Читать книгу Der 7. Himmel hat ein Loch - Peter Rogenzon - Страница 7
Kuppelei
ОглавлениеÄltere Ehepaare sind oft schon so lange verheiratet, dass sie infolge der Macht der Gewohnheit ihren Zustand als Glück empfinden, auch wenn neutrale Beobachter sich manchmal fragen, wieso eigentlich. Aber wenn man das Gefühl hat, glücklich zu sein, möchte man halt auch andere daran teilhaben lassen. So war es auch bei den Frohnigs: Sie konnten es einfach nicht mit ansehen, dass jemand noch unverheiratet war. Herr Frohnig kommentierte das Junggesellenleben seiner männlichen Bekannten mit den Worten, so etwas sei doch nicht normal. Sie hingegen war eine resolute Person und fand, wer eben nicht in der Lage sei, selbst sein Glück zu finden, dem müsse man dazu verhelfen.
So befassten sich die beiden Frohnigs in ihrer Freizeit oft mit Gedankenspielen, in welchen sie junge Menschen verkuppelten. Aus diesem Spiel wurde eines Tages Ernst: Als sich die beiden einig waren, dass ein junger Kollege von Herrn Frohnig gut zu der Tochter einer Freundin von Frau Frohnig passen würde, lud man die beiden zum Kaffee ein. Man sagte ihnen als Grund für die Einladung, man finde, dass sich beiden einmal beschnuppern sollten. Nun würde sicherlich im Normalfall eine solche Einladung wohl mit höflichen Ausreden abgelehnt werden, aber die Frohnigs verstanden es, ihren „Opfern“ den Mund wässrig zu machen. Sie schilderten den beiden jungen Leuten jeweils den anderen als idealen Partner, den sie unbedingt kennen lernen müssten; der andere wisse natürlich von nichts und sei nur zufällig da. Auf diese Weise gelang es ihnen tatsächlich, eine Ehe zu stiften, die allerdings schließlich damit endete, dass die Eheleute getrennt lebten: Er zog in die nahe Stadt, und sie blieb auf dem Lande, weil sie sich nur dort glücklich fühlte. So lebten sie zufrieden nebeneinander her.
Als jemand einmal die Frohnigs scherzhaft auf den Misserfolg ihrer Ehestiftung ansprach, verstanden sie keinen Spaß, sondern fanden, ihre Unternehmung sei geglückt, denn schließlich hätten ja die jungen Leute zwei Kinder in die Welt gesetzt. Auf den Einwand, dass das Glück aber nur von kurzer Dauer gewesen sei, erwiderte Frau Frohnig:
„Besser ein kurzes Glück, als gar keines!“
Alsbald hatten die Frohnigs wieder junge Menschen gefunden, die ihrem Glück selbst im Wege standen, wie ihr übereinstimmender Befund lautete. Sie war ein junges Mädchen, das sich in ihrer Gutmütigkeit von ihren Arbeitgebern so ausnutzen ließ, dass sie oft erst abends spät aus dem Büro nach Hause kam; ihr Vater hatte einmal scherzhaft über sie gesagt, sie könne allenfalls dann einen Mann zum Heiraten finden, wenn sie auf dem Weg zur Arbeit eine Panne habe und ihr jemand helfe, sonst habe sie überhaupt keine Chance, jemanden kennen zu lernen. Der junge Mann, den die Frohnigs in vielen tiefschürfenden Gesprächen — man muss schon sagen — auserwählt hatten, war ein Typ wie es ihn eigentlich heutzutage gar nicht mehr gibt. Er war zu schüchtern, sich dem anderen Geschlecht zu nähern. Sein Vater, der über sich selbst zu sagen pflegte, er sei früher „ein toller Hecht“ gewesen, äußerte sich daher recht boshaft über sein „etwas zu zaghaftes Produkt“. Hinter der vorgehaltenen Hand warf er sogar die Frage auf, ob sein Sohn vielleicht schwul oder impotent sei, denn anders sei dessen Abstinenz nicht zu erklären. Dies war zwar nur scherzhaft gemeint, wurde aber von denjenigen, die solche Mutmaßungen mit anhören mussten, nur als äußerst geschmacklos empfunden.
Die Frohnigs luden die beiden jungen Leute wieder auf dieselbe Art ein, wie das früher verkuppelte junge Paar. Aber dieses Mal sprang zwischen den beiden nicht einmal ein kleines Fünkchen über. Weil aber der junge Mann einsam und höflich war, schlug er der ihm angesonnen Partnerin vor, dass man vielleicht doch einmal gemeinsam ins Kino gehen könne. Sie hatte eigentlich keinen einleuchtenden Grund, dies abzulehnen. Nach dem Kino fand er, man sollte vielleicht bei einem Glas Wein noch über den Film diskutieren. Beim Abschied verabredeten sie, gemeinsam den Thriller anzusehen, für welchen sie eine Voranzeige gesehen hatten und der sicher nicht so langweilig sei wie der eben genossene Problemstreifen.
Schließlich wurden die wöchentlichen Kinobesuche eine liebe Gewohnheit der beiden. Nachdem dies eine Zeit lang so ging, mischte sich die Mutter des jungen Mannes ein und sagte ihrem Sohn, er ziehe jetzt schon lange genug mit dem Mädel herum und erwecke damit vielleicht Hoffnungen; er solle sich überlegen, ob er ernst machen wolle (sprich: heiraten) oder nicht; im letzteren Fall müsse er sich von dem jungen Mädchen trennen. Als seine Mutter bei diesem Thema nicht locker ließ und wissen wollte, ob er die junge Dame vielleicht heiraten wollte, verneinte er dies und sagte, er denke gar nicht daran, denn sie sei überhaupt nicht sein Typ.
„Dann musst du es ihr sagen!“ bläute ihm seine Mutter vor dem nächsten Kinobesuch ein.
Als das junge Paar — wie üblich — nach dem Film auf ein Glas in ein Weinlokal ging, druckste er herum, denn die Aufforderung seiner Mutter hing wie ein Damoklesschwert über ihm. Sie verstand die Situation wohl falsch, rückte etwas näher zu ihm und fragte ihn, was er auf dem Herzen habe.
Nun, wir wollen dezenterweise nicht das ganze Gespräch der jungen Leute mit verfolgen.
Als der junge Mann um Mitternacht nach Hause kam, war seine Mutter noch wach und fragte:
„Na, hast du es ihr gesagt?“
„Nein!“ antwortete er. „Wir haben uns verlobt!“
Aus dem Verlöbnis wurde eine Hochzeit, und die jungen Leute waren sogar auf ihre Weise glücklich, denn das Unglück anders zu sein, als ihre Bekannten, nämlich immer noch ledig, war nun endlich vorbei. Und jeder der beiden sagte sich, wenn er einmal auf sein bisheriges Leben zurück blickte: Zu zweit sein ist immer noch besser als allein.