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Kapitel 8 Winkelzüge

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Als Andre Massena spät am Vormittag des 28. Septembers aus seinem Schlaf erwachte, befand Rowland Hills Zweite Division sich schon weit hinter dem Mondego. Picton und Craufurd marschierten mit der Dritten und der Leichten Division parallel zu Hill. Alle anderen Divisionen waren etwas weiter südlich in den Wäldern verschwunden und würden den Mondego erst am nächsten Tag überqueren. Lord Wellington war seinem Feldheer vorausgeritten und befand sich wieder in seinem ehemaligen Hauptquartier in Coimbra. Er zog seinen gesamten Nachrichtendienst ab und schickte Robertson, das Quartett und alle Mitarbeitern über die Uferstraße, entlang des Atlantiks nach Tomar.

„Jack, ich bin sicher, daß der Prior Sie aufnehmen wird. Ich brauche Sie hinter den französischen Linien. Unsere Kommunikation mit der spanischen Guerilla muß weiter aufrechterhalten werden.” Er winkte Colin Campbell zu sich.

Der Adjutant übergab dem Benediktiner eine große, mit Papieren gefüllte Tasche: „Die haben wir Massena bei Bussaco abgenommen, Vater Robertson. Viele sind verschlüsselt ...”

Der Schotte nahm die Dokumente an sich und schmunzelte zu Donna Ines hinüber, die in einer Ecke des Raumes dicht an ihren Gemahl Don Antonio geschmiegt stand. Sie war glücklich und erleichtert über den Ausgang der Schlacht bei Bussaco und konnte ihre Gefühle nicht verbergen. Wie alle Soldatenfrauen, hatte sie den ganzen 27. September lang gezittert, denn der Wind hatte den Donnerhall der Kanonen durch die Serra bis nach Coimbra getragen.

Wellington lächelte seinen Nachrichtendienstchef an und legte den Kopf schief: „Kann ich mir für ein paar Tage die junge Lady ausleihen, die so hervorragend feindliche Depeschen entschlüsselt?”

„Ich glaube, mein Sohn, diese Frage müssen Sie dem schneidigen Hauptmann an ihrer Seite stellen.”

„Major! Er hat sich bei Talavera und Bussaco tapfer geschlagen! All unsere Portugiesen sind einen Dienstrang nach oben gerutscht. Sie hätten sie gestern sehen müssen, Jack!“ Der Ire klopfte dem Benediktiner auf die Schulter und bedeutete ihm, den Raum zu verlassen. Dann trat er zu Donna Ines und Don Antonio hinüber und verbeugte sich leicht vor dem Portugiesen und seiner jungen Frau: „Antonio, mein Freund, ich habe eine große Bitte an dich!”

„Was kann ich für dich tun, Jefe?”

„Du! Dieses Mal gar nichts! Es geht um Ines. Würdest du ihr gestatten, einen Auftrag für mich auszuführen. Aber es ist nicht ganz ungefährlich!”

„Da mußt du meine Perle schon selber fragen, Arturo! Ich bin nur der Glückspilz, dem sie ihr Herz geschenkt hat!” Don Antonio drückte fest die zarte Hand seiner hübschen Frau.

Wellington nickte seinem Adjutanten verständnisvoll zu. Auch Portugal hatte das finstere Mittelalter bereits weit hinter sich gelassen und die Ladys taten, was sie wollten. Ihm gefiel das Prinzip gut: Gleiche Rechte, gleiche Pflichten! Und das schwache Geschlecht war meist sowieso viel stärker und belastbarer, als die Herren an ihrer Seite. Sarah bewies ihm das regelmäßig: „Also Ines, du müßtest nach Coimbra reiten. Erkläre deinem Schwiegervater, dem Alcalden, daß wir die Stadt nicht verteidigen können. Er muß sie also unbedingt räumen und soviele Zivilisten wie nur irgend möglich evakuieren. Am besten wäre es, die Padres von Santa Clara und von San Antonio dos Olivais am anderen Ufer des Mondego würden helfen und natürlich ihr! Die Brücken zwischen Coimbra und den Stadtteilen auf der anderen Flußseite müssen unbedingt zerstört werden. Sorge dafür, daß die Stadtbevölkerung sich nicht dagegen auflehnt. Der Alcalde muß verstehen! Ich will Massena zwingen, durch die Serra da Estrela über Lousa zu marschieren und nicht entlang der Atlantikstraße über Pombal und Leiria. Die Brücke bei Penacova hat Hill schon hinter seiner Division gesprengt. Und jetzt das Schwierigste: Ihr müßt alle Vorräte, die nicht aus der Stadt, fort in die Berge gebracht werden können, unbedingt vernichten. Dann werden die Franzosen schnell wieder aus eurer Stadt abziehen, denn sie können ihre Truppen nicht versorgen.”

Die junge Frau nickte dem Iren zu: „Und dann, Arturo?“

„Dann setzt du dich auf ein Pferd und verschwindest, so schnell du kannst, nach Tomar. Deinen Schwiegervater mußt du entweder mitnehmen, oder in einem tiefen Keller bei Don Manuele verstecken, ansonsten läßt Massena ihn, mitsamt den Stadtältesten, aufknüpfen! Er soll bitte nicht dickköpfig sein! Wenn die Franzosen fort sind, dann kann er ja wieder nach Hause zurück!”

„Ich ziehe mich nur schnell um! Verlaß dich auf mich! Die Brücken werden zerstört und wir hinterlassen den Adlern hier nur noch verbrannte Erde!”

