, der jedoch nur dünn verweilte und immer wieder Stellen von hellbraunem Gras übrig ließ. Hier gab es keine tiefen Forste, nur etwas höheres Gestrüpp zwischen vereinzelten Steinen und Felsen. Die Seen und Bäche hatten seit den ersten Frostnächten eine Eisdecke bekommen, allein der große Fluss Ulug-Chem, der sich Meile um Meile als die wohl wichtigste Lebensader durch die Steppe schlängelte, floss noch mit glitzernden Wassern. Es mochte kein Wind wehen, aber ein beständiges Rauschen war aus weiter Ferne mal lauter und dann wieder weniger deutlich zu hören. Sie schmeckte metallisch, die klamme Luft. Und sie roch nach erfrorenem Gras, nach Erde, die längst erstickt war.

Manchmal knarzte etwas im Schnee, aber schnell verschwand kleines Getier wieder. Unerwartete Bewegung in der Regungslosigkeit einer Landschaft. Irgendwo galoppierte eine große Herde Wildpferde mit Donnern und Wiehern vorüber. Mit schrillem Kreischen stieß plötzlich ein Adler auf die Erde herab, ehe er sich wieder mit einer toten Springmaus gen Himmel erhob.

Nach nur kurzem Flug schrie der Raubvogel erschrocken auf und ließ seine soeben erlegte Beute wieder fallen. Ein großer Schatten hatte sich mit einem Mal über ihn und die Steppe gelegt. Etwas verdunkelte die Sonne, etwas mit gewaltigen Schwingen. Gen Osten zog das groteske Ungetüm, dessen Silhouette sich mit Federn, Klauen und Hörnern gegen das Licht abzeichnete. Nur ein einziges dröhnendes Schlagen der Flügel genügte, damit es für eine lange Weile noch weiter und höher zu gleiten vermochte. Es hatte Brüste und ein menschliches Antlitz.

Mit schrillem Knistern schloss sich das Sphärenportal hinter dem Hexer. Es mochte die schnellstmögliche Art des Reisens sein, aber eigentlich hasste er vor allem dieses gänzlich unangenehme Gefühl danach, das ähnlich war wie das zu frühe Erwachen aus tiefem Schlaf samt der entsprechenden Orientierungslosigkeit. Er ging einige Schritte vorwärts um sich vom steinernen Bogen, der sich inmitten einer gewaltigen gotischen Halle befand, zu entfernen, damit wenigstens die Haut nicht mehr durch die langsam abklingende Woge von frei gesetzter Magie kribbelte. Schweiß wischte er sich vom kahlen Haupt. Blasse Haut. Vernarbte Runen. Ein stechender Blick mit gänzlich schwarzer Iris.

Mit einem für ihn eher untypischen Seufzen machte er sich seine ausladende, dunkelfarbige Robe mit violetten Stickereien zurecht. Vor allem das dreifach gefächerte Flammenauge sollte sauber und faltenfrei zu sehen sein. Der stets nach einer Teleportation zerknitterte Stoff ärgerte ihn. Nur mit einer Hand strich er darüber, denn mit der Rechten hielt er weiterhin seinen metallenen Stab fest. Eigentlich ein fast irrationale Geste, denn auf sein Äußeres achtete hier in Wahrheit ohnehin nichts und niemand.

Der Hexer Galdor Ird Shandrach stellte zum wiederholten Male vor einer solchen Audienz fest, dass er nicht gleich nach seiner Ankunft in Empfang genommen wurde. Er war allein und hatte zu warten. Die Göttinnen von Schwinge und Klaue hatten bereits in ihren ersten Jahren der Herrschaft eine seltsame Karikatur eines Hofstaats etabliert. So gänzlich klar waren dabei aber weder der allgemeine Ablauf, noch die Etikette oder die exakten Funktionen der verschiedenen Lakaien. Ein tieferer Einblick wurde ihm stets verwehrt, aber vielleicht hatte es nie eine wirkliche Ordnung gegeben. Überhaupt glaubte der Hexer manchmal, dass all dies bloß für ihn und seinen Zirkel der Magier des Abgrunds galt, denn es gab ja im Grunde keine anderen offiziellen Empfänge oder zumindest wusste er von keinen anderen.

Der zunehmenden Langeweile konnte Galdor aber stets dadurch entgehen, dass er sich in der höchst eindrucksvollen Halle umsah und die Architektur bewunderte. Unwahrscheinlich hohe Fenster und eine noch höhere Decke mit ausladendem Kreuzrippengewölbe. Maßwerk, Pfeiler und Kapitelle strotzten geradezu vor Verzierungen und Ornamentiken mit einem solch hohen Detailgrad, sodass deren bloßer Anblick beinahe schmerzhaft war. Alles von äußerster, geradezu überirdischer Perfektion. Dabei war diese Räumlichkeit nur eine von so vielen innerhalb eines uralten, gewaltigen Komplexes. Seit Jahrtausenden thronte dieses Bauwerk der Unsterblichen auf einem Gipfel der Verbotenen Berge, wobei es mehr danach erschien, als wäre dieses nicht darauf errichtet, sondern aus dem Fels herausgewachsen. Niemand kannte mehr die Geheimnisse des längst verblichenen Volkes, die Formen von Magie und Technologie beherrscht haben mussten, wie sie nunmehr unvorstellbar erschienen. Allein eine solche Halle wie diese, in der sich der Hexer gerade befand, hatte eine solch enorme Höhe, sodass hier keine der allgemein gültigen Gesetze der Statik wirken konnten. Selbst die kirchlichen Prachtbauten des Neuen Glaubens, welche ohnehin in nur schwacher Imitation diesen Architekturstil nachzuahmen versuchten, wirkten lächerlich klein und von wesentlich minderer Handwerkskunst. Es war ein gotischer Traum und Alptraum zugleich, der mit unzähligen Türmen, Skulpturen, Kuppeln, Dächern und Kreuzrippen gen Himmel stach.

