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Erster Akt »Verachtet mir die Meister nicht« (Die Meistersinger): Die Gattung Oper

Was ist eine Oper?

Was man heute landläufig Oper nennt, kann auch die genauere Bezeichnung Commedia lirica (Verdis Falstaff), Melodramma (Puccinis Tosca), Singspiel (Mozarts Entführung aus dem Serail) oder Bühnenweihfestspiel (Wagners Parsifal) tragen. Die Oper ist ein europäisches Phänomen, das in jedem Land individuelle Ausprägungen und Sonderformen erfahren hat. Die Ausgabe des Riemann Musiklexikons von 2012 definiert es so:

Oper [von ital. opera »Werk«; engl. opera; frz. opéra], als Bez. einer mus. Gattung in Italien seit 1639 nachweisbar, in Frankreich und England seit dem späten 17., in Deutschland seit dem frühen 18. Jh., wurde jedoch zunächst neben anderen Bez. verwendet, so in Italien anfangs Dramma per musica (commedia in musica und dramma giocoso für das heitere Genre), in Frankreich Tragédie lyrique und Comédie, in Deutschland Singspiel (im weitesten Sinne für die O. mit dt. Text). Vorherrschend wurde die Bez. O. in England schon im 18., in Frankreich und Deutschland seit dem 19. Jh., seltener bleibt der Name »mus. Drama« (frz. Drame lyrique). (Bd. 4, S. 46)

Drei Kriterien müssen demnach erfüllt sein, um eine »Oper« von anderen Formen der »Verbindung von Bühnendichtung und Musik« zu unterscheiden:

 Die Musik setzt eigene Mittel zum Ausdruck der Rede und Gebärde im szenischen Dialog und Monolog ein, um die dramatische Aktion zu verdeutlichen.

 Drama und Musik stehen in einer dialektischen Spannung.

 Es findet eine szenische Realisierung als dritte Komponente neben Musik und Drama statt.

Diese Kriterien sorgen für eine klare Abgrenzung zur Schauspielmusik (Musik ist nur Ergänzung) und zum Oratorium (Werk für Solostimmen, Chor und Orchester mit ursprünglich religiöser, später auch weltlicher Thematik, keine szenische Realisierung als Grundidee).

Die Opera seria (dt.: ernste Oper) hat als italienische Hofoper des 18. Jahrhunderts das Musikleben der europäischen Aristokratie entscheidend bestimmt. Entsprechend stehen meistens mythologische Figuren oder legendäre Herrscher, außerordentliche Ereignisse und edle Grundwerte im Mittelpunkt. Hierzu rechnet man z. B. viele Opern Händels, aber auch solche der Romantik von Rossini und Donizetti. Die französischen Formen sind einerseits stark durch den Tanz, andererseits durch das Sprechtheater geprägt (Comédie ballet bzw. Tragédie lyrique).

Die Opera buffa ist das heitere Gegenstück in zwei oder drei Akten, entstanden im 18. Jahrhundert, zeitgleich in Neapel und Venedig. Es ist hervorgegangen aus den komischen Zwischenspielen (Intermezzi) zwischen den Akten der Opere serie. Hauptfiguren sind Bauern, Diener oder Bürger; einige der Figuren entstammen der Commedia dell’Arte, der italienischen Stegreifkomödie. Meist werden überzeichnend Verhaltensweisen des alltäglichen Lebens oder die Feudalgesellschaft aufs Korn genommen, wobei schauspielerisch das komödiantische Talent der Sänger gefordert ist. Beispiele sind Giovanni Battista Pergolesis La Serva padrona (1733, dt.: Die Magd als Herrin) und Gaetano Donizettis L’Elisir d’Amore (1832, dt.: Der Liebestrank). Sozusagen zwischen ernst und heiter ist die »halbernste« Opera semiseria angesiedelt.

