Читать книгу Positionierung - das erfolgreichste Marketing auf unserem Planeten - Peter Sawtschenko - Страница 25
Beispiel orthopädische Schuhmacher
ОглавлениеIch hatte den Auftrag, als Gastredner vor einer Vereinigung orthopädischer Schuhmacher über Positionierung einen Vortrag zu halten. Vorab stellte ich vier wichtige Fragen:
1. Warum ist das Thema Positionierung interessant für Ihre Veranstaltung?
2. Wie viel Prozent der Mitglieder sind erfolgreich?
3. Warum sind sie erfolgreich?
4. Warum sind die anderen nicht erfolgreich?
Daraufhin erhielt ich zum Teil resignierte Antworten. Maximal zwanzig Prozent waren wirklich erfolgreich. Im Rahmen meiner ständigen Recherchen ist ein Vortrag in einer Branche für mich immer eine Gelegenheit, die Ursachen für Erfolg und Misserfolg zu analysieren. Für telefonische Interviews erhielt ich Adressen von erfolgreichen und weniger erfolgreichen orthopädischen Schuhmachern. Die telefonische Befragung bestätigte mir sehr schnell, dass die Misserfolgsursache in fehlender oder schlechter Positionierung und Verzettelung lag. Entsprechend konnte ich so in meinen Vortrag branchenbezogene Beispiele einbringen.
Die falsche Zielgruppe im Hause
Der überwiegende Teil der orthopädischen Schuhmacher war durch seinen »Gemischtwarenladen« wenig erfolgreich. Viele Ladenlokale waren so strukturiert: Eine Ecke war mit teuren orthopädischen Schuhen und mageren Hinweisen ausgestattet, dass es sich um eine Spezialabteilung handelt. Der Rest des Ladens beherbergte preiswerte bzw. billige Schuhe, die man auch bei Wettbewerbern sah. Es wurde die übliche falsche Theorie vertreten: »Wenn die eine Produktsorte nicht läuft, haben wir immer noch ein zweites Standbein.«
Ob modische Schuhe gesund für die Füße sind, spielt keine Rolle; Hauptsache, sie sehen schön aus. Orthopädische Schuhe hingegen haben Stütz- und Korrekturfunktion, müssen verschiedene Anforderungen erfüllen und wirken für modebewusste Käufer oftmals konservativ, für andere aber biologisch vertretbar. Betraten modische Kunden den Laden und erblickten zuerst die orthopädischen Schuhe, waren sie enttäuscht vom altmodischen Geschmack und empört über die saftigen »Apothekerpreise«. Eine entsprechend negative Schublade wurde im Kopf angelegt. Die Inhaber konnten mit den orthopädischen Schuhen interessante Deckungsbeiträge erwirtschaften, aber die Anzahl der Kunden reichte fürs Überleben nicht aus.
Unkundiges Personal wegen fehlender Erträge
Weil die Erträge nicht stimmten, wurde auch am Fachpersonal gespart. Als ich vor einigen Jahren im Auftrag eines Kunden Schuhfachgeschäfte analysierte, stellte ich mit Erschrecken fest, dass viele Spezialgeschäfte wegen der hohen Personalkosten auf Aushilfen als Ersatz für Fachberater setzten. Wenn der Kunde nach Schuhmessen, Abrolllängen, Zehenfreiheit, Fersenhalt, Ballenpunkt etc. fragte, wurde das Aushilfspersonal verlegen oder verwies auf den Chef, der aber gerade nicht im Hause war.
Für die Unzufriedenheit der Kunden machte man gerne die orthopädische Abteilung verantwortlich. Denn die war der Grund für den Missmut der Kunden. Durch die Äußerungen der Kunden veränderte sich auch die Einstellung der Mitarbeiter zum Image des Ladens. Hätte man aber als orthopädischer Schuhmacher diese Spezialabteilung eliminiert, wäre man im Umfeld und im Preiskampf austauschbar geworden. Die Hoffnung, dass die Abteilung irgendwann doch erfolgreich wird, konnte man nicht ausschließen. Denn einige andere Kollegen waren ja sehr erfolgreich.
