Читать книгу Heilung – Initiation ins Göttliche - Peter Maier - Страница 13
(2) Vier Heilungsebenen im Menschen
ОглавлениеAus der Betrachtung des Medizinrads bezüglich der wichtigsten Lebensphasen wird bereits deutlich, warum so viele Menschen krank werden oder Probleme haben können. Oft sind es nicht abgeschlossene Initiationen in einem Lebensabschnitt oder nicht erfolgte Übergänge zwischen den Lebensphasen, die Entwicklungsblockaden verursachen. Dies kann mittelfristig zu körperlichen Symptomen oder zu Zwängen, Ängsten und anderen psychischen Problemen führen. Auch unbekannte und unaufgelöste Familientabus oder Verdrängungen nach traumatischen Erlebnissen können die Ursache für solche Blockaden sein. Es hat sich gezeigt, dass auch dafür das Medizinrad einen Überblick geben und zur Deutung erheblich beitragen kann.
Denn wenn ich weiß oder zumindest erahne, wo die eigentliche Ursache für ein Problem liegt, kann ich es viel leichter lösen. In den wenigsten Fällen haben körperliche Symptome nur rein körperliche Ursachen.17 Meist liegt eine Symptomverschiebung hin zum Körper aus der psychischen, systemischen oder spirituellen Ebene im Menschen vor. Unsere symptomorientierte Schulmedizin spricht zwar öfter von „Psychosomatik“, möchte aber dennoch möglichst alle Probleme ausschließlich mit körperlichen Mitteln oder Methoden behandeln. Oder sehr vereinfacht und plakativ gesagt: mit synthetischen Pillen oder mit Operationen. Operationen können Leben retten, auf diesem Gebiet hat unsere technische Medizin schon öfter richtige Wunder bewirkt. Wenn es jedoch um eine Psychosomatik oder um chronische Leiden geht, hat unsere herkömmliche Medizin meist keine wirklich grundlegenden Lösungen parat.
Ich habe manchmal den Eindruck, dass sich unsere Schulmedizin und unser Gesundheitswesen auch gar nicht langwierig mit seelischen, systemischen oder gar spirituellen Ursachen einer Krankheit aufhalten wollen. Es scheint doch viel einfacher, die vermeintlich „richtigen“ Medikamente zu geben, wenn damit eine Krankheit unterdrückt, der Patient ruhiggestellt und somit schnell eine Abhilfe geschaffen werden kann. Dies ist zudem wesentlich billiger als aufwendige und langwierige Heilverfahren auf psychischer Ebene. Unsere Kassenmedizin möchte schnelle Lösungen vorweisen können und auch viele Patienten möchten gar nicht so genau wissen, warum sie eigentlich krank geworden sind.
Meiner Meinung nach muss das Bemühen um Gesundheit und Wohlbefinden zu uns Menschen selbst zurückkehren. Wir dürfen diese Aufgabe nicht vorschnell an unsere Ärzte und Krankenkassen delegieren. Wir selbst sind für uns und unsere Gesundheit verantwortlich. Darum, lieber Leser, möchte ich Sie ermutigen, nach den tieferen Ursachen bei sich selbst zu suchen, wenn Sie krank sind. Ich meine, es lohnt vor allem dann, wenn man sich als ein sehr empfindsames und komplexes menschliches Gesamtsystem verstehen und keine Spaltung zwischen Körper, Geist und Seele betreiben will. Zusätzlich ist der Mensch nicht isoliert, sondern immer in ein größeres Familiensystem eingebunden. Auch dies muss bei einer Krankheit berücksichtigt werden.
