Читать книгу Jahre auf See - Peter Polonius Teichmann - Страница 10
Ostern auf dem Saloum River (Senegal)
ОглавлениеFür unseren neuen I.O. war es nicht einfach mit dem Kapitän klar zu kommen. – Heute denke ich die Chemie hat von Anfang an nicht gestimmt zwischen den beiden. – Ich war damals Schiffsjunge an Bord und normal hätte ich das alles nicht mitkriegen dürfen. Aber der I.O. war ständig schlechter Laune und brüllte häufig so laut an Deck herum, dass es der Letzte hören musste, also auch ich, der Moses. – Nur mal als Beispiel, der I.O. saß in seiner Kammer und erledigte Schreibarbeiten oder sonst was. Währendem ließ der Alte den Bootsmann auf die Brücke kommen und gab Order, sämtliche Ladebäume schon mal hoch gehen zu lassen, die Persennige von den Luken zu ziehen und die Luken zu öffnen. - Das, obgleich der Zossen nicht an der Pier lag, sondern es noch 3 Stunden Revier Fahrt bis zum port of Destination waren. – Der Erste dagegen hatte für uns peoples eine ganz andere Arbeit vorgesehen die nun liegen blieb. D.h. der Alte pfuschte dem Ersten dazwischen nur um Zeit zu schinden, damit sich die Hafenarbeiter in Kaolak sofort wie die Ameisen über unseren Zossen her machen konnten. Dass so etwas auf Dauer nicht gut geht kann man sich denken.
Die Alten Westafrikafahrer von HMG, Bastian der Flensburger Schiffspartenvereinigung und andere sind damals wie wir regelmäßig den Saloum River hoch nach Kaolak gefahren um Stückgut zu löschen und Expeller zu laden. Das dieses gepresste Ölkuchenzeug ein gewaltig staubiger Dreck war in der Art Kohlenstaub nur in gelb, erwähne ich hier nur nebenbei. Andererseits war Kaolak aber nicht schlecht. Meistens lag man dort einige Tage und nachts wurde nicht gearbeitet. – Moment mal Männer ihr freut euch zu früh auf eine entsprechende Geschichte von mir. Diesmal ist es nicht das Thema, ich bleibe sauber. – Damals war ich noch nicht so lange an Bord und weil die peoples natürlich abends alle an Land gehen wollten, hat mich der Scheich häufig zur Nachtwache verdonnert. Wenn er dann nachts mit ordentlich einem in der Krone längs die Pier zurück an Bord getorkelt kam, hab ich ihn dafür von oben mit Kartoffeln beworfen. Das war so meine kleine Rache.
Aber das wollte ich ja gar nicht erzählen. – Von See kommend war damals die Einfahrt zum Saloum River nicht einfach zu finden, weil es dort keine Leuchtfeuer, keine markanten Landerkennungsmerkmale wie Berge ja nicht einmal eine Ansteuerungstonne gab. – Die Navigation musste schon stimmen, damit man mit dem Point of Destination nicht zu weit nördlich oder südlich lag. Sonst war man am Suchen. – Das ist uns immerhin einmal passiert mit dem Vertreter Kapitän. Oh was waren da die peoples aus dem Fettenkeller am lästern. – Aber wie gesagt, ich war nur der Moses, mich ging das alles nichts an; was nicht heißt, dass ich es nicht mitbekommen hätte. - Entschuldigung, ich bin ja immer noch nicht bei den Eiern - pardon Ostereiern - und ein bisschen brauche ich auch noch bis ich da hinkomme. – Die Flussmündung vom Saloum River war ziemlich breit und wenn man mit dem Zossen halbwegs drin war kam noch ein zweites Hindernis, nämlich eine Barre. Über die Barre kam man nur weg bei Hochwasser, sonst musste der Dampfer vor Anker gehen. Das gleiche Spielchen gab es natürlich auch bei der Ausreise und von so einer Ausreise zur Osterzeit handelt der eigentliche Teil meiner Geschichte.