Seitdem die Göttinnen von Schwinge und Klaue diese Zitadelle der Unsterblichen als ihr Nest auserkoren hatten und seitdem die Schnabelbrut dies als ihren heiligsten Hort erkannte, war der dereinst so weiße und makellose Stein schmutzig und rissig geworden. Unheilige Rituale und Flüche von Verderbnis hatten diesen Ort schließlich so sehr in seiner Essenz besudelt, sodass alle Finsternis hier einziehen hatte können. Böse Gestalten lauerten in den Ritzen, doch noch viel Schlimmeres wand sich in allertiefsten Katakomben.

Khyraz Draag hatten sie diese Feste, diesen Hohesitz, dieses Zentrum ihrer Macht genannt. Was die Skrael für heilig hielten, war doch in Wahrheit gänzlich unheilig und eigentlich waren es doch Dämoninnen, die sich hier Göttinnen nannten, aber hier wäre das Aussprechen dessen tatsächlich Blasphemie, so war dem Hexer mehr als bewusst. Ebenso musste er sich davor hüten, die mächtigen Herrinnen abschätzig als Drachenweiber oder Huren des Abgrunds zu bezeichnen, wie es manchmal die Seinen und er im Zirkel, der zur Gänze aus Männern bestand, taten.

Galdor Ird Shandrach wurde langsam ungeduldig. So lange hatten sie ihn noch nie warten lassen. Inzwischen aber hatte er eine Vermutung, weshalb die Göttinnen von Schwinge und Klaue ihn nicht eher empfingen. Für den Krieg galt es Soldaten zu züchten. Es mochte also wieder Brutzeit sein.

Dem Hexer fiel eine Gestalt jenseits des Torbogens auf. Die geflügelte Silhouette hob sich stark vom purem Blau des Himmels ab. Neugierig trat Galdor hinaus auf eine weit ausladende, halbkreisförmige Terrasse, die eine von vielen an der Außenwand der Zitadelle darstellte. Ein Elitekrieger der Schnabelbrut hockte da auf dem marmornen Geländer. Feuerrot glänzte seine Metallrüstung in der Sonne. Golden die Spitze seines Sichelspeeres, den er mit beiden Händen umfasst quer vor sich aufgesetzt hatte. Er warf dem Hexer einen scharf prüfenden Blick entgegen, ehe er laut krächzte, sich nach hinten fallen ließ, nur um sich dann vom Wind auf weiten Schwingen nach oben tragen zu lassen und in eine kleine Formation von Seinesgleichen einzugliedern. Da ertönte ein lautes Rauschen jenseits der Türme, bis sich schließlich ein Schwarm von Tausenden von Skrael zeigte, die wie ein einziger, großer Organismus Wirbel und Strudel in fließender Bewegung formten. Eine Weile blickte Galdor den Skaru-Kai hinterher, durchaus beeindruckt vom Schauspiel und der schieren Größe dieser fliegenden Armada. Bald schon würden sie in den Krieg ziehen und unbemerkt würden sie tief in die Lande ihrer Feinde eindringen. Dem noch immer feigen und teils gespaltenen Wilden Heer würde eine entscheidende Niederlage bereitet werden, so war er überzeugt, denn die derzeitige Schwäche der Klans und der lächerlichen Matronen wusste die Allianz der Verderbnis bald schon auszunutzen.

Das klare Wetter erlaubte an diesem Tag eine enorme Weitsicht über die Suwanische Steppe hinweg. Gänzlich weiß erstreckte sie sich über hunderte Meilen zu seinen Füßen. Kalter Wind. Dünne Luft. Zu seiner Linken und zu seiner Rechten sah er die beschneiten Gipfel des Verbotenen Gebirges. Am Fuße des Massivs unter ihm befand sich Khyraz Kjoll, die vorgelagerte Stadtfestung, die dereinst Unsterbliche und Sterbliche errichtet hatten. Die Skrael hatten es schließlich als ihr allererstes Heereslager genutzt und es sollte bis heute ebenso zur Verteidigung des Hortes ihrer Göttinnen dienen. Südwestlich davon und bis hinauf zu den Hängen des Massivs war der verfluchte Wald Grohmgorn zu sehen, der nicht zuletzt durch die Hexer von bösen Geistern geradezu verseucht war. Auffällig durchschnitten wurde dieser durch Ulug-Chem, der hier seine Quelle hatte und sich weiter durch die Steppe schlängelte. Der Gebirgszug der Starkzacken war weiter im Westen zu erkennen. Eine durchaus beeindruckende Aussicht, so dachte der Magier aus dem Abgrund bei sich, doch nach dem Ende der Letzten Schlacht würde alles Land von keiner Sonne mehr erhellt werden und nur noch sein unheiliger Schatten läge über dieser zum Untergang geweihten Schöpfung.

