Читать книгу Freiheit und Ehre - Roman nach der wahren Geschichte eines dänischen Freiheitskämpfers - Pernille Juhl - Страница 11

Sønderborg, 10. April 1940

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„Geht es dir gut, Kedde?“ Onkel Jes Stimme drang ängstlich durch den Telefonhörer in sein Ohr.

„Ja, ausgezeichnet, danke.“ Er stand draußen auf dem Gang und fühlte eine seltsame Beklemmung dabei, in das Telefon zu sprechen. Jes und Alma hatten sich vor Kurzem einen Apparat angeschafft, wegen des Ladens. Es war neu und ungewohnt, auf diese Art zu kommunizieren.

„Wir waren gestern sehr besorgt wegen dir. Man hört so viele Gerüchte.“

Er lächelte, stellte sich vor, wie Jes zu Oma gegangen war und sie beruhigt hatte. Und mit Tidde hatten sie ganz sicher auch gesprochen.

„Ich habe auch an euch gedacht.“

„Als wir hörten, dass es bei Søgaard zu Gefechten gekommen sei, war Alma ganz außer sich.“ Jes atmete tief durch.

„Hier war alles ruhig.“

„In Kollund sind gestern den lieben langen Tag deutsche Soldaten durch die Stadt marschiert, und heute kommen immer noch welche.“

„Ja.“

„Hast du schon gehört, dass die Regierung Verbote gegen Preissteigerungen erlassen hat? Und Lebensmittel bunkern darf man auch nicht, man darf nur für drei Tage einkaufen.“

Nein, das hatte er noch nicht gehört.

„Willst du immer noch nach Kopenhagen? Ich meine, mitten in all dem hier?“

„Ja, ich fahre in ein paar Tagen.“

Die Dame in der Vermittlung schaltete sich ein. „Es sind drei Minuten um. Wünschen Sie fortzufahren?“

Ich hätte ruhig etwas redseliger sein können, dachte er, nachdem er aufgelegt hatte. Hätte mehr erzählen können. Aber was? Er schämte sich dafür, beim Militär zu sein. Für die Passivität, dafür, dass sie einfach nichts taten. Darüber würden die Leute in Kollund sicher reden. Sie mussten sich doch wundern. Vielleicht waren sie regelrecht aufgebracht?

Telefonate waren sehr teuer. Nächstes Mal würde er darauf achten, dass keine Pausen entstanden. Das versprach er sich. Und er würde ihnen schreiben, ihnen allen. Letzte Woche war er nicht dazu gekommen, einen Brief zu schreiben.

Es war ihr letzter Abend im Studierzimmer. Sie waren alle drei zu Oberfeldwebeln ernannt worden und hatten ihre Pläne. Christians Prüfungsergebnisse waren ausgezeichnet, und im Gegensatz zu seinen beiden Freunden wollte er nach Kopenhagen gehen und die Ausbildung zum Offizier absolvieren. Die Entscheidung war so klar gewesen, es schien so richtig zu sein, aber jetzt hatte er dieses Ziehen im Magen. Er war sich nicht mehr sicher.

Ein sonderbares Gefühl beschlich ihn, als er durch die verdunkelten Straßen zu Frau Jakobsens Haus ging. Diesmal stand kein Lernstoff auf dem Plan, sie wollten sich nur noch ein letztes Mal dort treffen, wo sie so manche Stunde in Gesellschaft ihrer Bücher verbracht hatten. Sie hätten sich ohnehin nicht konzentrieren können. Die Tatsache, dass ihr Land besetzt war, nahm viel zu viel Platz in ihrem Bewusstsein ein. Es kursierten so viele Gerüchte, die sie diskutieren, so viel Hörensagen, über das sie sprechen mussten.

Die Temperaturen waren sehr mild für die Jahreszeit. Sie hatten ihre Mäntel übergezogen und die Terrasse in Beschlag genommen, die Frau Jakobsen ihnen angeboten hatte. Wenn sie hier saßen, konnte sie im Wohnzimmer Platz nehmen und bekam alles mit, was draußen vor sich ging. Christian mochte es dennoch, hier zu sitzen. Er ließ den Blick über die vielen Blumen im Garten schweifen, Winterlinge und Schneeglöckchen hatten bereits Gesellschaft von Gelben Narzissen und Tulpen bekommen, und bald würde alles in grünen Farben explodieren.

