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Wie alles begann
ОглавлениеWer hätte das gedacht? Damals im Frühsommer 2004, als sich drei kreative Köpfe zusammensetzten, um eine österreichische Version der in Deutschland gerade so erfolgreichen Comedy-Quiz-Serie »Genial daneben« zu ersinnen. Wer hätte gedacht, dass dabei eine Sendung herauskommt, die sich schon nach wenigen Sendungen so sehr in die Herzen der Zuschauer spielen würde, dass sie auch zehn Jahre später noch mit ihrem ureigenen Schmäh als unangefochtener Fixpunkt der Freitag-Abend-Unterhaltung Woche für Woche für Spiel und Spaß sorgt? Sandra Winkler hatte es gedacht. Die ehemalige Comedy-Chefin des ORF überraschte die Mitarbeiter von »Was gibt es Neues?« bereits während der zweiten Staffel mit der mutigen Prophezeiung: »Mit der Sendung gehen wir noch alle in Pension!« Die ersten haben das bald geschafft.
Doch zurück zu den Anfängen der Entstehungsgeschichte dieses komischen Kleinods der Fernseh-Belustigung. Natürlich war es dem kleinen Entwicklungsteam ein fröhliches Bedürfnis, eine originäre und eigenständige Sendung zu erschaffen. Also verfiel das neben Sandra Winkler noch aus Redakteur Peter Wustinger und Moderator Oliver Baier bestehende Trio auf die Idee, ihr einen brisanten Anstrich zu verleihen: Dem möglichst phantasievollen und komödiantisch begabten Rateteam sollten ausschließlich Fragen rund um das aktuelle Wochengeschehen gestellt werden. Zusätzlich solle jede Sendung mit einer pointenreichen fünfminütigen Stand-Up-Comedy des Moderators beginnen, in der sich abermals alles um das aktuelle Wochengeschehen dreht.
Die Frage, ob wirklich jede Woche so viel Witziges und »Fragwürdiges« passiert, dass sich damit eine Sendung füllen lässt, stellte sich zu diesem Zeitpunkt noch niemand. Ganz zu schweigen von der ebenfalls nicht ganz unwesentlichen Frage, wie diese Wochenaktualität überhaupt zu bewerkstelligen sein soll, wenn die Sendungen zum Teil bis zu drei Wochen vor ihrem Ausstrahlungstermin aufgezeichnet werden. Kaum war dieser Plan gefasst, begann die Suche nach dem Sendungstitel. Das ist üblicherweise ein langwieriger Vorgang, der mit allgemeinem Brainstorming beginnt und über etliche endlose Sitzungen im Idealfall zu einem Ergebnis führt, das dann schlussendlich wieder zur Diskussion gestellt wird, sodass das Prozedere von vorne beginnen kann. In seltenen Glücksfällen genügt das richtige Wort zum richtigen Zeitpunkt, um die Debatte zu beenden. Nur ein einziger Fall ist bislang bekannt, in dem ein spontan ein Liedchen anstimmender Redakteur im Schnellverfahren zum Taufpaten einer Sendung avancierte. In Anbetracht der gerade eifrig angepeilten Aktualität der zu betitelnden Sendung erwachten in Peter Wustinger nämlich Kindheits- und Jugenderinnerungen an einen beliebten Dauerbrenner des ORF: Heinz Conrads’ zunächst als Radiosendung konzipierte und später auch fürs Fernsehen adaptierte Sendung »Was gibt es Neues?«. Deren berühmte gleichnamige Kennmelodie stimmte er unwillkürlich an – und bekam für diesen Vorschlag den spontanen Zuschlag.
Von dem einst geplanten unmittelbaren Gegenwartsbezug der Sendung ist allerdings außer dem Titel und den auf das Tagesgeschehen gemünzten satirischen Anspielungen des Rateteams nicht viel geblieben. Eine ursprünglich für den Beginn jeder Folge geplante aktuelle Stand-Up-Comedy wurde bereits nach der ersten Staffel gestrichen, weil sich rasch herausstellte, dass der Unterhaltungswert geschriebener Pointen nur in seltenen Fällen jenem improvisierter Scherze und Blödeleien des Rateteams das Wasser reichen kann. Das zeigte sich nicht nur bei jener unvergesslichen Probesendung, für die ein namentlich nicht genannt werden sollender und mit dem Füllen der Besucherränge beauftragter Mitarbeiter einer Komparserie unter Vermeidung jeglichen Mitdenkens kurzerhand eine Busladung tschechischer Studenten als günstige Publikumskulisse engagiert hatte. Die Sprachbarriere ließ die ganze Show über keinerlei Stimmung aufkommen. »Das war eine Pilot-Sendung wie ein Geisterspiel vor leeren Rängen«, erinnert sich Oliver Baier mit Schaudern.