Aufgrund der psychologischen Tiefe, die im Modell des Medizinrads steckt, ist es geeignet, einen Überblick über die vier Heilungsebenen zu geben, die in Harmonie und Ausgeglichenheit sein müssen, wenn wir uns mittelfristig gesund und wohl fühlen wollen. Leider ist dies oft nicht der Fall. Viele Menschen leiden an Krankheiten, an Zwängen, fühlen sich unter Druck und verlieren ihre Kraft oder die Orientierung in ihrem Leben. Für diese Menschen kann das Medizinrad eine große und wertvolle Hilfe sein. Denn häufig ist eine Krankheit heilbar, wenn man den Ursachen wirklich auf den Grund geht. Das Medizinrad kann in diesem Fall wie ein Kompass sein, der uns viel schneller zu den eigentlichen Ursachen auf der richtigen Ebene führt. Dort liegen dann oft schon die Lösungen parat, die deswegen nicht erkennbar waren, weil wir womöglich nur auf der körperlichen Symptomebene gesucht haben.
Krankheiten können auch deshalb entstehen, weil uns geistige Erkenntnis fehlt oder weil wir uns in den Strukturen des Alltags festgefahren haben und geistig unbeweglich geworden sind. Auch in diesem Fall kann uns das Medizinrad die Augen öffnen für das, was an Prozessen oder Veränderungen eben gerade ansteht. Dies kann am Beispiel des Burn-outs deutlich werden: Ein Grund für Burnout kann darin liegen, dass eine seelische, geistige oder spirituelle Entwicklung vermieden oder übersehen worden ist oder weil man sich weigert, sich geistig-seelisch weiterzuentwickeln. Die nachstehende Skizze vom „Medizinrad der Heilung“ möchte einen Überblick über die vier Heilungsaspekte geben, die den vier Ebenen im Menschen entsprechen, wie sie weiter oben erläutert worden sind.
In den folgenden vier Kapiteln werden diese vier Heilungsebenen näher entfaltet. Daher sollen an dieser Stelle nur einige grundsätzliche Anmerkungen im Überblick gemacht werden.
Körperliche Heilung
Im Süden des Lebensrades geht es um körperliche Heilung, dann wenn körperliche Symptome vorliegen. Bereits Luise Hay hat in ihrem Standardwerk „Gesundheit für Körper und Seele“18 darauf hingewiesen, dass unser Körper fast immer nur als ein Indikator für Konflikte oder Blockaden auf anderen Ebenen zu verstehen, das eigentliche Problem also nicht auf einer nur körperlichen Ebene zu suchen ist. Im Medizinrad der Heilung, wie es in der obigen Skizze dargestellt ist, soll die Gesamtheit des menschlichen Seins und seiner Heilungsmöglichkeiten symbolisch erfasst werden. Darin wird der Mensch als eine somatische, psychische, mental-systemische und spirituelle Einheit betrachtet. Alle vier Ebenen gehören zusammen, eine Unterscheidung ist im Grunde künstlich.
Dennoch erscheint es mir als notwendig, diese Unterscheidung zu treffen, um die Vielschichtigkeit des Menschen, der in allen großen Religionen als göttliches Wesen gesehen wird, hervorzuheben. Zudem möchte ich mit diesem Buch Denkanstöße dafür geben, dass wir mehr sind als nur unser Körper, auf den die herkömmliche Medizin so sehr fixiert ist. Körper, Geist und Seele müssen als komplementär betrachtet werden. Wenn der Körper leidet, hat dies Einfluss auf unsere Psyche. Andererseits stecken hinter körperlichen Symptomen fast immer auch geistige, spirituelle oder psychische Probleme.
Wenn wir uns um Heilung bemühen, kann uns das Medizinrad schneller auf mögliche oder wahrscheinliche Ursachen hinweisen, woher körperliche Symptome kommen. Das Runde des Rades hat zudem die Symbolik, dass es egal ist, auf welcher Ebene die Heilung beginnt. Ein Rad dreht sich immer weiter und schnell ist man bei den jeweils anderen drei Ebenen angelangt. Die Mitte des Medizinrads kann zudem die Ganzheit unseres menschlichen Seins und die Gesamtheit der Heilmaßnahmen auf allen vier verschiedenen Ebenen symbolisieren.
