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Kapitel 5 Der Code von Paris

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Wie Wellington es prophezeit hatte, befaßten die Franzosen sich in diesem Frühjahr 1810 weiterhin mit der systematischen Plünderung der spanischen Provinzen und verschwendeten keinen Gedanken an Portugal oder einen Kriegszug gegen das anglo-alliierte Feldheer.

Inzwischen war es schon Mitte April: Das Wetter war wunderbar, alle Grenzflüsse auf einen furtbaren Wasserstand abgesunken und sämtliche Straßen und Wege ausreichend trocken, um schwere Feldartillerie und Belagerungsgerät zu bewegen. „Und trotzdem stürmen keine siegessicheren Adler mit lautem Trommelwirbel und gezogenem Schwert auf die Grenze zu, um den schleichenden Leoparden ins Meer zu jagen!”, dachte der General amüsiert an seinem Schreibtisch im Arbeitszimmer des Castelo dos Corvos in Viseu. Langsam schienen sogar London und die politischen Entscheidungsträger in Portugal und Spanien einzusehen, daß er nur ein vorsichtiger General war und kein ängstlicher, oder gar ein verzweifelter. Bereits einen ganzen Monat lang hatte die britische Presse weder die Expedition auf die Iberische Halbinsel verdammt, noch ihn persönlich wüst beschimpft, noch über seine nächste Niederlage gegen die Franzosen spekuliert. Vielleicht hatte der Himmel ja wirklich sein Stoßgebet erhört und zumindest die Generalität, die Lowry Coles, Spencers, Erskines und anderen Defätisten hatten aufgehört, in ihren Briefen nach Hause dauernd zu quaken. Und heute hatte er offiziell über den britischen Gesandten in Lissabon und das Foreign Office erfahren, was er inoffiziell seit einem Wintertag 1809 in Badajoz schon wußte: Zu seinem Gegner war in diesem Jahr Marschall Andre Massena, der Prinz von Esslingen und Herzog von Rivoli bestellt worden. Der bärtige, baskische Partisan Jose Etchegaray, der ihm vor vielen Monaten einen blutverschmierten Brief des französischen Kaisers an seinen Bruder Joseph in die Hand gedrückt hatte, in dem dies bereits angekündigt wurde, war zwischenzeitlich oft zu Gast in Viseu, um Informationen aus dem französisch-spanischen Grenzgebiet bei Vater Robertson abzuliefern. Arthur hatte damals aus taktischen Gründen keine Meldung nach London gemacht. Es hatte ihn arrangiert, daß seine Vorgesetzten in Whitehall und in den Horse Guards vor Angst schrien und zeterten. Napoleon trug noch das seine dazu bei, indem er den Pariser ‚Monitor’ mit Propagandaartikeln füllen ließ, die kräftig unterstrichen, was für einen inkompetenten General Großbritannien doch nach Portugal und Spanien entsandt hatte. Um so unsicherer die Franzosen ihren britischen Gegner glaubten, um so mehr sie ihn selbst unterschätzten, um so leichtsinniger würden sie handeln. Außerdem hütete Arthur seine Informationsquellen eifersüchtig: Die Guerilleros von El Minas aus den Bergen von Navarra hatten sich zu großartigen Spionen entwickelt. Der britische Sergeant Dullmore, den er als militärischen Berater zu ihnen geschickt hatte, verfügte offensichtlich über Verstand und eine gehörige Portion Weitsicht. Er brachte den Partisanen nicht nur bei, wie man vernünftig kämpfte, er erklärte ihnen auch ganz präzise, welche Informationen eines Tages für seinen Oberkommandierenden wichtig werden konnten: Sollte Wellington es je bis zur Pyrenäengrenze schaffen, dann würde er nicht nur die große Grenzfestung San Sebastian belagern müssen, sondern benötigte auch Gewährsleute in der Stadt selbst, die man für Sabotageakte von Innen verwenden konnte. El Minas Truppe und sein Sergeant waren schon heute dabei, Pläne der Stadt, ihrer Befestigungsanlagen und des Umlandes zu besorgen und rekrutierten in San Sebastian selbst, aber auch bereits jenseits der Grenze in Frankreich. Während der General eine gute, maßstabsgetreue Zeichnung der Befestigungsanlagen von San Sebastian betrachtete, die jedem studierten Militäringenieur Ehre gemacht hätte und Dullmores sorgfältige Einschätzung von Mauerstärken, Entfernungen, und Schwachstellen las, nahm er sich vor, daß dieser Mann lange genug Sergeant gewesen war. Er würde Etchegaray bei seinem nächsten Besuch in Viseu ein Offizierspatent mitgeben. Zufrieden goß er sich die vierte Tasse Kaffee dieses Morgens ein und schnippte mit dem Finger ein weiteres Blatt Papier von einem großen Stapel hinunter, vor sich auf den Tisch: Massena, Fortunas Liebling! Seit er im Jahre 1796 spektakulär den entscheidenden Angriff bei Arcole geführt und damit Bonaparte zu einem überragenden Sieg gegen den Österreicher von Alvintzy verholfen hatte, hatte ihn das Kriegsglück nie verlassen. Malborghetto, Zürich, Caldiero, Ebersberg waren seine eigenen, ganz persönlichen Siege gewesen. Im Jahre 1807 wurde er des Kaisers Statthalter in Polen. Anschließend hatte er seinem Herrn erneut wertvolle Dienste gegen Österreich geleistet; Aspern, Esslingen und Wagram. Ein wahrlich beeindruckender Gegner! Belustigt las Arthur im Angesicht dieser glorreichen militärischen Karriere noch einmal Jack Robertsons Memorandum über Andre Massena durch, das man ihm an diesem Morgen auf den Tisch gelegt hatte: Der Prinz von Esslingen war nicht nur ein berüchtigter Plünderer, den seine maßlose Gier nach Gold und Geld schon seit 20 Jahren regelmäßig zu den übelsten Schandtaten antrieb, sondern offensichtlich auch ein hoffnungslos sentimentaler Mann. Er ließ sich doch tatsächlich von seiner jungen Geliebten, einer Mademoiselle Henriette Leberton auf die Halbinsel begleiten und versteckte die Kleine, verkleidet als Husarenoffizier in seinem Hauptquartier. Die Quellen des Benediktiners berichteten, daß Massena sich wenig um sein neues Kommando kümmerte, den größten Teil der täglichen Arbeiten seinen Adjutanten überließ und noch keinen Operationsplan vorgelegt hatte. Bei so viel Zerstreuung und Kurzweil mit Mademoiselle Leberton würden dem Franzosen sicher noch einige Details mehr entgleiten. Außerdem hatte Robertsons Gewährsmann in Massenas Hauptquartier bei Salamanca geglaubt, eine Art Kriegsmüdigkeit bei dem bewährten Gefährten Bonapartes zu entdecken. Und außerdem schien er auch körperlich nicht gerade in Bestform: Er sprach dem Alkohol mehr zu, als ein vernünftiger Mann dies tun sollte, verbrachte seine Tage mit Mademoiselle Leberton im Bett und seine Nächte im Theater, in der Oper und bei anderen gesellschaftlichen Vergnügungen.

