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DER ZEIT IHR GENIE, DEM GENIE SEINE ZEIT

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Beethovens spätere Überzeugung, nur durch – manchmal heroische – Aufopferung für die Musik seine wahre Daseinsberechtigung erreichen zu können, mag in Teilen auf die Härten der Kindheit und Jugend zurückzuführen sein.

Es mögen manche seiner frühen Lehrer ähnliche Ideen gepredigt haben, aber Christian Gottlob Neefe tat dies wohl kaum. Der absolvierte Jurist und vielseitige Musiker war als Komponist und Musikdirektor ans kurfürstliche Nationaltheater nach Bonn gekommen, wo er 1781 dem bisherigen Hoforganisten Gilles van den Eeden nachfolgte. Zu Neefes neuen Pflichten gehörte der Unterricht der jungen Musiker wie Beethoven, dessen außergewöhnliche Begabung Neefe natürlich erkannte und entsprechend förderte. Denn Christian Gottlob Neefe war ein perfektes Geschöpf seiner Zeit, der Aufklärung. Als Mitglied des Illuminatenordens und, nach dessen Auflösung, Gründungsmitglied der Bonner „Lesegesellschaft“ sowie Freimaurer vertrat er die Ansicht, dass Musik zur geistigen Veredelung der Menschheit einen wichtigen Beitrag leiste, dass aber diejenigen, die zu dieser Veredelung hilfreich beitrügen, nur dank ihrer Begabung und ihres Fleißes, nicht aber aufgrund ihres Standes oder gar ihrer finanziellen oder sonstigen oberflächlichen Rahmenbedingungen dazu geeignet seien und entsprechend unterstützt werden müssten.

Ein Glück für Ludwig … und alle, die seine Musik verehrten und verehren. Denn der junge Mann hatte weder das Aussehen noch das Naturell, das dem Klischee eines Genies entsprach. „Kurz getrungen, breit in die Schulter, kurz von Halz, dicker Kopf, runde Naß, schwarbraune Gesichts Farb, er ginng immer was vor übergebükt.“ – laut Gottfried Fischer wurde Ludwig van Beethoven eben wegen seines Teints „Spagnol“, Spanier, genannt. Auch sein Wesen war nicht geschaffen, Begeisterungsstürme auszulösen.

„Lutwig v: Beethoven war am Morgen auf seinem schlafzimmer, nach dem Hof zu, und lag an der Fänster und hat sein Kopf in beide Hännde gelegt und sah ganz ärnsthaft starr auf einen Ffläcken hinn. Cicilia Fischer kam über den Hof vorbey, sagte ihm, wie sichs aus, Lutwig, erhielt kein Aantwort, sie sagt, kein gut Wätter bey dir, kein antwort. Nachhehr fragte sie ihn mal, was das beteute, kein antwort ist auch antwort.

Er sagte, O Nein, das nicht, entschultige mich, ich war da, in einem so schöne, tiefe Gedanken beschäftig, da konnt ich mich gar nicht stören laße.“

Neefe aber nutzte geschickt die Wissbegier des jugendlichen Außenseiters und lenkte sein Interesse sowohl auf die – eher trockene – Materie des Generalbasses, des harmonischen Gerüsts mehrstimmiger Musik, als auch auf ein großartiges Lehrwerk. 1783 schrieb Neefe in Carl Friedrich Cramers Magazin der Musik über seinen Schüler: „Er spielt sehr fertig und mit Kraft das Clavier, ließt sehr gut vom Blatt, und um alles in einem zu sagen: Er spielt größtentheils das wohltemperirte Clavier von Sebastian Bach.“

An diesem Satz ist neben dem Alter des Gelobten – Beethoven ist zwölf Jahre jung – die Tatsache bemerkenswert, dass Bach damals so gut wie vergessen war … also Johann Sebastian Bach. Wohl war in Kenner- und Genie-Kreisen häufig von „Bach“ die Rede, wenn es um einen hervorragenden Komponisten ging, doch meinten Haydn, Mozart und andere damit fast immer die Bach-Söhne Carl Philipp Emanuel oder Johann Christian.

