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Kapitel 1: Verzweifelte Suche nach Heilung (1) Schmerzen ohne Ende

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Eine unsägliche Verletzungsserie beginnt

Sonntag, 19. Januar 1992. Ich sitze im Bus, den eine Sportschule im Münchner Umfeld gechartert hat. 25 Jugendliche mit ihren Betreuern sind auf dem Weg ins Österreichische Westendorf. Ich habe mich zu dieser Skifahrt aufgerafft, um für einen Tag den Stress des Alltags zu vergessen. Außer mir und den Jugendlichen gibt es nur noch zwei weitere Erwachsene, einen Mann und eine Frau, die sich ebenfalls einen Skitag gönnen wollen. Schnell finden wir drei zusammen. Aus Freude über das schöne Wetter, das Alpenpanorama und die guten Schneebedingungen, vielleicht auch, um den anderen beiden zu imponieren, fahre ich an diesem Tag sehr ausgelassen und erlebe dabei meine Lebendigkeit, Sportlichkeit und Körperlichkeit. Es tut wirklich gut, einmal auf diese Weise die „Sau rauslassen“ zu können. Ich fühle mich irgendwie wie ein junger Herrgott. An diesem Tag schaffe ich mit den beiden Begleitern sieben oder acht komplette Abfahrten vom Gipfel bis ins Tal.

Donnerstag, 23. Januar 1992. Ich stehe mit schmerzverzerrtem Gesicht in meiner Vereinssturnhalle in München - fassungslos. Es wird Volleyball gespielt wie jeden Donnerstag Abend - Kollegensport. Seit Jahren ist dieser eine willkommene Abwechslung, um Spannungen abzubauen, mich abzureagieren und so einen körperlichen Ausgleich zum Lehrerberuf zu finden. Was ist nur los mit mir? Das linke Knie tut mir bereits nach wenigen Sprüngen total weh. Was ist passiert? Hat dies womöglich mit meiner verrückten Skifahrt vom Wochenende zu tun? Aber warum denn? Ich hatte doch keinen Sturz! Solch einen Schmerz hatte ich noch nie zuvor.

Von einem Kollegen bekomme ich die Adresse eines erfahrenen Sportmediziners in München mitgeteilt. Der Arzt punktiert mein Knie und holt ein Spritze voll gelber Flüssigkeit heraus. Das Knie ist offensichtlich entzündet. Eine Röntgenuntersuchung mit einem Kontrastmittel bringt keinen Aufschluss bezüglich meiner Schmerzen. Der Mediziner spritzt mir über einen Zeitraum von sechs Wochen immer wieder eine heilende Substanz ins Knie. Die Schmerzen gehen jedoch nicht weg. Panik ergreift mich, denn mein Leben ist bisher hauptsächlich sportlich ausgerichtet: drei Abende in der Woche Skigymnastik und Volleyballspiel, Skifahrten am Wochenende, Tennisspielen und Bergtouren im Sommer. Der Arzt empfiehlt mir einen Spezialisten für Arthroskopie.

Schnell wird in seiner Klinik ein OP-Termin vereinbart. Eine Assistenzärztin führt das Vorgespräch, den Operateur selbst bekomme ich gar nicht zu Gesicht. An einem Freitag Nachmittag Ende März ist es dann soweit. In der Klinik bekomme ich eine Vollnarkose. Als ich bald nach Ende der OP wieder aufwache, ist es etwa 15.30 Uhr. Bereits um 16.00 Uhr bittet mich die Krankenschwester höflich aber unmissverständlich, mich doch von Angehörigen abholen zu lassen, weil die Privatklinik nur für ambulante Operationen vorgesehen sei und die Bediensteten ins Wochenende gehen möchten. Natürlich gibt es einen Notdienst, falls es Komplikationen geben sollte. Ein Taxi bringt mich zu meinem Bruder in München. Ich bin noch ziemlich von der Narkose benommen.

Am nächsten Tag gibt es eine kurze Nachuntersuchung und einen Verbandswechsel durch das Ärzteteam. Etwa drei Minuten ist es mir gegönnt, den Operateur selbst zu Gesicht zu bekommen und von ihm Auskunft über den Eingriff tags zuvor zu erhalten: Ein Meniskus hatte sich durch jahrelange Belastungen gelöst – vermutlich bei meinen sportlichen Aktivitäten. Den letzten Ausschlag hatte anscheinend jener Skitag im Januar bei schwerem Schnee gegeben. Der Meniskus wurde während der Arthroskopie wieder angeklebt. Ein Assistenzarzt drückt mir zum Schluss noch einen Merkzettel in die Hand, auf dem einige Hinweise zum Muskelaufbau stehen. Zwei Wochen solle ich noch mit Krücken gehen, in vier Wochen könne ich wieder mit dem Sport beginnen, in acht Wochen sei ich wieder „voll sportfähig“, wird mir bei dieser Gelegenheit versichert. Dies steht auch so auf dem Zettel. Dann bin ich wieder allein und ganz mir selbst überlassen. Das sind ja schöne Aussichten. Der Operateur hat mir Mut gemacht. Ich kann also hoffen, bald wieder so sportlich unterwegs zu sein, als sei nie etwas geschehen.

