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Kapitel 2 Libertad

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Die Soldaten des britischen Feldheeres zogen sich langsam, aber stetig über die Grenze nach Portugal zurück. Lord Wellington und sein gesamter Stab waren in diesen Tagen vollauf damit beschäftigt, die Offiziere und die Männern der einzelnen Regimenter, soweit wie möglich bei der Bevölkerung ihres Verbündeten einzuquartieren, damit sie sich einige Wochen völlig von den Anstrengungen des Sommer-Feldzuges erholen konnten. Die Wälle von Torres Vedras machten trotz strengster Geheimhaltung gute Fortschritte im Bau.

Bereits am ersten Abend nach seiner Ankunft in Badajoz hatte Arthur Black Bob Craufurd in sein Hauptquartier beordert, um dem energischen Kommandeur der Leichten Brigade seine Rolle im neuen Vabanquespiel gegen die Adler zu erklären. Nur General Hill und Pater Robertson hatte er gestattet, während dieses Gespräches im Raum zu bleiben. Er erklärte Black Bob, daß die Leichte Brigade nun zu einer richtigen Division aufgestockt werden sollte, indem Craufurd sowohl portugiesische als auch britische Bataillone miteinander vereinigen würde, wobei er die Portugiesen britischen Offizieren unterstellen sollte. Don Antonio Maria Osario Cabral de Castros Partisanenregimenter waren die ersten Einheiten, die er auf diese Weise zu General Craufurd abkommandierte, um das 88. Regiment – die Connaught Rangers – als Aufklärer und Scharfschützen zu verstärken. Dazu kamen noch das 1. und das 3. Regiment der portugiesischen Caçadores. Damit verfügte Black Bob nun über insgesamt 4000 Mann.

Die Augen des Schotten leuchteten, als sein Oberkommandierender ihm diese Befehle erteilte. Arthur konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen, obwohl er in diesem Augenblick zu General Craufurd nicht als Freund, sondern als Vorgesetzter sprach: „Sir, Sie verstehen, daß ich Ihnen hiermit in gewissem Sinne ein eigenständiges Kommando übertragen habe. Ich bitte Sie, mich nicht zu enttäuschen!” Craufurds neue Leichte Division sollte als einziger Kampfverband nicht ins Winterlager ziehen. Wellington unterstellte ihm noch zusätzlich Ross’ Batterie Feldartillerie und ein deutsches Kavallerieregiment der King’s German Legion. Die Soldaten bezogen Posten hinter dem Agueda, einem südlichen Nebenarm des Douro. Drei Brücken führten über diesen Fluß und er war an verschiedenen Stellen sogar zu Pferd oder zu Fuß furtbar, wenn er kein Hochwasser führte. Wellington hatte dank seines gut funktionierenden Nachrichtendienstes herausfinden können, daß die Flüsse auf der Iberischen Halbinsel eine Eigenart von erheblicher militärischer Bedeutung besaßen: Innerhalb nur weniger Stunden konnte ihr Wasserstand – ohne erkennbaren Grund – um mehrere Fuß steigen oder fallen. Insbesondere der Agueda war von diesem Phänomen betroffen und konnte es damit einem geschickten, französischen Angreifer gestatten, über Salamanca, Ciudad Rodrigo und Fuentes d’Onoro Portugal auch im Winter überraschend anzugreifen und den nördlichen Teil Portugals, die Beira, zu bedrohen. Robert Craufurd sollte diese Bedrohung durch die Präsenz seiner Leichten Division nicht nur vermindern, er sollte auch zusätzlich Informationen der spanischen Guerilla an der Grenze übernehmen und Späher zum Auskundschaften französischer Truppenbewegungen bei Niedrigwasser über den Agueda in die spanische Provinz Leon schicken. Seitdem es Don Antonio gelungen war, die gesamte Guerilla für die Sache der Alliierten zu gewinnen, hatten sie sich erheblich in Kampfkraft und Mobilität verbessert. Britische Waffen und eine Gruppe britischer Offiziere und Unteroffiziere als Ausbilder waren ihnen beigestellt worden. Da diese Mission nicht ungefährlich war – die Soldaten mußten ihre Uniformen und damit den Schutz der Gesetze des Krieges hinter sich lassen – hatte der bewährte Colquhoun Grant nur Freiwillige ausgewählt. Sollten diese Männer in französische Hände fallen, so waren sie des Todes. Doch ihr Wagemut wurde belohnt. Der Informationsfluß aus Spanien steigerte sich täglich. Französische Depeschen, die die Widerstandskämpfer abfingen, gelangten in kürzester Zeit nach Badajoz und in Wellingtons Hände. Er wußte nicht nur genau, wo die Franzosen standen, er kannte sogar die gesamte Gerüchteküche seiner Gegner und bald auch persönliche Schwächen und Unzulänglichkeiten der Marschälle Frankreichs, die er vielleicht, im richtigen Augenblick, zu seinen Gunsten nutzen konnte. Nur über die Pläne des Kaisers vermochte der Ire selbst auf diesem Weg nichts zu erfahren.

Kurz vor Weihnachten, nur Wellington, seine Adjutanten, ein paar Stabsoffiziere, Lady Lennox und Sergeant Dunn befanden sich noch in der Zitadelle von Badajoz auf der spanischen Seite der Grenze, kam ein überraschender Brief aus Navarra. Ein grobschlächtiger Bauer, mit wettergegerbtem Gesicht und knollig-roter Nase hatte sich raubeinig und in schlechtem Französisch den Weg ins Hauptquartier geebnet. Da Arthur nicht viel von Wachposten vor seiner Tür hielt, war der einzige Widerstand auf den der Mann stieß, der alte Sergeant Dunn. Doch noch bevor John reagieren konnte – er hielt ein Tablett mit Mittagessen und Kaffee in Händen –, hämmerte der sonderbare Kerl schon lautstark an die Tür von Wellingtons Arbeitszimmer.

