Читать книгу Die Stunde der Revolverschwinger: Wichita Western Sammelband 7 Romane - Pete Hackett - Страница 17
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ОглавлениеForster blieb lange an der Felswand stehen und lauschte angestrengt. Aber nur Maries heftiger Atem war zu vernehmen. Manchmal schnaufte auch Hackett, der die Frau festhielt und ihr jedes Mal den Mund verschloss, sobald er das Gefühl hatte, dass sie schreien wollte.
Plötzlich hörten sie in der Ferne Hufschlag. Er entfernte sich rasch.
Forster fluchte und blickte zum Feuer. Er konnte aber nicht erkennen, ob die dunklen Schatten dort ihre Packen oder tote Männer waren.
„Die Simpsons sind ziemliche Idioten!“, schimpfte er verhalten.
Hackett presste die Frau fester an sich. „Sie hat uns das eingebrockt, Pinky!“
,,Warte hier mit ihr!“, raunte Forster. Dann setzte er sich langsam in Bewegung. Er lief an der Felswand entlang auf das Feuer zu, blieb nach wenigen Schritten immer wieder stehen, duckte sich und versuchte angestrengt die Dunkelheit ringsum zu durchdringen. Dann lief er am Feuer vorbei und stellte erleichtert fest, dass es ihre Packen waren, die am Feuer lagen. Auch die Sättel der Simpsons lagen noch dort. Er konnte seine Neugier bezähmen, zuerst nachzusehen, ob sich das Geld noch in seinen Satteltaschen befand, lief geduckt weiter, bis er den Platz erreichte, an dem sie die Pferde angeleint hatten. Er wartete, bis ihn Hackett raunend rief. Dann machte er kehrt und ging zum Feuer.
Hackett tauchte an der Felswand mit Marie auf, wagte es aber nicht, in den Feuerschein zu kommen.
Forster presste die Hand auf die Satteltaschen, knöpfte eine auf, fühlte das Geld und schnallte die Taschen vom Sattel. Nachdem er sich noch einmal umgesehen hatte, warf er sie sich über die Schulter, nahm ihre Gewehre und lief zu Hackett und Marie.
„Komm!“, sagte er. „Wir müssen zu Fuß weiter.“
Hackett fluchte. „Und unsere Sättel?“
„Die sind wertlos geworden“, erwiderte Forster trocken und lief los.
Hackett stieß Marie wütend vorwärts. „Schlange!“, schimpfte er. „Hau bloß noch einmal ab! Dann wirst du hinterher etwas zu erdulden haben. Das schwöre ich dir.“
„Lass sie in Ruhe, Pinky!“, verlangte Forster. „Wir haben das Geld, und wir haben es jetzt für uns. Das ist doch auch etwas.“
„Aber dafür treten wir uns jetzt die Füße blutig!“, schimpfte Hackett. „Und sobald die Hundesöhne wieder auftauchen, können wir nicht schnell genug weg.“
„Wir suchen uns einen Pfad, auf dem sie zu Pferd nicht folgen können“, meinte Forster. „Damit wäre die Sache ausgeglichen.“
„Deinen Humor und deine Zuversicht möchte ich haben!“, grollte Hackett.
Forster blieb stehen, gab ihm die Gewehre und die Satteltaschen mit dem Geld und nahm ihm Marie ab. „Bist du jetzt zufrieden, verdammt? Du hast keinen Humor und keine Zuversicht, aber zwanzigtausend Dollar. Hebt das deine Stimmung?“
Forster war gereizt. Hackett schwieg sich deshalb aus. Sie setzten den Weg fort, behielten die nördliche Richtung bei und wanderten die ganze Nacht hindurch in die Berge hinein. Forster achtete dabei darauf, dass sie sich immer auf felsigem oder steinigem Pfad bewegten, um keine Spuren zu hinterlassen.
Als es hell wurde, verkrochen sie sich in einer Höhle; denn Marie war so erschöpft und erledigt, dass Forster zum ersten Mal wirklich ein Gefühl für sie empfand. Und das war Mitleid. Die letzten Tage hatten ihre Spuren in dem hübschen Gesicht hinterlassen. Marie sah blass aus und war schmutzig. Ihr Haar war staubbedeckt.