Robertsons Gerüchteküche! Ganz im Stile seines römischen Mutterhauses, des Heiligen Offizium, hatte der schottische Benediktiner Dossiers über jeden hohen und höheren französischen Offizier angelegt, der den Alliierten gegenüberstand oder gegenüberstehen könnte. Zu Anfang hatten diese voyeuristischen Einsichten in die Privatleben seiner Gegner Arthur furchtbar erschreckt. Er hatte seinen Geheimdienstchef empört darüber aufgeklärt, daß ein Offizier und Gentleman sich mit solchen Dingen nicht abgab. Robertson räumte seine Bedenken radikal aus: „Ich bin weder Offizier noch ein Gentleman, sondern ein einfacher Diener der heiligen Mutter Kirche! Und im Augenblick heiligt der Zweck die Mittel, mein Junge!”, war die zynische Antwort des Schotten gewesen. Zwischenzeitlich hatte auch der General akzeptiert, daß es durchaus angebracht sein konnte, sich außerhalb der Dienstzeiten weiterhin wie ein Gentleman zu benehmen. Aber als Oberkommandierender des personalschwachen anglo-alliierten Feldheeres, angesichts einer zehnfachen, französischen Übermacht, konnte er sich dieses Faible vielleicht nicht leisten.

Massena war also kriegsmüde und gesundheitlich nicht mehr auf dem Zenit! Fein! Genau diese beiden Probleme hatte Arthur für sich selbst gerade überwunden: Seine Truppen hatten sich von Talavera und dem anstrengenden Rückzug quer durch Spanien prächtig erholt. Man hatte ihm aus England sogar die Überreste der Walcheren-Korps als Verstärkung geschickt. Die Männer waren zwar ein wenig schwächlich vom Fieber aus den holländischen Sümpfen, doch für Garnisonsdienst einsetzbar. Damit konnte er seine kampfstarken Einheiten aus Lissabon und aus den Befestigungsanlagen Portugals abziehen und die lokale Miliz mit den etwas kränklichen Walcheren-Soldaten vermischen, um dem eigentlichen Feldheer den Rücken freizuhalten. Für sich selbst hatte er beschlossen, alle Rückschläge der Jahre 1808 und 1809 zu begraben, die Konvention von Cintra und das Kriegsgerichtsverfahren radikal aus seinem Gedächtnis zu streichen, die Toten von Talavera in Frieden ruhen zu lassen und sich über die Defätisten und Schandmäuler in London und in seinem eigenen Feldheer nicht mehr zu ärgern. Seit die Wälle von Torres Vedras fertig waren, wußte der Ire, daß die Franzosen ihren nächsten Schritt gegen Portugal bitter bereuen würden und ihm damit den Weg öffneten, um endlich den Krieg über die Grenze nach Spanien hineinzutragen. Seine eigenen Verletzungen, die er bei Talavera davongetragen hatte, waren inzwischen auch halbwegs verheilt. Er hatte kaum noch Schmerzen. Und trotz des anfänglichen Pessimismus der Ärzte, war weder seine linke Schulter steif geblieben, noch hatte sich sein Körper für die ganzen Schindereien und Anstrengungen der letzten Jahre an ihm gerächt. Alles, was ihn noch an diese schlimmste Schlacht seines Lebens erinnerte, waren eine häßliche Narbe und manchmal, nachts, wenn er alleine war und zuviel nachdachte – Alpträume! Die Gespenster jedes seiner Siege verfolgten ihn schon seit einem Jahrzehnt gnadenlos und es wurden immer mehr und ihre stummen Schreie in seinem Kopf wurden immer lauter. Zu den anonymen Opfern seiner Schlachten gesellten sich noch die Phantomgestalten derjenigen, die von seiner eigenen Hand den Tod gefunden hatten. Doch davon erzählte er nicht einmal Sarah etwas! Er hatte wohl irgendwie gelernt, mit seinen Alpträumen umzugehen: Er mußte eigentlich nur vermeiden, alleine zu sein, wenn es dunkel wurde! Meist schlief er nicht in seinem Quartier, sondern bei Sarah ... Wellington fixierte die Buchstaben auf dem weißen Blatt Papier: „Aber am Tag habt ihr noch keine Macht über mich! Zum Teufel mit euch, laßt mich in Ruhe! Verschwindet!“, zischte er seinen Gespenstern böse zu. Dann legte er das Dossier „Massena” energisch zur Seite, stand vom Schreibtisch auf, nahm die Kaffeetasse mit und ging langsam vor der großen Karte Südportugals an der Wand des Arbeitszimmers auf und ab. Er war ausnahmsweise einmal mit sich zufrieden. Die Befestigungsanlagen vor Lissabon waren fertig und trotzdem immer noch geheim. Wie erstaunt würde der französische Marschall sein, der nur knapp zwölf Meilen vor Lissabon feststellte, daß er nicht mehr vorwärts und nicht mehr rückwärts gehen konnte. Er würde in diesem Augenblick lernen, daß sein Nachschubsystem unzureichend war, das besetzte Feindgebiet nicht einmal ausreichte, um eine alte Katze zu ernähren und die Berge um ihn herum von Partisanen, Ordonanza und Briten wimmelten, die nur darauf warteten, seinen Männern die Kehlen durchzuschneiden.