Galdor Ird Shandrach hörte ein Schlurfen hinter sich, dann ein leise knackende Worte aus einem Schnabelmund. Der Lakai war endlich gekommen. Der Hexer nahm Haltung an und drehte sich langsam um. Sein Zirkel hatte sich irgendwann dazu herabgelassen ihre Sprache zu lernen. Sie war leicht zu verstehen, weil primitiv. Da erinnerte sich an seine Unmut ob des langen Wartens und wob einen Zauber zur Begrüßung: Furcht pflanzte er in den Geist des simplen Wesens. Natürlich zuckte es kurz zusammen, so sehr, dass es beinahe umgefallen wäre. Galdor quittierte dies mit einem breiten Grinsen. Ein wenig Sadismus, ein wenig Amüsement.

Zittrig machte der Skrael eine klägliche Verbeugung. Er stellte sich halblaut mit dem Namen Kla'ach vor. Eigentlich bewunderte der Hexer diesen gewaltigen magischen Akt der Schaffung eine gänzlich neuen Rasse, welche die geflügelten Göttinnen in vollkommener Verderbnis als ihre Armee, ihre Diener und ihre Gläubigen dereinst geboren hatten, aber zu häufig erschien ihm die Kreuzung aus Mensch und Adler nicht gelungen. Die humanoide Form des Kammerdieners glich überwiegend einem kleinwüchsigen Mann, bis auf den grotesken Kopf mit einem Schnabel anstatt eines Mundes. Lange Spitzohren, geschlitzte Augen. Die ledrige Haut war mehr weiß als gelblich. Ein Buckel zeichnete sich unter den Lumpen dieses Exemplars ab. Wenn es denn etwas von Wert und Ästhetik hatte, so war es allein das goldene Siegel seiner Herrinnen, das mit langer Kette von seinem kurzen Hals herab hing. Keine einzige Feder wuchs aus dessen Leib, Flügel hatte es wie die meisten der Brut ohnehin keine. Nur einen stumpfen Ansatz, der sich gelegentlich unwillkürlich zu bewegen schien.

Ganz offenbar war dieser Diener bei der Geburt missraten, aber die Dämoninnen hatten seit jeher eine besondere Schwäche für ihre weniger gelungenen Kinder gezeigt, wie Galdor sehr früh mit entsprechender Geringschätzung festgestellt hatte. Da sie niemals Soldaten der Brut sein konnten, erhielten sie Funktionen am Hofe. Andere siechten noch entstellter und fast lebensunfähig nur so vor sich hin, aber selbst diese wurden gefüttert und gepflegt. Welch eine Verschwendung von Arbeitskraft und Zeit, so dachte der schwarze Magier. Er verachtete unwertes Leben in äußerster Weise.

Der Hexer nickte und trat auf den Lakaien Kla'ach zu. Mit einem klackernden Laut gebot der Skrael ihm zu folgen. Dem Gast in schwarzer Robe entfuhr kurz ein Murren, denn er hatte die Worte seines humpelnden Führers verstanden. Sie würden nun in die unteren Kammern marschieren, was eine sehr lange Wegzeit bedeutete. Normalerweise wurden die Magier des Zirkels in einer der oberen Haupthallen empfangen, aber heute war dies offenbar anders. Es mochte also tatsächlich Brutzeit sein, so stellte Galdor ein weiteres Mal fest.

Die Zitadelle der Unsterblichen erstreckte sich nicht nur in die Höhe, sondern auch in die Tiefe. Es war tatsächlich der halbe Berg, der dereinst ausgehöhlt worden war um hunderte von Hallen, Gängen und Katakomben zu schaffen. Es war eine Stadt, ein Tempel und ein Labyrinth unter Tage.

Schwerlich ließen sich Jahrtausende nach Errichtung alle Räumlichkeiten einem jeweiligen Nutzen zuordnen, aber Galdor Ird Shandrach vermutete, dass viele nur um ihrer selbst willen entstanden waren oder um in kryptischer Weise und mit mythischer Anordnung als Lobpreisung der Allmutter zu dienen. Der Hexer bezweifelte, dass selbst die Göttinnen von Schwinge und Klaue ihren selbst erwählten Hort bis in den in den letzten Winkel kannten oder gar alle seine Geheimnisse entschlüsselt hatten. Sie selbst nutzten ja ohnehin nur einen Teil dieses ausufernden Komplexes von Khyraz Draag .