Wellington umarmte die junge Frau fest: „Danke, Ines!” Dann wandte er sich seinem Adjutanten zu: „Ich warte draußen auf dich, Antonio!”

Vier Tage lang verlor die französische Armee das anglo-alliierte Feldheer völlig aus den Augen. Nachdem sie in Coimbra hatten feststellen müssen, daß alle Brücken über den Mondego zerstört waren und es kein Stück Brot in der Stadt und ihrer näheren Umgebung mehr gab, schwenkte Massena nach links, zog den Fluß entlang bis kurz vor Tabua und überquerte die einzige unzerstörte Brücke, um aufs andere Ufer zu kommen. Dies hatte ihn viel Zeit gekostet. Als er sich endlich in der Serra Estrela befand, waren die Portugiesen und Briten schon weit hinter Bathala und Nazare. Der französische Marschall mußte fast all seine Verwundeten in Coimbra zurücklassen, denn von einem Tag auf den anderen setzten wasserfallartig Regenfälle ein, die vom herannahenden, harten Winter in Nordportugal kündeten. Arthur hatte in den Bergen Oberst Trant mit der Luisitanischen Legion und portugiesischer Ordonanza stehen. Trant stellte fest, daß die französische Portugalarmee außer Sichtweite war und kaum Soldaten zum Schutz ihrer Verwundeten zurückgelassen hatte. Er beschloß in einer Nacht- und Nebelaktion, auf leichtem Wege eine große Anzahl Gefangener zu machen. Als Massena schließlich mehrere Tage später durch Späher von diesem verwegenen Akt informiert wurde, befanden die französischen Gefangenen sich bereits auf dem Weg nach Oporto und die Luisitanische Legion außerhalb der Reichweite der französischen Kavallerie.

Am 8. Oktober 1810 kamen die ersten Einheiten von Wellingtons Feldheer vor den Wällen von Torres Vedras an. Wie Noah auf die Arche, geleitete Sir Arthur seine Soldaten im strömenden Regen, aber noch vor der großen Flut in ihre neuen Stellungen hinter den Befestigungslinien. Durch die Verschnaufpause von fast neun Monaten war es Oberst Fletcher und den Ingenieuren des Feldheeres gelungen, die Befestigungsarbeiten weiter voranzutreiben, als der Oberkommandierende je zu hoffen gewagt hätte. Drei Wälle schützten Portugals Hauptstadt vor einem französischen Angriff. Lediglich Bob Craufurds bewährte Leichte Division und Freddy Ponsonbys britische und portugiesische Husaren befanden sich am 10. Oktober noch außerhalb der schützenden Mauern. Nur die Stellungen von der Mündung des Zizandre am Atlantik bis Mafra und Quintella hielten über 30 Meilen, entlang der ersten Befestigungsanlage, vorläufig die Briten. Die beiden inneren Bollwerke waren bereits mit portugiesischer Miliz und Ordonanza besetzt. Arthur glaubte nicht, daß die Franzosen jemals so weit kommen würden, als daß die Hilfstruppen seiner Verbündeten auch nur einen Kanonenschuß abgeben müßten. Und auch an den vordersten Wällen würde das anglo-alliierte Feldheer sich gerade einmal lange genug aufhalten, um nach dem Wettlauf von Bussaco nach Südportugal hinunter ein bißchen Atem zu schöpfen. Dann sollten auch sie durch 25.000 portugiesische Milizangehörige, 8000 Spanier unter Arthurs Freund de la Romaña und 2500 britische Marineinfanteristen und Artilleristen ersetzt werden. Die Wälle von Torres Vedras verfügten über ein hervorragendes Kommunikationssystem: Fletcher hatte Semaphoren errichtet, die in weniger als sieben Minuten eine Nachricht von der Atlantikküste bis hinunter zum Tejo übermitteln konnten. Eine schriftliche Nachricht brauchte von Arthurs Hauptquartier in Pero Negro zu jeder beliebigen Einheit seines Feldheeres weniger als eine Stunde. Der Ire hatte über mehrere französische Angriffsvarianten spekuliert und in Anbetracht aller nur erdenklichen Möglichkeiten seine Divisionen aufgestellt. Die Befestigungsanlagen waren so sicher, daß er es sich ausnahmsweise erlauben konnte, riesige Frontabschnitte mager zu bemannen. An der östlichen Flanke, am Tejo, stand nur Hills Zweite Division, zwischenzeitlich um portugiesische Einheiten verstärkt. Als nächstes kam Craufurd. Er hatte den längsten Frontabschnitt, aber auch die größte Erfahrung mit einer solchen Situation. Bei Torres Vedras lag die Dritte Division von Sir Thomas Picton. Das restliche Gros des Feldheeres hatte Wellington links und rechts von seinem eigenen Hauptquartier gesammelt. Da alles, was irgendwie transportiert werden konnte, hinter den Wällen von Torres Vedras in Sicherheit gebracht worden war, fühlten die britischen und portugiesischen Soldaten sich, wie im Schlaraffenland. Alles war so reichlich vorhanden und niemand kam auf die Idee, zu stehlen oder zu plündern. Und dann stellten die Alliierten sich zur Entscheidungsschlacht um Portugals Freiheit:

Es war die kürzeste und unblutigste militärische Konfrontation, die Lord Wellington in seinem langen Soldatenleben je erlebt hatte: Frankreichs Portugalarmee kam am 11. Oktober vor den Wällen von Torres Vedras an und war – verwundert! Nichts ging mehr, denn irgend jemand hatte ihnen teuflische Befestigungsanlagen vor die Nase gesetzt; stark, unbezwingbar und strotzend vor Kanonen. Der Prinz von Esslingen brauchte drei Tage, um sich von der Überraschung zu erholen. Am vierten Tag, die Franzosen waren entlang der Wälle mit einer großen Anzahl von Soldaten zu Aufklärungsoperationen unterwegs, schoß ein alliiertes Geschütz vom Fort 120 einen einzigen Kanonenschuß in Richtung der Adler ab, um diesen zu verstehen zu geben: „Non ultra – bis hierhin und nicht weiter!” Dieses Fort befand sich auf dem Monte Agraco, unweit von Wellingtons eigenem Hauptquartier Pero Negro. Arthur hatte den ganzen Morgen hoch oben auf dem Berg gestanden und jede Bewegung seines Gegners gespannt beobachtet. Irgendwo tief in seinem Inneren hoffte er, daß Massena sich hier an dieser Stelle vielleicht auf ein zweites Bussaco einlassen würde. Fort 120 war eine vorgezogene Befestigung, Pero Negro ein bis an die Zähne bewaffnetes Felsennest. Vor diesem befanden sich noch die Forts 15 bis 17, jedes mit zwei schweren Howitzern bestückt, und als Krönung der ganzen Verteidigung Fort 14 mit 1590 Infanteristen, 14 12-Pfündern, sechs 9-Pfündern, vier 6-Pfündern, einem Howitzer und – Oberst Rettberg von der Königlich Deutschen Legion.

Doch anstatt anzugreifen, zog Andre Massena nur den Zweispitz vom Haupt und bedeutete dem alliierten Artilleristen, der gerade geschossen hatte, daß Frankreich die Warnung zur Kenntnis nahm und sich aus der Reichweite der Geschütze zurückzog. Gegen die einsame Gestalt, hoch auf dem Monte Agraco, schüttelte er wütend die Faust. Es war niemandem im französischen Stab schwergefallen zu erkennen, wer der Initiator des demütigenden Schauspiels bei Bulhaco gewesen war. Noch zu gut hatten die Offiziere und der Prinz von Esslingen selbst ihre letzte Niederlage in Nordportugal, den großen hellbraunen Hengst und seinen Reiter in einer einfachen, blauen Feldjacke ohne Orden und Rangabzeichen im Gedächtnis. Er war der einzige Leopard, der die Farbe der Adler trug!

Dann schrieb ein unglücklicher Marschall aus seinem Hauptquartier in Sobral an seinen Kaiser in Paris: „Der Prinz von Esslingen ist zum Schluß gekommen, daß es die Armee Ihrer Majestät kompromittieren würde, wenn wir mit aller Gewalt unternehmen sollten, eine solch gewaltige Befestigungsanlage anzugreifen.” Selbst Michel Ney, der ‚Tapferste der Tapferen’ hatte seinem Oberkommandierenden unmißverständlich erklärt, daß er nicht verrückt genug war, sich gegen Wellingtons Wälle zu werfen.

Während Andre Massena in einer immer tieferen Depression versank, rieb sein britischer Gegner sich zufrieden die Hände und ritt von seinem Aussichtspunkt zurück in die Festung von Pero Negro. Für ihn hatte es sich gelohnt, 14 Monate lang von allen Seiten her Kritik und Quaken zu ertragen. Seine Überraschung für die Adler war perfekt gelungen. Am Tag des ersten und letzten Kanonenschusses schrieb er spöttisch an den Kriegsminister und das Kabinett in Whitehall: „Die Schlacht um Lissabon hat heute früh zwischen 11.15 Uhr und 11.20 Uhr stattgefunden. Nachdem die anglo-alliierte Armee, unterstützt von den tapferen Artilleristen der portugiesischen Miliz, am Befestigungsturm 120 bei Bulhaco einen Kanonenschuß zur Warnung auf die französische Portugalarmee unter Marschall Andre Massena abgegeben hatte, hat der Prinz von Esslingen beschlossen, sich auf eine Position in der Estremadura zurückzuziehen. Ich habe die Ehre, dem Oberkommando keine Toten oder Verletzten melden zu müssen. Die französische Seite hat bei Alhandra General de Sainte-Croix verloren, der bei einem Gefecht zwischen französischer Kavallerie und unseren Kanonenbooten auf dem Tejo gefallen ist. Wellington.” Zur Erklärung legte er eine Kopie der Zeichnungen bei, die für die Befestigungsarbeiten um Lissabon gedient hatten. Dann beschloß er, daß sein Arbeitstag beendet war und verschwand vergnügt in den Stallungen der Festung von Pero Negro, um Kopenhagen und Libertad zu satteln und Lady Lennox zu einem kleinen Ausritt in die Berge zu überreden. Er hatte einem guten Freund eine freudige Mitteilung zu machen.

