Читать книгу Erinnerungen eines Nautikers an seine Seefahrt in den 1950-70er Jahren und sein Wirken als maritimer Beamter - Peter Sternke - Страница 1
Vorwort des Herausgebers
ОглавлениеVon 1970 bis 1997 leitete ich das größte Seemannsheim in Deutschland am Krayenkamp am Fuße der Hamburger Michaeliskirche, ein Hotel für Fahrensleute mit zeitweilig 140 Betten. In dieser Arbeit lernte ich Tausende Seeleute aus aller Welt kennen.
Im Februar 1992 begann ich, meine Erlebnisse bei der Begegnung mit den Seeleuten und deren Berichte aus ihrem Leben in einem Buch zusammenzutragen, dem ersten Band meiner maritimen gelben Reihe „Zeitzeugen des Alltags“: Seemannsschicksale.
Insgesamt brachte ich bisher über 3.800 Exemplare davon an maritim interessierte Leser und erhielt etliche Zuschriften zu meinem Buch. Diese positiven Reaktionen auf den ersten Band und die Nachfrage ermutigen mich, in weiteren Bänden noch mehr Menschen vorzustellen, die einige Wochen, Jahre oder ihr ganzes Leben der Seefahrt verschrieben haben. Diese Zeitzeugen-Buchreihe umfasst inzwischen fast drei Dutzend maritime Bände.
Inzwischen erhielt ich unzählige positive Kommentare und Rezensionen, etwa: „Ich bin immer wieder begeistert von der „Gelben Buchreihe“. Die Bände reißen einen einfach mit und vermitteln einem das Gefühl, mitten in den Besatzungen der Schiffe zu sein. Inzwischen habe ich ca. 20 Bände erworben und freue mich immer wieder, wenn ein neues Buch erscheint.“ Oder: „Sämtliche von Jürgen Ruszkowski aus Hamburg herausgegebene Bücher sind absolute Highlights der Seefahrts-Literatur. Dieser Band macht da keine Ausnahme. Sehr interessante und abwechselungsreiche Themen aus verschiedenen Zeitepochen, die mich von der ersten bis zur letzten Seite gefesselt haben! Man kann nur staunen, was der Mann in seinem Ruhestand auch als schon veröffentlich hat. Alle Achtung!”
In diesem Band 48 können Sie wieder die Erlebnisberichte, Erinnerungen und Reflexionen eines früheren Nautikers kennen lernen, der in den 1959er bis 1970er Jahren die Seefahrt erlebte. Er erzählt über seine Zeit vor dem Mast in Nord- und Ostsee-, in der Nordatlantik- Ostasien- und Afrikafahrt, über sein Studium an den Seefahrtschulen Hamburg und Lübeck und seine Fahrten als Wachoffizier auf verschiedenen Schiffen und in unterschiedlichen Fahrtgebieten. Auch über sein späteres Wirken bei maritimen Behörden (Hafenärztlicher Dienst – Deutsches Hydrographisches Institut – Bundesministerium für Verkehr, Abt. Seeverkehr) und Vertretungsreisen an Bord verschiedener Schiffe berichtet er in diesem Buch.
Hamburg, 2010 / 2015 Jürgen Ruszkowski
Vorwort des Autors
Wir alle sind Zeitzeugen. Es gibt bekanntlich bedeutende Zeitzeugen, die durch ihr Leben und Wirken Spuren in der Geschichte hinterlassen und mit ihren Memoiren der Nachwelt etwas zu sagen haben. Dann gibt es Zeitzeugen, die meinen, sie wären bedeutend und es sei unbedingt erforderlich, dass die Nachwelt sie durch ihre Aufzeichnungen in Erinnerung behalten müsste. Aber der größte Teil der Zeitzeugen nimmt seine Erlebnisse und Erfahrungen ohne schriftliche Hinterlassenschaft mit ins Grab. Nur einige von der dritten Art schreiben ihr Leben für ihre Kinder und Enkelkinder auf, in der Hoffnung, dass diese ihre Geschichten später einmal lesen werden. Dazu gehöre ich.