Nachdem der Skrael Kla'ach ihn durch drei weitere Hallen geführt hatte, gelangten sie schließlich in einen großen Raum mit zahlreichen Säulen. Drei flugfähige Diener der Brut flatterten gerade durch das Maßwerk der oberen gotischen Fenster hinaus. Irgendwo im Schatten einer zerbrochenen Ecke wand sich etwas mit Tentakeln. Etwas anderes, das einer Schlange mit einem menschlich anmutenden Kopf und zu großen Augen glich, schlängelte sich an einer der Säulen empor, hielt dann inne um neugierig und kalt auf den Hexer und den Lakaien hinab zu blicken.

Galdor war zwar ungerührt von der Präsenz dieser Bewohner des Hortes, aber Kla'ach gebot ihm dennoch, etwas rascher voran zu schreiten.

Schließlich gelangten sie zu einer enorm breiten Säule, die aus einem kreisförmigen Schacht heraus ragend sich bis zum obersten Gewölbe erstreckte. Zugleich führte sie aber weit in die unteren Stockwerke hinab und mochte gar bis tief in die Felskruste des Berges hinein reichen. In einer Spirale wand sich eine Treppe um die Säule herum.

Es sollte ein sehr langer Abstieg werden. Insgesamt mochten sie bereits eine Stunde unterwegs sein, so wurde dem Hexer bald gewahr. Inzwischen begann ihn die Ornamentik mit der die große Säule selbstverständlich reich verziert war und die ihn zuvor noch so fasziniert hatte, sogar zu langweilen. Eigentlich könnte er sich mit seinen Kräften auf verschiedene Weise schneller fortbewegen, wenn er es wollte, aber das Zaubern war ihm hier leider verboten.

Direkte Teleportation oder gar das Heraustreten aus der Geisterwelt hatten die Göttinnen von Schwinge und Klaue bereits vor Jahrhunderten durch das Weben spezieller Zauber verhindert. Dadurch gab es abgesehen von der Halle mit dem Sphärenportal, welches mit einem weiteren in der vorgelagerten Feste direkt verbunden war, keinerlei Zugänge zu Khyraz Draag. Alle anderen Straßen, Aufgänge und Treppen hatten sie längst zerstört. Einen Tunnel gab es noch, einen einzigen, aber weder ließ sich dieser zum Einsturz bringen noch hatten jemals dessen mit Zaubern versiegelte Pforten geöffnet werden können. Jegliche Armee zu ebener Erde würde jedenfalls unmöglich die Zitadelle erobern können. Allein durch die Luft gelangte man vergleichsweise einfach in ihren Hort, wären da nicht die tausenden geflügelten Skrael, die als ihre Leibgarde den Himmel über der Zitadelle beherrschten. Und im Weltschatten lauerte ebenso noch manch dunkler Geist, der zum Schutze diente, so wie der Wächter der Brücke, welchen Galdor persönlich herbei gerufen hatte. Noch immer war er ein wenig stolz auf diesen Akt, denn mit dem Binden dieser Ungeheuerlichkeit aus dem Schoße des Weltendrachens hatte er seine große Macht vor allen anderen bewiesen. All dies hatten er und sein Zirkel für die Göttinnen von Schwinge und Klaue vollbracht, denn durch ihre Geburt in Verderbnis hatten die Herrinnen des Horts die Gabe der Geister verloren. Ein Fluch der Allmutter, so hieß es. Ihr Hauptgrund für das Bündnis mit den Hexern.

Irgendwann hatte Kla'ach seinen Begleiter in jene Stockwerke geführt, die nicht mehr von riesigen Fenstern im Fels erhellt wurden. Hier begann die tiefe Dunkelheit. Allein schummrige Irrlichter, die in der Luft schwebten, erlaubten eine Ahnung von den gewaltigen Gewölben und jenen Augen eine Orientierung, die die Finsternis nicht zu durchdringen vermochten.

Galdor Ird Shandrach bevorzugte aber schließlich doch deutlich mehr an Sichtbarkeit. Kurz hielt er im Gang inne und hämmerte zweimal seinen Metallstab auf die Stufe und murmelte eine knappe Formel. Eine grüne Flamme entzündete sich mit einem Zischen aus dem Nichts direkt über seinem Fokus-Artefakt.

Der Lakai vor ihm zuckte überrascht zusammen. Mit nervösem Augen überlegte er offenbar kurz, ob er das Wirken eines Zaubers dem Gast mit mahnendem Wort wieder verbieten sollte, aber er schwieg lieber. Der Magier in der schwarzen Robe quittierte dies mit einem Grinsen. Solch ein minderes Wesen zeigte wiederholt Angst vor ihm und seinen Kräften, was ihm natürlich erneut gefiel. Später würde er sich wohl vor den Drachenweibern rechtfertigen müssen, weshalb er einen magischen Akt - sei dieser auch noch so einfach und harmlos gewesen - in ihrem inneren Hort ohne Erlaubnis gewirkt hatte. Galdor war dies gerade aber mehr als gleichgültig. Der Skrael humpelte weiter die Treppe hinab und mit einer Geste seines verkrüppelten Armes bedeutete Kla'ach dem Hexer weiter zu folgen.

Die Luft wurde nun deutlich stickiger. Und sie stank. Sie stank fürchterlich, zumindest befand dies Galdor so. Das Brutnest war nah.