Natürlich will auch unser Körper selbst zu seinem Recht kommen. Er will Beachtung und Zuwendung. Darum kann es sinnvoll sein, dem Körper Heilung durch materielle Substanzen wie etwa mit Aura-Soma-Produkten zu verschaffen. Sie enthalten wohlriechende ätherische Öle aus natürlichen farbigen Pflanzenextrakten, die unsere Sinne direkt ansprechen und auf den Körper zurückwirken können, der dadurch Heilung erfährt. Das heißt, dass ein leidender Körper eine Linderung auf materieller, körperlicher Ebene durch Heilsubstanzen bekommen sollte. Es ist aber sehr sinnvoll, wenn diese Medikamente zugleich dem eigentlichen Problem hinter dem körperlichen Symptom Rechnung tragen und das Potential in sich haben, neben der körperlichen auch auf die psychische, mental-systemische und spirituelle Ebene zu wirken.
Lieber Leser, es ist meine bewusste Intention, in dem nachfolgenden dritten Kapitel einige Aspekte der alternativen Medizin darzustellen, wie sie heute von vielen Heilpraktikern und auch von immer mehr Ärzten praktiziert wird. Dabei habe ich jedoch mit den Schüssler-Salzen, den Bachblüten, mit Heilsteinen und Aura-Soma-Produkten exemplarisch nur einige von den vielen alternativen Heilsubstanzen ausgewählt, die uns heute zugänglich und grundsätzlich verfügbar sind.
Psychische Heilung
Der Westen im „Medizinrad der Heilung“ steht für die psychische Ebene im Menschen. Psychische Probleme wie etwa Depressionen sind heute viel mehr als Krankheit anerkannt als noch eine Generation zuvor. Dabei stellen „psychische Probleme“ nur einen Sammelbegriff für die vielfältigen Schwierigkeiten dar, in denen sich viele Menschen gerade in unserer westlichen Gesellschaft befinden. Daher würde es den Rahmen dieses Buches und auch meine Kenntnisse der Psychologie vollkommen überschreiten, wenn ich mich mit den vielfältigen psychischen Phänomenen im Einzelnen auseinandersetzen würde.
Dennoch habe ich bei meinen Visionssuchen und bei meiner Arbeit als Initiations-Mentor eine erstaunliche Entdeckung machen können: Viele Probleme, mit denen sich Menschen im mittleren Alter auseinandersetzen müssen, rühren davon her, dass am Ende der Jugendzeit kein klar markierter Übergang ins Erwachsenalter und damit keine Initiation in diesen neuen Lebensbereich des Erwachsenseins stattgefunden hat. Bei genauerer Sicht und vor dem Hintergrund des uralten und zugleich höchst aktuellen Wissens um Initiation und Initiationsrituale kann man erkennen, dass viele unserer Mitmenschen unabgeschlossene Initiationen mit sich herumschleppen.
Dies kann mehrere Konsequenzen haben. Viele Menschen hängen zumindest mit einem Teil ihrer Psyche immer noch in Kinderrollen fest und haben ihr Verhältnis zu ihren Eltern nicht sauber geklärt. Zudem frönt unsere Gesellschaft einem Jugendwahn, nach dem es chic erscheint, nie ganz erwachsen zu werden, sondern auch dann noch möglichst jugendlich zu wirken, wenn man ein Alter von 40 oder gar 50 Jahren schon überschritten hat. Eine Folge dieses Trends ist auch, dass Jugendliche in der Adoleszenzphase oder bereits junge Volljährige zwar die Rechte von Erwachsenen haben wollen, ihnen aber das Erwachsensein als charakterliche, psychische oder gar gesellschaftliche Größe gar nicht so sehr erstrebenswert erscheint.