„Nimm dich zusammen, Kind“, sagte er rau, obwohl es mitfühlend klingen sollte, weil er Mitleid empfand. „Wir wandern nicht ewig und drei Tage durch diese verdammte Wildnis. Und wir werden auch nicht immer auf der Flucht sein. Sieh dir die Satteltaschen an! Das ist Reichtum und Luxus! In Tucson hast du doch ohnehin nichts mehr verloren.“
Marie lag auf dem Boden und hatte sich zusammengerollt. Sie hörte ihn und sie verstand ihn auch, doch sie war zu müde und zu erschlagen, um ihm zu antworten. Kurz und jäh regte sich heftiger Widerwillen in ihr. Doch das war ihre ganze Reaktion auf seine Worte.
Hackett grinste. „Sie passt nicht zu uns.“
Forster sah ihn kurz an. „Ich rede nicht von uns, sondern von mir. Ich teile mit dir das Geld, und damit teilen wir doch genug.
„Ich habe Hunger“, erklärte Hackett und stand auf. „Ich werde uns etwas schießen. Hier wird es doch Wild geben.“
„Setz dich, du Idiot!“, brummte Forster. „Was glaubst du, wie weit ein Schuss in den Bergen zu hören ist, he?“
Hackett wies auf die Frau. „Sie müsste auch etwas zu essen haben.“
„Bis jetzt hat sie noch nicht geklagt“, meinte Forster. „Und du hast bei deiner Leibesfülle keinen Grund dazu.“
Der schwere Mann spie verärgert aus und setzte sich wieder.
Sie wanderten nach vier Stunden weiter, ruhten sich während der heißesten Tageszeit im Schatten einer Felswand aus und blieben danach bis Einbruch der Dunkelheit auf den Beinen. Im letzten Schein des Tageslichtes erspähte Hackett eine junge Bergantilope. Ohne Forster zu fragen, riss er das Gewehr an die Schulter und schoss.
„Deine besondere Lust für das Fressen wird dich eines Tages bestimmt umbringen“, meinte Forster nur.
Hackett lehnte das Gewehr gegen einen Fels und lief los, um das Tier zu holen.
„Ich habe auch Hunger“, sagte da Marie. Sie hatte während der ganzen Tage nie ein Wort an die Männer gerichtet.
Forster nickte ihr zu und sah sich nach einem Rastplatz um. — Er hielt dann bis Mitternacht Wache, ließ sich von Hackett aber nicht ablösen, weil er mit einem Mal sicher war, dass sie nicht verfolgt wurden.
Sie zogen drei Tage durch die Berge, bis sie weit im Norden gegen Mittag den Rand des Gebirgszuges erreichten und in einen breiten Canyon kamen, der von Osten nach Westen verlief. Sie wählten die Richtung nach Osten und entdeckten kurz darauf zwei Planwagen, die ihnen entgegengefahren kamen.
Zunächst gingen sie erst einmal in Deckung. Hackett grinste breit. „Ob du es glaubst oder nicht. Pinky. die sind von mir eigens bestellt worden.“
Sie ließen die Wagen näher kommen und erkannten dann in deren Gefolge eine Herde von vierzig oder fünfzig Schafen.
„Das sind gewiss brave Leute, die uns für ein paar Dollar mitnehmen werden“, meinte Hackett.
Forster wiegte den Kopf. „Die fahren in die falsche Richtung, Pinky.“
Hackett sah ihn betroffen an, „Was! Willst du sie vorbeiziehen lassen? Meine Füße bestehen nur noch aus Blasen. Und sieh dir Marie an! Sie kann auch nicht mehr gehen.“
,,Ich habe ja damit nicht gesagt, dass wir zu Fuß weitergehen“, meinte Forster.
Hackett spähte gebannt in die Richtung der Wagen. „Auf jedem Karren sitzen zwei“, sagte er nach einer Weile. „Und hinter den stinkenden Schafen läuft auch noch einer. — Es sind nur Männer. Pinky.“
„Ich bin nicht blind!“, erwiderte Forster grollend, stand auf und lud das Gewehr durch. „Gehen wir ihnen entgegen, damit sie nicht misstrauisch werden, wenn wir plötzlich von der Seite kommen. — Du hältst dich an mich, Marie, und tust haargenau, was ich dir sage.“
Marie sah ihn an und nickte. Sie ließ es auch geschehen, dass er ihr aufhalf.