Mit der letzten Stufe hatten sie die unterste bewohnte Ebene erreicht und nach dem Durchqueren eines schwer bewachten Torbogens gelangten sie in eine gewaltige Säulenhalle. Kla'ach und Galdor Ird Shandrach schritten an einfachen Behausungen und Zelten vorüber, an in Wände gehauene Höhlen und aufgebrochenen Gruben. Neben magischem Licht waren es auch viele Fackeln und Feuerstellen, die die Weitläufigkeit des Raums etwas mehr erhellte und stetig vor sich hin knisterten. Trübe Schatten, diffuser Schein. Unrat und Schmutz lag am Boden, ebenso wie herabgefallene Mauerteile. Ein schummriger Nebel ließ die Füße beinahe verschwinden. Stickige Luft, bissige Gerüche. Die Lakaien der Skrael kochten, schmiedeten, brauten, werkten und bauten. Neben den starren Wächtern ein stetes, geschäftiges Treiben.

Die Vielgestalt der im Grunde allein für den Krieg gezüchtete Rasse in ihren groben Rüstungen und zerfetzten Lumpen überraschte den Hexer doch erneut. Die humanoide Form mit dem Schnabelgesicht traf für die meisten zu, aber es schienen sich neue Mutationen und Deformierungen mit jeder weiteren Generation zu entwickeln. Manche waren gar kaum lebensfähig, geschweige denn konnten diese Exemplare kampffähig sein, aber hier waren sie alle gemeinsam versammelt.

Auffällig in der Schar waren die vielen Elitekrieger, die hier als Leibwache in glänzend roten Rüstungen stationiert worden waren und streng auf jede seiner Bewegungen achteten. Meist standen sie auf erhöhten Positionen, einige andere patrouillierten in kleinen Verbänden zwischen Mauern und Behausungen, doch wie alle anderen ließen sie ihn einfach seines Weges gewähren. Niemand hielt ihn auf, niemand sprach ihn an, niemand wagte gar eine Berührung. Kla'ach humpelte voran mit seinem Siegel und allen war klar, dass hier eine weitere Audienz stattfand. Drehen von Köpfen, spöttisches Klackern, misstrauische Augen.

Sie alle erkannten ihn zunächst als Eindringling. Der Hexer spürte ihren Hass, ihre Verachtung für den Menschen in ihren Reihen, im Schoße und Ursprung ihrer Existenz, aber sie wussten ebenso, dass er ein Verbündeter ihrer heiligen Mütter war, dass er wie sie alle hier mit dem dunklen Traum des Weltendrachens geboren worden waren. Dies hatten sie alle zu akzeptieren und nicht wenige - dies wusste Galdor ebenso - fürchteten ihn ob seiner bloßen Präsenz, denn in welcher Tiefe der Erde sie auch hier leben mochten, er hatte in den tiefsten aller Abgründe geblickt und er hatte die Macht von dort mitgenommen.

Galdor und Kla'ach schritten weiter und am Ende der Halle war bereits ein enormer Torbogen, der den Eingang zum Allerheiligsten für alle Skrael darstellte, zu erkennen.

Für einen interessanten Fakt befand Galdor erneut, dass, obwohl es sich eigentlich um eine Kriegerrasse handelte, erstaunlich wenig an Aggression oder gar Gewalt passierte. Ja, ein scharfes Keifen hie und da, eine schneller Schlag der Ablehnung, aber kein tatsächliches Verletzten von Körpern, kein Geschrei des Zornes oder gurgelnder Blutrausch. Der Grundton all ihren Handelns in diesem Hort war offenbar erfüllt von einer beinahe heiligen Andacht und nicht zuletzt von einer gewissen Konzentration auf die Vielzahl ihrer Aufgaben. In manchen Belangen mochten sie gar besser sein, als die Menschen es waren, so dachte Galdor. Der Hexer fühlte aber noch eine Aufregung, eine große Erwartung im Geiste all dieser Kreaturen. Ihre neuen Geschwister würden schon sehr bald schlüpfen und die Brut würde wieder größer werden.

Und so gelangte der Lakai und der Hexer schließlich zu einem kolossalen Portal, in dessen Giebel und Rahmen so unheilige wie mächtige Runen in den Stein der Unsterblichen gehauen worden waren. Dicke Schwaden krochen aus dem Dunkel hervor und verflüchtigten sich nur trotzig. Zwei Wächter von enormer Größe standen jeweils zu beiden Seiten, regungslos und kalt. Beinahe wirkten sie wie Statuen, wie in Stein gehauene Skrael mit Flügeln, doch als Galdor nahe genug war, drehten sie langsam die Köpfe und die Augen öffneten sich, offenbarten ein silbernes Glühen zwischen den Lidern. Allen Tod vermochte bloß ihr Blick, doch als sie Kla'ach mit seinem Siegel erkannten verschwand die Drohung zwischen den Schlitzen und so verweilten sie so ungerührt wie zuvor.