Etwa 2000 Yards weiter bergabwärts, in einem großen Steinhaus in Viseu brach genau in diesem Moment die Hölle los: Der Grund für den ganzen Aufruhr war ein überraschender Besuch Donna Ines’ der Gemahlin von Wellingtons portugiesischem Adjutanten Don Antonio Maria Osorio Cabral de Castro. Pater Jack Robertson, Hauptmann Burgersh, Oberst Grant und John Warren Doyle, ein blutjunger irischer Seminarist aus Coimbra, der eine besondere Gabe für die höhere Mathematik besaß und darum für den Chiffrierdienst des alliierten Geheimdienstes auf der Iberischen Halbinsel rekrutiert worden war, standen kopfschüttelnd und ungläubig über ein paar Blatt Papier gebeugt, während eine atemlose, aber triumphierende Ines sich sehr undamenhaft in den nächsten Sessel warf und laut nach einem Glas Brandy rief.

„Das ist unmöglich, meine Tochter! Zehn Männer haben seit sieben Monaten versucht, den französischen Code zu entschlüsseln und Sie kommen einfach von Coimbra herübergeritten, schmeißen uns diese Blätter auf den Tisch und erklären uns, daß Sie es an einem einzigen Tag fertiggebracht haben ...” Jack Robertson war vor lauter Erregung feuerrot angelaufen.

„Antonio hat mir im letzten Winter diese französische Depesche einmal gezeigt und mich gefragt, ob ich irgendeine Idee dazu hätte. Dann habe ich sie in meinen Schreibtisch gelegt und vergessen ... Vorgestern morgen, als ich mein Haushaltsbuch aufschlug, habe ich sie eben wiedergefunden ... Es ist eigentlich gar nicht schwierig, Vater Jack. Der ursprüngliche Text war Französisch, dann hat man ihn ins Lateinische übersetzt und jeden Buchstaben durch einen Buchstaben zehn Stellen weiter im Alphabet ersetzt. Und den ersten verschlüsselten Text hat man ein zweites Mal verschlüsselt, indem man anstelle der Buchstaben die Zahlen geschrieben hat, die ihren Platz im Alphabet bezeichnen. Um diese Zahl zu maskieren haben die Franzosen dann einfach wahllos zwei weitere Zahlen und einen griechischen Buchstaben vor die Platznummer des Alphabets geschrieben. Das war es aber auch schon!” Die junge Portugiesin hielt ihr Glas Brandy in der Hand und nippte den Alkohol in kleinen Schlucken. Sie war wie der Teufel 30 Meilen alleine durch die Berge geritten, völlig verschwitzt und außer Atem und nicht wenig stolz auf sich. Burgersh trat zu ihr hinüber und drückte ihr einen großen Kuß auf die Stirn: „Donna Ines, Sie sind eine wahre Perle!” Colquhoun Grant verbeugte sich tief: „Willkommen im Geheimdienst Seiner Majestät, Mylady!” Robertson nahm ihr nur einfach das Glas aus der Hand und zog sie aus ihrem bequemen Sessel hoch: „Meine Tochter, das müssen wir sofort Nosey sagen! Los kommen Sie mit!” Robertson, seine Mitarbeiter und Donna Ines stürmten gemeinsam den steilen Weg zum Castelo dos Corvos hinauf und rissen Wellington schlagartig aus seiner selbstzufriedenen Träumerei. Als der Benediktiner ihm eröffnete, daß der französische Chiffre kein Geheimnis mehr war, fiel dem General vor Schrecken und Freude die Kaffeetasse aus der Hand und zerbrach auf dem Steinboden des Arbeitszimmers in kleine Stücke. Entgegen seiner sonst so zurückhaltenden Art fiel er der Gemahlin seines Adjutanten um den Hals, drückte sie fest an seine breite Brust und brach dann in schallendes Lachen aus: „Du bist wirklich der beste meiner Generäle! Sieben Monate haben wir uns alle den Kopf zerbrochen und den Stein der Weisen gesucht und du ... Veni, vidi, vici! Wie der alte Cäsar ...”