M/S „ELFRIEDE“ kam von Kaolak, alle 4 Luken randvoll mit Ölkuchen für Mühlen in Rouen oder Dünkirchen und wir waren zu spät dran d.h. hatten das Hochwasser verpasst. – Wir also innerhalb der Barre den Anker weggeschmissen und dann hatte unser Kapitän einen Einfall. – Wenn ich jetzt so schreibe traue ich mich fast nicht mehr weiter zu machen denn die meisten Ehemaligen werden denken, jetzt lücht he allweder de Pit. Dem ist aber nicht so, es ist die Wahrheit und die muss eben nu mal raus. Ein Bootsmanöver wäre ja normal gewesen, aber das Boot aussetzen, um in einem Eingeborenen Dorf welches da irgendwo zwischen Steppe und Savanne im Busch lag, Eier und deren Produzenten einzuhandeln, das konnte nur unserem Alten einfallen. – Das Kapitän Robert C. ein alter Kap Hoornier und zu seiner Zeit ein bekannter Segelschiffskapitän war habe ich an anderer Stelle schon hinlänglich berichtet. Dass er in kleineren Häfen schon mal zusammen mit dem Koch an Land ging um frische Lebensmittel für uns boardpeoples einzukaufen, meine ich auch. Also passte der Osterausflug ganz gut ins Bild. – Unser I.O. war wieder mal stocksauer, weil ihn niemand informiert hatte und während wir eines der Boote klar machten verschwand er wortlos in seiner Kammer. – Für mich als Moses war das ja damals alles so was von aufregend. Ich kam mir vor wie Robinson Crusoe oder besser noch Old John Silver aus der Schatzinsel und dies nur, weil ich dabei sein durfte. – Natürlich hatten wir auf unserem Zossen keine modernen Klappdavits, sondern noch die Alten zum raus schwenken, trotzdem bekamen wir nach einigem hin und her das Boot raus und ganz ordentlich zu Wasser. - Mit 8 Mann plus Steuermann ~ unser Captain ~ war unser Boot voll besetzt und klar zum ablegen. Jetzt half mir meine Bootsausbildung vom PRIWALL, ich wusste Bescheid und konnte mit Krake dem Bootsmann und den beiden Matrosen gut mithalten, während die beiden Assis und Egon aus der Kombüse mit ihren Riemen Ellerbecker Rundschläge vollführten und vom Alten zusammen geschixxen wurden. Nach einiger Zeit klappte es dann aber doch einigermaßen und wir kamen gut vorwärts, dem nördlichen Ufer des Saloum Rivers entgegen.
Kapitän C. musste die Gegend gekannt haben, denn er ließ uns flussabwärts eine Sandbank umrunden und hinter dieser in eine kleine Bucht rudern. Als wir näher heran waren erkannt man einen Steg und ein paar halb nackte Kinder, die kreischend davon liefen als sie uns sahen. – Kaum hatten wir an dem Steg fest gemacht, kam eine Schar Eingeborener Männer wie Frauen in „heimischer Kleidung“ – wobei ich mich beim besten Willen nicht mehr erinnern kann wie diese aussah. Nun begann ein langes Palaver und schließlich muss einer der älteren Männer unseren Captein erkannt haben, denn es gab eine laute Begrüßung. – „Peter“ hat der Alte zu mir gesagt, „ich gehe jetzt mit den Leuten und Du passt hier auf unser Boot auf – Du bist mir für das Boot verantwortlich, ist das klar“?! – Dann sind meine peoples mit der ganzen Truppe Einheimischer abgezogen und nur die Kinder sind bei mir geblieben haben mich angestarrt und in ihrem unverständlichen Dialekt gesabelt. – Mann was war das ein verantwortlicher Posten, ich alleine in der Wildnis mit dem Boot und allem Inventar. – Ich habe mein PRIWALL Bordmesser aufgeklappt ~ das von Meinke & Jaacks mit dem Marlspiker ~ und in die Hand genommen; nur für alle Fälle, damit keine Unklarheiten aufkommen. Dann habe ich gewartet. - Mir kam es wie eine Ewigkeit vor bis unsere Bootscrew mit dem Alten an der Spitze aufgetaucht sind; ich war froh, als sie wieder zurück waren. - Der Koch und Egon haben einen braunen Korb geschleppt, da waren die Hühnereier drin und die Assis und Matrosen haben Verschläge getragen, in denen gackernde Hühner steckten. Ich kann mich an Worte wie „Massa Captain“ erinnern und sie waren alle um unseren Kapitän rum. Dann gab es eine lautstarke Verabschiedung die kein Ende nehmen wollte bis schließlich unser Alter dem ein Ende gesetzt hat. – Wir sind raus in die Bucht gerudert und von da an begann es hart zu werden für uns boot peoples.