„Kommen Sie rein, John! Sie brauchen die Tür nicht gleich einzuschlagen!” Arthur war nicht wenig erstaunt, als er in ein bärtiges, unbekanntes Gesicht blickte, daß anstelle seines alten Sergeanten ins Zimmer drängelte. Doch seit den ersten Tagen des Feldzuges auf der Iberischen Halbinsel und in Anbetracht seines multinationalen Feldheeres hatte er sich in solchen Fällen eine Frage angewöhnt, die ihm auch hier im Reflex entglitt: „Spanisch, Englisch oder Französisch?”

Der Bär begriff nicht so ganz, was der General nun eigentlich von ihm wissen wollte und bellte zurück: „Vasco!”

„Baskisch! Tut mir leid, das spricht hier leider niemand!” Der Ire blickte den Bärtigen entwaffnend an.

„Jefe! Er ist Baske! Versuche es doch einfach mal auf Französisch mit ihm!” Don Antonio schmunzelte, denn er hatte inzwischen den sonderbaren Besucher wiedererkannt. Er gehörte zur Truppe von El Minas, mit der er auf dem Pic Almanzor Bekanntschaft gemacht hatte. Arthur zuckte nur mit den Schultern und hob die Hände in einer sonderbar unbritischen Geste gen Himmel. Wenn er mit seinen Gedanken woanders war, dann konnte man ihn wunderbar überrumpeln. Dies hatte im Hauptquartier schon zu einigen Lacherfolgen geführt: „Bon, Monsieur! En quoi je peux Vous être utile?“

„J’ai une lettre d’El Minas! C’est toi, ce salaud d’aristocrate irlandais, qui botte les fesses des grenouilles?” Die Frage des Basken war unmöglich. In einem grauenvollen Patois hatte er sich bei Arthur erkundigt, ob er dieser widerwärtige, irische Aristokrat sei, der die Frösche ins verlängerte Rückgrat trat. Zumindest war dies die wohlerzogene Übersetzung eines Gentleman für das laute Gebell des bärtigen Wilden.

„C’est bien moi! Mais asseyez-vous donc, mon Ami et prenez d’abord une petite collation après vos efforts!”

„Quoi?” Der Baske hatte gerade eben kein Wort verstanden.

Jetzt bellte Wellington in an: „Pose tes fesse dans une chaise, Andouille et bouffe d’abord un truc. Tu veux du pinard?” Die drei Jahre in Angers hatten auch bei ihm Spuren hinterlassen. Wenn es sein mußte, dann konnte er sich problemlos auf das soziale Umfeld jedes Gesprächspartners einstellen. Ein zufriedenes Grinsen ging über das Gesicht des Bären. Er ließ sich auf den nächsten Stuhl fallen: „B’en, b’en! Au moins, avec toi on peut causer normalement! Allons, fille moi le casse-croute et la niolle et je te raconte les Dernières de ton copain corse!”

Don Antonio verschluckte sich im Hintergrund vor lauter Lachen. Tränen liefen ihm aus den Augenwinkeln. Der Jefe und der Bär hatten sich in die tiefsten Abgründe der französischen Sprache begeben, so wie sie in den Kneipen, Häfen und finsteren Löchern zwischen Bordeaux und Toulouse praktiziert wurde. Der Portugiese hatte zwar schon vor einer ganzen Weile begriffen, daß der Ire Sinn für Humor hatte, aber bei dieser kleinen Unterhaltung eben, hatte sich der Oberkommandierende des anglo-alliierten Feldheeres selbst übertroffen.

„John, würden Sie bitte unserem verehrten Gast ein Mittagessen und Wein servieren!” Der Sergeant, der kein Wort Französische sprach hatte absolut nichts mitbekommen und die Pointe war ihm entgangen. Mit entrüstetem Gesicht knallte er das Tablett vor dem Basken auf den Tisch und verließ das Zimmer. Don Antonio hörte ihn gerade noch ein „Ungezogener Lümmel!” in den Bart murmeln. Der Bär zog sein Messer aus dem Gürtel und begann geräuschvoll zu mampfen. Beim Wein bemühte er sich erst gar nicht. Das Getränk gurgelte direkt aus der Flasche seine Kehle hinunter: „Ah, mon pote! C’est du bon, ça!” kommentierte er zustimmend den portugiesischen Rotwein aus Don Antonios eigenem Keller.

Arthur grinste immer noch. „Wenn der Wilde mit den Franzosen genauso umspringt, wie mit uns”, dachte er, „dann tut Bonny mir richtig leid!” Er schüttelte den Kopf: „Alors! Wo ist der Brief von El Minas?” Eine Hand von der Größe eines Tellers fuhr über einen riesigen, saucenverschmierten und von Haaren umwucherten Mund. Dann wurde sie fachgerecht und ordentlich an seinem nicht mehr so ganz sauberen, groben Leinenhemd abgewischt. Der Bär kramte ein fürchterlich zerknittertes Papier aus der Hosentasche hervor und drückte es dem Iren in die Hand: „Hätte ich beinahe vergessen, Kumpel! Aber ich bin geritten, wie der Teufel, weil der alte Minas gesagt hat, es wäre schrecklich wichtig! Übrigens, ich heiße Jose Etchegaray!”