„Arturo, hör auf! Es war ganz einfach und logisch ...” Donna Ines machte sich aus der kräftigen Umarmung frei und schnappte nach Luft. Ungestüm hatte der Freund ihres Gemahls ihr gerade sämtliche Rippen zerquetscht. Die Männer konnten einfach nicht verstehen, was für zarte und zerbrechliche Geschöpfe Gott doch an ihre Seite gestellt hatte. Wellingtons irisches und Robertsons schottisches Temperament kochten in diesem Augenblick gemeinschaftlich über und jeder packte eine Hand der jungen Portugiesin, um sie an den langen Schreibtisch des Arbeitszimmers zu zerren und in den Stuhl zu pressen. Robertson griff nach einem großen Stoß Papier, der in einer Holzkiste am linken äußeren Ende des Tisches stand und auf den irgendein Spaßvogel ein großes Fragezeichen und den stilisierten Kopf eines Esels gemalt hatte. Arthur drückte Ines eine Feder in die Hand und schrie laut nach Sergeant Dunn: „Bringen Sie eine große Kanne Kaffee, John! Schnell!“ Dann wandte er sich ebensolautstark an die junge Frau: „Hier hast du eine Feder, Papier und Tinte! Los! Übersetzte uns das alles mal schnell und erleuchte uns mit deinem Genie! Wir kriegen seit Wochen von der spanischen Guerilla verschlüsselte Depeschen. Die Franzosen kochen irgend etwas aus ... Los, sei ein gutes Mädchen, Ines!” Robertson, seine Mitarbeiter und der Oberkommandierende versammelten sich vor dem riesigen Schreibtisch und sahen die Portugiesin neugierig und erwartungsvoll an. Die Fünf entlockten der jungen Frau ein verzweifeltes Kopfschütteln. Es lagen 50 oder 60 Schriftstücke in der Eselskiste und sie hatte nur zwei Hände: „Glaubt ihr Kindsköpfe etwa, ich kann vernünftig nachdenken, wenn ihr mich anstarrt wie Mäuse eine Schlange? Verschwindet und laßt mich arbeiten! Wenn ich fertig bin, schicke ich Sergeant Dunn!” Enttäuscht zogen Robertson, Grant, Wellington, Burgersh und Doyle sich aus dem großen Zimmer zurück, während Dunn eine Kaffeekanne und eine frische Porzellantasse neben Ines stellte und sich dann aufmachte, grinsend die Bruchstücke von Arthurs Tasse vom Boden aufzulesen.

Früh in den Morgenstunden des nächsten Tages war der Stab des anglo-alliierten Feldheeres um einen großen Stoß militärischer Informationen reicher und der Geheimdienst der Briten hatte mit Don Antonio Maria Osorio Cabral de Castros amüsierter Genehmigung ein neues Mitglied in seine Reihen aufgenommen. In einer der verschlüsselten Depeschen hatte eine Nachricht gestanden, die den zweiten vehementen Temperamentsausbruch in weniger als 24 Stunden bei Lord Wellington verursachte: Der Zar sabotierte seit dem französischen Friedensschluß mit Österreich und Napoleons Heirat mit Marie-Louise, offen und unverblümt das Kontinentalsystem des Kaisers. Napoleon dachte inzwischen ernsthaft über einen Feldzug gegen Rußland nach. Er hatte Massena geschrieben, daß er fest davon überzeugt war, daß die nun 420.000 französischen Soldaten auf der Iberischen Halbinsel und der Ruf des Prinzen von Esslingen ausreichen würden, um die kümmerlichen 35.000 Briten in die See, aus der sie gekommen waren zurückzutreiben, um Portugal zu nehmen, Spanien zu unterwerfen und den Thron für seinen Bruder Joseph zu sichern. Der Kaiser befahl seinem Marschall aus diesem Grunde, mit den Operationen sofort energisch zu beginnen. Der erste Schritt hierzu sollte es sein, General Andre Herresi aus der Festung von Ciudad Rodrigo auf der spanischen Seite der Grenze zu vertreiben und damit die nördlichste der möglichen Einfallsstraßen nach Portugal für die französische Armee zu öffnen. Nachdem Donna Ines laut diese entschlüsselte Depesche vorgelesen hatte, ließ Arthur seine große Stabskarte von Nordportugal bringen. Endlich wußte er, welcher seiner drei unterschiedlichen Operationspläne für den Sommer 1810 umgesetzt werden konnte. Torres Vedras und die südliche Einfallsroute bekamen noch einmal eine kleine Verschnaufpause. Um drei Uhr morgens sandte der Ire seine Adjutanten aus, um alle Stabsoffiziere im Generalsrang, die in Viseu Quartier bezogen hatten aus den Betten und in das Castelo dos Corvos zu beordert. Nun endlich war der Augenblick gekommen, seinen letzten Mosaikstein für den Sommerfeldzug 1810 einzufügen und allen zu erklären, welches Spiel sie mit Frankreich spielen würden. Ein unglücklicher Leutnant wurde sogar noch mitten in der Nacht durch die Berge geschickt, um Bob Craufurd auf dem schnellsten Weg ins Hauptquartier zu holen. Die Leichte Division sollte eine ganz besondere Rolle zugeteilt bekommen, eine die ihrem Ruf und ihrem Kampfgeist würdig war. Die portugiesische Festung, die nach Ciudad Rodrigo Massenas nächstes Ziel sein mußte, war Almeida. Lord Wellington wollte vermeiden, daß sein Gegner auch nur ahnen konnte, über wie viele Informationen die Alliierten verfügten. Darum würde Black Bob ein Scheingefecht liefern und den Feind in die Berge locken.