Außerdem bestehen in unserer pluralen, naturwissenschaftlich-technischen Gesellschaft keine klaren Vorstellungen darüber, was denn eigentlich Erwachsensein bedeutet und wie, das heißt mit welchen Zeremonien oder Ritualen, man erwachsen werden kann. Dann jedoch erscheint der Übergang von der Jugendphase ins Erwachsensein wie ein immerwährendes Kontinuum, das durch keine fest markierten Übergänge strukturiert wird. Die Folge ist ein Heer von nicht mehr jugendlichen, aber auch nicht erwachsenen Menschen, denen oft die Orientierung, gesellschaftliche Verantwortung und der tiefere Sinn ihres Daseins fehlt. Ich meine, dass Depressionen und Burnout genau darin eine entscheidende Ursache haben.
Daher halte ich es in dem nachfolgenden Kapitel vier über psychische Heilung für sehr sinnvoll, einen Schwerpunkt genau auf diesen Gedanken zu legen: Viele psychische Probleme ergeben sich aus der Tatsache, dass nie adäquate und geeignete Übergangsrituale ins Erwachsensein stattgefunden haben oder Initiationsprozesse nicht abgeschlossen worden sind. Vereinfacht könnte man diesen Sachverhalt auch so ausdrücken: Viele Menschen in unserer Gesellschaft sind nie richtig erwachsen und selbständig geworden. In zwei Fallbeispielen sollen zwei Menschen im mittleren Alter zu Wort kommen, die Heilung bei Visionssuchen deswegen erfahren durften, weil sie dadurch endlich mit ihren unaufgelösten Vater- oder Mutterverhältnissen konfrontiert wurden. Ich möchte also bei der Reflexion über psychische Heilung besonders auf diesen Aspekt der Initiation, der initiatorischen Nachreifung der Persönlichkeit und des nachträglichen Erwachsenwerdens auch auf geistig-seelischer Ebene Wert legen.
Systemische Heilung
Die systemische Heilung wird im Norden des Medizinrads angesetzt. Dort ist der Archetyp des Königs zu Hause. Ein guter König herrscht über sein Land, sorgt sich um seine Untertanen und ist um das Wohlergehen seines Reiches bemüht. König-Sein erfordert Klarheit, Überblick und Verantwortung. Jeder Erwachsene ist ein König oder eine Königin oder sollte dies eigentlich sein. Gerade Eltern, die sich um das Wohl ihrer Familie und ihrer Kinder bemühen und dafür Verantwortung tragen, sind, archetypisch betrachtet, ein Königspaar. Aus Sicht ihrer Kinder bleiben sie dies immer, selbst wenn sie voneinander getrennt sein sollten.
Zum Familiensystem gehören die Eltern, die Großeltern, alle engen Verwandten, vor allem aber auch die bereits verstorbenen Angehörigen, die Ahnen. Aus der Familientherapie wissen wir heute, dass besonders eine unaufgelöste Schuld oft an die nachfolgenden Generationen weitergegeben wird. Wenn ein Kind in eine Familie hineingeboren wird, ist es unweigerlich nicht nur mit seinen Eltern, sondern auch mit früheren Generationen verbunden, egal ob die Angehörigen aus diesen Generationen noch leben oder bereits gestorben sind. Wenn hier aber beispielsweise noch eine Schuld besteht, die von Familienangehörigen früherer Generationen verdrängt und nicht eingestanden worden ist, so kann sich dies auf das Wohlergehen von späteren Generationen bisweilen sehr heftig auswirken und das Leben von Nachfahren blockieren.19 Dann lohnt es sich sehr, etwa über sogenannte Familienaufstellungen die Ursachen solcher Blockaden aufzudecken und sich um eine Heilung im Familiensystem zu bemühen. Dies ist grundsätzlich immer möglich.