Am späten Nachmittag erreichten Arthur, Sarah Mafra und John Beresfords Hauptquartier. Der Marschall der portugiesischen Armee saß zufrieden mit seinem gesamten Stab beim Tee, als die Tür des Salons sich öffnete. Die Besucher hatten nicht angeklopft. Wellington zog seinen Zweispitz vom Kopf und verbeugte sich tief vor Sir John: „Eine Depesche aus London, mein Freund! Sie war so eilig, daß ich sie keinem Kurier anvertrauen wollte!” Dann trat er zu Beresford hin, zog ihn aus dem Sessel und umarmte ihn: „Portugals Armee hat mir bei Bussaco einen großen Sieg geschenkt! Im Gegenzug überbringe ich Ihrem obersten Kriegsherren die höchste militärische Auszeichnung unseres Landes, den Bath-Orden!” Sir John nahm nun auf der Ehrenrolle Großbritanniens den Platz Lord Nelsons ein. Seine jungen portugiesischen Offiziere erhoben sich. Laute Vivas tönten durch den Raum: „Viva Beresford, viva Portugal, viva Douro!“ Für seine Verbündeten war Arthur nicht Lord Wellington, sondern nur Douro, nach dem Ehrentitel, den der Kronrat ihm für seinen Sieg bei Oporto verliehen hatte. Doch Douro verlor in dem ganzen Aufruhr nicht seinen kühlen Kopf. Beresfords Auszeichnung würde er sich zunutze machen, um die Bevölkerung Lissabons zu beruhigen. Trotz seiner majestätischen Wälle von Torres Vedras zitterte die Hauptstadt vor den 60.000 Franzosen, die keine 15 Meilen von ihnen entfernt in der Estremadura lagerten. „Meine Herren, Sir John! Anläßlich dieses großen Ereignisses erlaubt sich der Oberkommandierende des anglo-alliierten Feldheeres, morgen abend zu einem Ball in der alten Redoute von Mafra einzuladen. Mein Stab hat Befehl erhalten, alles zu organisieren und wir haben bereits sämtliche Einladungen verschickt!” Dann winkte er energisch einen jungen, portugiesischen Offizier zu sich und bat ihn, allen Anwesenden Champagner servieren zu lassen.

Beresford starrte immer noch ungläubig auf die Urkunde aus London, die sein Freund ihm so theatralisch überreicht hatte. Er, der Bastardsohn eines anglo-irischen Adeligen und einer einfachen Bauersfrau aus dem County Down, der Söldner und Abenteurer, der sein Leben lang jedem zu Diensten gewesen war, der Geld für seine militärischen Fähigkeiten auf den Tisch legen konnte, ein Ritter des Bath-Ordens!

Wellington reichte dem Freund mit einem spöttischen Lächeln ein Glas Champagner: Beresford hatte sein ganzes Leben unter dem Mangel an Anerkennung durch die Gesellschaft gelitten, der aus seiner unehelichen Geburt hergerührt hatte.

Leise flüsterte der Ire ihm ins Ohr: „Ein Mann ist kein Pferd, nur weil er in einem Stall auf die Welt gekommen ist! Jag doch endlich das verdammte, verknöcherte Establishment in London zum Teufel, John! Wozu brauchen wir ihre Anerkennung und ihre Einladungen und unsere Namen auf ihrer Liste im Almanack’s? Du und ich, wir haben unseren Titel nicht einfach geerbt, weil irgendwo ein alter Mann gestorben ist! Wir haben ihn, das Schwert in der Hand, auf blutigen Schlachtfeldern erkämpft und dabei unser Leben riskiert! Noch in hundert Jahren wird man sich an Bussaco, an Talavera, an Vimeiro oder an Rojica erinnern. Aber niemand mehr wird sich daran erinnern, daß irgendwann einmal, auf einer kleinen Insel im Atlantik, Männer das Sagen hatten, nur weil sie sich den Namen irgendeines elenden Fleckens in Somerset, Yorkshire, Dorset oder Kent hinter ihren Namen hängen durften!”

Beresford trank Wellington zu: „Du bist ein Raubritter, Douro, wie im finstersten Mittelalter! Du hast Geschmack am Krieg gefunden! Eines Tages wirst du für die alten Männer in London noch sehr gefährlich werden!”

Der Ire antwortete nicht. Er zwinkerte John Beresford nur verschmitzt zu. Dann drehte er sich rasch um, stellte sein Glas auf den Tisch und verschwand aus dem portugiesischen Hauptquartier. „Morgen abend um sieben Uhr in der alten Redoute!”, rief Lady Lennox im Herausgehen den Offizieren zu.

Langsam ritten Arthur und Sarah aus Mafra fort. Der General schlug nicht den direkten Weg nach Pero Negro ein, sondern ritt hinauf in die Serra de Chypre. Hoch oben in den Bergen kannte er von seinen Erkundungsritten im Frühjahr 1809 einen kleinen verschwiegenen Gasthof. Er hatte John Dunn einen Brief im Hauptquartier zurückgelassen, in dem er ihn bat, Lady Sarahs Ballkleid und seine Stabsuniform am nächsten Tag nach Mafra zu bringen. Damit hatte er fast 24 Stunden Ruhe vor seinen Offizieren und dem ganzen Trubel mit dem Feldheer.

„Willst du mir nicht verraten, was du vorhast, Sepoy-General?” Lady Lennox verfügte über ausreichend Orientierungssinn, um zu verstehen, daß sie nicht auf dem Heimweg ins Hauptquartier waren.

„Tja! Was habe ich vor? Einen ruhigen Abend mit dir zu verbringen, ein Dinner bei Kerzenlicht an einem romantischen Ort ... Und es tut mir nicht im geringsten Leid, daß ich dich so unschicklich überrumpelt habe!”

„Was hat Beresford dir eigentlich ins Ohr geflüstert?”