Peter Sternke
Erinnerungen eines unbedeutenden Zeitzeugen
Von 1940 bis 2010
Aufgeschrieben 2010 von Peter Sternke
1940 bis 1945
Ich wurde am 16. Januar 1940 in Glogau in Niederschlesien als Sohn eines Postsekretärs und seiner Ehefrau mit 18 Jahren Altersunterschied zu meiner älteren Schwester unerwartet in die Welt gesetzt.
Mein Vater hatte nach Lehre und Fahrtzeit bei der Binnenschifffahrt den 1. Weltkrieg von Anfang bis Ende an der Westfront als Pionier mitgemacht und schwer verwundet überstanden. Nach seiner Genesung diente er noch einige Zeit bei einer Grenzschutzeinheit an der polnischen Grenze und wurde dann als Postanwärter in Glogau an der Oder eingestellt. Meine Mutter stammte aus einer Handwerkerfamilie in Fraustadt bei Glogau. Großvater war Kupferschmiedemeister.
Von meinem Geburtsort kann ich aus eigener Erinnerung natürlich nichts erzählen. Die Stadt hat eine lange und wechselvolle, über Jahrhunderte rein deutsche Geschichte hinter sich. Heute heißt Glogau Gloguw. Ich war im Juni 1975 mit meiner damals 78jährigen Mutter und mit meiner Schwester in der alten Heimat. Wir wohnten bei einer polnischen Familie im Elternhaus meiner Mutter in Fraustadt. Die Frau arbeitete in derselben kleinen Buchhandlung, in der meine Tante vor dem Krieg gelernt und gearbeitet hatte. Von dort aus besuchten wir auch Glogau, das 1945 als „Festung“ total zerstört worden war und auf mich jetzt einen trostlosen Eindruck machte.
Im September 1940 zogen wir in die Heimat meines Vaters nach Bromberg an Weichsel und Brahe in Westpreußen, heute Bydgoszcz. Auch daran habe ich kaum Erinnerungen. Wir wohnten in einem Mehrfamilienhaus in der Berliner Straße Nr. 9, jetzt heißt sie Grunwaldzka. Auf einer Busreise nach Ostpreußen im Jahre 2005 bin ich von Thorn mit der Bahn nach dem etwa 30 km entfernten Bromberg gefahren und habe das Haus auch gefunden. Leider konnte ich mich an Einzelheiten nicht mehr erinnern. Bromberg war nicht viel zerstört worden und hat mir als Stadt gut gefallen.
Der unserem Wohnhaus nahe gelegene Friedhof existiert auch noch. Allerdings sind sämtliche deutschen Gräber beseitigt, und in den alten deutschen Familiengrüften liegen jetzt Polen. Nach Erzählungen hatte ich dort als Kind von einem Grab ein kleines eisernes Kreuz mitgenommen, weil mein Onkel Ernst bei einem Besuch in Uniform ein Eisernes Kreuz als Orden trug, und ich unbedingt auch so ein Kreuz haben wollte. Ich musste es natürlich wieder auf das Grab zur-ückbringen.
Ich wollte nicht in den Kindergarten gehen. Am ersten Tag dort bin ich ausgebüxt und mit der Straßenbahn nach Hause gefahren, die vor unserem Haus hielt. Auch sonst soll ich ein Stromer gewesen sein. Einmal versetzte ich meine Mutter in große Aufregung, weil ich aus der Wohnung verschwunden war. Ich soll alleine zum Postamt meines Vaters gegangen sein, um ihn dort abzuholen.
Deswegen erhielt ich ein polnisches Kindermädchen. Ich soll sie mehr als meine Schwester geliebt haben. Den Polen ging es damals nicht gut. Meine Mutter hat der Familie des Mädchens; so gut es ging; geholfen. Sie wurde nach dem Krieg Lehrerin, ihr taubstummer Bruder Bühnenbildner. Wir schrieben uns noch bis 1954. Nach unserer Westübersiedlung ist der Kontakt abgebrochen. Das tut mir jetzt leid.