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G.5.1 Die Boltzmannverteilung

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Abb. G.4 Die typischen Abstände der Energieniveaus (als Wellenzahlen ausgedrückt) in vier Arten von Systemen.

Die unaufhörliche thermische Bewegung der Moleküle in einer Probe bei T > 0 sorgt dafür, dass sie gleichmäßig über alle verfügbaren Energieniveaus verteilt sind. Ein bestimmtes Molekül mag in einem konkreten Moment in einem Zustand mit niedriger Energie sein und dann einen Moment später in einen energiereichen Zustand angeregt werden. Obwohl wir den Zustand dieses individuellen Moleküls nicht verfolgen können, können wir etwas über die durchschnittlichen Zahlen von Molekülen in jedem Zustand aussagen. Auch wenn einzelne Moleküle ihre Zustände als Ergebnis von Stößen verändern können, bleibt die durchschnittliche Zahl von Molekülen in jedem Zustand doch konstant (so lange die Temperatur des Systems konstant bleibt).

Die durchschnittliche Zahl der Moleküle in einem Zustand wird seine Besetzungszahl oder Population genannt. Bei T = 0 ist nur der Zustand mit der niedrigsten Energie (der Grundzustand) besetzt. Durch eine Erhöhung der Temperatur werden einige Moleküle in energiereichere Zustände angeregt, und je weiter die Temperatur erhöht wird, desto mehr Zustände werden für die Teilchen zugänglich (Abb. G-5). Die relativen Besetzungszahlen von Zuständen mit unterschiedlicher Energie kann man mithilfe der Boltzmannverteilung berechnen, die gegen Ende des 19. Jahrhunderts von dem österreichischen Physiker Ludwig Boltzmann hergeleitet wurde. Obgleich wir diese Verteilung in Kapitel 15 im Detail herleiten und diskutieren werden, müssen wir schon jetzt festhalten, dass sie für das Verhältnis der Teilchenzahlen in zwei Zuständen mit den Energien Ei und Ej

(g.9)


Abb. G.5 Die Boltzmannverteilung der Besetzungszahlen für ein System mit fünf Energieniveaus bei einer Erhöhung der Temperatur von null bis unendlich.

ergibt, wobei k die Boltzmannkonstante ist, eine Fundamentalkonstante mit dem Wert k = 1.381 × 10–23 J K–1. Diese Konstante wird uns überall in der Physikalischen Chemie wieder begegnen, oft auch in versteckt (auf ein Mol bezogen) in Form der Gaskonstante; es gilt

(g.10)

wobei NA die Avogadrokonstante ist. Wir werden in Kapitel 15 sehen, dass die Boltzmannverteilung die entscheidende Verbindung ist, mit deren Hilfe wir die makroskopischen Eigenschaften von Materie aus den Eigenschaften der sie aufbauenden Atome und Moleküle berechnen können.

Die entscheidenden Merkmale der Boltzmannverteilung, die wir uns merken müssen, sind:

 Je höher die Energie eines Zustands ist, desto weniger wird er besetzt.

 Je größer die Temperatur ist, desto größer wird die Wahrscheinlichkeit, dass ein energiereicher Zustand besetzt wird.

 Wenn die Abstände der Energieniveaus von der Größenordnung kT oder kleiner sind (wie z. B. die Energieniveaus der Translation oder Rotation), werden mehr Niveaus signifikant besetzt als wenn sie weit voneinander entfernt sind (wie die Niveaus der Schwingung oder der elektronischen Zustände).

Abbildung G-6 skizziert die Form der Boltzmannverteilung für einige typische Sätze von Energieniveaus. Der eigenartige Verlauf der Populationen für Rotationsniveaus hängt damit zusammen, dass Gl. (G-9) für individuelle Zustände gilt, bei Rotationszuständen aber die Zahl der Zustände einer gegebenen Energie mit steigender Energie stark zunimmt. Vereinfacht gesagt nimmt die Zahl der möglichen Rotationsebenen mit steigender Rotationsenergie zu. Obwohl daher die Population der individuellen Zustände mit steigender Energie abnimmt, verläuft die Population der Energieniveaus durch ein Maximum.

Eines der einfachsten Beispiele für eine Beziehung zwischen mikroskopischen und makroskopischen Eigenschaften stammt aus der kinetischen Gastheorie, einem Modell eines idealen Gases. In diesem Modell wird angenommen, dass die Moleküle, die man sich als Teilchen mit vernachlässigbarer Ausdehnung vorstellt, sich in unaufhörlicher zufälliger Bewegung befinden und nicht miteinander wechselwirken außer durch kurze Stöße. Unterschiedliche Geschwindigkeiten entsprechen unterschiedlichen kinetischen Energien, weshalb wir die Boltzmannverteilung verwenden können, um zu berechnen, welcher Anteil der Moleküle bei einer gegebenen Temperatur eine bestimmte Geschwindigkeit hat. Der Ausdruck für den Bruchteil der Moleküle mit einer bestimmten Geschwindigkeit ist als Maxwellverteilung bekannt und in Abb. G-7 dargestellt. Aus der Maxwellverteilung, die in Kapitel 20 hergeleitet, vertieft und diskutiert werden wird, kann man herleiten, dass die mittlere Geschwindigkeit υm der Moleküle wie folgt von der Temperatur T und ihrer Molmasse M anhängt:


Abb. G.6 Die Boltzmannverteilung der Besetzungszahlen für Rotations-, Schwingungs- und elektronische Energieniveaus bei Zimmertemperatur.

(g.11)

Mit anderen Worten: Die mittlere Geschwindigkeit nimmt mit der Wurzel aus der Temperatur zu und mit der Wurzel aus der Molmasse ab, sie ist folglich für leichte Moleküle bei hoher Temperatur am größten

Die Verteilung liefert noch mehr Informationen als nur die mittlere Geschwindigkeit. Beispielsweise ist der Ausläufer der Funktion zu hohen Geschwindigkeiten hin bei hoher Temperatur länger als bei niedriger Temperatur, was zeigt, dass bei hohen Temperaturen mehr Moleküle in der Probe eine Geschwindigkeit weit über dem Mittelwert besitzen.


Abb. G.7 Die Verteilung der Molekülgeschwindigkeiten als Funktion der Temperatur und der Molmasse. Die wahrscheinlichste Geschwindigkeit (das Maximum der Verteilung) nimmt mit steigender Temperatur und abnehmender Molmasse ab; gleichzeitig wird die Verteilung breiter.

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