Genausoschnell, wie Donna Ines die französischen Chiffredepeschen für den Stab übersetzt hatte, erklärte Lord Wellington jetzt seinen Kommandeuren den endgültigen Operationsplan für den Sommer 1810. Er hatte so viel Zeit damit zugebracht drei Alternativen und eine Notlösung zu erarbeiten, daß er außer der großen Stabskarte keine Unterlagen benötigte. Rowland Hills erstes Korps zog er vorläufig aus Pontalegre an den Zezere hinter die zerstörte Estrada Nova ab. Er kommandierte noch zwei zusätzliche britische und zwei portugiesische Regimenter zu Hill ab und überließ ihm mit nun 12.000 Mann den Schutz der südlichen Flanke. Dann ersetzte er alle Kampfeinheiten im Alentejo durch Einheiten aus den Walcheren-Regimentern und portugiesische Miliz. Sie sollten seine Lebensversicherung gegen einen möglichen Dolchstoß in den Rücken des anglo-alliierten Feldheeres sein, falls die französische Andalusienarmee sich unerwartet doch gegen Portugal in Bewegung setzte.

Wellington wollte seinem französischen Gegner jetzt, wo er wußte, daß Napoleon Massena befohlen hatte, Ciudad Rodrigo zu belagern, aufzwingen, nach dem sicheren Fall dieser Festung die Route über Almeida, nördlich des Mondego, an Celorico und Viseu vorbei nach Bussaco und Coimbra zu wählen, um seinen Marsch auf die portugiesische Hauptstadt zu versuchen. Die zweite Alternative von Ciudad Rodrigo direkt nach Coimbra und dann weiter nach Lissabon ließ er, hinter Almeida durch das Zezere-Tal, entlang der Straße Belmonte, Abrantes, Lissabon sorgfältig zerstören. Damit war der Weg durch die Serra Moradel für Geschütze unbrauchbar gemacht worden und würde auch Soldaten und Kavallerie, falls sie trotzdem versuchen sollten, Viseu und Bussaco im Süden zu umgehen, an die Grenzen ihrer körperlichen Leistungsfähigkeit treiben. Die Garnison von Abrantes wurde verstärkt, die Briten zerstörten die einzige Furt durch den Zezere und sprengten zwei große Steinbrücken über den Fluß. Arthurs Plan basierte darauf, Andre Massena auf ein Schlachtfeld zu treiben, das er selbst schon vor Monaten sorgfältig ausgekundschaftet hatte und das die beste Defensivstellung im ganzen Norden des Landes war: Der Wald und die Steilhänge bei Bussaco. Und er wollte seinen Gegner überreden, den schlechtesten, anstrengendsten und gefährlichsten Weg dorthin einzuschlagen, indem er ihm alle besseren Wege versperrte. Die spärliche Bevölkerung der Gebirgsgegend konnte man ohne Mühe nach Coimbra evakuieren und damit französischen Repressalien entziehen. Massena würde auf dem Weg von Almeida zu seiner Nemesis bei Bussaco nur noch auf bis an die Zähne bewaffnete Ordonanza und verbrannte Erde antreffen.

Die portugiesischen Truppen von Marschall John Beresford waren endlich einsatzfähig und ihre militärische Ausbildung vollständig abgeschlossen. Lord Wellington formte neue Divisionen, in die er außer seinen britischen und deutschen Regimentern, portugiesische Einheiten integrierte. Sir Thomas Pictons Dritte Division und Lowry Coles Vierte Division waren die ersten, die in dieser neuen Form aufgestellt wurden. Sie bestanden aus jeweils zwei britischen und aus einer portugiesischen Brigade. Zusätzlich erhielten Pictons und Coles Divisionen noch eine Kompanie von Scharfschützen aus dem 60. Regiment und eine Batterie fahrbarer Artillerie. Rowland Hill und Brent Spencer behielten, bis die nächsten portugiesischen Regimenter ausgebildet werden konnten, rein britische Divisionen mit jeweils einer Brigade der Königlich Deutschen Legion. Doch um gleichzeitig zwei französische Armeen und insgesamt 150.000 Mann aufzuhalten, die aus zwei unterschiedlichen Richtungen gegen zwei Fronten stoßen konnten, war mehr notwendig als das kleine anglo-alliierte Feldheer und die portugiesischen Partisaneneinheiten. Arthur hatte dies sehr wohl verstanden und überschätzte seine eigenen militärischen Fähigkeiten in keiner Weise.