Der General öffnete den Umschlag. Eine blutgetränkte, französische Depesche lag in El Minas’ Brief. Napoleon kündigte seinem Bruder Joseph an, daß er nicht vorhatte, nach Spanien zu kommen. Er wollte zuerst Prinzessin Marie-Louise von Habsburg, die Tochter des österreichischen Kaisers heiraten. Und dann mußte er endlich die Gründung einer Dynastie Bonaparte in Angriff nehmen. Seine Priorität war es, einen Thronfolger zu bekommen. Um den Krieg in Spanien und um die Briten sollte sich der bewährte Andre Massena, Marschall von Frankreich und Prinz von Esslingen kümmern. Wellington streckte die Depesche Don Antonio mit einem Seufzer der Erleichterung entgegen. Dann klopfte er dem Bären kräftig auf die Schulter: „Jose Etchegaray, du hast mir ein. wundervolles Weihnachtsgeschenk gemacht. Ich danke dir und El Minas von ganzem Herzen!”

„Schon gut, Kumpel. Der Alte meint, wer so verrückt ist, sich alleine mit 320.000 Franzosen herumzuschlagen, der kann kein schlechter Kerl sein. Ich werd ihm sagen, daß er sich in dir nicht getäuscht hat. Bist auch nicht überheblich mit dem einfachen Volk!”

„Was hat der Minas dir aufgetragen? Braucht er irgend etwas?”

„Ach ja! Der Alte läßt dir noch ausrichten, daß er mit deinem britischen Sergeanten sehr zufrieden ist! Bringt den Männern bei, ordentlich zu kämpfen! Aber wir haben jetzt mehr Leute und brauchen mehr Waffen!”

„Die bekommt er! Ich werde Anweisung geben, daß ein schneller Klipper an die Küste bei San Sebastian geschickt wird. Ich lasse deinen Chef wissen, wo und wann er anlanden wird!”

Der Wilde beendete zufrieden seine Mahlzeit und leerte den Rest Wein. Dann streckte er sich genüßlich: „So, Kumpel! Jetzt werde ich ein Nickerchen machen und dann verschwinde ich wieder in Richtung Navarra.” Wellington überlegte einen Augenblick. Er bedeutete Jose mitzukommen und führte ihn in ein Zimmer im zweiten Stock: „Schlaf dich ordentlich aus. Ich werde dir noch ein paar Briefe für El Minas und euren britischen Sergeanten mitgeben. Wie schnell kannst du wieder in Navarra sein?“

„Wird wohl zehn, zwölf Tage dauern, Kumpel. Ich hab nur ein altes Maultier!” Der General ließ den Basken ausruhen und verzog sich hinter seinen Schreibtisch. Wenn nur Massena nach Spanien geschickt wurde, dann konnte es sich durchaus lohnen, im Frühjahr bereits eine kleine Expedition über die Grenze zu wagen. Der Prinz von Esslingen hatte kein gutes Verhältnis zu Victor, Ney, Mortier und Soult. Gewiß würden die Marschälle sich mehr in den Haaren liegen, als an einen vernünftigen Kriegszug gegen die Briten zu denken. Trotzdem war es nicht auszuschließen, daß das Frühjahr 1810 eine französische Offensive gegen Portugal brachte. Dabei gab es zwei alternative Stoßrichtungen: Entweder durch die Estremadura hinter Badajoz gegen Lissabon, oder von Asturien aus gegen Oporto und die Beira. Arthur war recht zuversichtlich, daß seine Befestigungsarbeiten an den Wällen von Torres Vedras bis zur Schneeschmelze insoweit abgeschlossen sein würden, als daß Lissabon ausreichend geschützt wurde. Doch der Stoß über Asturien gegen die Beira machte ihm Sorgen, denn sollten zumindest zwei der französischen Marschälle zu einem gemeinsamen Plan finden, dann konnte er davon ausgehen, daß zumindest einer Ciudad Rodrigo belagern und nehmen würde und damit die zentrale Straße von Spanien nach Portugal in französische Hand fiel. Und wenn dann noch Ney durch die Tras-dos-Montes marschierte, wäre die Zangenbewegung gegen die Briten perfekt und Arthur würde sich mit dem Rücken zum Atlantik mit einer Übermacht schlagen müssen, wie John Moore im Jahre 1808 bei La Coruña. Der Brief nach Navarra bat aus diesem Grunde dringend um nachrichtendienstliche Aufklärung aller französischen Truppenbewegungen durch die kantabrischen Berge zwischen Pamplona im Osten und der spanischen Atlantikküste im Westen.

Als Jose Etchegaray am nächsten Morgen nach Navarra zurückreiten wollte, fand er zu seinem großen Erstaunen an Stelle seines alten Maultieres ein ordentliches Reitpferd im Stall. Don Antonio drückte ihm die Zügel des Tieres und eine Ledertasche mit Proviant und den Briefen für El Minas und den britischen Sergeanten Dullmore in die Hand: „Mit den besten Empfehlungen von ‚diesem widerwärtigen, irischen Aristokraten‘. Den Schimmel schenkt er dir! Und er bittet dich, wie der Teufel zu reiten. Eure Waffen werden in acht Tagen bei Irun angelandet werden. Der dänische Klipper heißt ‚Seagull‘, der Kapitän Björn Lundström! Viel Glück, Kumpel!”

