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Parodontale Erkrankungen und Zustände Parodontale Gesundheit, Gingivitis und gingivale Zustände
ОглавлениеErstmals wird in der neuen Klassifikation gingivale Gesundheit definiert (Tab. 1 und 2, Abb. 3a), die auch im durch Parodontitis reduzierten Parodont nach erfolgreicher Behandlung hergestellt werden kann (Tab. 1, Abb. 3b). Beim reduzierten Parodont wird zwischen Zuständen, die nicht durch Parodontitis verursacht wurden wie Rezessionen (Abb. 3c), oder Zustand nach chirurgischer Kronenverlängerung und dem stabilen Zustand nach erfolgreicher Parodontitistherapie unterschieden. Bei Erkrankungen, für die es zwar eine Therapie, aber keine Heilung gibt (z.B. rheumatoide Arthritis, Parodontitis) können die Schwellenwerte, die zwischen Stabilität/Gesundheit und Gingivitis unterscheiden, anders sein als bei Nicht-Parodontitispatienten (Tab. 1). Beim stabilen Parodontitispatienten wird deshalb eine Sondierungstiefe von 4 mm ohne Bluten noch als gingivale Gesundheit bewertet. Bei den Erkrankungen der Gingiva wird zwischen der sehr häufigen plaqueinduzierten Gingivitis (Tab. 3) und den nicht plaqueinduzierten Gingivaerkrankungen (Tab. 4) unterschieden. Ohne effektive Plaquekontrolle werden die Zahnoberflächen schnell bakteriell besiedelt. Aus einer Situation klinischer Entzündungsfreiheit bei vollkommen intakten parodontalen Verhältnissen entsteht spätestens nach einem Zeitraum von 3 Wochen ungehinderter Plaqueakkumulation eine manifeste Entzündung der Gingiva (plaqueinduzierte Gingivitis)4.
Abb. 3a bis c a) Gesundheit im intakten Parodont; b) bei stabilem Zustand nach erfolgreicher Parodontitistherapie; c) im reduzierten Parodont, das nicht durch Parodontitis (hier: Rezessionen) verursacht wurde8.
Tab. 1 Diagnostische Kriterien für gingivale Gesundheit und durch dentale Plaque induzierte Gingivitis4.
Zustand des Parodonts | Gesundheit | Gingivitis |
Intaktes Parodont | ||
Sondierbarer Attachmentverlust | nein | nein |
Sondierungstiefen (bei Ausschluss von Pseudotaschen) | ≤ 3 mm | ≤ 3 mm |
Bluten auf Sondieren (BOP) | < 10 % | ja (≥10 %) |
Röntgenologischer Knochenabbau | nein | nein |
Reduziertes Parodont | ||
Kein Parodontitispatient, (z. B. bei fazialen Rezessionen) | ||
Sondierbarer Attachmentverlust | ja | ja |
Sondierungstiefen (alle Stellen und bei Ausschluss von Pseudotaschen) | ≤ 3 mm | ≤ 3 mm |
Bluten auf Sondieren (BOP) | < 10 % | ja (≥ 10 %) |
Röntgenologischer Knochenabbau | möglich | möglich |
Erfolgreich behandelter stabiler Parodontitispatient | ||
Sondierbarer Attachmentverlust | ja | ja |
Sondierungstiefen (alle Stellen und bei Ausschluss von Pseudotaschen) | ≤ 4 mm (keine Stelle ≥ 4 mm und BOP) | ≤ 3 mm |
Bluten auf Sondieren (BOP) | < 10 % | ja (≥ 10 %) |
Röntgenologischer Knochenabbau | ja | ja |
Tab. 2 Parodontale und gingivale Gesundheit4.
A. Klinische gingivale Gesundheit bei intaktem Parodont |
B. Klinische gingivale Gesundheit bei reduziertem Parodonti. Stabiler Parodontitispatientii. Kein Parodontitispatient |
Tab. 3 Gingivitis – durch dentalen Biofilm induziert4.