„Ein bißchen Wahrheit, kleines Mädchen! Etwas, was ich mir vor einem Spiegel nie selbst ins Gesicht sagen würde, aber leider stimmt es!” Er sah sie mit einem Mal ernst an. „John hat mir gesagt, ich sei ein Raubritter und hätte Geschmack am Krieg gefunden!”

„John hat Recht, Arthur! Mein Vater hat mir dasselbe erklärt, an dem Tag, an dem er dir das alte Schwert geschenkt hat! Du mußt nur aufpassen, daß du eines Tages nicht wie Marlborough endest! Als John Churchill die Grenzen des Ruhmes überschritten hatte, war er für England mit einem Male so gefährlich geworden, daß die Krone ihm das Rückgrat brechen mußte, um zu überleben. Er ist als bitterer, einsamer, alter Mann gestorben, weil er nach seinen militärischen Siegen unbedingt eine politische Rolle spielen wollte. Doch die Stiefel waren zu groß für ihn und er ist gestolpert!”

„Ich kenne die Geschichte! Du brauchst in dieser Beziehung keine Angst um mich zu haben! Ich habe nicht die geringste politische Ambition. Zum Teufel, ich habe nicht einmal eine politische Überzeugung! Ich bin nur Soldat!”

„Und was wirst du tun, wenn dieser Krieg zu Ende ist?” Die junge Frau warf Lord Wellington einen zweifelnden Blick zu. Er hatte vielleicht keine politische Überzeugung, aber die Politik würde versuchen sich seiner zu bedienen. Ihr Vater hatte ihr zu oft erklärt, wie diese Mechanismen in Großbritannien funktionierten, als daß sie sich noch irgendwelche Illusionen machte.

„Wenn dieser Krieg je zu Ende gehen sollte und ich wider aller Erwartung noch lebe? Sarah, ich habe keine Ahnung! Ich war immer nur Soldat. Das ist alles, wovon ich etwas verstehe! Ich kann keine Schuhe herstellen, oder Stoffe weben, oder einen Acker bestellen! Ich bin kein Anwalt oder ein Handelsherr, oder ein Arzt, wie Du! Ich weiß nicht, was ein Soldat tut, wenn sein Krieg zu Ende ist! Vermutlich zieht er in den nächsten Krieg, an irgendeinem anderen Ort der Welt und kämpft weiter!” Sarah hatte Wellington eine Frage gestellt, über die er noch nie nachgedacht hatte. Er hatte immer in einer Welt im Krieg gelebt und darum hatte man immer Männer wie ihn gebraucht, die die wirtschaftlichen und politischen Interessen ihres Landes mit dem Schwert in der Hand durchzusetzen vermochten. Er nahm sich vor, einmal ernsthaft über dieses ‚Danach’ nachzudenken.” Laß mir ein wenig Zeit, Doktor! Ich muß mir deine Frage zuerst durch den Kopf gehenlassen! Dir haben sie an der Universität fünf Jahre lang diese Geschichte von These und Antithese beigebracht! Aber ich bin nur ein streitsüchtiger irischer Bauerntölpel, von dem keiner je großartig verlangt hat, nachzudenken! Kanonenfutter! Also, ich werd’s dir sagen, wenn ich meine eigene Antwort gefunden habe!” Er zwinkerte der jungen Frau zu. Sie war ja so klug. Immer stellte sie die richtigen Fragen im richtigen Augenblick. Vor Sarah war seine Welt eine einfache gewesen, in schwarz und weiß gemalt. Plötzlich mußte er feststellen, daß es zwischen diesen beiden Farben noch eine ganze Menge grauer Zwischentöne gab.

Lady Lennox brach in schallendes Gelächter aus: „Arthur, Arthur! Du würdest einen prächtigen Politiker abgeben! Du bist eine wandelnde Untertreibung! Und jedesmal, wenn dich einer dabei ernst nimmt, dann haust du ihm mit einer großen Keule zwischen die Augen und er muß erkennen, daß ihm ein verdammt durchtriebener Gegner gegenübersteht, mit dem gar nicht gut Kirschen essen ist!”

Das Landgasthaus tauchte vor den beiden Reitern auf: „Apropos Essen ...”, Wellington deutete auf ein Bauwerk, daß eher einer Festung, als einem Wirtshaus ähnelte, „die Küche in diesem Donjon, oder was auch immer das mal gewesen sein mag, ist ausgezeichnet! Als ich angefangen habe, die Wälle zu bauen, war dies sozusagen Fletchers und meine Kantine!”

Der Wirt begrüßte den britischen General herzlich und die beiden Männer tauschten sich eine Zeitlang auf Spanisch aus. Der Flecken war abgelegen und die Nachricht von Bussaco war noch nicht bis in die Berge vorgedrungen. Es folgte beidseitiges kräftiges Schulterklopfen. Lady Lennox hörte, wie Wellington dem Portugiesen erklärte, daß Massena jetzt vor den Wällen im Regen saß.“ Bueno, Generalissimo! Und Sie sitzen heute abend im Warmen bei Carlos da Cruz in der Mira Penha!” Der Wirt verbeugte sich tief vor Sarah und wies mit der Hand auf einen Tisch direkt am offenen Kamin: „Also, wir haben Caldo Verde, Presunto, Alheira de Mirandela, Leita und ganz frischen Borrego! Was darf ich Ihnen anbieten?”

Lady Lennox blickte ein wenig verzweifelt zu Arthur. Sie kannte sich schon leidlich gut mit der portugiesischen Speisekarte aus, doch die Spezialitäten der Berge waren für sie noch ein großes Geheimnis.