Dass spontane Späße ganz grundsätzlich eher für ausgelassene Heiterkeit sorgen als gescriptete Witze, weiß man auch im Kabarett, wo ja gelegentlich sogar vermeintlich spontane Reaktionen auf (sorgsam eingeplante) Pannen oder (absichtlich) fehlende Requisiten genau einstudiert werden, um einem schwächeren Sketch zu etwas mehr Komik und Publikumswirksamkeit zu verhelfen. Bei »Was gibt es Neues?« wird vorher nichts geprobt. Keiner im Rateteam kennt die Fragen oder weiß, was auf ihn zukommt. Wenn also dort einmal der Schmäh rennt, ist das garantiert immer lustiger und authentischer als jede vorbereitete Pointe. Je schneller das Team sich auf die Fragen stürzen kann und in Fahrt kommt, umso besser. Dieses Argument war schlussendlich auch ausschlaggebend dafür, dass ein zweiter – vermeintlich unverzichtbarer – Eckpfeiler der Sendung gefällt wurde. Und das, ohne ihre Stabilität auch nur im Mindesten zu gefährden.
10 years after: Moderator Oliver Baier bei der ersten Sendung am 1. Oktober 2004 …
Um dem Titel »Was gibt es Neues?« zumindest halbwegs gerecht zu werden, wurde die ersten Jahre über geradezu krampfhaft versucht, jede Frage und jeden rätselhaften Fachbegriff zumindest in einen pseudoaktuellen Kontext zu setzen. Sollte nach dem »Schweizer Riegel« gefragt werden, wurde – nur für die Anmoderation – so lange recherchiert, bis eine zufällig gerade eröffnete, aber grundsätzlich völlig unerhebliche Messe für Bauen und Wohnen in Basel gefunden war. Die im Pilotenjargon gebräuchliche Floskel »kill the rabbit« konnte erst am Welttierschutztag begründet zum Einsatz kommen, der »Stechgroschen« stand bis zum Weltspartag auf der Warteliste. Lautete die Frage, warum auf mittelalterlichen Marktplätzen an geheimen Stellen Spielwürfel versteckt waren, musste für die Überleitung gar die Eröffnung eines »würfelförmigen Kunstmuseums auf einem zentralen Platz in Stuttgart« bemüht werden. Ganz schön viel Aufwand und Arbeit für die Einflechtung vornehmlich verwirrender und bremsender Fremdkörper im Sendungsablauf.
Der Erkenntnis, dass vorgefertigte Witzigkeiten eine vom spontanen Schmäh lebende Sendung nur in Ausnahmefällen humoristisch bereichern können, fiel auch die ursprüngliche Version der »Promifrage« zum Opfer. Nicht mehr viele werden sich daran erinnern können, dass es anfänglich nur selten die Prominenten selbst waren, die die Schlussfrage stellten, sondern Parodisten, die die Promis auf möglichst lustige Weise persiflierten. Kabarettist und Stimmtalent Herbert Haider fragte beispielsweise als »bäriger« Hansi Hinterseer nach dem »Vibrationsbär« und Ö3-Comedian Christian Schwab stellte in seiner damaligen Paraderolle als »Sepp Schnorcher« gleich in mehreren Folgen Fragen mit sprachlichem Heimatbezug zu seinem »Klingenden Österreich«. Inzwischen ist es – abgesehen vom »Sendungsthema« – ausgerechnet diese einst als Element von vermeintlich zeitloser Lustigkeit geplante »Promifrage«, die in jeder Folge von »Was gibt es Neues?« zumindest für einen abschließenden Hauch der vom Sendungstitel angedeuteten Aktualität sorgt.
Ganz schnell wieder verworfen wurde auch die 2008 in einigen wenigen Folgen ausprobierte »Panikfrage«. Zur Erinnerung: Dabei handelte es sich um eine aus sendungsdynamischen Gründen eingeführte Schnellraterunde, bei der jeder im Rateteam die Aufgabe hatte, eine ganz kurze Erklärung für das in die Runde geworfene Rätselwort aus der Hüfte zu schießen. Sie erwies sich jedoch vielmehr als Schuss ins eigene Knie, beraubte sie das Team und die Sendung doch der unverzichtbaren Möglichkeit, entspannt miteinander Schmäh führen zu können.
… und zehn Jahre später.
Als durchaus funktionell erwies sich indes die Einführung der Figur des ratlosen Archivars Bruckmann. Wenn es darum geht, Fragen aus aller Welt zu stellen, die einer etwas ausführlicheren Anmoderation bedürfen, hat dieser komische Kauz, der in Form einer ununterbrechbaren Zuspielung zugeschaltet wird, deutlich bessere Karten als Oliver Baier, der oft darum kämpfen muss, sich inmitten der Kindergeburtstagsstimmung beim Rateteam Gehör zu verschaffen. ORF-Innenpolitik-Redakteur und Nebenerwerbs-Kabarettist Claus Bruckmann verkörpert die Rolle des etwas unbeholfenen Kollegen aus den lichtlosen Katakomben überdies dermaßen glaubwürdig, dass ihn immer wieder Fragen per Post erreichen, die mit »ORF-Archiv, z. H. Herrn Bruckmann« adressiert sind.