„Wir melden uns wieder, wenn es Neuigkeiten über die Franzosen gibt! Der Ire braucht sich keine Sorgen zu machen. Die Männer Navarras stehen auf eurer Seite. Schickt uns einen Kurier durch die Berge über Bilbao, wenn es irgendwo brennt. Jeden Abend um Punkt zehn Uhr ist ein Verbindungsmann von El Minas in der Bodega ‚Kiruri Jatetxea‘. Euer Mann soll sich an der Theke ein Glas Chivite und eine Portion Txangurro bestellen. Die stehen nicht auf der Speisekarte und der Wirt wird unseren Kontakt holen!”

„Wie bitte?“ Jose hatte Don Antonio ein paar baskische Worte an den Kopf geworfen, die nur aus Umlauten zu bestehen schienen.

„Tut mir leid, hab vergessen, daß hier keiner Euskera versteht! Also, Kiruri Jatetxea, das ist die einzige Kneipe am Ostufer der Nerbioi-Mündung, direkt am Hafen von Santurtzi. Der Besitzer heißt Guridi. Schreib besser mit! Und Txangurro ist überbackene Seespinne! Hast du’s?“

„Danke!” Don Antonio hatte sorgfältig jedes Wort mitgeschrieben. Egal wie viele Franzosen sich in dieser Kneipe aufhalten würden, Baskisch war besser als jeder Geheimcode. Etchegaray schwang sich in den Sattel des Schimmels und stob davon. Mit diesem Pferd würde er in weniger als einer Woche bei El Minas sein. Der britische General hatte ihn mit seiner Geste nicht wenig erstaunt. Der Andalusier, den er nun ritt, mußte mindestens 20 Pfund Sterling gekostet haben. Das waren fast zwei Jahre Sold eines britischen Soldaten.

Kurz vor dem Weihnachtstag schickte Wellington auch noch die Stabsoffiziere und seine Adjutanten aus Badajoz nach Portugal. Er versprach Don Antonio spätestens am Neujahrstag bei ihm in Coimbra zu sein. Da er seit dem Tag seiner Landung in Lissabon keine ruhige Minute mehr gehabt hatte, wollte er zumindest den Weihnachtstag friedlich und nur mit Sarah verbringen. Der Winter in der Estremadura war genauso beißend kalt, wie der Sommer glühend heiß. Doch die bewohnbaren Teile der Zitadelle verfügten über riesige Kamine und John Dunn sorgte dafür, daß alles gut beheizt und heimelig warm war. Bevor er auf den Markt ging, kochte er für Lady Lennox eine große Kanne Tee und stellte sie ihr mit einem Teller selbstgebackener Weihnachtsplätzchen in den Salon. Die junge Frau saß in einem großen Ohrensessel, eine Decke über den Knien und ein dickes Buch in Händen. Ihre letzten Patienten hatten vor ein paar Tagen Badajoz verlassen und waren nach Coimbra und in das Hospital von Belem bei Lissabon gebracht worden. Auch die letzten Verwundeten von Talavera konnten nun als gesund betrachtet werden und bedurften keines Arztes mehr. Sie genoß die Ruhe und den Frieden, die im Hauptquartier eingekehrt waren. John füllte ihr eine Porzellantasse mit Tee und ließ einen Löffel Honig darin zerfließen. Dann schenkte er sich selber ein: „So, mein Kind, jetzt wo wir unsere Ruhe haben! Was möchten Sie am Weihnachtsabend essen? Auf dem Markt gibt es wieder alles reichlich, seit die Franzosen und unsere Rotröcke aus der Gegend verschwunden sind.”

„Mh, wie wäre es mit einer leckeren Gans, gefüllt mit Äpfeln, Rosinen und Kastanien und mit einem schönen, großen Schokoladenkuchen zum Nachtisch?” Sarah knabberte zufrieden an einem Weihnachtsplätzchen und trank ihren Tee in kleinen Schlucken. „Haben Sie unseren Sepoy-General schon gefragt?“

Dunn winkte ab: „Das ist vergebene Liebesmüh, Lady Sarah! Solange sein Magen nicht knurrt, ist die Speisekarte kein Thema, für das ich ihn irgendwie begeistern kann. Außerdem finde ich ihn einfach nicht. Ich kann mir keinen Reim darauf mache, wo Sir Arthur sich herumtreibt. Kopenhagen steht auch nicht im Stall!”

„Wie er sich bei dieser Kälte nur freiwillig vor die Tür wagen kann, anstatt hier vor dem warmen Kamin zu faulenzen?” Die junge Frau schauderte schon bei dem Gedanken, in ein paar Tagen bereits durch die Alentejo-Berge nach Coimbra zu reiten. Sie malte sich lebhaft aus, wie sie eingehüllt in einen schweren Mantel durch hohen Schnee stapfen würde, mit blaugefrorenen Ohren und Eiszapfen an der Nasenspitze, während hinter jedem Stein ein ausgehungerter Wolf nur auf sein Mittagessen lauerte. Badajoz lag etwa 200 Meter über dem Meeresspiegel, die Berge hinter der spanischen Grenze aber erhoben sich auf bis zu 1200 Meter Höhe.