„Und? Wart ihr schon auf der Bank und habt alles abgehoben?“, fragte Aksel.

„Bei mir gibt es nichts abzuheben“, sagte Christian.

„Was man so hört, standen die Leute gestern vor der Sparkasse Schlange, um sich ihr Geld auszahlen zu lassen.“

„Wen wundert's?“, meinte Petersen.

Eine Weile saßen sie schweigend und rauchend im Halbdunkel und lauschten dem Rascheln eines Igels in der Hecke. Dann räusperte Petersen sich und sagte:

„Habt ihr die Geschichte von Dybøl Banke gehört, dem Hotel?“

Das hatten sie nicht.

„Ich bin mit Hans in eine Klasse gegangen, seinen Eltern gehört das Hotel. Er hat mir erzählt, ein deutscher Hauptmann sei mitsamt seiner Einheit im Hotel aufgetaucht und habe sofortige Unterbringung verlangt. Aber Hans' Vater hat ihn in seinem besten Deutsch darauf aufmerksam gemacht, sie seien unerwünscht. Ha ha! Was sagt ihr dazu? Unerwünscht!“

Sie lachten, und Christian bemerkte einen Schatten hinter der Gardine. Frau Jakobsen.

„Der Hauptmann wurde so wütend, dass er seine Pistole zog, aber dann besann er sich und begnügte sich damit, Hans' Vater jede Menge üble Beschimpfungen an den Kopf zu werfen. Aber der Alte blieb stur und bestand sogar auf einer Entschuldigung. Und hat sie ein paar Tage später tatsächlich bekommen!“

„Das nenne ich mal Mut“, sagte Christian.

„Wenn die Regierung und der König einfach nur kuschen, müssen aufrechte Dänen die Sache eben selbst in die Hand nehmen“, meinte Aksel.

„Tja, wir tun ja nichts“, sagte Christian und seufzte.

Petersen senkte die Stimme: „Können wir als Nation damit leben, dass eine fremde Macht unser Land besetzt und wir uns nicht zur Wehr setzen?“ Diese Frage hatten sie schon des Öfteren diskutiert, aber jetzt stand sie erneut im Raum. Nicht zuletzt, weil sie einfach nicht begreifen konnten, wie es dazu hatte kommen können.

„Geht es nur mir so, dass ich fast einen Herzinfarkt bekomme, wenn ich sehe, wie überall in Sønderborg deutsche Soldaten herumlaufen, als würde ihnen die Stadt gehören? Ich könnte kotzen, wenn sie im Stechschritt durch die Straßen marschieren, die Leute anpöbeln oder ihre beschissenen Lieder singen.“ Christian spuckte aus, um seine Worte zu unterstreichen.

„Grashüpfer“, zischte Aksel. Den Spitznamen hatten die Deutschen ihren grünen Uniformen zu verdanken.

„Ich werde ganz krank, wenn ich ihre Kolonnen aus Lastwagen mit Geschützen hinten dran sehe.“ Christians Herz hämmerte. Er war selbst überrascht, wie aufgebracht er war. Wäre die ganze Angelegenheit nicht so ernst gewesen, hätte man darüber lachen können, wie sie mit ihren verkniffenen Mienen in die zunehmende Dunkelheit starrten.

„Bei kleinsten Vorfällen in den Straßen greifen sie sofort ein. Als wären sie die Polizei. Fressen den Leuten alles weg und führen sich auf wie Herrenmenschen. Sagen den Politikern und den Leuten, was sie dürfen und was sie nicht dürfen.“ Aksel hatte sich in Rage geredet, und seine Stimme war lauter und lauter geworden. „Habt ihr nicht auch manchmal Lust, euch den erstbesten Deutschen zu greifen, am Kragen zu packen, bis seine Füße in der Luft zappeln und ihm in seine hässliche Fratze zu schreien ,Mach, dass du nach Hause kommst, wir können dich und deinesgleichen hier nicht gebrauchen!??“

Christian musste lächeln. „Du sprichst mir aus der Seele.“

„Vielleicht müssen wir diese unausstehlichen, großmäuligen Deutschen im Moment einfach ertragen, wenn sie auf ihren Motorrädern und mit ihren Pistolen und Gewehren durch die Stadt patrouillieren, aber es wird die Zeit kommen ...“ Aksel ballte die Fäuste.