Unser Zossen, klein zu sehen, lag ein ganzes Ende weiter Strom aufwärts und nun mussten wir zurück gegenan. Anfangs ging es noch einigermaßen weil der Alte das Boot dicht unter Land am Ufer entlang steuerte ~ so man eben ohne auf ne Sandbank aufzulaufen oder im Uferbewuchs hängen zu bleiben. Trotzdem kostete es Kraft und nach kurzer Zeit waren unsere Klamotten durchgeschwitzt bis zum geht nicht mehr. Das Boot war jetzt voll beladen und nur langsam kamen wir vorwärts. Pausen durften wir nicht machen, denn sonst wären wir zurück getrieben und Kapitän C. drückte jetzt auf Tempo. – „Wir müssen beschleunigt an Bord zurück und Anker auf gehen“, hat er gesagt, sonst kämen wir wieder nicht über die Barre. – Ich war immer noch stolz, was ein Abenteuer. – Ich weiß nicht wie lange wir rudern mussten bis wir M/S „ELFRIEDE“ endlich querab hatten; dann noch 100 Meter weiter von wegen der Abdrift und raus in den Saloum River. – Bbwwaaa, hat uns jetzt die Strömung erst richtig zu fassen bekommen und „Rudern, rudern“ hat der Alte gebrüllt und vorgehalten hat er damit wir nicht wie ein Pappkamerad an unserem Eimer vorbei rauschen. – Und wir haben gerudert als ginge es um unser Leben. Ich habe die Arme nicht mehr gespürt, meine Lunge war zum zerspringen und die 3 oder 4 Knöpfe an meinem Hemd die ich vergessen hatte auf zu machen, sind einer nach dem anderen abgeplatzt. – Trotz größter Kraftanstrengung haben wir es aber nicht geschafft sondern waren im Abstand von rund 10 Metern an der runter hängenden Jakobsleiter vorbei getrieben. Kapitän C versuchte jetzt hinter das Heck unseres verfluchten Zossens zu kommen, damit der Druck wenigstens etwas nachließ und das haben wir ja dann auch zum Glück geschafft, aber eben leider nicht direkt dahinter sonder im Abstand von ungefähr 30, 40 Metern. Ja und da standen wir jetzt auf der Stelle und gerudert haben wir weiter wie die Besenkten und keinen einzigen Meter sind wir näher gekommen. Es war zum verrückt werden. – Unser Alter hat das Brüllen angefangen: „Rettungsboje raus, Rettungsboje raus“! – Niemand an Bord hat sich blicken lassen und wir immer gerudert und gerudert mit raus gepressten Adern und plötzlich sehe ich aus den Augenwinkeln unseren I.O. wie er seelenruhig seine Wäsche oben am Bootsdeck am Aufhängen ist und so macht als hört und sieht er nichts. – „Rettungsboje raus, Rettungsboje raus“! - hat der Alte wieder gebrüllt. Und dann endlich ist achtern unsere Bordwache, Matrose Hermann Hempel aufgetaucht. – Hempel wie die Pinneberger Decksfarben. Werde den Namen mein Lebtag lang nicht vergessen, der Mann kam aus Lübeck, war ein ganz feiner Kumpel und prima Seemann. Hat damals sofort begriffen, zwei Wurfleinen aneinander geknotet, das eine Ende auf ner Klampe belegt und am anderen einen Rettungsringe befestigt und dann das Ganze achteraus geschmissen. Wir haben uns mit dem Bootshaken den Rettungsring geangelt und danach Hand über Hand an unseren Zossen herangezogen.
Ich erinnere mich nicht, ob es noch am gleichen Tag war oder einige Tage später, aber es gab ein Gespräch zwischen Kapitän C. und unserem I.O. – Es war auf der Brücke und ob man mir es jetzt glaubt oder nicht, ich, ausgerechnet ich stand damals am Ruder und habe jedes Wort mitbekommen. – Zwar weiß ich nicht mehr was genau gesagt wurde, nur soviel, dass der I.O. - ein grobschlächtiger Kerl – wie blöde herum gebrüllt hat und Kapitän C vollkommen ruhig blieb. – Zum Schluss hat er gesagt, der I.O. möge im nächsten Hafen bei unserer Reederei um seine sofortige Ablösung bitten und dann hat er ihn von der Brücke geschickt.
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