Sodann traten sie hinein, in die Brutkammer der Göttinnen von Schwinge und Klaue. Bis zu den Knien ging der grün schimmernde Nebel, der aber ebenso das Violett der hoch leuchtenden Irrlichter reflektierte. Stickiger konnte die Luft kaum sein, so dachte Galdor. Sie roch intensiv nach Moschus, feuchtem Stein und irgendwie nach ranziger Milch. So manch weitere Duftnote, die sich kaum zuordnen ließ, erfüllte ihn teils mit Ekel, teils mit einer Form von Lüsternheit, die er aber gegenüber sich selbst nicht zugeben wollte. Seine Haut begann sofort heftig zu schwitzen. Mit seinen Sinnen spürte er die enorme Präsenz von Macht, die sich hier konzentrierte und die besonders vom Dunkel im weiter hinter gelegenen Teil der Halle ausging.

Etwas mühevoller ging der bucklige Kla'ach weiter voran. Er wirkte etwas erschöpft, aber auch nervös, denn sogleich würde er seinen Göttinnen gegenüber treten. Immer wieder blickte er zurück auf den Mann in schwarzer Robe, der ihm nicht schneller folgen wollte.

Jetzt sah Galdor die ersten Eier, die aus den Schlieren heraus ragten. Weiß und fleischig waren sie, groß und kühl. Bis knapp unter das Kinn des Hexers reichten sie in der Höhe, manche waren auch kleiner, manche ganz offensichtlich deformiert, manche wiewohl deutlich größer. Sie waren Schale und Haut, aber im Inneren waren sie allein Leben, neues Leben. In jedem wuchs ein Skrael heran, ein neues Kind der neuen Rasse, die erst seit wenigen Jahrhunderten auf dieser Erde wandelte und ihren Schrecken auf Geheiß ihrer Schöpferinnen in die Welt hinaus trug.

Ergriffen war er, der Magier des Abgrunds, denn er stand inmitten eines der mächtigsten Schöpfungsakte seit Anbeginn der Zeitalter. Doch nicht die Allmutter hatte all dies hier getan, nein, mit der Macht des Abgrunds, mit dem großen Sakrileg hatten sich Matronen zu Göttinnen erhoben und sich dieses Land genommen um alles Land zu erobern, um allein im Dienste des Weltendrachens den Boden zu bereiten für die Dritte Niederkunft, denn die gesamte Steppe sollte zum ersten Aufmarschgebiet der Armee der Finsternis werden.

Berauscht von der Bedeutung all dieser Gedanken war Galdor Ird Shandrach vor einem der größten Eier stehen geblieben und wollte dieses mit zittriger Hand berühren. Es war eindeutig erst frisch gelegt worden und überragte ihn deutlich. Mit Feuchtigkeit glänzte es noch, mit dem Schleim des Gebärens. Weiter noch streckte er die Hand, er fühlte bereits das Wesen darin, einen perfekten Krieger mit Flügeln, einen Skaru-Kai, der schon sehr bald schlüpfen würde und sich alsbald zu den Seinen in himmlischen Schwärmen zu erheben, auf dass all diese ihre Verderbnis auf die Länder von oben herab speien mochten, aber ehe er tatsächlich die Schale mit kribbelnden Fingerkuppen berühren konnte ertönte plötzlich ein berstendes Zischen und das donnernde Rascheln von Federn. Laut und dröhnend hallte es ihm quer durch die Halle entgegen. Etwas bewegte sich in der so hohen wie tiefen Finsternis vor ihm, etwas von gewaltiger Größe.

Kla'ach schien verschwunden. Das große Ei ließ er hinter sich und langsam bewegte sich der Hexer auf den Säulenbogen vor ihm zu. Kurz schimmerte da wieder etwas auf, kurz funkelten da zwei Augen. Sie hatte ihn angesehen, scharf und hart. Ihre Schuppen und ihre Federn machten erneut dieses knisternde, raschelnde Geräusch. Ihre enormen Schwingen rieben sich an den Wänden, an der Decke. Gänzlich erkennen konnte Galdor Ird Shandrach sie nach wie vor nicht, denn sie hielt sich weiterhin im Schatten auf. Ein etwas höher schwebendes Irrlicht warf für einen Augenblick einen Schein auf ihre gewundenen Hörner, auf ihre verzerrte Fratze, die wohl mehr menschliche Züge haben mochte, aber zugleich sowohl Vogel als auch Weib spottete. Das Irrlicht erlosch sofort mit ihrem Gedanken daran.

Der Hexer wagte noch einige weitere Schritte vorwärts, aber irgendwann hatte er das ganz starke Gefühl, dass er hier und jetzt stehen zu bleiben und abzuwarten hatte. In gewissem Sinne mochten sie Wesen von gleicher Macht und mit dem gleichen Herren sein, die darüber hinaus ein in Notwendigkeit geschmiedetes Bündnis miteinander einte, aber eine letzte Verachtung hatten sie stets füreinander übrig. Und eine solche Begegnung war ebenso stets ein Messen ihrer jeweiligen Kräfte, denn beide ließen den jeweils anderen spüren, dass sie den Freund sofort zum Feind machen konnten und im direkten Kampf nur einer obsiegen würde. Aber während der Hexer sich mit tiefster Ehrlichkeit, die er natürlich nie nach außen hin zugeben würde, sich nicht ganz sicher war, ob er ein Drachenweib im Duell zerstören konnte, so wusste die selbst ernannte Göttin von Schwinge und Klaue ganz genau, dass sie die schwarze Made jederzeit zertreten könnte. Und selbst wenn es ihr nicht gelänge, so würde es eine ihrer Schwestern tun oder die ganze Rasse von zig tausenden Kriegern, die alleine ihnen auf ewig dienten.

