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Ätiologie

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Endodont und Parodont liegen räumlich eng benachbart und sind nur vom Dentin der Zahnwurzel getrennt. Pathologische Prozesse können sich von einer Struktur in die andere ausbreiten und es können sogenannte endodontal-parodontale (Endo-Paro-)Läsionen entstehen. Parodontalerkrankungen, die im Zusammenhang mit solchen Endo-Paro-Läsionen stehen, bilden in der Klassifikation der parodontalen und periimplantären Erkrankungen und Zustände einen eigenen Unterpunkt1–3. Über das Foramen apicale, aber auch über zahlreiche akzessorische Wurzelkanäle, die lateral oder in die Furkationen mehrwurzeliger Zähne münden, stehen beide Gewebe in direkter Verbindung (Abb. 1). In einer nekrotisierten Pulpa kommt es zu Vermehrung und Zerfall von Mikroorganismen. Von den Bakterien, die besonders häufig in den Wurzelkanälen avitaler endodontisch unversorgter Zähne gefunden werden, gehören Porphyromonas gingivalis, Prevotella intermedia, Fusobakterien und Spirochäten auch zu den parodontalpathogenen Mikroorganismen4,5. Enzyme und Zerfallsprodukte dieser Bakterien können über Wurzelkanäle ins Parodont gelangen und dort entzündliche Reaktionen, Degradation kollagener Fasern und Osteolyse verursachen. Gelangen diese bakteriellen Produkte über das Foramen apicale ins Parodont, was als häufigste Möglichkeit zu betrachten ist, kommt es zu einer periapikalen Osteolyse, die röntgenologisch darstellbar ist (lesion of endodontic origin: LEO).

Abb. 1 Endodont und Parodont liegen räumlich eng benachbart und sind nur vom Dentin der Zahnwurzel getrennt. Verbindungen sind z. B. das Foramen apicale oder Seitenkanäle der Pulpa, die lateral oder in die Furkationen mehrwurzeliger Zähne münden.

Von der Ätiologie aus betrachtet ist es möglich, dass Defekte primär einen endodontalen Ursprung haben, sich ausbreiten und auch das Parodont in Mitleidenschaft ziehen (Abb. 2a)6. Der Weg bakterieller Produkte und Antigene über einen lateralen Wurzelkanal kann zu einer lateralen Osteolyse führen, die im Röntgenbild einen vertikalen Knocheneinbruch vortäuschen kann. Die Ausbreitung über einen interradikulären Seitenkanal kann zu einer interradikulären Osteolyse führen, die in ihrer röntgenologischen Darstellung den Verdacht eines Furkationsbefalls rechtfertigt. Solche lateralen bzw. interradikulären Prozesse können zum Parodont perforieren und so zu einer parodontalen Beteiligung und bei längerem Persistieren zu einer Superinfektion führen. Erreichen andererseits tiefe intraalveoläre Läsionen die periapikale Region, kann es zur Fortleitung der Infektion von marginal nach endodontal und zur retrograden Pulpitis kommen. Hierbei handelt es sich dann um eine primär parodontale Läsion (Abb. 2b). Es gibt allerdings auch Situationen, in denen ein primär parodontaler Prozess und eine primär endodontale Läsion unabhängig voneinander entstehen, aufeinander „zuwachsen“ und unter Umständen konfluieren (Abb. 2c). Klassifikationen, die sich primär auf die Ätiologie der endodontal-parodontalen Läsionen beziehen7,8, sind allerdings für die Differenzialdiagnose zwischen primär endodontalen und primär parodontalen Läsionen wenig geeignet. Die gültige Klassifikation der parodontalen und periimplantären Erkrankungen und Zustände von 2018 sieht eine Einteilung vor, die zunächst unterscheidet, ob die Wurzel beschädigt ist (z. B. Wurzelfraktur) und bei Läsionen ohne Beschädigung der Wurzel Patienten mit und ohne Vorliegen einer Parodontitis differenziert (Tab. 1)9.


Abb. 2 Endodontal-parodontale Läsionen: a) primär endodontale Läsion; b) primär parodontale Läsion; c) kombinierte EndoParo-Läsion.

Tab. 1 Klassifikation endodontal-parodontaler Läsionen nach der aktuellen Klassifikation9.

