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Gemächer ohne Licht und Luft

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Bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts war Drensteinfurt Sitz eines Patrimonialgerichts, dessen Einflussbereich ursprünglich durch vier, später durch sieben Pfähle begrenzt wurde. 1808, zur Zeit des Großherzogtums Berg, wurde dieses Gericht aufgelöst, die zwei Gefängnisse im Hammer Tor und im Spritzenhaus am Kirchplatz nutzte man aber weiter. Wie Häftlinge dort untergebracht waren, geht aus der Acta betreffend die Polizeigefängnis-Anstalten im Kreis Lüdinghausen hervor.

Auf Anfrage der Königlich-Preußischen Regierung in Münster fertigte Bürgermeister Essing am 12. Januar 1834 eine recht positive Bestandsaufnahme des Drensteinfurter Gefängniswesens an. Der günstigen Verkehrsverhältnisse wegen war die Stadt Zwischenstation für Gefangenentransporte, die länger als einen Tag dauerten. Eine Zelle im Hammer Tor, das zur Stadtbefestigung gehört hatte, war für „Durchkommende und hier übernachtende männliche Gefangene aller Art“, die andere für ebensolche weibliche Gefangene bestimmt. Im Anbau des Spritzenhauses wurden Eingesessene wegen kleinerer Vergehen in „gelinden Gewahrsam“ genommen. Beide Gefängnisse befanden sich laut Essing in einem guten Zustand und „können dieselben auch von einem benachbarten Locale her geheizt werden; jenes sub C (im Spritzenhaus) ist zwar auch gut eingerichtet, kann indeß nicht geheizt werden.“

Für Polizeiarrestanten aus Drensteinfurt wurde ein Verpflegungssatz von 3 ½ bis 4 Silbergroschen und 8 Pfennigen berechnet. Fremden gestand man nur einen Betrag von 2 ½ bis 3 ½ Silbergroschen zu, obwohl diese Unkosten von der Regierung zurückerstattet wurden. Da die meisten Gefangenen nur eine Nacht blieben, verzichtete man darauf, sie mit Arbeiten zu beschäftigen. Die Aufsicht über die Gefängnisse in Drensteinfurt hatte der im Hammer Tor wohnende Gefangenenwärter Sundrup. Seine Kost war von hinreichender Qualität und guter Beschaffenheit. Nahezu ausgeschlossen schien Bürgermeister Essing die „Entspringung“ eines Strafgefangenen zu sein, deshalb brauchten seiner Meinung nach auch keine Veränderungen an den Gebäuden vorgenommen zu werden.

Nachdem sich die Regierung durch eine gründliche Revision vom Zustand der Gefängnisanstalten im Münsterland überzeugt hatte, stellte sie 1836 Richtlinien über Ausstattung und Beschaffenheit solcher Einrichtungen auf. Vorhanden sein mussten: Gute Belüftungsmöglichkeiten und Bettgestelle oder Pritschen mit einer ausreichenden Zahl von Strohmatratzen. Von Zeit zu Zeit war das Stroh zu lüften und durch neues zu ersetzen. Jeder Gefangene sollte eine wollene Decke erhalten, sie hatte stets sauber zu sein und musste in Abständen gewaschen, nötigenfalls auch gewalkt werden. Zum Inventar einer Gefängniszelle gehörten – je nach Bedürfnis – Schemel, Tisch, Wasser-, Trink- und Essgeschirr, außerdem eine Lampe, falls diese so hoch aufgehängt werden konnte, dass ein auf dem Tisch stehender Mann nicht an sie herankam.

Großer Wert wurde auf das Reinigen der Zellen gelegt, vorzugsweise das weibliche Geschlecht sollte zu solchen Arbeiten herangezogen werden. Eine genügende Anzahl von Waschgeschirren und Handtüchern war bereitzustellen, damit sich alle Insassen regelmäßig waschen konnten. Für die Notdurft waren verdeckte Kübel oder sonst passende Gefäße vorgeschrieben, die unmittelbar nach dem Gebrauch sauberzumachen waren. Sorge zu tragen hatte man für die Beheizung der Zellen in den „sechs kalten Monaten“, die vom 15. Oktober bis zum 15. April reichten. Grundsätzlich getrennt unterzubringen waren weibliche und männliche Insassen. Falls ein Gefangener erkrankte und ärztliche Hilfe benötigte, musste sie ihm gewährt werden. Ein Schlusssatz galt der Bekämpfung von Ungeziefer; wo man es bei Gefangenen feststellte, war eine sofortige Säuberung zu veranlassen.

