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1.4 Nachdenkliches zum Ansinnen eines PISA-Tests für Lehrer

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Mit Arbeitszeitmodellen tun Lehrer nur noch, was sie machen müssen; solche Modelle verletzen das pädagogische Ethos.

Erst gab es TIMSS und DELPHI, dann PISA für 31 Industriestaaten und danach PISA-E für Deutschland. 2003 war IGLU, 2004 IGLU-E und PISA-2, 2006 kommt PISA-3, und nun wird ein PISA-Test für Lehrer geplant. Da fehlt eigentlich nur noch ein PISA-Test für Eltern oder gar einer für Kultusminister.

Ein PISA-Test für Lehrer wird – kaum von der OECD-Zentrale in Paris angedacht – mit vorauseilendem Gehorsam quer durch die deutschen Parteien bejaht, und auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) und der Verband Bildung und Erziehung (VBE) stimmen zu. Nur der Deutsche Lehrerverband (DL) warnt mit seinem Vorsitzenden Josef Kraus davor, ständig neue Testserien durch das Land zu jagen. Fast muss man befürchten, dass Lehrer bald derart viel messen müssen und selbst vermessen werden, dass sie kaum noch zum Unterrichten kommen.

Nun kann man ja für einen Lehrertest sein, weil Schule teuer ist und der Steuerzahler ein Recht auf Evaluation der Unterrichtsmotoren und ihrer Leistungsfähigkeit hat; man kann jedoch auch dagegen sein, weil die aufkommende Vermessungssucht gegenüber den Lehranstalten diese fast erstickt.

Man kann aber auch fragen: Geht das überhaupt, Lehrer in ihrer Qualität einzufangen? Und wer soll der beurteilende Maßstab sein? Die Schüler, die Eltern, die Kollegen, die Schulleiter oder alle zusammen? Denkbar wäre auch eine Jury aus ausländischen Experten, Ausbildungsleitern, Handwerksmeistern, Vertretern der Industrie- und Handelskammern sowie Hochschulen und vielleicht sogar Journalisten.

Und was soll am Lehrer eruiert werden? Der Ertrag der Lehrerarbeit wird ja bereits mit den bisherigen PISA-Studien ermittelt. Und auf unterschiedliche Unterrichtsmethoden reagieren Schüler unterschiedlich. Also bleibt wohl das Engagement der Lehrer außerhalb des Unterrichts gegenüber Eltern und Schülern, ihre diagnostische Kompetenz in Bezug auf AD(H)S, Legasthenie, Hochbegabungen, Linkshändigkeit, Stottern, feinmotorische Störungen und Ausfallerscheinungen, ihre Partizipation an schulischer Gremienarbeit und ihre Teamfähigkeit. Aber wer ist denn nun besser? Ist es derjenige, der mit erhöhtem Leistungsdruck einen höheren Klassendurchschnitt erzielt, oder derjenige, der als Coach seiner Schüler ihre Motivation zu steigern vermag?

Was der eine Begutachter am Lehrer toll findet, entsetzt vielleicht den anderen. Und wie will man die ideologischen Anteile des Lehrers und des Begutachters zugleich herausfiltern? Und wie die Altersunterschiede der Pädagogen, ihre Art sich zu kleiden, ihr Temperament, ihre Mimik und Gestik, ihren Sprachcode, ihre Bereitschaft, Räume auszugestalten, ihr Geschlecht und ihre Krankheiten?

Schon zweimal hat es Ansätze gegeben, Lehrer zu vermessen, indem Bremen die Pädagogen nach unterschiedlichem Aufwand in unterschiedlichen Fächern faktorisieren wollte, mit der Absicht, dass Deutschlehrer weniger als Sportlehrer unterrichten sollten und Chemielehrer weniger als Deutschlehrer, und indem Nordrhein-Westfalen Lehrern „Pädagotchis“ gab, in die sie alle Tagesleistungen in Sachen Schule einzutippen hatten. Beide Ansinnen sind gescheitert, und zwar mit der Erkenntnis, dass man damit aus Lehrerkollegien hochexplosive Gemische macht, die vor lauter Neid dem Initiator um die Ohren zu fliegen drohen, weil die Minderheit der optimalen Lehrer stets von den anderen abgewertet wird und weil der Durchschnitt seine Leistungen untereinander aufzuwerten geneigt ist, ganz zu schweigen davon, dass Kollegen, die derselben Partei oder demselben Lehrerverband angehören, nicht davor gefeit sind, sich gegenseitig hoch zu loben.

Ein PISA-Test für Lehrer wird also noch weniger funktionieren als einer für Schüler. Lehrerverhalten ist zu komplex, als dass man es in ein lineares Ranking werfen könnte.

Das hat inzwischen leidvoll Hamburg erkannt, nachdem es im zweiten Jahr ein neues Lehrerarbeitszeitmodell erprobt, mit dem ganz und gar unrealistisch und den Aspekt des pädagogischen Ethos verletzend Lehrer nach Fächern, Schulstufen und Schulformen faktorisiert werden: Sportlehrer müssen mehr unterrichten als Chemielehrer, Grundschullehrer mehr als Gymnasiallehrer, Elternsprechstunden und Konferenzen werden mit Minuten auf eine Jahresarbeitszeit angerechnet und Klassenfahrten und Schulfeste eher gar nicht. Wer alles am Lehrerarbeitsplatz zu regeln versucht, vermeintlich gerecht und mit gleichzeitigen Einsparungsstrategien verknüpft, muss sich nicht wundern, wenn Lehrer nur noch das tun, was sie unbedingt tun müssen. Das pädagogische Ethos und damit die Schüler bleiben dabei auf der Strecke.

Die 15 Gebote des Lernens

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