Die Opéra comique ist die französische Variante der Opera buffa, mit dem formalen Unterschied, dass an die Stelle von Rezitativen gesprochene Dialoge treten; inhaltlich rücken die komischen Elemente zugunsten der Darstellung romantischer Gefühle in den Hintergrund. Entstanden im Paris des 17. Jahrhunderts, spaltete sie sich Mitte des 19. Jahrhunderts auf: in Richtung der Operette einerseits, in Richtung der Grand Opéra andererseits. Ein gutes Beispiel für ein Werk zwischen diesen beiden Strömungen ist Bizets Carmen. Sie wurde 1875 als Opéra comique mit gesprochenen Dialogen uraufgeführt und floppte zunächst – wahrscheinlich verstörte die veristische Geschichte über eine verführerische Zigeunerin nach einer Novelle von Prosper Mérimée das Publikum zunächst, doch bereits die zweite Aufführung war ein Erfolg. Im deutschen Sprachraum ist das Pendant das Singspiel bzw. die Spieloper, in England die Ballad opera, in Spanien die Zarzuela.

Ein Phänomen, das man dem Namen nach eher im kulinarischen Bereich vermutet, ist das »Pasticcio« (ital.: ›Pastete‹, aber auch ›Mischmasch‹). Da Komponisten für bestimmte Ereignisse bisweilen in kurzer Zeit neue Opern generieren mussten, recycelten sie gelegentlich eigene oder fremde Stücke, die die Zuhörer (noch) nicht kannten, »vermischten« sie zu neuen Texten und Handlungen und konnten so in kürzester Zeit ihren Pflichten nachkommen.

Komplexe Gesamtkunstwerke wie Opern bedürfen der Untergliederung. Spätestens seit der Klassik ist die Ouvertüre als instrumentales Vorspiel fester eigener Bestandteil der Komposition. Sie kann – wie im Falle der sogenannten »französischen Ouvertüre« – ein Handlungselement musikalisch unterstreichen, in die Stimmung oder Grundhaltung des Werkes einführen oder als eine Art Potpourri die musikalischen Hauptmotive vorwegnehmen. Dies ist bei vielen Mozart-Opern, beim Freischütz, bei Carmen oder auch bei La Traviata der Fall.

Zentrale Elemente der Oper bis Mitte des 19. Jahrhunderts und teilweise darüber hinaus sind die Formen Rezitativ und Arie. Die Erzählungen und Gespräche in den Rezitativen treiben die Handlung voran (auch Morde und Umstürze werden gewöhnlich erzählt und finden nur ausnahmsweise auf offener Bühne statt). Es gibt Secco-Rezitative (ital.: secco, ›trocken‹) mit einfacher instrumentaler Generalbassbegleitung und Accompagnato-Rezitative mit reicher Instrumentalbegleitung zur Illustration extremer Situationen.

Dramatische Höhepunkte werden durch Arien hervorgehoben; in ihnen äußern die Solisten Gefühle (im Barock als »Affekte« bezeichnet), kehren danach aber wieder in die ihnen zugeteilten Rollen und Standesfunktionen zurück; beliebt ist das Da-Capo-Prinzip mit variierten und improvisierend ausgeziertem Wiederholungsteil. Szenisch sind Arien zugleich häufig mit Auftritten oder Abgängen verbunden. Demgegenüber stehen Duette meist am Ende des zweiten Aktes; die Schlussszenen werden, sofern kein Chor vorgesehen ist, gewöhnlich von allen Solisten gesungen und unterstreichen damit zugleich die für alle einvernehmliche Lösung der Handlung.

In den sogenannten »Nummernopern« werden die einzelnen geschlossenen Musikstücke – Ouvertüre, Rezitative und Arien, Ensembles, Chöre, Ballette, Instrumentalzwischenspiele – im wahrsten Sinne des Wortes durchnummeriert und folgen stereotyp aufeinander. Eine Entwicklung des 18. Jahrhunderts ist es, einzelne Nummern zu größeren Szenen zusammenzufassen; das kündigt sich auch schon im Spätbarock an, ausgeprägt ist es bei Mozart, zum Beispiel im Finale des 2. Aktes von Le Nozze di Figaro. Die 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts zeigt eine Tendenz zur durchkomponierten Oper. Besonders Richard Wagner suchte quasi ein musikalisches Äquivalent zur Vortragsweise von Sprechtexten. Das Extrem ist dann ein Kontinuum von fast zwei Stunden wie im Falle von Richard Strauss’ Salome (1905) oder Elektra (1909) mit integriertem Instrumentalvorspiel. Hier muss der Opernbesucher sogar auf die gewohnte Pause verzichten.

Oper. 100 Seiten

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