Ich denke nicht weiter darüber nach, ob vielleicht mein Sportverhalten selbst in den letzten Jahren Schuld an der Verletzung gewesen sein könnte. Die Botschaft der Ärzte ist ganz in meinem Sinne: Ich kann weiter machen wie bisher – Ski fahren, Bergtouren gehen, drei mal wöchentlich Volleyball spielen. Zumindest interpretiere ich den Merkzettel und die Worte des Assistenzarztes so. Bei einer Nachbesprechung mit einer anderen Assistenzärztin des OP-Zentrums kann ich in ausliegenden Broschüren lesen, dass 99,98 (!) Prozent aller Operationen dieses Zentrums bisher erfolgreich gewesen seien. Zudem versichert mir die Ärztin, dass die OP auch bei mir absolut erfolgreich verlaufen sei.

Als ich im Juli eine größere Bergtagestour bestreiten möchte, bekomme ich überraschenderweise wieder Knieschmerzen. Das darf doch eigentlich nicht sein! Die Verletzung und der operative Eingriff haben offensichtlich doch Spuren hinterlassen. Oder war der Muskelaufbau zu wenig gewesen? Darüber denke ich gar nicht nach; denn ein Leben ohne sportliche Betätigung ist für mich zum damaligen Zeitpunkt unvorstellbar. Der Sport bestimmt fast mein komplettes Freizeit-Leben als Single, der ich damals noch war.

August 1992. Alpenüberquerung von Oberstdorf nach Meran. Der Rucksack wiegt 12 Kilo. Am fünften Tag schlottern mir nach einem langen Aufstieg mit 1000 Höhenmetern und nach einem noch längeren Abstieg um 1500 Höhenmeter die Knie. Daher bekomme ich vor der anstehenden Gletscherüberquerung über den Similaun, wo einige Jahre zuvor an der Grenze zwischen Österreich und dem italienischen Südtirol „Ötzi“ gefunden worden war, ziemlich Angst. Ich muss die Wanderung abbrechen. Das stinkt mir gewaltig, ich blamiere mich zudem vor den Begleitern, da ich doch der Initiator dieser Alpenüberquerung bin. Nun muss ich klein beigeben, weil das linke Knie nicht mitmacht. Zu diesem Zeitpunkt will ich immer noch nicht wahrhaben, dass eine Knieoperation eben doch Spuren hinterlassen kann, gerade was die Stabilität betrifft, auch wenn dies in der OP-Klinik bestritten worden war. Zudem will ich mir nicht eingestehen, dass ich womöglich nicht mehr grenzenlos Berge besteigen, „wild“ Ski fahren und beliebig oft Volleyball spielen und dabei unzählige Male auf dem Hallenboden aufknallen kann wie bisher.

Januar 1993. Volleyballspiel in der Vereinsturnhalle. Gerne nehme ich das Angebot der im Nachbarfeld spielenden ersten Freizeit-Mannschaft an, bei ihnen mitzutrainieren. Eine große Ehre für mich! Beim Übungsspiel tritt ein gegnerischer Spieler auf mein Feld über. Als ich von einem Block wieder auf dem Hallenboden landen will, gerate ich versehentlich auf den Fuß des anderen Spielers. Der Knöchel knickt um. Ich höre ein komisches Knacken im linken Knie und spüre einen stechenden Schmerz. Nein, nicht schon wieder! Nach zwei Wochen geht der Schmerz weg. Ich gehe wieder zum Volleyballspiel.

Aus jetziger „klügerer“ Sicht kann ich nur sagen: Für ein bereits verletztes Knie sind die Sprünge auf den Hallenboden beim Volleyballspielen reines Gift. Aber damals will ich dies einfach nicht wahrhaben. Ich bin unbelehrbar – vielleicht auch deshalb, weil gerade das Volleyballspiel ein wichtiger allwöchentlicher und regelmäßiger Freizeitevent ist und eine große soziale Bedeutung für mich hat. Beim Spiel und noch mehr beim „Nachsport“ in der Stammkneipe habe ich immer einen guten und vertrauten Kontakt mit meinen Sportsfreunden, die ich ja erst beim Volleyball kennengelernt habe.

