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aa) Formelle und materielle Legitimation

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Das Problem, wie der gute Glaube des Erwerbers zu schützen ist, wenn sich die Rechtsübertragung außerhalb des Grundbuchs vollzieht, lösen §§ 1155, 1140 BGB. Die Vorschriften sind sowohl auf Hypothek wie Grundschuld anwendbar, wobei sich die Abtretungserklärung nach § 1155 Satz 1 hier auf die Grundschuld selbst, dort auf die Forderung bezieht.

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Der Umstand, dem das Gesetz Publizität beimisst, die den Schutz des Redlichen erheischt, ist der Besitz am Brief einerseits und eine ununterbrochene Kette von öffentlich beglaubigten (vorst. Rn. 301) Abtretungs- bzw. Einigungserklärungen i.S.v. § 1154 Abs. 1, die auf den ersten Inhaber des Briefgrundpfandrechts zurückführen und auf dem Brief selbst vermerkt werden können (vorst. Rn. 299), andererseits. So bestimmt es § 1155 Satz 1. Der Eigenbesitz des Veräußerers am Brief kann unmittelbarer oder mittelbarer sein, und zwar entweder bei Abgabe der Abtretungserklärung oder bei Übergabe (vorst. Rn. 298) des Briefs[1]. Die zusammenhängende Reihe der Übertragungserklärungen gewährleistet ihrem äußeren Anschein nach, dass der Übertragende, der Zedent, der wirkliche Rechtsinhaber sei, weil er seinerseits vom wirklichen Inhaber als Rechtsvorgänger erworben hat, dieser von seinem Rechtsvorgänger bis hin zum ersten Gläubiger. Da der erste Gläubiger nur aus dem Grundbuch ersichtlich ist, spielt dieses auch im Rahmen von § 1155 Satz 1 eine Rolle: Gutgläubiger Erwerb ist nur möglich, wenn der erste Gläubiger, auf den die Übertragungserklärungen hinführen, im Grundbuch steht. Die öffentliche Beglaubigung der Übertragungserklärungen erweckt den Anschein ihrer Ordnungsgemäßheit, auch wenn eine der Erklärungen nichtig sein sollte (der Beglaubigungsanspruch gem. § 1154 Abs. 1 Satz 2 hat also nicht nur Bedeutung für die Legitimation, s. vorst. Rn. 301 f, sondern auch für den gutgläubigen Erwerb durch nachfolgende Zessionare und damit für die Verkehrsfähigkeit des Grundpfandrechts). Will deshalb ein Redlicher ein Briefgrundpfandrecht erwerben und ist der Übertragende sowohl Briefbesitzer wie durch die ununterbrochene Erklärungskette ausgewiesen, ist er m.a.W. formell legitimiert, sind die Regelungen von §§ 891 bis 899, 899a BGB anwendbar, wie wenn der Briefbesitzer im Grundbuch eingetragen wäre (s. auch die wertpapierrechtliche Parallele in Art. 16 Abs. 1 WG, 19 ScheckG). Das bedeutet:

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Gem. § 891 wird vermutet, dass der den Brief besitzende[2] und dort bezeichnete Gläubiger der Inhaber des Grundpfandrechts sei. Verteidigt sich der Grundeigentümer gegen die Verwertung mit der fehlenden Berechtigung des Gläubigers, hat er darzulegen und zu beweisen, dass der auf dem Brief bezeichnete Gläubiger in Wahrheit nicht Inhaber des Grundpfandrechts ist, also den Beweis des Gegenteils führen (s. § 292 ZPO); es findet eine Umkehr der Beweislast statt[3]. Die Beweislast liegt im Allgemeinen beim Gläubiger für seine Gläubigerstellung. War also der im Brief bezeichnete Gläubiger in Wahrheit nicht der Inhaber des Grundpfandrechts – die Übertragungserklärung an ihn ist z.B. nichtig, weil der vorangegangene Zedent geschäftsunfähig war oder der Zedent ist Nichtberechtigter gewesen und der Zessionar war bösgläubig[4] –, gelten die Übertragungserklärungen gem. §§ 1155 Satz 1, 892 Abs. 1 Satz 1 zugunsten des redlichen Erwerbers trotzdem als wirksam, wenn der Beweis des Gegenteils nicht gelingt[5]. Ist als Gläubiger eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts eingetragen (siehe auch vorst. Rn. 155), erstreckt sich die Vermutung gem. § 899a Satz 1 BGB auf den sich aus § 47 Abs. 2 GBO ergebenden Gesellschafterbestand. Nach § 899a Satz 2 BGB ist der gute Glaube daran geschützt[6]. Ein relatives Verfügungsverbot wirkt gegen den redlichen Erwerber gemäß § 892 Abs. 1 Satz 2 nur, wenn es aus den Übertragungserklärungen ersichtlich ist. Wird an den nach Maßgabe von § 1155 Ausgewiesenen eine Leistung bewirkt, wird der Leistende gem. § 893 frei. Das kann im Falle der Grundschuld nur gelten, wenn die Leistung zur Tilgung der Grundschuld selbst, nicht lediglich der gesicherten Forderung bestimmt wird[7] (vorst. Rn. 237). Der wahre Grundpfandgläubiger[8] kann gegen den fälschlich durch Übertragungserklärung Ausgewiesenen Berichtigung des Grundbuchs gem. §§ 894 ff. und Widerspruchseintragung im Grundbuch gem. § 899 verlangen. Für die Übertragung des Grundpfandrechts hat § 1155 also die Bedeutung, dass der durch die Übertragungserklärung Ausgewiesene zugunsten des redlichen Erwerbers als Rechtsinhaber behandelt wird, auch wenn er in Wahrheit, also nach materiellem Recht, gar nicht Rechtsinhaber, sondern Nichtberechtigter, m.a.W. nicht materiell legitimiert ist. Der Rechtsschein einer wirksamen vorangegangenen Übertragung wirkt zu Gunsten des Redlichen, die formelle Legitimation kompensiert die fehlende materielle Legitimation. Deshalb kann der Redliche das Grundpfandrecht vom Nichtberechtigten erwerben.

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Wer vom Nichtberechtigten erwerben will, aber unredlich ist, wird nicht Rechtsinhaber, sondern selbst Nichtberechtigter. Er kann das Recht aber auf einen anderen redlichen Erwerber übertragen, der dann wahrer Rechtsinhaber, also Berechtigter, wird. Kann dieser Berechtigte das Grundpfandrecht auf den vorangegangenen Nichtberechtigten zurückübertragen (Rückerwerb des Nichtberechtigten vom Berechtigten)? An sich ist ein solches Vorgehen ohne weiteres möglich, das Problem des gutgläubigen Erwerbs stellt sich gar nicht, weil es eben ein Berechtigter ist, der das Grundpfandrecht zurücküberträgt. Jedoch können die hintereinander geschalteten Erwerbsakte das Ziel haben, dem Bösgläubigen Rechte aus nur scheinbarem Tatbestand (Inhaberschaft am Grundpfandrecht) zu verschaffen, auf den er gar nicht vertraut hatte. Richtiger Ansicht nach (näher unten Rn. 1600) ist in diesem Fall ein unmittelbarer Rechtserwerb des Altinhabers und nicht des Nichtberechtigten anzunehmen, gleichermaßen, wenn das der Abtretung des Grundpfandrechts zugrundeliegende Verpflichtungsgeschäft, z.B. ein Kaufvertrag (§ 433 Abs. 1 Satz 2) oder ein Sicherungsvertrag aufgrund wirksam erklärten Rücktritts gem. § 346 BGB zurückabzuwickeln ist.

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Die Vorschriften von §§ 891 ff. können unmittelbar neben der Sonderregelung von § 1155 anwendbar sein, ohne dass deren Voraussetzungen erfüllt sein müssten. Der Mangel der Berechtigung des letzten Gläubigers und Zedenten kann nämlich darin liegen, dass bereits der erste im Grundbuch eingetragene Gläubiger Nichtberechtigter war. Das ist der Fall, wenn der Mangel schon in der Bestellung des Grundpfandrechts liegt, der Eigentümer z.B. im Zeitpunkt der dinglichen Einigung (§ 873) geschäftsunfähig gewesen war. Dieser Mangel wird durch die Gutgläubigkeit des ersten Zessionars nach § 892 überwunden, sodass er Berechtigter war. Ein späterer Zessionar des Grundpfandrechts ist materiell legitimiert und braucht sich nicht auf § 1155, also auf öffentlich beglaubigte Abtretungserklärungen zu stützen, sondern kann den Beweis seiner materiellen Legitimation auch ohne formelle Legitimation, also durch privatschriftliche Abtretungserklärungen, führen.

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