Sie traten hinter den Klippen hervor, hinter denen sie sich verborgen gehalten hatten, und gingen den Wagen entgegen. Hackett und Forster liefen Seite an Seite. Forster trug das Gewehr in der Rechten und führte Marie am Arm.
Die Wagen wurden von Maultieren gezogen. Als die drei das erste Gespann erreichten, hielten die Kutscher die Wagen an. Die beiden Männer auf dem ersten Wagen blieben sitzen, die anderen saßen ab und kamen mit dem Schafhirten nach vorn. Die Schafe liefen nicht weg, da es weit und breit kein Gras gab, sondern drängten sich um den letzten Wagen, auf dem sie Futter zu wissen schienen.
„Hallo, Nachbarn!“, begrüßte Forster die Männer leutselig. „Mein Name ist John Forster. Das ist meine Frau Marie, und er ist mein alter Freund Pinky. Keine sehr gute Gegend für brave Leute. Wir sind vor drei Tagen überfallen worden. Die Hundesöhne hatten es auf unsere Pferde abgesehen. Wir hatten dreißig erstklassige Tiere in Tucson eingekauft. Bei dem Überfall haben wir unsere beiden Gehilfen verloren. — Ihr fahrt nach Westen. Es wäre nett, wenn ihr uns ein Stück mitnehmen könntet.“
Die Männer lächelten freundlich, sahen aber nur Marie an. Der Anführer oder das Oberhaupt der Sippe war ein alter grauhaariger Mann von der gleichen Statur wie Hackett. Breit und schwer saß er auf dem Bock und hielt die Zügel in den großen behaarten Fäusten.
„Das ist wirklich keine gute Gegend, Mann“, erwiderte er und lachte. „Wir haben uns ebenfalls schon unserer Haut wehren müssen.“ Auch er sah Marie an, und dabei gleißte und glitzerte es in seinen hellen Augen. „Eine hübsche Frau, Mr. Forster, die Sie da haben. Da rücken wir gern ein bisschen zusammen.“
„Danke!“, lächelte Forster. „Wir werden dafür bezahlen.“
Der Grauhaarige nickte. „Geld nehmen wir immer.“
„Zwanzig Dollar. Abgemacht?“
Der Grauhaarige nickte abermals. „Zufrieden!“
„Ich denke, ihr seid überfallen worden?“, fragte der Schafhirt.
„Ein bisschen Geld war alles, das wir retten konnten“, sagte Forster und blickte rasch von einem zum anderen. Die Freundlichkeit war mit einem Mal aus den Blicken der Männer gewichen. Lauernd und voller Habgier schauten sie jetzt auf Forsters Satteltasche, die er über der linken Schulter hängen hatte.
„Könnten wir das bisschen Geld mal sehen?“, fragte der Grauhaarige, ließ die Zügel fallen und ergriff blitzschnell das Repetiergewehr, das er zwischen den Beinen stehen hatte.
Forster lächelte gelassen, sein Blick zuckte in die Runde. Die anderen vier Männer trugen Revolver, die sie ziehen mussten.
Er nahm die Satteltasche von der Schulter. „Sehen Sie selbst nach, Mister“, erklärte er ruhig. „Sollten Sie mehr als zwanzig Dollar finden, gehören die auch Ihnen.“
Er holte aus und warf dem Grauhaarigen die Tasche mit hartem Schwung hinauf, dabei trat er blitzschnell zur Seite und traf Marie mit der Schulter so heftig, dass sie zu Boden schlug. Dann schoss er schon.
Auch Hackett feuerte. Er jagte das erste Geschoss auf den Wagen hinauf. Aber er traf nur die Satteltasche, die dem Grauhaarigen vor die Brust geflogen war. Das Geschoss durchschlug das Leder, blieb aber im Papiergeld der zweiten Tasche stecken. Das sah Hackett freilich nicht. Er feuerte bereits auf den zweiten Mann da oben, der sich jedoch mit einem wilden Sprung vom Wagen herunter in Sicherheit brachte, dabei den Colt zog und dann unter dem Wagen hindurch auf Hackett feuerte.