Endodontal-parodontale Läsion mit Beschädigung der WurzelWurzelfraktur oder -riss
Perforation eines Wurzelkanals oder der Pulpakammer
externe Wurzelresorption
Endodontal-parodontale Läsion ohne Beschädigung der Wurzelbei Parodontitis-PatientenGrad 1 – enge, tiefe parodontale Tasche an einer Seite des Zahns
Grad 2 – weite, tiefe parodontale Tasche an einer Seite des Zahns
Grad 3 – tiefe parodontale Tasche an > 1 Seite des Zahns
bei Patienten ohne ParodontitisGrad 1 – enge, tiefe parodontale Tasche an einer Seite des Zahns
Grad 2 – weite, tiefe parodontale Tasche an einer Seite des Zahns
Grad 3 – tiefe parodontale Tasche an > 1 Seite des Zahns

Akute periapikale Prozesse können Knochen und Schleimhaut perforieren und zu vestibulärer oder oraler Fistelung führen (Abb. 3). Der Eiter kann aber ebenso den Knochen penetrieren und sich submukös seinen Weg nach marginal suchen (marginale Suppuration, erhöhte Sondierungstiefe im gesamten Bereich der Eiterung: endodontalparodontale Läsion ohne Beschädigung der Wurzel bei Patienten ohne Parodontitis: Grad 2; Tab. 1) (Abb. 4) oder aber seinen Weg über den Parodontalspalt suchen und marginal abfließen (marginale Suppuration, streng isoliert erhöhte Sondierungstiefe: endodontal-parodontale Läsion ohne Beschädigung der Wurzel bei Patienten ohne Parodontitis: Grad 1; Tab. 1) (Abb. 5). In den beiden letzten Fällen ist die Symptomatik dem klinischen Bild eines Parodontalabszesses vergleichbar.

Abb. 3 Parodontitis periapicalis mit Fistelung nach vestibulär.

Abb. 4 Parodontitis periapicalis mit submuköser Fistelung nach marginal.

Abb. 5 Parodontitis periapicalis mit desmodontaler Fistelung nach marginal.

Perforationen vom Pulpakavum in den Desmodontalspalt (endodontal-parodontale Läsion mit Beschädigung der Wurzel: Perforation des Wurzelkanals/der Pulpakammer; Tab. 1) können, insbesondere wenn sie nicht unmittelbar und adäquat versorgt werden, zu Defekten führen, die ähnlich wie endodontale Läsionen, die über Seitenkanäle der Pulpa z. B. die Furkation eines mehrwurzeligen Zahns erreichen, von primär parodontalen Defekten schwer zu unterscheiden sind (Abb. 6).

Abb. 6 Klassifikation der iatrogenen Perforationen8: Klasse Ia: Perforation koronal des Gingivalsaums; Klasse Ib: Perforation apikal des Gingivalsaums, aber suprakrestal; Klasse II: approximale infraalveoläre Perforation im koronalen und mittleren Wurzeldrittel (a: approximal; b: vestibulär; c: oral); Klasse III: Perforation im apikalen Wurzeldrittel; Klasse IV: Perforation in die Furkation mehrwurzeliger Zähne.

Eine weitere Ursache für isolierte tiefe parodontale Defekte sind vertikale Wurzelfrakturen wurzelkanalgefüllter Zähne (endodontal-parodontale Läsion mit Beschädigung der Wurzel: Wurzelfraktur; Tab. 1). Diese Frakturen können als Ermüdungsbrüche, verursacht durch zunehmende Versprödung der wurzelkanalgefüllten Zähne, als Folge zu starker Ausschachtung bei der Aufbereitung der Wurzelkanäle und daraus resultierender Schwächung der Zahnhartsubstanz bei normaler Belastung oder durch Traumata entstehen2. Reicht der Frakturspalt bis nach marginal, wird er bakteriell besiedelt. So kann es infolge dieser bakteriellen Besiedlung zur Zerstörung des Parodonts entlang des Frakturspaltes und zu einem isolierten tiefen Defekt kommen (Abb. 7).

Abb. 7 Vertikale Wurzelfrakturen: a) Zahn 25: intrakanaläre Stiftverankerung, vestibuläre Sondierungstiefe 9 mm, verstibuläre Fistel (oberer Pfeil), zwischen Gingiva und Kronenrand Frakturspalt sichtbar; b) Zahn 35: linguale Sondierungstiefe 10 mm, Frakturspalt sichtbar (Pfeile); c) Röntgenbild zu Abb. 7b mit Guttaperchaspitze im Fistelgang; d) Zahn 43: Wurzelkanalfüllung, Stiftkernaufbau, Beschwerden, perkussionsempfindlich, vestibuläre druckdolente Schwellung, Sondierungstiefe 11 mm, marginale Suppuration; e) Zahn 43 aus Abb. 7d nach Extraktion: Der Frakturspalt ist sichtbar, an dem entlang sich Konkremente nach apikal erstrecken.

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