Als John Dunn sich aufmachte, den Markt in der Altstadt von Badajoz zu besuchen und Sarah Lennox noch tiefer unter ihrer kuschelig warmen Decke verschwand, war Lord Wellington endlich am Ziel seiner kleinen Reise angelangt. Er hatte die Zitadelle in den frühen Morgenstunden noch vor Tagesanbruch verlassen und war durch die winterliche Kälte nach Jerez de los Caballeros in der Sierra Morena geritten. Diesem Ausflug war ein langer, geheimnisvoller Briefwechsel vorausgegangen, von dem weder der alte Dunn, noch Lady Lennox etwas mitbekommen hatten. In Jerez gab es einen bekannten Züchter lusitanischer Pferde, der mehrere Jungtiere mit edelster Abstammung zum Verkauf anbot. Arthur hatte sich schon seit Wochen überlegt, welches Weihnachtsgeschenk er Sarah machen sollte. Jedesmal, wenn er in den Stall des Hauptquartiers ging, um Kopenhagen zu satteln, betrachtete er mißmutig das Pferd der jungen Frau. Die grobknochige, dunkelbraune Stute hätte jedem Kutschergaul in Kildare Ehre gemacht. Sie war bestenfalls zur Zucht geeignet, aber nicht als sicheres, leichtfüßiges Reittier für einen Feldzug. Er hatte eine Weile nachgedacht, ob er ihr nicht seinen dunkelbraunen Elmore schenken sollte, doch diesen Gedanken verwarf er bald. Seine Pferde waren für den Krieg ausgebildet worden und gemeingefährlich. Manchmal wurde selbst ihm angst und bange, wenn der eine oder der andere der beiden Hengste einen Anfall schlechter Laune hatte. Auch ein kräftiger und erfahrener Reiter konnte diese Tiere nur mit Mühe zur Raison bringen.

Der Ritt durch diese von herber Kargheit und Einsamkeit geprägte Landschaft wurde von Zeit zu Zeit durchbrochen von mittelalterlichen Burgen und Überresten antiker Siedlungen, die in der Provinz Lusitania noch zahlreich vorhanden waren. Die Zeit schien an diesen Orten spurlos vorübergegangen zu sein. Antike Stadtmauern und Adelspaläste hatten die Jahrhunderte und viele Kriege und Raubzüge fast unbeschadet überstanden. Die grüne Gebirgs- und sanfte Hügellandschaft durch die er ritt, war die Heimat seltener Tiere und Pflanzen. Immer wieder durchquerte Arthur weitläufige Waldgebiete. Manchmal sah er in der Ferne stahlblau die klaren Wasser eines Bergsees leuchten. Trotz des Winters nisteten noch viele Störche in diesem Teil der Estremadura. Diese Gegend besaß einen ruhigen, unaufdringlichen Charme, der den Iren magisch anzog. Doch gleichzeitig erschütterte ihn die bittere Armut, die er immer wieder in den Dörfern sah, durch die sein Weg ihn führte und die nicht nur eine Folge der französischen Raubzüge war.

Der Criador de Cavallos, Don Fernando Cabrrera de Ortiz besaß eine der besten Pferdezuchten ganz Spaniens. Seine Hazienda erstreckte sich über mehr als 800 Hektar zwischen der Stadt Jerez de los Caballeros selbst und Frenegal de la Sierra. Die Silhouette der drei Barocktürme der Stadt lag schon weit hinter dem General. Jerez selbst zählte zu den malerischsten Flecken der Estremadura. Ganze Stadtteile aus dem Mittelalter und der Renaissance waren noch vollständig erhalten und er hatte hier eine kleine Pause eingelegt um die Torre Sangriente, eine Burg aus dem frühen Mittelalter zu betrachten. Die drei Kirchen San Bartolome, San Miguel und San Maria de la Encarnaçion waren ebensoprächtige Bauwerke. Außerdem hatte der Entdecker des Pazifiks, Vasco Nuñez de Balboa in Jerez de los Caballeros das Licht der Welt erblickt und schon um ihrer historischen Bedeutung Willen hatte sich dieser Besuch gelohnt. Von der Estremadura aus eroberten viele Konquistadoren die Neue Welt und das Gold, das sie zurückgebracht hatten, war reichlich in die prachtvollen, kirchlichen Institutionen geflossen. Doch die Franzosen hatten während ihrer Besetzung dieser Provinz, jenseits des Duoro viele dieser Schätze geraubt und man konnte auch in Jerez deutlich die Spuren der Zerstörung erkennen. Nun ritt Wellington schon seit fast einer Stunde an sorgsam eingezäunten Weiden vorbei, auf denen friedliche Mutterstuten mit ihren Jährlingen grasten. Auch im Winter war die Sierra Morena durch die Bergfront im Westen gut vor den Stürmen und der Kälte der Atlantikwinde geschützt und bekam durch den Golfstrom bei Cadiz mildes Wetter zugetragen. Das Gras war satt und grün. Kopenhagen spitzte die Ohren und wieherte immer wieder schrill zu den Weiden hinüber. Er war gespannt, wie ein Bogen und tänzelte erregt unter dem Sattel. Immer wieder schlug er wütend nach Hinten aus. Die Hunderte von Stuten, die unerreichbar hinter hohen Zäunen standen, machten den jungen Hengst völlig verrückt. Sein Reiter bändigte ihn nur noch mit äußerster Anstrengung und dank einer scharfen Kandare. Am Horizont tauchten zu Arthurs Erleichterung endlich die Wohngebäude der Hazienda auf. Don Fernando hatte seinen Gast erwartet. Der Ire war trotz des weiten Rittes pünktlich in Jerez angekommen. Ein Bediensteter wollte ihm Kopenhagen abnehmen, doch der General schüttelte ablehnend den Kopf: „Tenga cuidado! Este caballo tiene sangre muy caliente!” Er mußte den mächtigen, muskulösen Hengst erst einige Male grob an den Zügeln reißen bevor er aufhörte zu steigen und mit den Vorderbeinen um sich zu schlagen. Don Fernando pfiff bewundernd durch die Zähne: „Por Dios! Tiene rabia! Überlassen Sie mir Ihren Hengst, Mylord und Sie können sich 25 meiner Pferde aussuchen!” Arthur streckte dem Spanier die Hand zum Gruß entgegen: „Tut mir leid, Don Fernando! Kopenhagen ist unverkäuflich! Haben Sie eine freie Koppel, von der aus er nicht zu Ihren Prachtstücken ausrücken kann?” Der Spanier lachte schallend: „Amigo, es wäre eine Sünde, den Fuchs alleine auf eine Koppel zu sperren. Lassen Sie ihn zu meinen Stuten, wenn Sie ihn schon nicht verkaufen möchten. Damit entschädigen Sie mich vielleicht in elf Monaten für das Prachtexemplar, das Sie heute aus meinen Ställen entführen möchten!”