Von den drei Männern, die neben dem Wagen standen, hatten nur zwei die Revolver gezogen. Einer von ihnen hielt eine lange Treiberpeitsche in der Faust, was weder Hackett noch Forster zuvor sonderlich beachtet hatten. Das lange Leder fetzte plötzlich mit lautem Knall nach vorn, traf Forster mitten ins Gesicht, als er den ersten Schuss abfeuerte, und schlug Hackett im Zurückschnellen das Gewehr aus den Fäusten.
Forster hatte die Linke instinktiv vor das Gesicht gerissen, so dass sein erster Schuss fehlte. Auch der zweite ging daneben, weil er der abermals vorzuckenden Peitsche ausweichen wollte. Diesmal traf ihn der Schlag nicht ins Gesicht, sondern auf die Faust und sein Gewehr — das war auf einmal weg. Dann stürzten sich die drei Männer auf ihn und schlugen ihn zusammen. Das letzte, was er noch sah, war, dass Hackett unter dem Grauhaarigen zusammenbrach, der sich vom Wagen herab auf ihn geworfen hatte. Als er zu sich kam, stand Hackett jedoch schon wieder vor ihm und rieb sich das aufgeschlagene Gesicht. Die Wagen, die Schafe, das Geld, Marie und ihre Waffen aber waren weg.
Hackett verlor kein Wort, er sah „seinen“ Pinky nur an.
Forster rieb sich die Taubheit aus dem Schädel, schüttelte sich und stemmte sich auf die Ellenbogen.
„Sind sie schon lange weg?“, krächzte er.
„Sie ziehen im Westen aus dem Canyon“, brummte Hackett.
Forster stand auf, wankte zu einem Stein und ließ sich darauf nieder. Er blickte aus glasigen Augen nach Westen. Aber mehr als eine Staubfahne war nicht zu sehen.
„Sie haben Marie mitgenommen?“
Hackett nickte. „Sie soll ihnen ein paar Kinder zur Welt bringen, dann könnte sie verschwinden, sofern sie noch Lust dazu hat.“
„Hat der Alte das gesagt?“
„Ja, und er hat ihr angeboten, sich einen Mann unter seinen Söhnen auszusuchen. Sie wollen sich in Kalifornien niederlassen. Als Schafzüchter.“
„Diese Stinkratte!“, zischte Forster. „Unser Geld wird seinen Gestank bald angenommen haben“, meinte Hackett wütend.
Forster stand auf. „Dieser alte Schafbock! Komm, Pinky! Mit seinen verdammten Schafen ist er nicht schnell genug. Ich weiß zwar noch nicht wie, aber auf irgend eine Art kommen wir schon zu unserem Recht.“
Hackett begriff nicht ganz genau, wie er das meinte. Aber er verstand es. Sie setzten sich in Bewegung und folgten den Wagen.
Jimmy, Hep und Ol zügelten die Pferde und schauten auf die Ebene hinab. Kurz darauf trafen Matt Jackson und die anderen vier Männer der Circle C-Ranch ein und nahmen die Fährte auf.
Hep drehte sich im Sattel und sah Matt an. „Nichts zu sehen da drüben? Es war doch deine Richtung. Hast du nicht Stein und Bein geschworen, dass die Kerle mit Marie unbedingt...“
„Ach! Halt doch den Rand!“, brummte Matt Jackson gereizt. „Ich bin zu müde, um mich mit dir zu streiten. Ihr habt sie ja auch nicht gefunden.“
„Nee!“, grinste Hep. „Aber wir haben auch nicht Gift und Galle darauf verwettet, sie unbedingt hier zu finden.“
Matt spie aus und trieb sein Pferd an Jimmys Seite.
„Jeder erstickt immer an seinem eigenen Gift!“, kicherte Hep. Aber darüber lachte niemand. Die Männer waren zu erledigt.
„Wenn es mir nicht um diese Marie ging, wäre ich längst dafür, die Sache abzublasen“, meinte der Vormann zu Jimmy. „Aber die Schurken haben sie vielleicht irgendwo zurückgelassen. Wenn wir sie nur finden würden! Alles andere könnte dein Bruder mit einem Steckbrief erledigen. Die Simpsons haben ja eine Menge ausgesagt.“
„Ich würde vorschlagen, dass wir uns noch einmal trennen, Matt“, sagte Jimmy. „Sollten die Pinkys sich mit Marie noch in den Bergen aufhalten, müssten sie irgendwo im Osten auf diese Ebene gekommen sein. Das steht doch fest, oder?“
„Im Osten sucht Buster Tom!“, gab Matt Jackson zu bedenken.
