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Zweiter Akt »Prima la musica, poi le parole« (Salieri): Vom Stoff zur Oper

Zentral für das Gesamtkunstwerk Oper ist neben der Musik natürlich der Text. »Es ist eine Menge von Worten und geht gelegentlich bei Reclam zu kaufen«, so Peter Hacks’ etwas eigenwillige Definition für »Libretto«. Konkreter heißt es im Riemann Musiklexikon: »Libretto, Italienisch das kleinformatige Textbuch und der Text selbst zu musikalisch-szenischen Werken, besonders zu Opern, Operetten, Singspielen und Musicals.« (Bd. 3. S. 201)

Zentraler Librettist des 18. Jahrhunderts war Pietro Metastasio (1698–1782). Sein Libretto-Schema des dreiteiligen Intrigenstücks um idealisierte antike Gestalten ist das Modell für einen Großteil der Opere serie bis in die 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts. Metastasio gliederte seine Texte nicht nur in Rezitative und Arien bzw. Ensembles, sondern gab den Komponisten durch die Wahl des Versmaßes für die Arien auch schon vor, wie sie diese rhythmisch zu gestalten hatten. Zugleich markierte er den Beginn jeder Arie durch einen Übergang von reimlosen Versen zu einer geschlossenen strophischen Form.

Allerdings sieht man etwa am Beispiel von Mozart, dass der Komponist ein bestehendes Libretto nicht immer wörtlich übernommen hat. La Clemenza di Tito wurde ca. 50 Mal vertont, im Fall von Mozart (1791) hat Caterino Mazzolà Metastasios Vorlage bearbeitet und sich die Freiheit genommen, die Textvorlage zu kürzen, umzustellen oder auch die sich wiederholenden Teile einer Arie wegzulassen, um den Ablauf zu beschleunigen.

Schon 1769 hatte der Komponist Nicolò Jommelli geklagt: »[D]ie ewigen vier Verse für jeden Teil der Arie, und obendrein fast immer zu sieben oder acht Silben. […] Wenn der Dichter schon so viel singen will, bleibt dem armen Komponisten sehr wenig zu singen übrig.« (Nach Gier, S. 6) Die allgemeine Verbindlichkeit solcher formaler Muster geht allerdings seit Beginn des 19. Jahrhunderts allmählich verloren.

Weitere wichtige Stationen auf dem Weg zum Wagnerschen »Gesamtkunstwerk« sind die Reformopern und die Grand Opéra. Das Bestreben der Libretti der »Reformopern« von Christoph Willibald Gluck und Ranieri de’ Calzabigi Mitte des 18. Jahrhunderts ist es, in der mythologischen Handlung der Darstellung wahrhaftiger Gefühle anstelle von Virtuosentum mehr Raum zu geben (Orfeo ed Euridice [1762], Alceste [1767]).

Mitte des 19. Jahrhunderts dominiert in Frankreich der von Eugène Scribe entwickelte Libretto-Typus der »Grand Opéra«. Er behandelt historische Stoffe und ist – ebenso wie dieses Buch – in fünf Akte aufgeteilt, mit obligatorischem Ballett. Er zeichnet sich aus durch aufwändige und wirkungsvolle Chorszenen mit spektakulärer Bühnenausstattung.

Als beispielhaft gilt die Zusammenarbeit zwischen Hugo von Hofmannsthal und Richard Strauss, wo ein literarischer Schöngeist auf einen Theaterpraktiker traf. In einem von Strauss edierten Briefwechsel lässt sich über 30 Jahre das Ringen um den optimalen Text nachvollziehen: Ausgehend vom Einakter Elektra (1909), über den Rosenkavalier, Arabella, Die Frau ohne Schatten (im Briefwechsel mit Hugo von Hofmannsthal kurz als »Frosch« bezeichnet) bis hin zu Daphne (1938). Der kongeniale Librettist von Giuseppe Verdi war Arrigo Boito, selbst ein Komponist von Bedeutung, der unter anderem die Textgrundlage zu den späten Meisterwerken Otello und Falstaff lieferte.

Bei einer Oper ist der zeitliche Ablauf der Inszenierung im Wesentlichen von der Partitur vorgegeben, jedoch kann der Handlungsverlauf durch den Komponisten in der Arie gedehnt, in einem Buffo-Finale beschleunigt oder in Ensembles angehalten werden. Für Letzteres prägte Richard Strauss den Begriff des »kontemplativen Ensembles«. So schreibt er am 16. Mai 1909 in Zusammenhang mit der gemeinsamen Arbeit am Rosenkavalier an seinen Librettisten Hugo von Hofmannsthal:

Sehr schön wäre es, wenn Sie für den 2. Akt an ein kontemplatives Ensemble dächten, nach dem Moment, wo vielleicht gerade eine dramatische Bombe geplatzt ist, die Handlung stille steht und alles sich in Betrachtungen verliert. Solche Ruhepunkte sind sehr wichtig. Beispiele: 2. Akt Lohengrin, das große Ensemble, das sogenannte »dumpfe Brüten«. Das Meistersingerquintett. Auch Barbier von Sevilla, Schluß des ersten Aktes: As-Dur-Ensemble: Seht nur den Bartolo und den Basilio. (Strauss, Hofmannsthal, Briefwechsel, S. 62)

Auch im Sextett »Chi mi frena in tal momento« aus Lucia di Lammermoor bleibt die Zeit stehen. Jeder der Beteiligten verleiht für sich seinen Gefühlen Ausdruck – musikalische Harmonie bei gedanklicher Heterogenität. Gerade solche, »aus der Zeit gefallenen« Ensemble-Szenen machen den besonderen Reiz der Oper aus: sie entführen in eine andere Welt, lösen Betroffenheit aus oder lassen träumen. Und können deswegen manchmal nicht lang genug sein.

Oper. 100 Seiten

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