Читать книгу Finsterdorf - Peter Glanninger - Страница 6
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ОглавлениеSie kamen kurz nach 3 Uhr, als sie sicher sein konnten, dass niemand in der Siedlung mehr wach war. Den Wagen stellten sie neben einem leeren Grundstück ab, ungefähr 200 Meter vom Haus entfernt. Sie bewegten sich schnell. Sie wussten, wo sie hinmussten und was sie dort zu tun hatten. Die Schnelligkeit war ihr Vorteil. Sie versuchten trotzdem im Schatten zu bleiben, bis sie vor einem geräumigen Bungalow im Stile der 90er-Jahre standen.
Noch einmal blickten sie sich um und vergewisserten sich, dass in den umliegenden Häusern kein Licht mehr brannte. Dann sperrte der Erste von ihnen die Gartentür auf und sie gingen zum Windfang am Eingang. Der Mann mit dem Schlüssel wartete, öffnete die Haustür und sie schlüpften in den Vorraum. Die drei schmalen Lichtkegel ihrer Taschenlampen suchten die Wände neben der Tür ab, das war der kritische Moment. Aber nirgends war ein Hinweis auf eine Alarmanlage zu sehen. Gut so, dann konnte alles weiter nach Plan laufen.
Hinter den ersten Türen links und rechts im Vorraum gleich neben dem Eingang vermuteten sie Toilette, Bad, Abstellraum oder den Abgang zum Keller, uninteressant für sie. Sie suchten das Schlafzimmer der Eltern. Rasch verschafften sie sich einen Überblick. Wohnzimmer und Küche waren schnell identifiziert, blieben noch drei Türen übrig. Jeder der drei Männer übernahm eine davon, öffnete sie einen Spalt breit, um hineinzuspähen und sich zu vergewissern, was sich in dem Raum befand. Hinter der letzten Tür war das Elternschlafzimmer, in den anderen beiden Räumen befand sich niemand.
Sie waren ein eingespieltes Team und hatten zuvor genau abgesprochen, wer was zu tun hatte. Mit wenigen leisen Schritten standen sie am Bett neben dem Ehepaar. Der Mann lag auf dem Rücken und schnarchte leise vor sich hin, die Frau an seiner Seite hatte sich, wie ein Kind zusammengerollt, in ihre Decke gekuschelt.
Hände pressten sich auf ihre Münder und erstickten die ersten Laute der Überraschung, der Empörung und der Angst. Dann waren die Messerklingen an ihren Kehlen, und einer der drei zischte leise, aber bestimmt: »Seid ruhig, sonst schneiden wir euch den Hals auf.«
Sie gehorchten, erstarrten und blieben still liegen. Taschenlampen leuchteten ihnen ins Gesicht und blendeten sie. Schemenhaft sahen sie die drei Eindringlinge. Zwei hielten ihn, einer sie.
»Wenn ihr tut, was wir euch sagen, wird euch nichts geschehen. Wenn nicht, machen wir euch kalt«, drohte der Wortführer, ein großer, kräftig gebauter Kerl.
Die Angst der Eheleute war so übermächtig, dass der Große einen Moment lang fürchtete, sie könnten kollabieren.
Einer der Männer zog die Bettdecken weg. Die beiden waren bis auf ihre Unterhosen nackt. Schnell und routiniert knebelte er das Paar und fesselte ihre Hände mit Klebeband. Die Messer an den Hälsen ihrer Gefangenen hatten sich die ganze Zeit über kaum bewegt.
Der Große leuchtete mit der Taschenlampe über den Körper der Frau. Sie beobachtete mit weit aufgerissenen, panischen Augen, wie er sie musterte, begutachtete, einem Stück Vieh gleich, als müsste er erst abwägen, ob sie ihm gefiel und es sich lohnte, über sie herzufallen. Sie wollte etwas sagen, aber das Klebeband um ihren Mund ließ sie nur unverständlich brabbeln. Die Frau war Mitte 40 und er fand, dass sie reichlich Speck angesetzt hatte. Sie versuchte, mit den gefesselten Händen ihre Brüste zu bedecken. Wie lächerlich, dachte der Große, wir sind nicht gekommen, um dich zu ficken.
Der Ehemann beobachtete die Männer stumm, sein Blick schwankte zwischen Angst und Wut, doch schließlich überwogen die Angst und der Wunsch, zu überleben.
Der Große beugte sich über die beiden und sagte leise: »Hört mir zu: Eure Tochter ist verschwunden. Aber es geht ihr gut. Noch. Sie ist bei uns. Sie war ungehorsam und deshalb mussten wir sie bestrafen. Wir geben sie euch wieder zurück. Irgendwann in den nächsten Tagen. Ihr sprecht mit niemandem über das, was geschehen ist. Habt ihr mich verstanden?«
Beide Eheleute nickten und beobachteten die vermummte Person über ihnen mit großen, furchtsamen Augen.
»Kein Wort«, bekräftigte er. »Sonst holen wir sie erneut und dann wird sie wirklich leiden. Oder vielleicht holen wir dich. Das würde auch Spaß machen.« Dabei strich er mit der kalten Messerklinge über den Körper der Frau.
Sie versuchte zu schreien, doch das Klebeband hielt ihre Panik verschlossen.
»Wir wissen, dass ihr schon bei der Polizei gewesen seid. Damit ist jetzt Schluss. Wenn jemand fragt, wo eure Tochter ist, sagt ihr, dass sie ausgerissen ist, ein paar Tage bei ihrer Freundin in Wien oder sonst wo verbringt, um Spaß zu haben. Irgendetwas in der Art. Habt ihr das kapiert?«
Wieder nickten sie.
»Und werdet ihr euch daran halten?«
Nicken.
»Brav. Ihr seid ganz brav. Ich hoffe, dass wir euch nicht noch einmal besuchen müssen.«
So gespenstisch schnell, wie sie gekommen waren, verschwanden die drei Männer. Nun brauchten sie nicht mehr leise zu sein. Sie verließen das Haus, eilten zu ihrem Auto zurück und machten, dass sie nach Hause kamen. Morgen war wieder ein normaler Arbeitstag für sie.