Galdor Ird Shandrach neigte dann doch sein Haupt. Die Karikatur des Hofzeremoniells gebot es ihm sogar zu knien. Ein sanfter Regenschleier erschien plötzlich vor diffusem Licht und Dunkel. Eine eigene Atmosphäre hatte sich knapp unterhalb des Deckengewölbes gebildet und manchmal kam all die aufgestiegene Feuchtigkeit von oben herab. Wassertropfen von einem Himmel aus Stein. Irgendwann endete dieses seltsame Schauspiel von Regen inmitten einer Halle unter der Erde.

Vor sich hörte er irgendwo fast kaum wahrnehmbare Worte Kla'achs, der anscheinend doch nicht einfach so verschwunden war. Offenbar verkündete er gerade offiziell die Ankunft des entsandten Magiers vom Zirkel des Abgrunds. Die beiden gewirkten Zauber des Hexers ließ er in einem knappen Nachsatz nicht unerwähnt. Endlose Ehrfurcht lag da in seinen nervösen Worten. Seine Göttin fauchte ihm fast zärtlich etwas zu und mit tapsenden Schritten begab sich der Lakai hinfort.

Einen Moment lang war es einfach nur totenstill in dem Gewölbe. Nichts rührte sich im Dunkeln, die Nebel krochen stumm zwischen der Tausendschaft von Eiern. Erneut einige Regentropfen.

Ein angestrengtes Stöhnen hallte aus dem Dunkel zu seiner Linken herbei. Es war also zumindest ein weiteres Drachenweib im hinteren Teil des Nests anwesend und diese mochte tatsächlich genau jetzt weitere Eier legen. Da spürte der Hexer auch ihre Woge der Macht und ja, jetzt fühlte er im Nacken den bohrenden Blick einer weiteren Herrin der Skrael. Diese musste nach ihm in die Halle gekommen sein und versperrte ihm nun demonstrativ den Ausgang. Drei also. Der Hexer sollte ganz genau wissen, dass es drei waren.

Irgendwie gefiel ihm diese Situation gerade gar nicht. Die Intensität von der vereinten Macht so vieler Drachenweiber wirkte nun eindeutig bedrohlich, ja feindlich ihm gegenüber. Gemeinsam könnten sie ihn leicht vernichten. Es mochte wenig Sinn haben und fast rein instinktiv geschehen, als Galdor verdeckt einen Zauber zu seinem Schutz zu weben begann, aber für einen Moment gewährte ihm dies das Gefühl von Sicherheit, welches aber sofort wieder verflog, denn natürlich fiel ihm sogleich ein, dass dies gerade in ihrem Nest strengstens verboten war und er ohnehin keinerlei Gebrauch von Magie vor ihnen verbergen konnte.

Sie lachte. Ein heiseres, dröhnendes Glucksen drang aus der Finsternis vor ihm, das sich zu einem Kichern steigerte und irgendwann mit abgehacktem Lachen mit klackernden Untertönen endete. Sie amüsierte sich ob seiner Dummheit und seiner so offen gezeigten Angst. Kurz darauf ließ sie seine zuvor gerufene Fackel über dem Stab erlöschen. Er hätte es nicht einmal verhindern können.

Ein Rascheln, ein Scharren. Der Widerhall, allumfassend. Sie bewegte sich langsam auf ihn zu. Die Fratze zeigte sich wieder im fahlen Licht und mit den zur Schau gestellten Zähnen eines viel zu breiten Lächelns wirkte der Anblick noch grotesker, noch schrecklicher. Hörner wie jene der Wilden Götter, die beinahe an der Decke kratzten, krönten das Haupt. Eine Mähne aus Federn. Langes, karmesinrotes Haar in glänzender Glätte hing weit über die Schultern herab. Spitze Ohren. Zerdehnte und schräg geschlitzte Augen, die in vollkommener Dunkelheit funkelten. Schuppen und Gefieder in schillernden Farben, die sich manchmal zu verändern schienen. Rot, Grün und Schwarz. Sie breitete im Ansatz ihre enormen Flügel aus, stützte sich mit einem Arm nach vorne hin ab. Klauen an sechsgliedrigen Fingern. Fahle Brüste ragten weit aus dem Federkleid hervor. Die Beine waren gerade nicht zu sehen, lediglich die Schenkel im Ansatz. Ihr schuppiger Schwanz eines Drachens peitschte aufreizend.