„Von mir aus! Dann beruhigt er sich wenigstens wieder!” Als ob er die Einladung des Spaniers verstanden hätte, zerrte Kopenhagen seinen Herrn bis an das große Tor der ersten Koppel. Arthur löste ihm mit äußerster Mühe den Sattelgurt. Immer wieder mußte er den Hufen seines Pferdes ausweichen. „Verdammt, du Teufelsbraten, halt eine Minute still, dann laß ich dich zu den Mädchen!” Ein grober Ruck an den Zügeln holte den Hengst wieder auf den Boden zurück. Es gelang dem General gerade noch, seinem Pferd das Zaumzeug vom Kopf zu ziehen und aus dem Weg zu gehen, als der Fuchs ansetzte, aus dem Stand über das Tor zu springen und wie ein Wilder in die Stutenherde hinein stob. Er wieherte schrill und triumphierend. Die Mädchen waren von diesem raubeinigen irischen Flegel im ersten Augenblick nicht sonderlich begeistert. Mehrere Hinterhufe flogen in seine Richtung durch die Luft, was den Sportsgeist des Vollblüters erst richtig weckte. Er wölbte stolz seinen Hals und trabte mit aufgeblähten Nüstern zu einer der jungen Damen hin, um aufgeregt vor ihr herumzutänzeln und seinen ganzen Charme spielen zu lassen. Das Stütchen schien leidlich beeindruckt und wich nur wenig vor dem irischen Flegel zurück. Ihre Ohren spitzte sie aufmerksam. Wellington schüttelte belustigt den Kopf und klopfte sich den Staub aus der Kleidung. Zumindest würde sich sein Hengst auf dem Rückweg friedlicher benehmen als auf dem Hinweg. Auf der großen Koppel standen mehr als 50 Stuten zur Auswahl. Eine würde sein Ungeheuer sicher überreden können ...

Don Fernando legte seinem Gast zufrieden die Hand auf die Schulter und führte ihn ins Haus: „Puro sangre bien puesto! Se ve, que tiene excelente linea! Ein prächtiges Tier. Wer hat ihn gezüchtet?“

„Eigene Zucht! Sein Vater ist ‚Eochaid‘ ein goldfarbener turkmenischer Hengst, den ich aus Indien mitgebracht habe, seine Mutter ‚Lady Catherine‘, die von Godolphin Arabian abstammt! Damit ist der Fuchs auch ein Urenkel von ‚Eclipse’, dem berühmtesten Rennpferd meines Landes. Obwohl ich nicht Buch führe über meine Tiere! Ich züchte sie eigentlich nur für mich selbst! Hauptsache sie sind zäh, ausdauernd, furchtlos und aggressiv! Sie müssen für den Krieg taugen!”

Die beiden Männer ließen sich in zwei bequemen Sesseln am Rande einer Reitbahn nieder. Eine Frau in spanischer Landestracht bot ihnen Kaffee an. Don Fernando wies seinen Capataz an, die zum Verkauf stehenden Pferde zu bringen. Der Ire hob bewundernd die Augenbrauen. Eines war schöner als das andere, mit langen, lockigen Mähnen, feinen Köpfen, die an ihre arabischen Vorfahren erinnerten, leicht und trotzdem stabil gebaut. Er stellte seine Tasse auf den Tisch und ging von Pferd zu Pferd, betastete die Beine, hob die Hufe, sah ihr Gebiß prüfend an.

„Sie sind alle gesund, Mylord! Sie werden keinen Unterschied feststellen! Es ist eigentlich nur Geschmackssache, ob Sie einen Schimmel, einen Grauen oder einen Rappen möchten!”

Wellington ging vor den Tieren auf und ab. Sie waren erstaunlich ruhig und ihm als Fremdem gegenüber zutraulich und freundlich. Er entschied sich für einen großen, dunkelgrauen Wallach und zwei etwas hellere Stuten. Don Fernando bat seinen Capataz, die Tiere zu satteln. Dann führte der spanische Stallmeister jedes der Tiere unter dem Sattel vor. Sie beherrschten alle drei die Hohe Schule und verfügten über beeindruckende Gänge. Die Tiere bewegten sich mit einer tänzerischen Leichtigkeit.

„Kann ich die Pferde ausprobieren?“

Don Fernando wies mit der Hand zur Reitbahn: „Bitte, Mylord!”

Im ersten Augenblick war der spanische Sattel für den Iren ungewohnt, die Steigbügel kürzer als bei britischen Kavalleriesätteln, klemmten ihn vorne ein dickes Schaffell und hinten eine hohe Rückenlehne auf dem großen Grauen fest. Es dauerte zehn Minuten, bis Arthur herausgefunden hatte, wie spanische Pferde geritten werden mußten, doch der Lusitano machte seinem Reiter das Leben nicht schwer. Er war brav und fügsam. Alle Hilfen waren feiner und leichter, als die in England üblichen, den französischen nicht unähnlich. Es war einfach, die Lusitanos zu versammeln, sie waren wendig und gehorchten auch leisen Gewichts- und Schenkelhilfen. Der Doppelzaum, den die Tiere trugen war noch schärfer als Kopenhagens Kandare. Auch eine Frau würde in der Lage sein, ein solches Pferd ohne Probleme zu beherrschen. Der Ire probierte ebenfalls noch die beiden Stuten aus, doch mehr aus Freude an der Leichtigkeit der Tiere als aus wirklichem Interesse. Der große graue Wallach würde ein perfektes Pferd für seine Sarah sein. Und er war bildschön!