„Carlos, bringen Sie uns lieber das Lamm! Ihr Spanferkel ist etwas scharf gewürzt für verweichlichte Briten! Und einen großen Krug roten Torres Vedras. Und fragen Sie gleich Ihre Frau, ob sie uns ein Zimmer herrichtet! Wir reiten heute nicht nach Pero Negro zurück!”

Kaum hatten Sarah und Wellington mit dem Essen angefangen, füllte sich die Gaststube. Die Portugiesen wurden offensichtlich später vom Hunger geplagt als ihre britischen Verbündeten. Meist waren es Leute aus der Umgebung, die den General alle zu kennen schienen. Sie kamen zu dem kleinen Tisch am Feuer, wechselten ein paar freundliche Worte mit ihm oder umarmten den Iren nach Landessitte. Lady Lennox war nicht wenig erstaunt: „Sag, mein Lieber! Wenn du uns nicht den introvertierten, steifen, britischen Aristokraten gibst, was treibst du eigentlich?”

„Ich passe mich den Sitten und Gewohnheiten meines Kriegsschauplatzes an, genau wie in Indien! Das ist das Geheimnis jedes militärischen Erfolges! Die Leute hier; jeder hat mindestens einen Sohn bei den Partisanen oder in Beresfords Truppe. Viele haben an meinen Wällen mitgebaut. Es sind alles portugiesische Patrioten, die sich nichts sehnlicher wünschen, als Bonny zu vertreiben. Nur können sie mit steifen britischen Aristokraten herzlich wenig anfangen. Denen trauen sie nicht über den Weg! Also ...” Mit einem Augenzwinkern schenkte er der jungen Frau Wein nach.

Spät am nächsten Nachmittag trafen Sarah und Wellington in Mafra ein. Sie hatten so lange bei Carlos da Cruz hoch oben in der Serra de Chypre gefaulenzt, daß es beiden gerade noch gelang, unter dem strafenden Blick von Sergeant Dunn ihre Reitkleidung gegen Abendgarderoben auszutauschen und nur wenige Minuten vor dem Ehrengast des Abends, Marschall Sir John Carr Beresford, unbemerkt von allen Geladenen in die Alte Redoute von Mafra hineinzuschleichen und sich hinter zwei Champagnerkelchen zu verstecken. Arthurs Augen wanderten über seinem Glas unruhig suchend durch den Saal. Oberst Campbell oder Major Osorio Cabral de Castro trug Beresfords Orden in einer Samtschatulle bei sich. Die Orchester des 52. britischen Regiments und der portugiesischen Garde setzten an, die portugiesische Hymne zu spielen. Zwei Soldaten im roten Rock öffneten die großen Flügeltüren zum Ballsaal der Redoute und John Beresford trat ein, bekleidet mit der spektakulären, goldverbrämten grauen Uniform eines Marschalls von Portugal, den federgeschmückten Zweispitz in der Hand. Hinter ihm konnte man sein Heer von Adjutanten und Stabsoffizieren erkennen, alle gleichfalls prächtig gekleidet.

Inzwischen hatten Wellingtons Augen Campbell ausgemacht. Der Oberst wendete glücklicherweise einen kurzen Moment lang seinen Blick von Beresford ab und hin zu seinem Kommandeur. Arthurs Lippen formten das Wort ‚Orden’ und er deutete auf seinen eigenen Bath-Orden auf der linken Brust. Campbell zeigte durch die Menschenmasse hindurch zu Don Antonio, der neben seiner Gemahlin Donna Ines auf der anderen Seite des Ballsaales stand. Lady Lennox verzog belustigt den Mund. Der Austausch von Handzeichen ging unbemerkt von den anderen Gästen weiter. Schließlich gelang es Arthur, Colin Campbell deutlich zu machen, daß er Don Antonio mit der berüchtigten Samtschatulle zu ihm schicken sollte.

„Hola, Jefe! Wir dachten schon, du verpaßt Sir Johns großen Auftritt!”, flüsterte sein Adjutant ihm spöttisch ins Ohr.

„Hast du das verdammte Ding, Amigo?“ Wellington hielt nicht viel von Orden und Ehrenzeichen. Auf dem Schlachtfeld zogen sie immer die Aufmerksamkeit feindlicher Scharfschützen auf den Träger und bei gesellschaftlichen Ereignissen verhedderten sie sich in den Roben der Damen. Er konnte sich in seiner verteufelten, roten Generalstabsuniform kaum bewegen, der hohe goldbestickte Kragen erwürgte ihn fast, und bei jeder Bewegung mußte er darauf achten, nicht an irgend jemandem mit Goldlitzen, Sporen oder Säbel hängenzubleiben. Die Geigenstimmen der beiden Orchester ertranken in diesem Augenblick im lauten Jubel der Blasinstrumente. Die Portugiesen waren so unglaublich stolz auf ihren Sieg bei Bussaco und auf diese Auszeichnung ihres Marschalls, daß das Orchester der Garde die britischen Bläser auf den letzten Noten ihrer Nationalhymne zu Boden spielte. Langsam stieg Beresford die Treppen hinab. Wellington bot Lady Lennox den Arm an und bedeutete seinen Adjutanten, ihm zu folgen. Als Gastgeber dieses Abends mußte er den neuen Ritter des Bath-Ordens an der untersten Stufe begrüßen. Seidenschleppen rauschten, Paradesäbel klirrten und der Oberkommandierende des anglo-alliierten Feldheeres neigte leicht sein Haupt vor dem Marschall von Portugal: „Es war ein weiter Weg, John! Und er ist noch nicht zu Ende!”