„Er hat sie vielleicht schon erwischt“, warf Ol ein. „Der Boss besitzt doch eine besondere Nase.“
„Nach Matts maßgeblicher Meinung sucht er an der falschen Stelle“, meinte Hep bissig. „Da nützt ihm auch seine Nase nichts.“
Nun drehte sich Matt nach ihm um. „All right, ich habe mich geirrt, Hep! Ich gebe es freiwillig zu. Und deshalb bist du jetzt an der Reihe. Wir hören jetzt alle auf dich, Hep!“
Da drehte sich auch Jimmy um, und er grinste. Auch Ol grinste. Nach einer Weile grinste auch Matt. Die anderen Männer trieben die Pferde nach vorn, um Hep ebenfalls angrienen zu können.
Doch das alles störte Hep nicht. Er nickte gelassen. „Also well, dann sage ich euch jetzt etwas“, meinte er.
„Darauf warten wir doch!“, ließ sich Kane vernehmen.
Hep verzog das Gesicht. „Wir sind zu weit geritten“, erklärte er den Männern. „Forster ist ein großer, hagerer Kerl. Der legt in der Stunde glatt zwei Meilen zurück. Aber er hat eine Frau dabei, die er ja nicht ewig auf seinen Händen tragen kann, wenn er das auch möchte. Aber nicht nur sie bremst seine Schritte. Er hat ja noch einen dabei, und der ist so fett wie eine Junigans. Und daran liegt es.“
Matt blinzelte. „Also das verstehe ich nicht. Ob er nun fett wie eine Junigans ist oder nicht, er weiß, dass wir ihm den Hals umdrehen, wenn wir ihn erwischen.“
Hep schüttelte den Kopf. „Junigänse wissen von nichts. Die Frau kann Forster vielleicht treiben, aber nicht die Junigans. Die denkt immer nur ans Futter. Habt ihr schon mal eine Junigans beobachtet?“
Jimmy verdrehte die Augen. „Nein! Aber ich sehe dich an, und da weiß ich ziemlich Bescheid.“
Matt Jackson maß Hep mit einem finsteren Blick. „Aus seinem Maul, so weit er es auch aufmacht, kommt nichts als Wind. Habe ich das nicht immer gesagt?“
„Wir sind zu weit vorgestürmt, Jungs“, meinte Hep gelassen. „Jener Canyon hinter den Bergen ist eine verdammt wildreiche Gegend. Dort kann sich eine Junigans mästen, bis eines Tages eine Eisenbahn gebaut wird, die sie in eine noch wildreichere Gegend bringt. Nach Kalifornien zum Beispiel.“
„Jetzt hat er eine Menge Zeit zerredet, aber ich bin immer noch nicht gescheiter!“, brummte Matt.
„Das erwarten von dir nicht einmal die Rinder auf der Circle C“, erwiderte Hep.
„Durch diesen Canyon, zum Teufel, sind wir doch geritten“, sagte Jimmy.
Hep hob den Zeigefinger. „Aber zu schnell!“
„Das ist idiotisches Gequatsche!“, fauchte Matt Jackson und brachte sein Pferd in Gang. „Ich reite mit den Männern in die Ebene hinab. Da gibt es auch Falten und Buckel, in denen sich drei Menschen gut verbergen können. Du bringst Hep am besten nach Hause, ehe ihn die Sonne noch ganz erledigt!“
Die Männer schlossen sich dem Vormann an. Jimmy und Hep blickten ihnen nach. Das tat Jimmy aber nur, weil er unschlüssig geworden war. Doch als Hep sein Pferd drehte, folgte er ihm, ohne ein Wort zu verlieren.
Eine knappe Stunde später ritten sie in einem Durchbruch in den Canyon hinab, und dort stießen sie auf Wagenspuren. Hep hielt und pfiff laut.
Jimmy ritt an seine Seite und zog die Stirn kraus.
„Was hast du gegen mich?“, fragte Hep. „Da ist die Eisenbahn schon!“
„Was denn für eine Eisenbahn?“, brummte Jimmy. „Die Sonne knallt wohl wirklich ganz schön.“
Hep wies die Fährte entlang. „Unsere Junigans! Das habe ich doch gewusst.“ Jimmy stieg ab, um die Fährte zu untersuchen. „Zwei Stunden Vorsprung. Mehr aber nicht!“, sagte er, als er zu seinem Pferd zurückkam.