Nach jedem Spiel habe ich Knieschmerzen, nach ein oder zwei Wochen gehen diese glücklicherweise immer wieder weg. Selbst eine kleinere Bergtour im Sommer 1993 ist noch drin. Das rechte Knie fühlt sich stark und unversehrt an, also glaube ich, weiter so tun zu können, als wäre nichts passiert. Ich ignoriere die Probleme im linken Knie. Im Herbst weiß ich aber, dass ich es so nicht mehr lassen kann. Auf den ersten Operateur bin ich sauer, weil ich nach seiner Prognose ja nach zwei Monaten wieder voll sportfähig hätte sein sollen. Ich fühlte mich jedoch die ganze Zeit unsicher im Knie, besonders nach dem Umknicken des Knöchels beim Volleyballspiel. Für diese neue mechanische Verletzung kann der Operateur aber gar nichts. Dies will ich nicht wahrhaben. Es ist viel einfacher, dem Arzt auch noch die Schuld für die zweite Verletzung zu geben. Denn dann muss ich mein Sportverhalten nicht ändern.

Diesmal suche ich eine andere bekannte Sportmediziner-Praxisgemeinschaft in München auf. Von einem der Ärzte werde ich, ebenfalls ambulant in einer Tagesklinik, schnell und unkompliziert operiert. Die Diagnose nach der erneuten Arthroskopie: Miniskusanriss und Knorpelschädigung im linken Knie. Der Knorpel, von dessen Existenz ich bis dahin nichts gehört oder gewusst hatte, musste geglättet – „geshaved“ – werden. Ich will einfach alle Problem schnell weg haben und mich wieder unbekümmert meinem sportlich orientierten Leben widmen können. Damals, mit immerhin 39 Jahren, war ich nicht in der Lage, nach innen zu hören oder gar zu fühlen. Alles wurde mit Sport „wegtrainiert“ und verdrängt. Ich wollte einfach weiter machen wie bisher.

Im Frühjahr 1994 versuche ich wieder, Volleyball zu spielen. Schon nach dem ersten Sprung spüre ich wieder einen stechenden Schmerz und muss erneut einen Arzt aufsuchen. Einige kleine Bänderstränge sind eingerissen. Um eine weitere OP komme ich diesmal herum. Nun beschließe ich schweren Herzens, mit dem Volleyballspielen aufzuhören – endlich. Ich bin deswegen jedoch total frustriert. Ich fühle mich jetzt in meinem Körper, aber auch psychisch ziemlich verunsichert. Ein neues, anderes Denken, eine andere Vorstellung vom und Einstellung zum Leben habe ich noch nicht gefunden, obwohl ich mittlerweile Vater geworden bin und für Mutter und Kind zu sorgen habe.

Februar 1995. Fortbildungskurs unter Leitung eines Psychologen. In der Gruppe geht es sehr emotional zu, verdrängte Emotionen werden bewusst angetriggert und freigesetzt. In einer kurzen Pause während zwei Gruppenveranstaltungen komme ich im Seminarraum mit einem anderen Teilnehmer unerwartet ins „Rangeln“. Zunächst ist es eher ein Abreagieren, ein scheinbar lustiges Balgen. Aber plötzlich wird daraus bitterer Ernst. Ich falle zu Boden, der andere ist stärker. Dies will ich mir auf keinen Fall gefallen lassen, ich würde mich ja sonst vor den anderen Kursteilnehmern, die dem ganzen Geschehen überrascht zuschauen, blamieren. Instinktiv halte ich dagegen, will mich aus meiner misslichen „Lage des Unterlegenen“ auf dem Boden befreien; denn der Kollege liegt auf mir, hat den Ringkampf scheinbar schon gewonnen. Das darf nicht sein. Alle können es hören, was plötzlich geschieht: Es knackt seltsam in meinem rechten Knöchel. Entsetzt weicht der „Kampfpartner“ zurück. Es ist jedoch schon zu spät. Das rechte Knöchel tut tierisch weh – wieder ein stechender Schmerz. Ich bekomme Panik…

Schnell werde ich zu einem Arzt gebracht. Er diagnostiziert einen verletzten Knöchel, möglicherweise einen Bänderriss. So ein Mist. Eine Kernspinthomographie einige Wochen später weist dagegen etwas Neues aus: Die Bänder am Knöchel wurden zwar stark überdehnt, sind aber nicht gerissen. Dies ist die gute Nachricht. Dafür ist der Meniskus angerissen – diesmal im rechten Knie. Ich kann es nicht fassen.