An diesem Abend erfuhr endlich der gesamte Stab und alle Kommandeure den Grund für sein geheimnisvolles Verschwinden in den Wochen nach Talavera und vor dem Abzug aus Spanien: Er hatte einen neuen, mächtigen Verbündeten gefunden, der gemeinsam mit den Alliierten gegen Massena, Victor, Soult, Ney, Mortier und die anderen ins Feld ziehen sollte: Die Fehler und Unzulänglichkeiten des französischen Versorgungs- und Nachschubsystems! Das schlimmste, was einer französischen Armee passieren konnte, war, daß sie aus irgendeinem Grund heraus zum Stillstand gezwungen wurde. Da die Marschälle kein organisiertes Nachschubwesen besaßen, das sie mit Verpflegung und Ausrüstung für die Soldaten und Futter für die Reit- und Zugtiere über lange Strecken versorgte, waren sie dazu verdammt, aus dem Landstrich zu leben, durch den sie zogen. Nur so lange die Einheiten, die ausgeschickt wurden um zu plündern, mit Beute nach Hause zurückkehrten, waren die Adler in der Lage weiterzumarschieren und weiterzukämpfen. Wenn es den Alliierten in Portu also gelingen sollte, Massena oder irgendeinen anderen Marschall mit einem machtvollen Hindernis zum Stillstand zu bringen, das völlig unüberwindlich war, dann mußte sein Gegner sich entweder zurückziehen oder verhungern. Viele der Anwesenden reagierten bestürzt, denn ihr Oberkommandierender hatte sie zum ersten Mal mit der Anzahl der Gegner konfrontiert. Andere waren verwirrt, denn sie konnten nicht begreifen, wie er es sich vorstellte, selbst wenn die Wälle von Torres Vedras 80.000 Franzosen der Andalusien-Armee blockierten, die 70.000 Soldaten von Andre Massena aus Leon und Kastilien mit nur 33.000 Briten und Portugiesen zu schlagen. Wellingtons gesamtes Feldheer war in diesem Augenblick nur wenig stärker als Marschall Neys französisches Korps, das in der Gegend von Ciudad Rodrigo aufmarschierte.

Lediglich Rowland Hill und General Picton, der noch vor wenigen Wochen so energisch an den Fähigkeiten seines Oberkommandierenden gezweifelt hatte, begriffen die Vorgehensweise sofort. Nachdem Arthur die Besprechung aufgelöst und Kuriere mit Befehlen zu den Portugiesen, nach Lissabon und zu einigen verstreuten Regimentern in der Beira losgeschickt hatte, bedeutete er Hill und Picton die Gruppe der anderen unauffällig zu verlassen und mit ihm zu kommen: „Picton, ich habe einen Auftrag für Sie, den niemand hören sollte!“

Der Waliser lehnte sich mit verschränkten Armen gegen eine große Steinsäule im Salon des Castelo. Er war fast einen Kopf größer als Arthur und noch breitschultriger und massiver, als der Ire selbst. Picton hatte die Angewohnheit, nie seine Uniform zu tragen, sondern immer in farbenprächtiger und sehr exzentrischer Zivilkleidung aufzutauchen. Seine bevorzugte Waffe waren weder Säbel noch Pistole, sondern ein unförmiger, schwarzer Regenschirm. Er fluchte schlimmer, als jeder Londoner Kutscher und konnte, wenn ihm etwas gegen den Strich ging, nicht nur sehr laut, sondern auch sehr handgreiflich werden. Sir Thomas hatte einen absolut unmöglichen Charakter! Er fürchtete weder den Leibhaftigen noch seine Vorgesetzten. Wellington hatte die kleine Szene, die der Waliser ihm frisch nach seiner Ankunft aus England gemacht hatte, noch gut im Gedächtnis. Doch er mochte Offiziere, die Rückgrat besaßen und es wagten, sich ihm zu widersetzen, wenn sie im Recht waren und er im Unrecht. Picton schien genau aus diesem Holz geschnitzt zu sein. „Also, Sir Arthur! Was kann die Dritte Division für Sie tun?”

Wellington hatte sich mit ebenso verschränkten Armen an die Säule gegenüber der von Picton gelehnt und sah seinen walisischen General spöttisch an: „Gar nichts!“ Sir Thomas Reaktion entsprach exakt der Erwartung des Iren. Eine leichte Röte stieg in seinem Gesicht nach oben, er ballte die rechte Hand zur Faust, trat einen großen Schritt nach vorne und drohte: „Sie wollen mich wohl auf den Arm nehmen, zum Teufel!”

„Sch, sch! Nicht gleich so heftig, mein Freund! Ich nehme Sie nie auf den Arm! Sie sollen wirklich ‚Gar nichts’ für mich tun!” Arthur hatte sich nicht von seiner Säule weggerührt. Es war ja so leicht, diesen Vulkan Picton zum Ausbruch zu bringen. „Es tut mir leid, Sir Thomas, wenn ich Sie mit meiner Art verärgere, aber wir müssen beide noch lernen, wie wir miteinander umzugehen haben, nicht wahr?”