Beresford beugte das Haupt vor dem Iren: „Ganz Lissabon ist heute abend hier und alle Soldaten Englands! Du hast wohl dein Ziel erreicht ... Solange Douro sich nicht beunruhigt, solange beunruhigt sich in diesem Land niemand, auch wenn gestern noch alle laut gerufen haben: ‚Massena ante portas!’“ Er küßte galant zuerst Sarahs Hand, dann die von Donna Ines: „Ich hatte fast schon vergessen, wie die Damen in Abendroben aussehen! Sie sollten immer in Nilgrün erscheinen, Mylady Lennox! Diese Farbe kleidet Sie! Donna Ines, Sie sehen einfach zauberhaft aus!” Auf den Wangen der angesprochenen Damen entbrannten kleine rote Flecken. Es kam nur noch selten vor, daß die eine oder die andere in eleganter Garderobe Ballsäle am Arm eines ordensgeschmückten Offiziers unsicher machte. Zu lange schon dauerte dieser Krieg.

In Beresfords Kielwasser bewegte sich fast der gesamte portugiesische Hochadel, der nicht mit den Braganzas nach Südamerika geflohen war. Arthur sah sogar seinen alten Freund, den Bischof von Oporto und fast alle Mitglieder des Kronrates mit ihren Gemahlinnen in der Redoute versammelt. „Gütiger Himmel! Welche Ängste müssen sie alle ausstehen, um sich irgendwo im Nirgendwo in einen Ballsaal zu drängeln, nur um fünf Minuten lang zu vergessen, daß wir im Krieg sind!” Der Ire bemerkte viele angespannte Gesichter, arrogant zusammengekniffene Augen, die ihre Furcht vor dem Feind und den französischen Greueltaten hinter künstlicher Selbstsicherheit und Überheblichkeit zu verstecken versuchte. Andere, die er noch vor kurzem in ihren rauhen Leinenhemden und Schaffellwesten in den Bergen getroffen hatte, seine tapferen Partisanen, standen sichtlich blaß ein wenig abseits. Sie kämpften verzweifelt gegen ihre Schüchternheit und die Unsicherheit, plötzlich die Uniform und die Goldlitzen eines Majors oder Obristen oder gar Brigadegenerals zu tragen. Er bedeutete John Carr Beresford den Weg zu einer kleinen Tribüne am anderen Ende des Saals. Der Marschall von Portugal bot Donna Ines den Arm an und folgte dem Oberkommandierenden des anglo-alliierten Feldheeres. Die anderen schlossen sich an. Immer wieder mußten Beresford und Wellington anhalten, um jemandem ein paar freundliche Worte zu sagen. Der Sieg von Bussaco und die Feuerprobe der Wälle von Torres Vedras lagen kaum vierzehn Tage zurück. Zahllose Offiziere aus den Provinzen waren als Vertreter der Ordonanza eingeladen worden. Beresford fragte sie nach ihren Männern und deren Moral aus, Wellington dankte ihnen – meist in einem inzwischen recht flüssigen Spanisch – für ihre Taten während des Feldzuges in Nordportugal. Der Ire schien den Namen jedes einzelnen Mannes zu kennen.

Endlich waren sie angekommen: Wellington bedeutete Oberst Campbell die Samtschatulle mit dem Bath-Orden zu öffnen. Dann wandte er sich an Major Osorio Cabral de Castro: „Don Antonio, hätten Sie die Güte, ins Portugiesische zu übersetzen!” Die offizielle Verleihung der höchsten militärischen Auszeichnung Großbritanniens an Portugals Generalfeldmarschall Sir John Carr Beresford ging in lauten Vivas und Jubelschreien der Anwesenden unter. Die Musiker des 52. Regiments spielten „God Save the King“. Als wieder etwas Ruhe im Saal eingekehrt war, eröffnete der Oberkommandierende des anglo-alliierten Feldheeres endlich den Ball. Sarah raffte ihre Schleppe zusammen: „Hoffentlich verheddre ich mich nicht in deinen verdammten Goldlitzen, mein Lieber!”

„Heute abend wirst du kaum die Wahl haben, Kleine! Oder du mußt mit dem Bischof von Oporto tanzen ...” Der General grinste die junge Frau breit an. Beresford hielt Donna Ines im Arm. Schnell schlossen sich alle anderen Paare dem Tanz an. Von Zeit zu Zeit warf Lord Wellington einen interessierten Blick in die Runde: „Ich glaube, meine Liebe, dieser Abend wird einige Ängstliche in unserem Rücken beruhigen ... Damit hätte John Beresfords Auszeichnung mir einen doppelten Dienst erwiesen: Lissabon zu beweisen, daß sie von Massena und den Adlern nichts zu befürchten haben, solange Großbritanniens Soldaten auf der Iberischen Halbinsel stehen, und die Armee Portugals mit einem unverwüstlichen Selbstbewußtsein auszustatten, um 1811 endlich den Krieg nach Spanien zu tragen!” Zwei Tänze später machten die Orchester auf Arthurs Zeichen hin eine Pause und alle Anwesenden stürzten sich auf das Büffet. Der Ire lieferte Lady Lennox bei Rowland Hill und Bob Craufurd ab. Dann verschwand er ganz in den Hintergrund des Saales, um sich mit dem Marquis de la Romaña und einem weiteren, hohen spanischen Offizier zu besprechen.

