Читать книгу Hell Fever - Peter Schattschneider - Страница 6

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Als unseres Lebens Mitte ich erklommen, befand ich mich in einem dunklen Wald, Da ich vom rechten Wege abgekommen.

Dante Alighieri, Die göttliche Komödie

Ouvertüre

Er hatte Angst. Nicht vor der Injektion – ein kurzer Stich, mehr nicht. Er hatte Angst vor dem, was passieren würde. Als wüsste er.

Seine Beine waren mit Riemen fixiert. Ihm war kalt. Die Vorrichtung, an die man ihn gefesselt hatte, der Luftstrom vom surrenden Ventilator, alles war kalt. Auch das Licht war kalt, das von der Decke fiel.

Der Arzt im weißen Kittel, Instrumente, ein Bildschirm. Wenn er den Kopf drehte, sah er chromblitzende Pinzetten und Scheren. Dann kam die Frau. Er hörte ihre Stöckel schon von weitem. Sie klapperten am Steinboden wie ein kaltes, metallenes Instrument. Sein Herz schlug heftig in Erwartung dessen, was vielleicht schon geschehen war – er wusste nicht genau, was, nur dass es aufregend und gleichzeitig böse war. Sie beugte sich zu ihm, stülpte ihm eine Haube aus elastischem Stoff über. Dünne Kabel führten von der Haube zu dem Apparat, der neben dem Arzt stand.

Die Frau war sehr schön. Sie trug eine lange Perlenkette. Er mochte Perlen.

Der Arzt langte nach vorn, hielt das Glied des Knaben mit zwei Fingern, säuberte die Spitze mit einem Wattebausch und führte das Zystoskop ein. Es war unangenehm kalt, als die Kanüle eindrang, dann ein dumpfer Schmerz. Er verzog das Gesicht und atmete rascher.

Die Frau murmelte beruhigende Worte. Du Braver, hab keine Angst, es ist vorbei, alles ist gut. Dabei hielt sie seine Hand. Der Arzt sagte nichts; er arbeitete konzentriert, ohne ihn anzusehen, flanschte eine Spritze an das Instrument und drückte sie aus. Ein unangenehmer Druck in der Blase, als die Flüssigkeit eindrang. Die Kanüle wurde entfernt. Ein paar Tropfen klarer Flüssigkeit quollen hervor. Er wollte aufstehen und urinieren, aber bevor die Fesseln ihn daran hindern konnten, stoppte ihn die Frau mit einer Handbewgung.

Sie machte etwas zwischen seinen Beinen. Er bemühte sich wegzusehen. Da war ein Gummiband. Ein Kabel verband es mit einem Apparat hinter seinem Kopf, den er nicht sehen konnte. Außer Sichtweite hantierte jemand an dem Gerät, zugleich spürte er ein sachtes Kitzeln. Dann begann es in seinem Bauch zu vibrieren. Neben dem Untersuchungsstuhl war ein Kasten mit Skalen und Reglern. Der Arzt drehte an Knöpfen, und die Vibrationen wurden stärker. Aus den Augenwinkeln sah er einen Display – blinkende Zahlen, und eine Linie lief über den Schirm.

Der Arzt nickte der Frau zu. Wieder wurden die Regler verstellt. Das Kitzeln hörte auf, dann fuhr es ihm wie ein Messer zwischen die Beine. Er schrie vor Schmerz auf. Hinter seinem Rücken wurde hantiert, und gleich wich der stechende Schmerz einem rhythmischen Zucken – es war, als würde eine strenge Hand sein Glied im Sekundentakt drücken. Er versuchte vergebens die Beine zu schließen. Seine Oberschenkel zitterten in der Erwartung des nächsten Stromstoßes. Die Frau sprach beruhigend auf ihn ein und gab dem Arzt ein Zeichen. Das scharfe Pochen verwandelte sich in Kribbeln, das ihm bis ins Becken fuhr.

Die schöne Frau sah ihn ernst und liebevoll an wie der Priester bei der Erstkommunion. Ihre Linke lag auf seiner Schulter, ihre andere Hand war zwischen seinen Beinen. Sie streichelte ihn träge, und gegen seinen Willen reagierte er.

Er wandte den Kopf zur Seite, versuchte, das makellose Gesicht aus seiner Vorstellung zu verbannen, aber es blieb beharrlich da. Undeutlich sah er ihre rotlackierten Nägel; sie streichelten ihn, langsam, rhythmisch, regelmäßig. Es war wie leichtes Huschen über Samt. Sie war so zärtlich. Aber es durfte ihm nicht gefallen; es war böse und verdorben. Er schloss die Augen, dachte an den Unterricht, um sich abzulenken – Mathe, Geometrie, Dreiecke und Quadrate. Flächenberechnungen …

Die Linke der Frau kroch von seiner Schulter zur Halsbeuge und streichelte seinen Haaransatz. Sie neigte sich zu ihm herunter und ihre Perlenkette berührte seine Brust. Es warwie ein hingehauchter Kuss. Die Perlen schimmerten – Tränen eines Engels. Seines Schutzengels.

Ein Schauer fuhr ihm durchs Rückgrat. Seine Bauchmuskeln zuckten wie von einem unterdrückten Brechreiz. Es brannte, als das Sperma in Stößen herausspritzte. Die Frau murmelte beruhigende, schöne Worte.

Er schämte sich. Tränen quollen zwischen seinen zusammengepressten Lidern hervor. Der Arzt löste die Riemen, die Frau nahm ihm die Haube ab, entfernte die Sensoren und stellte eine Rolle Küchenkrepp neben den Untersuchungsstuhl, dann ließen sie ihn allein. Er fühlte sich kraftlos und benommen, blieb noch mit geschlossenen Augen liegen. Was hatten sie getan? In seinem Kopf wirbelten die Bilder durcheinander – die Fesseln, Elektroschocks, der Schmerz … die Frau … die Perlen …

Nach Minuten wurde er ruhiger. Gedankenverloren, vielleicht ein wenig erleichtert, weil er ahnte, dass die Erinnerung schwand, trocknete er sich mit Küchenkrepp, stand auf und kleidete sich an. Er spürte seine Beine kaum, alles war merkwürdig leicht. Er trödelte herum, betrachtete neugierig die Apparate, Kabel und Schläuche. Irgendwie hatten sie mit ihm zu tun, eine Untersuchung … Es war anstrengend, sich zu erinnern. Als er das Zimmer verließ, war das Geschehene nicht mehr. Nur ein unbestimmtes Gefühl der verbotenen Lust blieb ihm.

Hell Fever

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