Rowland Hill betrachtete seinen walisischen Kollegen und Lord Wellington amüsiert. Es war schwer sich zwei Charaktere vorzustellen, die einander noch stärker entgegengesetzt waren, als diese beiden Männer. Sie waren wie Feuer und Eis. Der eine extrovertiert, laut, überschwenglich und oft cholerisch, gewalttätig oder ungerecht und verletzend. Pictons Gedanken blieben niemandem verborgen, er trug sein Herz auf der Zunge. Der andere, auf den ersten Blick verschlossen, kalt, hart, beherrscht, kaum einer Gefühlsregung fähig. Arthur war so mißtrauisch, daß er nicht einmal der Heiligen Inquisition seine Gedanken anvertrauen würde, selbst wenn diese ihn bei lebendigem Leib häuten sollte. Und die meisten waren auch noch felsenfest davon überzeugt, daß er an Stelle eines Herzens ein Stück Eisen im Körper trug. Hill war schon seit Wochen neugierig, zu sehen ob zwei solche Gegensätze überhaupt in der Lage waren, miteinander zu reden oder gar zusammenzuarbeiten. Er setzte sich in einen Sessel, abseits des Schlachtfeldes und beobachtete gespannt weiter: Picton hatte die Arme wieder vor der Brust verschränkt. Er knurrte Arthur an: „Na los, Wellington! Lassen Sie uns feststellen, wie wir miteinander umzugehen haben! Wählen Sie die Waffen und den Ort!” In seinen Augen blitzte der Schalk. Die Sphinx fing an ihm zu gefallen. Es kam selten vor, daß Vorgesetzte in der britischen Armee die Worte ‚Lernen’ und ‚Umgang’ benutzten, wenn sie mit ihren Untergebenen sprachen. Sich für irgend etwas zu entschuldigen, kam noch seltener vor. Außerdem hatte der Waliser endlich gemerkt, daß sein Gegenüber in keiner Weise aggressiv war, oder sein wollte.

„Können Sie einen Befehl nicht befolgen, Sir Thomas?” Arthurs Augen lächelten.

„Perfekt! Ich bin sozusagen ein Experte auf diesem Gebiet, Wellington!”

„Das habe ich schon gehört!”

„Sie sind auch nicht gerade für Ihren Kadavergehorsam bekannt! In Indien ...”

„Picton, lassen Sie uns doch nicht über die Vergangenheit sprechen!” Endlich, nach mehr als drei Monaten hatte der Waliser Dickschädel sein Kriegsbeil begraben. Arthur hatte geduldig auf diesen Tag gewartet, an dem der stolze und unbeugsame Tom von selbst und ohne Zwang auf ihn zukam. Er wollte, daß seine hohen Offiziere ihm Vertrauen entgegenbrachten und erwartete einen kameradschaftlichen Umgang miteinander. Einzelkämpfer und verbohrte Individualisten, die mit niemandem zusammenarbeiten konnten und wollten, waren Wellington ein Greuel. „Ich habe Craufurds Leichte Division zwischen dem Douro und der Sierra da Gata, entlang des Agueda stehen. Eine etwa 60 Meilen lange Front. Sie und die Dritte Division werden nach Pinhel abrücken, Lowry Cole und die Vierte Division nach Guarda! Verstehen Sie mich?” Der Gesichtsausdruck des Walisers änderte sich mit einem Schlag zu einem breiten Grinsen: „Sie sind ein durchtriebener Schurke, Wellington! Natürlich verstehe ich Sie. Weiß Craufurd Bescheid?”

„Sobald er in Viseu eintrifft, sage ich es ihm! Nur der schreckhafte Lowry Cole und insbesondere Sir Brent Spencer dürfen hiervon absolut nichts erfahren. Ich brauche nicht Prinnys Intuitionen und Ideen aus dem fernen London, um mich mit Massena herumzuschlagen und schon gleich gar nicht technische Unterstützung von solchen militärischen Genies wie Dalrympel, Stuart, Cathcart oder Burrard! Außerdem kann man mir die Nichtverteidigung einer Festung als einen Akt der Sabotage auslegen! Dafür gibt es dann gemäß dem britischen Disziplinarkodex pünktlich um fünf Uhr morgens vor einer grauen Mauer zwölf Kugeln aus nächster Nähe in die Brust! Aber wenn Almeida nicht fällt, wie bekomme ich Massena dann auf dem schnellsten Weg nach Bussaco?”

„Verdammte Hofschranzen! Das heißt, wenn Massena bei Almeida durchbricht, dann werde ich Craufurd nicht zur Hilfe eilen und Sorge dafür tragen, daß Lowry Cole es auch nicht tut?”

„Exakt! Wegen Lowry Cole brauchen Sie sich aber nicht sonderlich zu beunruhigen, Picton. Der rührt sich meist nur von der Stelle, wenn ich ihn an der Hand nehme und ihm ein Wiegenlied singe, damit er sich nicht zu sehr ängstigt. Bei Gott, ich hoffe, daß der Feind genauso zittert, wenn er die Namensliste meiner Generäle ließt, wie ich!”