Hier ein Beispiel: Vor einigen Jahren nahm ich an einem Wochenendkurs für Familienaufstellungen teil. 21 TeilnehmerInnen wollten ihre Familie oder einen Aspekt ihrer Familie aufstellen lassen, um an die Ursachen von Krankheiten, psychischen Problemen oder Blockaden zu kommen. Bei fünf TeilnehmerInnen ergab sich, dass Väter oder Großväter im Krieg gewesen waren. Dabei war es anscheinend zu Kriegsverbrechen oder Gräueltaten gekommen, an denen die Vorfahren beteiligt waren. Tatsächlich erzählten ein Mann und eine Frau, die bereits am Freitag Abend mit ihrer Aufstellung dran waren, am folgenden Tag, dass ihre Großväter bei der SS in Russland waren und an Erschießungen von Gefangenen teilgenommen hatten. Diese Schuld und die ungewürdigten Toten hatten offensichtlich in den Enkeln zu rumoren begonnen, obwohl die Großväter nie etwas darüber erzählt hatten.
Wenn beispielsweise derartige systemische Verstrickungen vorliegen, hilft keine Psychotherapie im herkömmlichen Sinne und schon gar keine medikamentöse Behandlung von körperlichen Symptomen. In diesen Fällen ist es sehr klug und geboten, die wahren Ursachen im Familiensystem zu suchen. In Kapitel fünf wird dieser Aspekt viel genauer ausgeführt und an Hand von zwei authentischen Fällen näher erläutert.
Spirituelle Heilung
Da in meinem Buch auch die spirituelle Heilung zu Wort kommen soll, möchte ich zunächst klären, was ich unter „Spiritualität“ und „spirituell“ verstehe. In uns Menschen gibt es eine tiefe Sehnsucht nach etwas Höherem, nach Gott, nach dem Göttlichen, nach einer universellen Energie. Tatsächlich gehen alle großen Religionen davon aus, dass wir von göttlicher Wesensnatur sind oder zumindest einen göttlichen Funken in uns tragen und dass wir eine unsterbliche Seele haben. Durch sie sind wir von Anbeginn der Zeiten mit dem Göttlichen verbunden.
Viele Menschen sind sich dessen nicht bewusst oder haben vergessen, dass das Göttliche in uns allen wohnt. Vielleicht meint der Buddhismus genau das, wenn er von „Erwachen“ oder von „Erleuchtung“ spricht: uns wieder bewusst zu werden, dass unsere Seele göttlich, wir also von göttlicher Natur sind. Daher kommt im Grunde die tiefe Sehnsucht vieler Menschen nach Glück, nach Sinn, nach Liebe, nach dem Paradies oder nach einem Heimkommen oder Zurückkehren ins Göttliche. Ich meine, dass auch all die Menschen, die in der Partnerschaft nach Ekstase oder höchstem Glück suchen, letztlich von dieser spirituellen Sehnsucht angetrieben werden.
Spirituell-Sein meint, sich dieser Sehnsucht nach dem Göttlichen bewusst zu werden. Letztlich handelt es sich auch um diese Sehnsucht, die die Mystiker aller Religionen beseelt. Jede der großen Welt- oder Volksreligionen verkörpert eine exoterische und eine esoterische Seite, so wie die zwei Seiten der gleichen Medaille. Zur exoterischen Seite gehören beispielsweise das Lehrgebäude der Religion, ein Moralsystem, Liturgien und Zeremonien, Feste und Feiertage, auch Sozialdienste wie Caritas oder Diakonie in den beiden großen christlichen Kirchen.
Die esoterische Seite der Religion ist nur im Menschen selbst, im eigenen Inneren, zu finden. Mystiker aller Religionen versenken sich in Meditation oder in andere geistliche Übungen, um das Göttliche in sich selbst zu entdecken, zu spüren und sich mit dem Göttlichen zu verbinden. Die esoterische Seite wird im Judentum in der Kabbala, im Hinduismus im Yoga, im Buddhismus im Zen-Buddhismus, im Islam im Sufismus und im Christentum in der Kontemplation oder eben in der Mystik erlebt und erfahren.20 All diese esoterischen Systeme haben im Grunde das gleiche Ziel, auch wenn dies überall anders ausgedrückt wird: Es ist die Sehnsucht nach dem Göttlichen, dem Unsagbaren. Dieses wird in den Religionen oder in spirituellen Strömungen mit verschiedenen Begriffen belegt: mit Brahman, Paradies, Nirwana, dem Göttlichen, Allah, Gott, der göttlichen Ur-Energie, der dunklen Nacht der Seele, der Leere, dem All-Eins.