„Nun, Mylord?“

„Der Graue ist ganz ordentlich!” Arthur setzte seinen skeptischen Gesichtsausdruck auf. Er strich eine Weile mit mißtrauisch prüfendem Blick um den Wallach, sah ihm tief in die Augen und etwas zweifelnd auf die Beine. Don Fernando wußte, daß nun der traditionelle Ringkampf zwischen Käufer und Verkäufer stattfinden mußte, bei dem der Preis des Pferdes ausgehandelt wurde. Die britischen Verbündeten schienen hier seinen üblichen, spanischen Kunden nicht unähnlich zu sein. Der Züchter schmunzelte vor sich hin und wartete gespannt auf die Argumente seines Gastes.

„Er hat eine etwas schwache Hinterhand, Don Fernando!” Wellington befühlte lange die Karpalgelenke des Wallachs. Sie strotzten vor Kraft. Dieses Pferd würde problemlos auch hohe Hindernisse bewältigen können. „Und seine Hufe sind ein bißchen weich! Das wird problematisch, wenn man dieses Tier auf schlechten Wegen reitet!” Er hatte mit dem Griff seines Dolches das Horn abgeklopft. Der Ton war tief und klar. Selbst unbeschlagen würde dieser Graue auch in schwerem Gelände laufen, ohne zu lahmen. Der Spanier ließ sich auf das kleine Spiel ein. Er trat zu seinem Pferd, packte dessen Hinterhand und zog sie kraftvoll, weit nach außen: „Welche Gelenkprobleme soll dieser Wallach haben? Mylord, Sie müssen mit Blindheit geschlagen sein und seine Hufe sind hart, wie Stein! Für 500 Dollares ist der Graue ein Geschenk, ich ruiniere mich, wenn ich Ihnen so ein Tier zu diesem Preis überlasse und mache mich zum Gespött meiner Kollegen!” Arthur griff sich ans Herz: „Sie wollen 500 Dollares für dieses Tier? Don Fernando, sehen Sie sich seine Hinterhand an. Sie ist schwach, die Fesselgelenke sind kurz und stehen in einem zu steilen Winkel. Ein Damenpferd für den sonntäglichen Ausritt bestenfalls! Ich biete Ihnen 350 Dollares!”

„Caramba! Me estan aruinando!“ Der Spanier riß die Arme in einer theatralischen Geste nach oben gen Himmel. Sein Gesichtsausdruck war verzweifelt, seine schwarzen Augen schienen tiefste Trauer auszudrücken: „Todos los Irlandeses son ladrones sin vergüenza! Geben Sie mir 450 Dollares und der Wallach gehört Ihnen!”

Wellington hatte es schon immer Spaß gemacht, um Pferde zu handeln wie der schlimmste Roßtäuscher des County Meath. Nachdem Don Fernando alle Iren als Halunken ohne Scham bezeichnet hatte, kam er jetzt erst richtig in Fahrt: „Amigo, seien Sie vernünftig! Niemand wird Ihnen für dieses Pferd 450 Dollares bezahlen! Ein Damenpferd, ein Spielzeug! Kastriert! Der taugt weder für die Zucht noch für die Corrida! Sie müssen froh sein, wenn Ihnen ein blauäugiger Idiot 400 Dollares für diesen Gaul anbietet!” Er hielt dem Spanier die Hand entgegen: „Schlagen Sie ein und danken Sie dem Himmel dafür, daß ich Sie von diesem Fehler der Natur in einem Augenblick der Schwäche befreie!” Seine Augen blitzten Don Fernando belustigt an. „Ein Fehler der Natur! Generalissimo, ich Don Fernando Cabrrera de Ortiz züchte keine Fehler der Natur! Sie sind der schlimmste Pferdehändler, der mir je über den Weg gelaufen ist! Sie haben mich zu einem armen Mann gemacht! Oh, Madre de Dios! Erzählen Sie bloß nicht herum, daß Sie mich so hereingelegt haben! Nur 400 Dollares für meinen Augapfel!” Der Spanier schlug in die ihm gebotene Hand ein, seufzte dramatisch und übergab dem Iren die Zügel des Pferdes. Der Kaufvertrag war rechtsgültig, beide Männer strahlten zufrieden übers ganze Gesicht. „So mein Freund! Ahora vamos a abrir una botella! Libertad gehört nun Ihnen und Ihre schönen spanischen Goldstücke sind mein!” Lord Wellington und Don Fernando betraten gemeinsam den Salon des prächtigen Wohnhauses um ihren Vertrag und die Übergabe des Pferdes ordentlich zu begießen. Während eine Hausangestellte den schweren, spanischen Rotwein in große Kristallglässer füllte, zählte der Ire 400 goldene Dollares vor dem Spanier auf einen kleinen Tisch. Don Fernando suchte aus einer Schreibtischschublade die Papiere des Pferdes und übergab sie Arthur. „Libertad! Ein hübscher Name und irgendwie passend! Was werden Sie mit meinem schönen Grauen nun tun?“

„Ein Weihnachtsgeschenk für jemanden, der mir sehr am Herzen liegt, mein Freund!” Der General zwinkerte dem Spanier, wie ein Verschwörer zu.