„Sie sind überall in Westeuropa auf dem Vormarsch, was sie nur noch unerträglicher macht“, sagte Petersen und zündete sich eine neue Zigarette an. „Aber wir können uns doch nicht einfach damit abfinden! Wir müssen kämpfen bis zu dem Tag, an dem die Deutschen raus sind aus unserem Land. Bis wir wieder frei sind!“ Die letzten Worte rief er aus, als stehe er an einem Rednerpult und spreche zu einer größeren Versammlung. Hinter ihrer Gardine hörte Frau Jakobsen alles, was sie sagten, aber das war ihnen in diesem Augenblick gleichgültig.

Aksel nickte sogar in Richtung des Fensters hinter ihnen, als wolle er sagen: ,Oder was meinen Sie dazu, Frau Jakobsen??, bevor er das Wort ergriff. „Wie Kedde ja neulich schon gesagt hat, könnten wir den Deutschen das Leben schwer machen … aus dem Untergrund heraus.“

„Das könnten wir, wenn wir uns nicht morgen voneinander verabschieden würden“, sagte Christian und bemühte sich, die Wehmut zu verbergen, die ihn bei dem Gedanken daran überkam. Schon bald würde er alleine in Kopenhagen sein und wieder von vorne anfangen müssen. Ob er Aksel und Petersen überhaupt wiedersehen würde? Er versuchte, den Gedanken beiseite zu schieben. Momentan würde er lieber in Südjütland bleiben und den Kampf aufnehmen.

„Hast du deine Entscheidung überdacht, Kedde? Du verlässt dein geliebtes Südjütland, und das in diesen Zeiten? Du verlässt uns?“ Petersen sah ihn mit aufgesetzt anklagendem Gesichtsausdruck an.

„Das kannst du mir ja wohl nicht verdenken. Ich brauche eine Luftveränderung. Ich muss hier weg, weg von diesen unerträglichen Heimatdeutschen. Die ist man in Kopenhagen immerhin los.“ Demonstrativ hob er das Kinn.

„Du könntest bleiben und versuchen, die Dinge zu verändern – anstatt einfach wegzulaufen“, hielt Petersen dagegen.

„Morgen ist es Zeit, Abschied zu nehmen“, sagte Christian und hob abwehrend die Hände. „Du weißt genau, dass es zu spät ist, daran etwas zu ändern – belassen wir es für heute dabei.“

Den letzten Abend verbrachten sie in dem alten, gemütlichen Wirtshaus Christian IV, das im Volksmund nur ’Kedde der Vierte’ genannt wurde. Die Gaststube war bereits gut besucht, und viele der Gäste kannten sie. Sie bestellten eine Runde Bier und setzten sich an einen freien Tisch.

„Zum Teufel, Kedde, man könnte dich glatt vermissen“, sagte Aksel mit beinahe feierlicher Stimme, bevor er das Glas hob und sie anstießen.

„Prost, Kedde, und viel Glück!“, schaltete Petersen sich ein. „Hätten wir dich nicht gefragt, ob du dich an unserem kleinen Studierzimmer beteiligen willst, hättest du es niemals geschafft.“

Sie lachten.

Als sie das erste Glas geleert hatten, gab Christian die zweite Runde aus.

„Pass bloß auf, bevor du dich umsiehst, bist du einer von diesen hochnäsigen Kopenhagenern geworden“, meinte Aksel und prostete ihnen zu.

„Ich verspreche, dass ich immer Südjüte bleiben werde, auch wenn sie mich einen Bauerntrampel nennen“, sagte Christian, und wieder lachten sie.

„In Kopenhagen wimmelt es nur so von Deutschen“, stellte Petersen mit einem so markanten Seufzen fest, dass sie ein Lachen nicht zurückhalten konnten.

„Wollt ihr eine Geschichte über unsere dreckige Besatzungsmacht hören?“, fragte Aksel. „Ich verspreche euch, dass ihr sie noch nicht kennt, sie ist nämlich ganz frisch.“

„Lass hören, ausnahmsweise glauben wir dir mal“, sagte Christian und blinzelte Petersen zu.

„Tut mir leid, aber es ist keine besonders gute Geschichte, man kann sich eigentlich nur darüber aufregen.“ Aksel hob entschuldigend die Hände.