Ich verstehe unter einem spirituellen Menschen jemanden, der Gott oder das Göttliche sucht oder sich zumindest seiner Sehnsucht danach bewusst geworden ist. Die spirituelle Seite findet im Medizinrad ihren Platz im Osten. Diese Zuordnung macht sehr viel Sinn, da im Osten der Geist, das Göttliche, das All-Eins angesiedelt ist, zu dem der Mensch als „homo religiosus“ wesensmäßig Zugang hat. Im Vergleich der Religionen möchte ich es bewusst offen lassen, ob nur an eine einmalige Inkarnation und eine Auferstehung nach dem Tod geglaubt wird wie in den drei großen „Buchreligionen“ des Judentums, Christentums oder des Islams. Oder ob, wie in den großen östlichen Religionen des Hinduismus und des Buddhismus, von vielen oder zumindest von einigen Inkarnationen ausgegangen wird. Es sollen aber beide Ansätze in diesem Buch zu Wort kommen.
Viele Zeitgenossen aus unserem westlichen Kulturkreis, die in einer der beiden großen christlichen Kirchen sozialisiert worden sind, haben kein Problem damit, sich als Christen zu fühlen, aber gleichzeitig offen für eine modifizierte Reinkarnationslehre zu sein, wie sie mittlerweile auch in vielen esoterischen Strömungen in Europa oder in den USA angeboten wird. Der mit der Wiedergeburt verbundene hinduistische Begriff „Karma“ ist bereits in das Bewusstsein vieler Menschen auch im Westen eingesickert. Karmalehre und Wiedergeburt gehören jedoch in den Ostreligionen untrennbar zusammen.
Seelische Verstrickungen, Lieblosigkeiten, schlimme Taten oder eine egozentrische Haltung in früheren Leben, die sich nur auf das Diesseits ausrichtet, bedeuten demnach ein unaufgelöstes Karma, das eine Wiedergeburt verlangt. Zudem waren viele traditionelle Völker davon überzeugt, dass ihre Verstorbenen in eine Art von Ahnenhimmel kamen, um nach einer gewissen Zeit mit neuen Aufgaben erneut in den Stamm hineingeboren zu werden. Wenn nun dieser inkarnatorische Aspekt mit dazu genommen wird, dann hat auch die Spiritualität eine zusätzliche karmische Komponente. In diesem Fall kann man von einer karmisch-spirituellen Ebene und von einer „karmisch-spirituellen Heilung“ sprechen. Mein Anliegen ist es, in diesem Buch auch darauf einzugehen und die Möglichkeit eines solchen Ansatzes aufzuzeigen.
Lieber Leser, es muss offen bleiben, welcher Art von Spiritualität Sie mehr zuneigen, ob Sie also an nur eine Wiedergeburt wie im Christentum oder an viele Wiedergeburten glauben möchten. Dennoch sollen im Kapitel sechs zwei Fälle beschrieben werden, bei denen eine Heilung offensichtlich nur möglich wurde, weil sich die Betroffenen auch einer karmisch-spirituellen Sicht geöffnet haben. Die spirituelle Sehnsucht jedoch, die Sehnsucht nach dem Göttlichen, sowie der Wunsch nach Heilwerden, nach Liebe, Glück und Sinn sind bei beiden Wegen ähnlich. Darum soll in diesem Buch besonders darauf ein Schwerpunkt gelegt werden.