„Sie sprechen wohl von Sir William Erskine, von Lumley, Lightburne, Landers, Stapelton Cotton und den anderen Strafen des Himmels, die London Ihnen geschickt hat?” Picton fing an diesen irischen Hundesohn zu mögen. Vielleicht versteckte sich hinter der Sphinx ja doch ein Mann, mit dem man Geschäfte machen konnte! Wer mit 30 Jahren bereits zum General befördert worden war, der war entweder die größte Hofschranze aller Zeiten oder wirklich gut! Wellington hatte nicht den Ruf, in St. James viele Freunde und Bewunderer zu haben: Er war Ire, ein Protegé des Herzogs von Richmond, des Erzfeindes von Prinny, und es ging das Gerücht um, daß Sir Arthur außerdem für Richmonds älteste Tochter mehr übrig hatte, als schicklich war, um bei den Horse Guards auf einfachem Wege nach Oben zu kommen. Außerdem war Picton erzählt worden, daß sein Gegenüber kein Feigling war, der sich hinter dem Rücken seiner Soldaten versteckte und seine Schlachten vom Stabsquartier aus schlug: „Wem können wir trauen, Wellington?” Arthur war zu dem Waliser hingetreten und hatte ihm die Hand auf die Schulter gelegt: „‚Wir’ ist ein guter Anfang, Sir Thomas! Sie haben begriffen, wie dieses Hauptquartier funktioniert! Außer den in diesem Raum Anwesenden können wir auf Maitland, Craufurd, Sherbrooke, de Lancey, von Bock und John Beresford zählen. Admiral Cotton steht auf unserer Seite, ebenso Edward Paget, Ned Pakenham und Tom Graham. Lowry Cole ist ein Freund, auch wenn er oft schusselig ist. Henry Paget verweigern mir die Horse Guards konsequent. Vermutlich haben sie Angst davor, zwei Verrückte auf demselben Kriegsschauplatz zu haben! Außerdem noch Freddy Ponsonby, doch der will um nichts in der Welt zum General befördert werden! Wenn Stapelton Cotton Unsinn macht, befehligt Ponsonby de facto die britische Kavallerie, obwohl er nur Oberst ist. Dann der gesamte Nachrichtendienst ... unsere Ärzte, aber die stehen nicht auf den Schlachtfeldern und schlagen sich mit den Franzosen herum und natürlich ein großer Anteil der jungen Obristen ... doch die empfangen noch Befehle und geben sie nicht! Suchen Sie sich zwei oder drei Adjutanten, denen Sie völlig vertrauen können. Wenn Sie, wegen Ihrer langen Abwesenheit aus England solche jungen Offiziere nicht haben, gebe ich Ihnen welche von meinen Jungs ... Vermeiden Sie, den Leichen aus den Horse Guards, die wir hier haben mehr zu erzählen als unbedingt nötig! Und wenn je irgend etwas wirklich schiefgehen sollte, Sir Thomas, schieben Sie sofort alle Schuld auf mich! Haben Sie verstanden?”

Picton streckte Arthur die Hand hin: „Ich bin Ihr Mann, Wellington! Wir werden den Franzosen zusammen einheizen! Wobei ich mich eigentlich nie hinter irgend jemandem aus Angst vor der Verantwortung verstecke ...”

„Es geht auch nicht um irgendeinen banalen, militärischen Ausrutscher, mein Freund! Ich hoffe, Sie haben verstanden, daß wir mit teuflisch hohem Einsatz spielen und Vabanque! Wenn die Franzosen uns schlagen und wir das Feldheer von der Iberischen Halbinsel abziehen müssen, dann bedeutet dies das Ende der gesamten britischen Interventionspolitik auf dem europäischen Kontinent. Es wird in diesem Falle in London Schuldzuweisungen geben und harte Sanktionen gegen die Schuldigen! Erinnern Sie sich an Byng und Majorca?“

„Den haben sie deswegen doch kurzerhand erschossen! Eine üble Geschichte!” Langsam begriff Picton und sein Gesichtsausdruck wurde sorgenvoll. Der Ire stand hier auf einem Kriegsschauplatz, der für die Zukunft Europas ausschlaggebend war. Wenn die Franzosen siegten, dann gab es nur noch das Kontinentalsystem in Englands Vorgarten und irgendwo, weit im Norden einen russischen Bären, der zwar von Zeit zu Zeit brüllte, aber Napoleons Genie eindeutig militärisch unterlegen war. Eine Niederlage in Spanien und der Verlust Portugals wären das Ende Englands als europäische Großmacht. Wenn es aber gelang, 420.000 Franzosen und sieben Marschälle dauerhaft auf der Iberischen Halbinsel zu binden, sie auszubluten und langsam aber stetig von Süden her auf Frankreich zu marschieren und den Krieg in Napoleons Heimat hineinzutragen, dann würde der Kaiser über kurz oder lang fallen und dem Land, das so entscheidend zu seinem Niedergang beigetragen hatte den Löwenanteil bei der Neuverteilung des Kontinents zukommen lassen. Es würde im Konzert der Großmächte über Jahrzehnte hin die erste Geige spielen und allen anderen seinen Willen aufzwingen: Handelskonzessionen, politische Konzessionen, Reparationen etc. „Wenn wir hier auf der Iberischen Halbinsel versagen, dann wird ganz England nach Blut schreien und Köpfe werden rollen!”

„Nur ein einziger Kopf wird rollen, Sir Thomas! Niemand, der hier unter mir dient und der meine Befehle befolgt, hat irgendwelche Konsequenzen zu befürchten, wenn wir scheitern sollten! So lautet meine Abmachung mit Whitehall und dem Kriegsministerium.”

Der Herr des Krieges Gesamtausgabe

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