„Das fängt ja gut an“, sagte Christian, konnte aber ein Lächeln nicht unterdrücken. „Wenn es wenigstens die Deutschen sind, über die man sich aufregen muss, können wir damit leben.“

„Mein Onkel ist Journalist in Aabenraa, und vor ein paar Tagen hielt der Chef des deutschen Pressedienstes – fragt mich nicht, wie er heißt ...“

„Tut ja nichts zur Sache“, unterbrach Petersen.

„Wie auch immer, jedenfalls hatten die Deutschen Journalisten aus ganz Südjütland nach Aabenraa einbestellt, um sie darüber zu informieren, wie sie sich nach der Besatzung Dänemarks zu verhalten haben. Die Journalisten sitzen also an einem langen Tisch, an dem einen Ende der Deutsche, der die 'Konferenz' leiten sollte, unter einem großen Bild von Hitler.“ Aksels Stimme schwoll mehr und mehr an, und als der Name des Führers fiel, schrie er so laut, dass einige der Gäste sich umdrehten und zu ihrem Tisch herübersahen.

Petersen schüttelte den Kopf, schien sich aber zu amüsieren. „Aksel, um Himmels willen, ein bisschen leiser. Es gibt reichlich Heimatdeutsche und andere Idioten in diesem Land, die mit den Deutschen sympathisieren. Willst du etwa rausgeschmissen werden?“

„Lass sie nur kommen“, Aksel breitete die Arme aus, „aber zurück zu dieser sogenannten Konferenz. Was meint ihr dazu? Das ist doch wohl der Gipfel der Arroganz. Was bilden die sich eigentlich ein?“

„Wie ist es dann weitergegangen?“, fragte Christian und trank einen Schluck Bier.

„Nun ja, er fängt damit an, dass die Deutschen nicht die Absicht hätten, die Presse zu zensieren. Dann erwähnt er die 'unerfreulichen Zwischenfälle?, zu denen es trotz der Kooperationspolitik seit dem 9. April gekommen sei. Außerdem müsse er feststellen, dass mehrere Proklamationen nicht in den dänischen Zeitungen erschienen seien. Zum Schluss meinte er, die Besatzungsmacht erwarte, dass die Presse keinen passiven Widerstand leisten und keine negative Propaganda verbreiten werde.“ Bei den letzten Worten war Aksels Stimme wieder deutlich lauter geworden.

„Aber genau das nennt man Zensur“, unterstrich Petersen leise.

„Sie meinten, es würden viel zu viele negative Artikel über die Besatzungsmacht geschrieben. Stattdessen sollten die Zeitungen doch über die vielen positiven Dinge berichten ...“. Aksel schüttelte den Kopf.

„Und davon gibt es ja jede Menge“, fügte Christian mit unverhohlener Ironie hinzu.

„Er nannte sogar ein paar Beispiele, sprach von den Bauarbeiten, die in nächster Zeit beginnen sollen und von denen dänische Arbeitslose profitieren würden.“

„Ha, Bauarbeiten! Damit ihre Panzer schneller durch unser Land rollen können, oder was? Und im Übrigen finanziert von uns selbst!“ Petersen schlug mit der Faust auf den Tisch.

Sie stießen ein paar Flüche und Verwünschungen aus und spülten sie mit Hopfen herunter. Dann sagte Petersen: „Genug davon, es ist unser letzter gemeinsamer Abend, und da sollten wir ein bisschen Spaß haben. Obwohl das Bier mehr nach Leichenschmaus schmeckt, wenn man daran denkt, dass Kedde unserer schönen Heimat den Rücken kehrt. Es ist eine Schande, dass du uns verlässt. Und dann müssen wir obendrein noch zusehen, wie wir die Besatzungsmacht wieder loswerden.“

Sie stießen wieder an, und Aksel sagte:

„Zur Hölle mit den verdammten Heimatdeutschen!“

„Ihr kommt auch gut ohne mich zurecht, und die Besatzungsmacht wird wohl so oder so noch eine Weile im Land bleiben“, meinte Christian.

Er dachte daran, was Freundschaft eigentlich bedeutete und was sie zusammen hätten ausrichten können. An die Bewerbung, die er vor ein paar Monaten abgeschickt hatte und die inzwischen angenommen worden war. Er würde seine Ausbildung auf Frederiksberg Slot und Kronborg fortsetzen, doch hätte ihn jemand jetzt danach gefragt, wäre er froh gewesen, er hätte sie niemals abgeschickt. Er wollte Sønderborg nicht verlassen, wollte nicht von vorne anfangen, wollte nicht alleine sein.