Obwohl alle Gemeinden eine Abschrift der Richtlinien erhielten, scheint man das, was sie beinhalteten, nicht sonderlich ernst genommen zu haben. Als am 25. August 1837 ein Departement-Rat in Drensteinfurt nach dem Rechten sah, fand er sowohl im Hammer Tor als auch im Spritzenhaus „Gemächer ohne Licht und Luft“ vor. In beiden fehlten die vorgeschriebenen Einrichtungsgegenstände. Nicht besser sah es in den Gefängnissen anderer Ort aus, sofern es dort überhaupt welche gab. Der Bürgermeister von Senden musste im Bedarfsfalle erst ein Lokal mieten oder Häftlinge in seiner eigenen Wohnung unterbringen. In Olfen wurde ein altes Schilderhaus als Bett verwandt; ein Stück Leinen diente zum Zudecken. Ganz allgemein herrschten in den Gefängnissen noch mittelalterliche Zustände; es war schwer, Verbesserungen durchzusetzen.

Für seinen Bericht war Bürgermeister Lindgens, Essings Nachfolger, eine Frist von zwei Monaten gesetzt worden. Mit vierzehntägiger Verspätung schrieb er am 9. November 1837, dass in Drensteinfurt jetzt alles in Ordnung sei. „Die erforderlichen Ventils (Luftöffnungen) sind fertig und mit eisernen Stäben versehen.“ Drei neue Decken zum Schutz der Gefangenen gegen Kälte waren auch angeschafft worden. Trotz solcher Erfolgsmeldungen stellte die Regierung weitere Nachforschungen an. Auf gezielte Fragen musste Lindgens einräumen, dass in den Zellen des Hammer Tores und des Spritzenhauses weder Tisch, noch Schemel, noch Lampen vorhanden waren. Es fehlte zwar auch an Trink-, Ess- und Waschgeschirr, aber dazu bestand nach Lindgens keine Notwendigkeit. Diese Gegenstände wurden vom Gefangenenwärter ausgeliehen, „so dass es besonderer Anschaffung nicht bedarf.“

1853 beschwerten sich mehrere Häftlinge, die von Drensteinfurt nach Lüdinghausen gebracht worden waren, über die schlechte Beschaffenheit der Drensteinfurter Gefängnisse. Die Räume waren voller Ungeziefer gewesen, in Lüdinghausen hatte man sämtliche Kleidungsstücke entlausen, das heißt, in Seifenwasser desinfizieren müssen. Amtmann Winkler wurde vom Sekretär des Kreisgerichts ersucht, die fraglichen Räume mit einem neuen Anstrich versehen zu lassen, für sauberes Stroh und Bettläden (Bettgestelle) zu sorgen. Nach Auskunft der Gefangenen hatten die Strohsäcke auf dem Fußboden gelegen. „Überdieß sollen die Fenster an den Gefängnissen so klein sein, dass die Eingesperrten beim Mangel an Lüftung beängstigt wurden. Einer gefälligen Äußerung über diese Mittheilung, und ob den angeblichen Mängeln abgeholfen werden könne, sehen wir entgegen.“

Als nach etwa sechs Wochen immer noch keine Antwort aus Drensteinfurt vorlag, verständigte das Kreisgericht den Landrat. Er reagierte prompt und heftig. Die schlechte Beschaffenheit der Gefängnisse seien ihm schon lange bekannt. Die Gemeinden Stadt und Kirchspiel weigerten sich aber, Abhilfe durch einen Neubau zu schaffen, dabei könne man an den alten Gebäuden keine Veränderungen vornehmen. Er habe jetzt ein Machtwort gesprochen und veranlasst, dass ein neues Gefängnis errichtet werde. Im nächsten Jahr sei mit der Fertigstellung zu rechnen.

Leider geben die Akten im Staatsarchiv Münster keine Auskunft darüber, ob sich der Landrat den widerborstigen Stadtvätern gegenüber hat durchsetzen können. Amtmann Winkler bekam eine schriftliche Rüge: „Euer Wohlgeboren muss ich aufgeben, wenn es noch nicht geschehen, unverzüglich die Unreinlichkeit und das Ungeziefer aus den dortigen Gefängnisse fortschaffen zu lassen, worüber das hiesige Kreisgericht unterm 4. August Beschwerde geführt hat und binnen 6 Tagen Ihren Bericht erwarten, dass vollständige Reinlichkeit hergestellt ist. Ich muss dringend wünschen, dass sich zu einer ähnlichen Beschwerde nicht wieder Anlaß findet.“

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts besserten sich die Zustände in den Gefängnissen des Münsterlandes. Der abnehmende Schriftverkehr zwischen Regierung, Landratsämtern und Gemeinden ist ein sicheres Indiz dafür. Hinzu kam, dass immer mehr kleinere Einrichtungen durch die Zentralisierung der Gefängnisse in den Gerichtsorten ihre Bedeutung verloren. Wie lange das Hammer Tor noch als Polizeigefängnis-Anstalt gedient hat, ist ebenso unbekannt, wie der genaue Zeitpunkt seines Abbruchs.

Zwei Taler für den Pastor, siebzehn Schilling für den Lehrer

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