„Tiene que ser muy linda por merecer este caballo!“

„Oh si, Amigo!“ Arthur lächelte den Spanier an. Er konnte es kaum noch erwarten, Sarah den großen Grauen zu schenken.

Einige Stunden und einige Flaschen Wein später verließ er leicht erschlagen Jerez. Kopenhagen schien genausoglücklich und zufrieden wie sein Reiter. Lammfromm hatte er sich einfangen und aufzäumen lassen. Bißspuren an seinem Hals zeugten von einem erfolgreichen Nachmittag auf der großen Koppel. Der Ire nahm sich vor, in elf Monaten nach Jerez zu schreiben, um zu erfahren, ob sein Hengst Vater geworden war. Der Graue trottete ruhig hinter dem Fuchs her. Am späten Abend traf der General gutgelaunt in Badajoz ein und brachte beide Pferde in den Stall. Dann suchte er nach einem Hufeisen, das er in die Tasche seines Mantels steckte. Sarah und Dunn hatten sich schon ein wenig Sorgen gemacht, daß er den Weihnachtsabend verpassen würde. Die gefüllte Ente schmorte im Ofen, der Tisch war gedeckt und die Kerzen bereits angezündet. Im großen Salon der Zitadelle brannte ein heimeliges Feuer im Kamin, das den Raum mit angenehmer Wärme erfüllte.

„Na endlich, du Streuner! Wo hast du dich den ganzen Tag herumgetrieben?” Sarah hatte die eiskalten Hände des Generals in die ihren genommen, um sie ein wenig zu wärmen. „Du bist ja total durchgefroren! Außerdem hast du getrunken!”

„Ein bißchen! Sei nicht böse!” Er drückte ihr einen zärtlichen Kuß auf die Stirn: „Fröhliche Weihnachten, Kleines!” Der Ire legte seinen dunkelblauen Reitmantel ab und zog Lady Lennox zum Tisch hinüber. John holte die Ente aus dem Offen und trug sie auf.

„Wenn Sie mich nicht mehr brauchen, Sir Arthur, dann werde ich jetzt zur Weihnachtsmesse in die Kathedrale gehen!”

„Wollen Sie nicht mit uns zu Abend essen?“

Der alte Mann zwinkerte seinem Herren zu: „Ich bin mir sicher, Sie würden gerne ein paar Stunden alleine mit Mylady sein! Außerdem war ich schon lange nicht mehr in der Kirche und auf dem Markt haben mir die alten Frauen erzählt, daß die Christmesse hier besonders schön ist! Also, fröhliche Weihnachten!” Er verschwand und zog die Tür hinter sich ins Schloß. Sarah war aufgestanden und holte eine Flasche Wein von einem kleinen Beistelltisch. Sie füllte beide Gläser. Die Ente war dem Sergeanten wunderbar gelungen.

Nach dem Essen holte die junge Frau den Kaffee aus der Küche und ließ sich dann mit einem großen Stück Schokoladenkuchen in ihrem Sessel vor dem Kaminfeuer nieder. Arthur setzte sich auf den weichen Teppich, schlang seine Arme um Sarahs Knie und barg den Kopf in ihrem Schoß. Sanft strich sie ihm übers Haar. In den letzten Wochen hatten sie so selten Zeit gefunden, ein paar friedliche Stunden alleine miteinander zu verbringen. Das britische Hauptquartier hatte einem Bienenschwarm geglichen.

„Und übermorgen werden wir nach Coimbra reiten, mein Lieber!”

„Und einen ganzen Monat lang wunderbar faulenzen, Kleines. Bei dem Wetter wird sich kein Marschall über die Grenze wagen. Mit ein bißchen Glück haben wir bis in den April hinein Ruhe vor unseren französischen Freunden und können uns vernünftig auf den nächsten Sommer vorbereiten. Die Wälle von Torres Vedras sind beinahe fertig!“

„... und damit ist wenigstens Lissabon sicher?”

„Laß den Krieg für heute abend vor der Tür! Ich habe noch eine Überraschung für dich!” Der General stand auf und kramte in seiner Manteltasche nach dem Hufeisen. „Dein Weihnachtsgeschenk!“ Er schmunzelte eine verwunderte Sarah an, die nicht so ganz verstand.

„Ein Glücksbringer?“

„Eigentlich nicht! Der Rest von deinem Weihnachtsgeschenk paßt nur nicht in dieses Zimmer!” Er hängte der jungen Frau den schweren Mantel um die Schultern, und zog sie hinter sich her: „Du wirst wohl oder übel mit nach draußen kommen müssen!”

Sarah folgte ihm durch die kalte Weihnachtsnacht über den dunklen Innenhof zu den Stallungen. Der General öffnete das schwere Holztor und zündete eine Laterne an. Sarah folgte ihm neugierig. Er leuchtete die letzte Box an: „Das gehört auch noch zu deinem Hufeisen! Er heißt Libertad!” Zutraulich streckte der große, graue Wallach seinen Kopf über die Tür und sah Sarah aus sanften, dunklen Augen an. „Er ist wunderschön, Arthur!” Vorsichtig öffnete sie die Box, um das Pferd zu betrachten. Der Graue rieb seinen Kopf an ihrer Schulter, um Bekanntschaft zu schließen. Wellington hatte sich gegen die Wand des Stallgebäudes gelehnt und sah den beiden zufrieden zu.

Der Herr des Krieges Gesamtausgabe

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