Hep nickte. „Das könnte verdammt genau hinkommen.“
„Aber es handelt sich um Schafzüchter!“
Hep nickte abermals. „Schafzüchter, die unsere Schurken freiwillig oder unfreiwillig mitgenommen haben.“
Jimmy grinste. „Du bist ein ziemlicher Denker.“
Hep winkte gelassen ab. „Mir liegt überhaupt nichts daran, dass das ausdrücklich anerkannt wird.“
Jimmy saß auf. „Wir sollten uns ihnen von vorn nähern, damit sie nicht sofort gewarnt sind.“
Damit war Hep einverstanden. Sie verließen den Canyon auf dem gleichen Weg und ritten dann auf der Ebene nach Westen, bis sie die Staubfahne der Wagen im Süden erblickten. Sie schwenkten ein, und kurz darauf sahen sie die beiden Wagen und die kleine Schafherde aus einem Buschgürtel herausgezogen kommen. Sie brachten die Pferde wieder in Gang, verschärften das Tempo und ritten den Wagen genau in den Weg, hielten an und saßen ab.
Die Wagen stoppten hintereinander. Die Männer auf dem Bock des ersten Wagens blieben sitzen, die beiden anderen Fahrer und der Schafhirt kamen nach vorn.
„Wollt ihr auch mitgenommen werden?“, rief einer der Männer und lachte. „Wir haben noch Platz. Eine Menge!“
Sie grinsten alle fünf freundlich. Jimmy und Hep warnte das jedoch, zumal sie beide restlos überzeugt waren, das zu finden, was sie suchten. Nämlich Marie und die Pinkys.
„Danke!“, sagte Jimmy laut. „Wir sind gut genug beritten. Wir haben nur die Absicht ...“
Da hörten sie Marie schreien. Laut und schrill rief sie Jimmys Namen.
Jimmy und Hep standen zunächst wie erstarrt. Aber die fünf Männer reagierten sofort. Der Grauhaarige auf dem Wagen ließ die Zügel fallen, schwang das Repetiergewehr hoch, und der Kutscher des zweiten Wagens feuerte einen Peitschenschlag ab. Er zielte dabei auf Jimmy.
Jimmy sah das Leder nicht, aber er hörte es durch die Luft pfeifen, duckte sich, riss das Gewehr hoch und warf es in das heranzuckende Leder hinein, das die Waffe auch umschlang und damit kraftlos zu Boden fiel.
Jimmy ließ sich nicht fallen, sondern sprang den Wagen an und riss dem Oldtimer das Repetiergewehr aus den behaarten Fäusten, wirbelte herum und schlug den ersten Angreifer zu Boden. Doch nicht nur Jimmy befand sich in geradezu rasender Aktion. Auch Hep war sofort vorwärts geflogen.
„Hier, nimm!“, schrie er laut und warf dem Mann vor ihm das Gewehr zu. Der griff unwillkürlich danach, statt zum Colt zu langen. Dabei sah er Hep erstaunt an, bis ihm Heps Fausthiebe die Augen schlossen und ihn zu Boden schickten. Hep war sofort zur Stelle, ergriff sein Gewehr, hatte keine Mühe mehr, es dem Mann wieder abzunehmen, und schlug damit den Peitschenkünstler nieder. Sein Hieb traf den Mann in den Nacken und drosch ihn direkt unter die Leiber der Maultiere.
Jimmy hatte inzwischen den Wagen erklommen. Seine Fäuste krachten auf Wangenknochen und Kiefer. Der Grauhaarige kippte nach rechts vom Wagen, sein Gefährte wählte den Absturz über die andere Seite hinweg. Jimmy versetzte ihm noch einen Tritt, dass er auch weit genug flog.
Dann kniete er schon unter der Plane vor Marie, den Colt in der Faust. Doch Marie war allein. Die Pinkys waren nicht da.
„Wo sind die Pinkys?“, schnaufte Jimmy, da er vollkommen außer Atem war.
„Die Schafzüchter haben Forster und Hackett überwältigt, ihnen die Waffen und das Geld abgenommen und sie im Canyon zurückgelassen“, erklärte Marie, durchstandene Not und durchlebte Ängste im Blick.