Dass man durch die verwässerte Positionierung mit zwei heterogenen Produktarten zwei völlig verschiedene Zielgruppen ansprach, so dass letztlich für beide Abteilungen der Erfolg ausblieb, erkannte man nicht. Falsche Vorbilder für die immer noch in vielen Branchen praktizierte Diversifizierungsstrategie gibt es genug.
Mehr als 80 Prozent aller Menschen tragen falsche bzw. zu kleine Schuhe und klagen über die direkten oder indirekten Folgen. Unnatürliches Gehen beeinträchtigt die Körperbalance, belastet Gelenke, Sehnen, Muskeln und führt zu Verspannungen im ganzen Körper. Besonders die extrem belasteten Sportler leiden unter schlechtem Schuhwerk. Diagnostiziert der orthopädische Arzt als Ursache falsches Schuhwerk, sucht die Leidenszielgruppe nach spezialisierten orthopädischen Schuhgeschäften im Umfeld. So wie in vielen anderen Berufen ist nicht jeder Spezialist auch ein guter Spezialist. In dieser Branche spielt die Mund-zu-Mund-Propaganda eine wichtige Rolle.
Der Spezialist mit der dankbaren Zielgruppe
Bei wirklich erfolgreich positionierten orthopädischen Schuhgeschäften ist das Einzugsgebiet bedeutend größer als bei profillosen Geschäften. Um zu Reiner Ritter nach Troisdorf (www.ritter-schuhe.de) zu kommen, nehmen die Kunden oftmals bis zu 200 Kilometer Anfahrt in Kauf. Und wenn sie schon den weiten Weg machen, dann kaufen sie sich nicht nur ein Paar Schuhe, sondern gleich mehrere.
Lothar Jahrling aus Gießen (www.jahrling.de) hat sich unter anderem mit seinen Videoanalysen und ungewöhnlichen Erfolgen weit über die Grenzen von Hessen einen Namen bei Spitzensportlern und als Experte für Kinderschuhe gemacht. Dort warten Kunden geduldig bis zu mehreren Wochen auf einen Termin. Wenn Sie den Ladenraum betreten, haben Sie im Vergleich zu normalen Schuhgeschäften erst einmal das Gefühl, er habe vergessen, Schuhe nachzukaufen. Fein und großzügig präsentiert man dort die wenigen ausgesuchten Bequemschuhmarken. Doch die Lager stehen voll mit den unterschiedlichsten Weiten und Größen. Die orthopädische Abteilung bedarf einer guter fachlichen Beratung, mehr Zeit für die Analyse, für Messen, Anprobieren, das Erstellen und Korrigieren von Einlagen etc.
Der emotionale Faktor
Der körperliche Kontakt beim Vermessen und Anprobieren ist dabei ein wesentlicher emotionaler Faktor. Füße sind in einer Beziehung am anderen Ende der Berührungsskala. Das heißt, Füße sind normalerweise das »Letzte«, was man als ästhetisch empfindet; Gesicht und Hände gelten eher als ästhetisch und werden auch eher von anderen berührt. Je älter man wird, desto seltener berührt ein anderer Mensch die Füße. Ein Kunde spürt sehr wohl, ob ein Verkäufer seine Füße beim Schuhkauf ernst nimmt und sich gerne damit beschäftigt oder den potenziellen Fußpilz und die Geruchsquelle meidet. Orthopädische Schuhe und notwendige Dienstleistungen haben eine klare Zielgruppe. Die Kunden wissen, dass sie mehr kosten, und sie sind auch bereit, dafür mehr zu bezahlen.
Mit anderen Worten: Was die erfolgreichen orthopädischen Schuhmacher den nicht erfolgreichen voraus hatten, war
• eine klare Fokussierung auf orthopädische Schuhe (Produktkonzentration anstatt -diversifizierung) und ebenso
• die klare Fokussierung auf die Zielgruppe derer, die diese Schuhe benötigen (Zielgruppenkonzentration anstatt -streuung).