Ich kriege viele Spritzen ins rechte Knie. Die Schmerzen gehen vorübergehend weg, kommen aber immer wieder. Ich fühle mich total verunsichert, kann mich nun auf beide Beine nicht mehr verlassen. Dies kann nicht so weitergehen. An Pfingsten 1996 suche ich in gewohnter Manier nach einer Lösung: eine dritte OP durch den letzten Operateur – diesmal im rechten Knie. Dadurch sollen alle Probleme beseitigt und ich möglichst schnell wieder sportfähig werden. So ist zumindest mein Plan, so erhoffe ich es mir. Der Operateur ermutigt mich in meiner Ansicht. Aus seiner Sicht ist auch diese OP erfolgreich verlaufen. Der rechte Meniskus musste teilentfernt, der Knieknorpel geglättet werden. Doch nun passiert etwas seltsames: Wegen der OP im rechten Knie nehme ich eine Schonhaltung ein. Instinktiv belaste ich das linke Bein und damit das linke Knie mehr als gewöhnlich. Dieses ist jedoch bereits vorgeschädigt durch zwei frühere Operationen.

Unlösbare Knieschmerzen

Nach der OP im rechten Knie treten Schmerzen im linken Knie auf, die ab jetzt überhaupt nicht mehr weggehen. Ich habe einen Dauerschmerz – Tag und Nacht. Das ist unerträglich für mich. Ich wollte doch die letzte OP extra deshalb durchführen lassen, um die Knieprobleme ein für alle Mal zu beseitigen. Ich glaubte eben damals noch total an die Schulmedizin, deren Credo etwa so ausgedrückt werden könnte: „Alles hat rein körperliche Ursachen. Meist kann man diese Ursachen durch die richtigen Medikamente oder durch eine entsprechende Operation technisch beseitigen und das Problem komplett lösen“. Jetzt kommt es genau anders: Die Probleme gehen erst so richtig los. Eine weitere OP hat aber keinen Sinn mehr. Denn was sollte jetzt noch operiert werden?

Der Arzt, bei dem ich meine erste Knieoperation durchführen ließ, behauptet zwar in einer Radiosendung, dass seine Methode des Knie-Shavings super erfolgreich wäre, dass man jedoch ein ganzes Jahr (!) lang den Fuß nicht belasten dürfe, um die Bildung einer Ersatzknorpelschicht nicht zu stören. Mir kommen die ersten Zweifel an den Aussagen dieses Operateurs. Auf diese Methode will ich mich nicht (mehr) einlassen, ich dürfte ja dann ein ganzes Jahr lang nur mit Krücken herumlaufen.1 Niemand kann mir einen Erfolg garantieren. Nun gerate ich – 42-jährig – in eine wirkliche Krise: in eine Körper-, Sinn- und Lebenskrise.

Monatelang jammere ich dem Orthopäden in der Praxisgemeinschaft die Ohren voll, der selbst zwar nicht operiert, mich aber bei Operation Nummer zwei und drei seinem Kollegen empfohlen hatte. Ich mache ihn dafür verantwortlich, dass sich meine Knieprobleme und vor allem der Schmerz nicht mehr beseitigen lassen. Der Orthopäde, der zugleich betreuender Arzt einer Frauen-Nationalmanschaft und damit ein wirklicher Fachmann ist, hört sich meine Vorwürfe fast zwei Jahre lang geduldig an, spritzt mir immer wieder eine Substanz ins Knie, in der Hoffnung, damit den Schmerz wegzukriegen. Ohne Erfolg.

Im Januar 1998 erklärt mir der Arzt schließlich, dass er ab jetzt nichts mehr für mich tun und mir nicht mehr helfen könne. Ich hätte wohl ein Knie wie ein 80-jähriger Mann, ich sei „austherapiert“. Meine Arthrose sei besiegelt, der Knieknorpel im linken Knie dauerhaft und unheilbar geschädigt. Daher auch der Dauerschmerz. Er gibt mir noch 500 Tabletten zum Knorpelaufbau mit. Vielleicht können die mir langfristig doch ein bisschen Linderung verschaffen. Ich kann es nicht fassen. Ich bin wütend. Das kann doch nicht das Ende sein. Ich bin ja gerade erst 43 Jahre alt. Zudem macht mich der Dauerschmerz total mürbe. Dort, wo ich eine Abhilfe suchte – bei den besten Sportmedizinern Münchens – kann ich keine Lösung mehr finden. Unerträglich! Zudem geht genau in dieser Zeit meine Partnerbeziehung zu Ende. Ich fühle mich körperlich und psychisch wirklich schlecht.