Jimmy kroch an ihr vorbei über den Hausrat und die Vorräte der Schafzüchter hinweg und sprang hinten aus dem Wagen, um Hep zu Hilfe zu kommen. Doch Hep stand schon am zweiten Wagen und lüftete die Plane an.
„Ist da noch einer?“, brüllte er. „Wenn da noch einer ist, soll er herauskommen. Hier gibt es Staubzucker. Kostenlos! Es muss auch nicht unbedingt gedrängelt werden. Immer der Reihe nach, sage ich immer.“
Er zog sich kurz hoch, schaute in den Wagen, ließ sich wieder auf die Füße nieder und drehte sich um. Als er Jimmy sah, grinste er und schüttelte sich die Arme aus, kam zu ihm und rieb sich dann die Knöchel.
Zwei der Männer rafften sich auf, stülpten sich die breiten Hüte auf die Köpfe und sahen Jimmy und Hep verwundert und auch voller Respekt an.
Hep spie aus. „Was habt ihr denn gedacht, an wen ihr geraten seid?“, knurrte er gereizt.
In dem Moment kam der Grauhaarige zu sich. Auf allen Vieren kriechend suchte er seinen Hut und sein Gewehr. Hep wollte ihm in den Hintern treten, als er, die Waffe in der Faust, aufstand. Doch Jimmy schob Hep zur Seite und hielt dem Schafzüchter den Colt vor die Nase, so dass er sein Gewehr von selbst wieder fallen ließ.
Marie stieg vom Wagen. Hep war ihr behilflich. Er wollte sie ein bisschen aufmuntern. Aber da sie weinte, fiel ihm gleich nichts ein.
Jimmy hatte unterdessen die fünf Schafzüchter zusammengetrieben. „Wo ist das Geld, das ihr den Pinkys abgenommen habt?“, wandte er sich an den Oldtimer. „Gebt es her. Es stammt aus Einbrüchen und Überfällen.“
Die fünf Männer musterten ihn schweigend. Der Grauhaarige schüttelte den Kopf. „Kein Geld!“ sagte er. „Ich habe kein Geld.“
Jimmy winkte Hep und Marie heran. Marie berichtete, was sich Stunden zuvor in dem Canyon abgespielt hatte.
„ ... Forsters Satteltasche befindet sich unter dem Sitzbrett“, schloss sie ihren Bericht.
Hep ging sofort zum Wagen zurück, musste sich dabei einen Weg durch die Schafe bahnen, die langsam nach vorn getrottet kamen. Er klappte das Sitzbrett hoch, holte die Satteltasche hervor und prüfte den Inhalt.
„Alles beisammen!“, sagte er.
„Verschwindet!“, rief Jimmy den fünf Männern zu. „Steigt auf und haut ab. Lasst euch bloß nicht mehr blicken.“
„Es sei denn, es juckt euch irgendwo“, griente Hep.
Die Männer gingen langsam zu den Wagen, sahen sich dabei misstrauisch nach Jimmy und Hep um, bestiegen die Wagen und nahmen vorsichtig und umständlich Platz. Der Treiber lief auf die gleiche Weise nach hinten, ergriff dort den langen Knüppel, den er an das Hinterrad gelehnt hatte, und gab den Männern vorn ein Zeichen.
Die Maultiere zogen an. Die Wagen fuhren ratternd und holpernd und mit knarrenden und quietschenden Achsen los. Die Schafe liefen blökend mit.
Jimmy, Hep und Marie sahen den Schafzüchtern nach, bis sie im Buschland verschwanden.
„Sind die Pinkys verwundet worden?“, wandte sich Jimmy an die Frau.
„Ich weiß es nicht“, erklärte Marie. „Die Schafzüchter haben mich sofort gepackt und auf den Wagen gezogen.“
Hep rieb sich das Kinn. „Die Pinkys werden in dem Teil des Canyons sein, den wir ausgespart haben, um vor die Schafzüchter zu kommen. Reiten wir! Es wird bald dunkel.“
Hep führte Marie zu den Pferden. Jimmy beobachtete ihn und grinste, schwang sich dann schnell auf sein Pferd und ritt an, damit Hep die Chance bekam, Marie zu sich in den Sattel zu nehmen. — Hep war darüber verdammt zufrieden.