A. Allein mit dentalem Biofilm assoziiert |
B. Beeinflusst durch systemische oder lokale Risikofaktoreni. Systemische Risikofaktoren (modifizierende Faktoren)(a) Rauchen(b) Hyperglykämie(c) Ernährungsfaktoren(d) Pharmakologische Wirkstoffe (verordnungspflichtig, nichtverordnungspflichtig, Partydrogen)(e) Geschlechtshormone (Pubertät, Menstruationszyklus, Schwangerschaft, orale Kontrazeptiva)(f) Hämatologische Zuständeii. Lokale Risikofaktoren (prädisponierende Faktoren)(a) Faktoren, die zur Retention dentalen Plaquebiofilms beitragen (z. B. überstehende Restaurationsränder)(b) Mundtrockenheit |
C. Medikamentös induzierte Gingivavergrößerung |
Tab. 4 Gingivale Erkrankungen – nicht durch dentalen Biofilm induziert4.
A. Genetische/entwicklungsbedingte Störungeni. Erbliche GingivafibromatoseB. Spezifische Infektioneni. Bakterieller Genese(a) Neisseria gonorhoeae*(b) Treponema pallidum*(c) Mycobacterium tuberculosis*(d) Streptokokken-Gingivitisii. Viraler Genese(a) Coxsackie-Virus (Hand-Fuß-Mund-Krankheit)*(b) Herpes simplex I und II (primär oder rezidivierend)*(c) Varizella zoster (Windpocken und Gürtelrose – Nervus trigeminus)*(d) Molluscum contagiosum(e) Humanes Papillomavirusiii. Fungaler Genese(a) Candidose(b) Andere Mykosen (z. B. Histoplasmose, Aspergillose)C. Entzündliche und Immunzuständei. Überempfindlichkeitsreaktionen(a) Kontaktallergie*(b) Plasmazellgingivitis*(c) Erythema multiforme*ii. Autoimmunerkrankungen von Haut und Schleimhäuten(a) Pemphigus vulgaris*(b) Pemphigoid*(c) Lupus erythematodes* (systemischer LE, diskoider LE)iii. Granulomatös entzündliche Erkrankungen (Orofaziale Granulomatosen)(a) Morbus Crohn*(b) Sarkoidose*D. Reaktive Prozessei. Epuliden(a) Epulis fibrosa (peripheres Fibrom)(b) Kalzifizierendes fibroblastisches Granulom(c) Epulis vascularis (pyogenes Granulom)(d) Peripheres RiesenzellgranulomE. Tumoreni. Präkanzerosen(a) Leukoplakie(b) Erythroplakieii. Maligne Tumore(a) Plattenepithelkarzinom*(b) Leukämische Zellinfiltration*(c) Lymphome* (Hodgkin, Non-Hodgkin)F. Endokrine, Ernährungs- und Stoffwechselerkrankungeni. Vitaminmangel*(a) Vitamin-C-Mangel (Skorbut)G. Traumatische Läsioneni. Physikalisches/mechanisches Trauma(a) Reibungskeratose(b) Mechanisch induzierte Gingivaulzeration(c) Selbstzugefügte Läsionenii. Chemische (toxische) Läsioneniii. Thermische Läsionen(a) GingivaverbrennungenH. Gingivale Pigmentierungeni. Melanoplakieii. Rauchermelanoseiii. Medikamenteninduzierte Pigmentierung (Antimalariamedikamente, Minocyclin)iv. Amalgamtätowierung |
* systemische Beteiligung oder orale Manifestation systemischer Zustände
Eine Vielzahl spezifischer bakterieller, viraler und mykotischer Infektionen kann sich an der Gingiva manifestieren (Tab. 4).
Die ICD-10 unterscheidet die akute und chronische Gingivitis. Dabei werden die akute nekrotisierende ulzeröse Gingivitis (A69.1) und die Gingivostomatitis herpetica (Herpes simplex; B00.2; s. Tab. 4) in der Systematik nicht den parodontalen, sondern anderen Erkrankungen zugeordnet (Tab. 5)3.
Tab. 5 Gingivitis nach ICD-103.
K05.0 Akute Gingivitis |
K05.1 Chronische GingivitisGingivitis (chronica):– desquamativa– hyperplastica– simplex marginalis– ulcerosao. n. A. |