Eine Kollegin empfiehlt mir ihren Sportarzt, von dem sie große Stücke hält. Noch einmal keimt Hoffnung auf. Kann womöglich er mir helfen? Ihn selbst bekomme ich nie zu Gesicht. Ich werde von einem seiner Assistenzärzte behandelt. Das Wartezimmer ist voll. Bei jedem Termin, bei dem ich eine Substanz ins Knie gespritzt bekomme, muss ich drei Stunden warten, bis ich dran komme. Die Behandlung selbst dauert dann immer nur etwa fünf Minuten. Der Assistenzarzt, der im Auftrag seines Chefs arbeitet, wirkt regelmäßig gehetzt und gestresst.

Als ich einmal gerade bei den Vorzimmerdamen zu einer Terminklärung warte, möchte eine andere Patientin einen Termin beim Chefarzt selbst bekommen. Man bietet ihr tatsächlich einen an: im November. Es ist jedoch erst März. Irgendwie kommt mir jetzt alles sinnlos vor. Ich wollte doch auch zum Chefarzt selbst, in der Hoffnung, durch ihn das Wunder der Heilung zu erleben. Dies hätte nämlich für mich darin bestanden, dass ich wieder voll gesund und sportlich geworden wäre und meine Einstellung nicht hätte ändern müssen: Einfach auf „Reset“ drücken und weitermachen wie bisher.

Der Assistenzarzt schlägt mir zusätzlich zu den Spritzen vor, mir Einlagen im linken Schuh zu beschaffen, um rein mechanisch den Druck vom linken Knie wegzukriegen. Es hilft nichts. Die Schmerzen bleiben, ja sie nehmen sogar noch zu, weil nun durch die unnatürliche Stellung eine beständige Spannung im linken Knie und zusätzlich im Rücken entstanden ist. Als ich dem Arzt dies nach etwa sechs Monaten Behandlung mitteile, meint er, ich solle die Einlagen doch ganz einfach wieder entfernen, dabei aber aufpassen, um keinen Bandscheibenvorfall zu bekommen. War eben nur ein Versuch, der schon bei vielen anderen Patienten geholfen habe. Auch in dieser Praxis kann ich keine Hilfe mehr bekommen. Der Arzt hat zudem keine Zeit, sich jedes Mal mein Gejammere anzuhören. Dies ist mein letzter Besuch in dieser Praxis.

Die Schmerzen aber sind unerträglich. Sitze ich zu Hause, habe ich Schmerzen. Gehe ich zur Arbeit, ist der Schmerz ebenfalls mein ständiger Begleiter. Versuche ich spazieren zu gehen, habe ich noch mehr Schmerzen. Um überhaupt einschlafen zu können, klatsche ich beim zu Bett Gehen ein Pfund Quark aus dem Supermarkt auf das linke Knie. Von meiner Oma weiß ich noch, dass Quark den Schmerz vorübergehend aus einem Gelenk ziehen kann. Um im Bett nicht alles zu versauen, wickle ich ein Tuch um diese Quarkmasse. Darüber gebe ich eine Plastiktüte. Tatsächlich kann ich in der Regel dann auch einschlafen. Gegen fünf Uhr am Morgen werde ich jedoch fast jeden Tag wach. Der Schmerz hat wieder die Oberhand gewonnen. Er steckt beständig im Knie – und in meinem Kopf. Alles wird vom Schmerz bestimmt und dominiert. Ein neuer aussichtsloser Tag beginnt, sobald ich aufgewacht bin.

Acht Wochen lang gehe ich mit Krücken in die Arbeit, weil mich das Auftreten auf dem linken Fuß zu sehr schmerzt. Da dies nichts bringt, werfe ich die Krücken wieder weg. Wie soll es nun weitergehen? Der Schmerz hat sich mittlerweile so richtig in meinen Kopf eingefräst. Eine Abhilfe ist nicht in Sicht. Ich bin mit meinem Latein vollkommen am Ende. Und die Schmerzen bleiben. Alles erscheint aussichtslos. Das ungelöste Körperproblem schlägt mir natürlich aufs Gemüt. Ich bekomme trübe Gedanken, habe kein Konzept mehr, wie ich aus der vor allem körperlichen Notlage wieder herauskommen sollte. Nun bin ich vollkommen in einer Midlife-Krise angelangt.

Heilung – Initiation ins Göttliche

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