„Sie sehen bezaubernd aus, Mylady Lennox!” Black Bob hatte sich verbeugt und Sarah den Arm angeboten, um sie zu einer Sitzgelegenheit zu führen. „Und ich hoffe, Nosey überläßt Sie für den Rest des Abends unserer Gesellschaft! Gewähren Sie mir den nächsten Walzer?“ Hill hatte einem Diener drei Gläser Champagner abgenommen, er reichte eines Lady Lennox, das zweite General Craufurd: „Ich glaube, Bob, wir haben den ganzen Abend unsere Ruhe vor dem Chef. Der kocht irgendeine böse Überraschung für unsere französischen Freunde aus ... Der Spanier an de la Romañas Seite ist der Kommandant der Festung von Badajoz, General Menacho!”

Das Orchester begann wieder zu spielen. Galant verbeugte der Kommandeur der Leichten Division sich vor Lady Lennox: „Meine Liebe!“ Während Lord Wellington mit den Spaniern immer tiefer in einer Ecke der Redoute zu verschwinden schien, tanzte die junge Frau Walzer um Walzer mit den Offizieren der britischen Armee. Sogar Dr. Jack Robertson, der rundliche Benediktiner und der alte Sir James McGrigor hatten ihr nicht widerstehen können. Kurz nach Mitternacht tauchte Lord Wellington zufrieden und erleichtert aus seiner Ecke des Saales wieder auf. Er konnte Lady Lennox in General Pictons Armen auf der Tanzfläche ausmachen. Das alte Schlachtroß bewegte sich auf dem Parkett eines Ballsaales wesentlich schwerfälliger, als auf einem Schlachtfeld. Leicht verbeugte er sich vor Oberst und Lady Waldegrave: „Mylady, darf ich Sie bitten?” Die junge Frau war mit ihrem Gemahl bereits seit 1808 in Portugal. Oberst Waldegrave hatte sie anfangs in einer Husarenuniform versteckt, weil er fürchtete, der Ire würde die Dame nicht bei der Truppe dulden. Dann hatte Wellington, zum großen Erstaunen einiger jung verheirateter Offiziere, in ähnlicher Situation die illegalen Ladys in Uniform kurzerhand mit einem Federstrich regularisiert. Ihm war es im Grunde gleich, wer die Aufklärungsritte unternahm, solang keiner sich über die harten Lebensbedingungen eines Feldheeres im Kriege bei ihm beschwerte: „Na, wie gefällt es uns bei den Husaren Seiner Majestät?“, flüsterte er der jungen Frau spöttisch ins Ohr, während er sich seinen Weg zu Picton und Sarah bahnte.

„Ausgezeichnet, Mylord! Ich habe schon als Kind immer gerne im Sattel gesessen ... Außerdem ist es hier viel interessanter als in London und ich kann mich austoben, ohne mir dauernd von meiner Schwiegermutter anhören zu müssen, wie gefährlich dies oder das doch für eine Dame sei ...”

„Dann wird ein Walzer mit Sir Thomas Picton Sie auch nicht erschrecken!”

Wissend lächelnd, schüttelte die junge Frau den Kopf: „Nicht im geringsten, Sir Arthur! Er bewegt sich im Ballsaal genausoungelenk wie Lord Waldegrave!”

Wellington ließ Lady Waldegraves Hand einen kurzen Augenblick los um Tom Picton am Ärmel zu zupfen: „Sir Thomas, es freut mich, Sie mit etwas anderem tanzen zu sehen als mit den Adlern! Darf ich Lady Lennox gegen Lady Waldegrave austauschen?”

Sarah und Arthur hörten erst zu tanzen auf, als die Musikanten ihre Instrumente zusammenpackten und das Fest zu Ehren von Sir John Carr Beresford in den frühen Morgenstunden zu Ende war. Der General hatte der jungen Frau während der ganzen restlichen Stunden des Balls nicht verraten wollen, was er mit de la Romaña und dem anderen Spanier ausgeheckt hatte. Er grinste sie nur an wie eine zufriedene, satte Katze. Er erwartete ungeduldig Verstärkung aus England. Sir Thomas Graham landete Truppen in der Nähe von Cadiz an, um die provisorische spanische Hauptstadt zu schützen. Außer den 65.000 verzweifelten hungernden Franzosen vor seinen Befestigungsanlagen befanden sich noch vier weitere große Armeen der Adler auf der Iberischen Halbinsel. Während die Lage des Prinz von Esslingen immer aussichtsloser wurde, hatte Marschall Soult mit seiner Armee Andalusien vollständig erobert und war dabei, Badajoz zu belagern. Der Ire war sich sicher, daß die Bemühungen seines alten Gegners noch vor Anbruch des Frühjahres von Erfolg gekrönt werden würden. Die spanische Festung von Olivenza war bereits gefallen, eine spanische Armee bei Gebora blutig geschlagen worden. Marschall Bessière, der in Alt-Kastilien stand, hatte von seinem Kaiser formell den Befehl erhalten, Marschall Massena schnellstmöglich mit 70.000 Mann zu verstärken. Wellington würde bald einen Teil seines Feldheeres abkommandieren müssen, um Soult südlich des Guadiana zu blockieren und am Überschreiten der portugiesischen Grenze zu hindern. Und er hatte Sir Thomas Graham bereits im Rücken des Feindes.

Der Herr des Krieges Gesamtausgabe

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