Es war ein Monster und doch war es zugleich eine Frau, in ihren Zügen, in ihrer Gestalt. Manch dezente Merkmale wie die Nase im Antlitz, die Wangen, die Schultern oder die Form ihrer Beine waren tatsächlich von Anmut. Galdor fühlte sich für einen Moment in perverser Weise sogar hingezogen. Sie wusste natürlich genau, was sie bei dem mickrigen Mann zu ihren Füßen auszulösen vermochte. Ihre Weiblichkeit hatte sich mit dem neuen Leib ins Groteske gesteigert und war zugleich mit monströsen Zügen verdrängt worden, aber sie vermochte nach wie vor Lust zu empfinden und auf bizarre Art zu erwecken.

Dereinst waren es menschliche Wesen, höchste Priesterinnen der Matronen gewesen, aber mit dem Sakrileg waren sie zu Dämoninnen mutiert, zu Harpyien so groß wie Drachen und mit einer von ihnen hatte der Hexer nun eine Audienz abzuhalten.

„Heeexer...“, krächzte sie mit ihrer spitzen, tiefen Stimme, die nicht leicht zu ertragen war.„Mann des Untergangs und Schwätzer böser Geister, wir, die göttlichen Schwestern von Schwinge und Klaue, heißen euch willkommen im unserem heiligen Nest der geborenen Brut. Cyliændra die Ewige erweist euch die Gnade mit ihr sprechen zu dürfen. Sprich also, Mann im Schweiße vor dem Weib, in Angst und mit verbotenem Zauber. Sprich!“

Ein langsam abklingendes Fauchen folgte ihren Worten nach. Das Wort Mann hätte sie nicht abschätziger sagen können. Er ließ aber nicht zu, dass sie ihn weiter einschüchtern würden.

Er richtete sich auf und fest war seine Stimme: „Galdor Ird Shandrach vom Zirkel der Magier des Abgrunds steht vor euch, o Göttin von Schwinge und Klaue. Lasst uns Reden über die Dinge, wie es unser kosmischer Herr in seinem Sinne gebietet.“

Er hob sein Haupt und sah sie direkt an. Die Blicke von Mensch und Dämonin trafen sich. Ein kurzer Tanz von Beherrschern der Macht begann. Es mochte in seinen Augen und in seinem Geist schmerzen, aber er hielt stand und als es ihr nicht so einfach gelang, sich für ihn als unerträglich zu zeigen, erlaubte er sich einen hochgezogenen Mundwinkel. Ehe es aber zu einem tatsächlichen Messen von Kräften kam, das für beide Schaden an Leib und Seele bedeuten hätte können, ließen sie ab und verminderten die Intensität ihrer magischen Auren. Cyliændra bleckte zunächst die Zähne und leckte sich sodann mit ihrer langen Zunge die Lippen.

Das hatte ihr gefallen, dieses kleine Spiel. Die schwarze Made zu ihren Füßen hatte doch etwas Potenz und Widerspenstigkeit gezeigt, so dachte sie. Ihre Schwester Aiklonea kicherte spöttisch im Dunkeln.

So setzte die Harpyie mit rotem Haar fort: „So wollen wir mit dieser Unterredung dem Kosmischen Drachen dienen, Hexer. Solange wir im Bunde sind, wollen wir gemeinsam gegen die Welt ziehen. Aber oh, wenn denn der Tag komme, da der Sieg uns alle Macht und Freiheit bringt, dann will ich euch zuerst herausfordern. Erinnert euch immer, dass ich euch zuerst will. Euer von Magie getränktes Fleisch wird mich stärken und ihr werdet schreien mit Schmerz und zugleich mit Lust, weil es allein meine Lippen sind, die sich um euren gebrochenen Leib schließen werden. Und heute und hier lebt ihr, weil wir die Schwestergöttinnen von Schwinge und Klaue es euch erlauben. Und heute und hier seht ihr, was wir gebären mit unserem Willen. Bewundert es weiter, dieses Nest in Herrlichkeit. Mann, ihr habt große Macht aus dem Abgrund mit euch gebracht, aber dazu werdet ihr nie imstande sein, zu einem solchen Akt des Schaffens.“

Sie war geschwätzig und hatte ihn provoziert, ja herabgewürdigt, so stellte es der Hexer mit einem gewissen Ungemach fest. Er würde erst gar nicht darauf eingehen, gerade weil ihre Worte nicht ganz ohne Wahrheit waren und die perverse Vorstellung, die sie in ihm provoziert hatte, doch ein klein wenig einnehmend für ihn war.

Vieles galt es nun zur Sprache zu bringen. Zunächst sollte es um den Krieg gehen, der gegen die Königreiche im Westen schon sehr bald losbrechen würde, mit der Schnabelbrut als die erste Armee des Weltendrachens. Der Schwarze Avatar, der mit dem vierten Zeichen endlich seine Geburt erführe, war ein nicht minder dringliches Thema. Und da waren noch die Wilden Götter und die Matronen, denen schon sehr bald eine schreckliche Lektion von den Göttinnen von Schwinge und Klaue erteilt werden musste.

Der Magier des Abgrunds Galdor Ird Shandrach sammelte seinen Geist und erhob das Wort an Cyliændra die Ewige, eine der sieben gefiederten Schwestergöttinnen. Es sollte eine so lange wie schreckliche Unterredung zwischen einer Dämonin und einem Hexer werden.

Der Sturm der Krieger

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