Er war erst einen Moment lang in seine Gedanken versunken, als plötzlich zwei junge Mädchen an ihrem Tisch standen. Wie eine Fata Morgana. Sie passten nicht hierher, gehörten nicht in dieses ohrenbetäubend laute Wirtshaus voller Zigaretten rauchender Männer.

„Na, wen haben wir denn da? Wenn das mal nicht Gurli und Lis sind“, trompetete Aksel und lächelte über das ganze Gesicht. „Setzt euch, Mädchen. Was wollt ihr trinken?“

Christian nahm an, dass Aksel sie eingeladen hatte, zu kommen. Vielleicht sollte es eine Überraschung sein, aber es dauerte nicht lange, und Christian wünschte, sie wären nicht gekommen. Er hätte sich lieber noch länger mit seinen Kameraden unterhalten, ein paar Geschichten aus ihrer gemeinsamen Ausbildung erzählt, aber jetzt änderte sich die Stimmung, wurde anzüglich. Die Mädchen kicherten albern, und zweideutige Bemerkungen flogen hin und her.

Petersens Augen glänzten und drückten schamloses Interesse an der Dunkelhaarigen der beiden aus, während Aksel damit beschäftigt war, der vollbusigen Lis Komplimente zu machen. Sein Blick klebte förmlich an ihrem Ausschnitt.

Die Mädchen besuchten die Krankenpflegeschule in Sønderborg. Wenn sie nicht redeten, kicherten sie.

Petersen hatte gerade eine Runde ausgegeben, und Christian trank sein Glas aus, stand auf und sagte: „Na, dann mal vielen Dank für den netten Abend, Jungs.“

„Kedde, zum Teufel, willst du etwa schon gehen? Sie sind doch gerade erst gekommen … Sagt mal, Mädels, habt ihr nicht noch irgendwo eine Freundin versteckt?“

„Nein, nein. Viel Spaß noch, ich muss morgen früh raus.“ Er deutete eine Verbeugung an. „Schönen Abend noch.“

Mit schnellen Schritten ging er zur Tür und überhörte Aksels Proteste. Fühlte Erleichterung, als er draußen stand. Langsam ging er durch die dunklen Straßen. Es waren mehr Bier geworden, als ihm lieb war, und er fühlte sich leicht benommen. Die Fenster der Häuser waren mit Verdunkelungsvorhängen hermetisch abgeriegelt, sodass kein Licht auf den Bürgersteig fiel. Es waren so gut wie keine Menschen auf der Straße. Er dachte an Gerda. Das tat er immer, wenn er etwas getrunken hatte. Er stellte sich vor, wie er nach Kollund fuhr und an ihrer Tür klingelte. Wie sie ihm um den Hals fiel.

Er schüttelte den Kopf über sich selbst, blieb stehen und lauschte in die Dunkelheit. Gleichmäßige Schritte mit Nägeln beschlagener Militärstiefel waren zu hören. Deutsche Soldaten? Unwillkürlich trat er in den nächsten Hauseingang und wartete, bis die Patrouille vorüber war. Sie gingen mit einer Ruhe und Selbstgefälligkeit die Straße hinunter, die ihn irritierte. Er spürte den Drang, auf sie loszugehen. Keine besonders kluge Strategie. Kurz darauf waren die Geräusche verschwunden, und wieder schüttelte er den Kopf über sich selbst. Was bin ich für ein Idiot, was soll das nützen, auf sie loszugehen und ihnen ins Gesicht zu schreien, was ich von ihnen halte? Sie würden mich einsperren, und was hätte ich damit erreicht?

Am nächsten Morgen verabschiedete er sich von den Kameraden in der Kaserne und warf einen letzten Blick auf das majestätische, hohe Gebäude aus rotem Backstein, hinter dem sich das Wasser wie ein riesiger Spiegel bis zum Horizont erstreckte. Er würde diesen Ort vermissen, sowohl wegen seiner Schönheit als auch wegen der Kameradschaft, die er hier erlebt hatte. Ob er noch einmal solche Freunde wie Aksel und Petersen fand?

Freiheit und Ehre - Roman nach der wahren Geschichte eines dänischen Freiheitskämpfers

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