Aber Neefe schwamm in vielerlei musikalischer Hinsicht gegen den Strom, das zeigt unter anderem die Tatsache, dass er bereits ein Jahr vorher zu Beethovens „Ermunterung […] 9 Variationen von ihm fürs Clavier über einen Marsch in Mannheim stechen lassen“ hatte – quasi die Geburtsstunde des Komponisten Beethoven.

Ein Kuriosum am Rande – auch auf dem Erstdruck der Variationen für Klavier über einen Marsch von Ernst Christoph Dressler wurde Beethoven jünger gemacht, als er war. Seine elf Jahre waren offenbar eines jungen Genies unwürdig, sodass „agé de dix ans“ (also „zehn Jahre alt“) auf das Titelblatt gedruckt wurde.

Kein Wunder, denn die Zeit war wunderkindwütig. Mozart geisterte durch die Köpfe, warum sollte daher Beethoven nicht „gewiss ein zweyter Wolfgang Amadeus Mozart werden, wenn er so fortschritte, wie er angefangen“.

Aber Beethoven hatte weder den dafür notwendigen Manager-Vater noch die Zeit, um als Wunderkind die europäischen Herrscherhöfe abzuklappern. Was sich letztlich aber als Vorteil für Beethovens Entwicklung entpuppte, denn das 1597 zur Residenzstadt der Kölner Kurfürsten erhobene Bonn war zur Zeit seines letzten Fürstbischofs Maximilian Franz endgültig vom Geist der Aufklärung durchdrungen worden.

Nachdem der jüngste Sohn von Kaiser Franz I. Stephan und Maria Theresia, Maximilian Franz Xaver Joseph Johann Anton de Paula Wenzel von Österreich, aufgrund einer heftigen Erkrankung die ursprünglich geplante militärische Laufbahn ad acta hatte legen müssen, war er von seiner Mutter in den geistlichen Stand gedrängt worden. Nach dem üblichen Slalom zwischen verschiedenen Karriere-Etappen und den damit verbundenen Ränkespielen wurde Maximilian Franz nach dem Tod seines Vorgängers Maximilian Friedrich von Königsegg-Rothenfels am 21. April 1784 neuer Kurfürst und Erzbischof von Köln und Fürstbischof von Münster. Sechs Tage später begann er von Bonn aus seine Bistümer zu regieren. Trotz seiner ursprünglichen Abneigung gegenüber einer geistlichen Laufbahn zeigte er sich schon bald als aktiver Bischof, der bei der Bevölkerung durch seine Bescheidenheit und sein offenes Ohr für deren Sorgen beliebt war. Ähnlich wie sein Bruder Kaiser Joseph II. war Maximilian Franz von der Aufklärung, deren Idealen sowie realen Umsetzungen überzeugt, wenngleich ihm manches Reformtempo zu hoch schien. Doch trotz solcher bremsender Gedanken widmete er sich massiv der Bildungspolitik, unter anderem forcierte der letzte der Bonner Kurfürsten die neue Universität in seiner Residenzstadt als aufklärerischen Gegenpol zur damals streng konservativen Universität zu Köln.


Unter „Giganten-Kollegen“ – Beethoven und Mozart

Und Ludwig van Beethoven wechselte immer mehr hin und her zwischen den neuen Ideen über Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit einerseits und dem engen Dienst als Hofmusikus andererseits, zwischen idealistischen Freimaurern (wie seinen Lehrern Christian Gottlob Neefe und Franz Anton Xaverius Ries) und seiner realen Galauniform, die ihn trotz ihrer Buntheit manchmal an seinen grauen Alltag erinnert haben mag: „[…] see grüne Frackrock, grüne, kurze Hoß mit Schnalle, weiße Seite oder schwarze Seide Strümpf, Schuhe mit schwarze Schlöpp, weiße Seide geblümde West mit Klapptaschen, mit Shappoe, das West mit ächte Goldene Kort umsetz, Frisirt mit Locken und Hahrzopp, Klackhud, unterem linken Arm sein Dägen an der linke seite mit einer Silberne Koppel trug.“

Zuerst aber galt es, die Mischung aus kindlichem Virtuosentum, jugendlichem Kompositions-Genie – auf die Variationen für Klavier über einen Marsch von Ernst Christoph Dressler folgten weitere Frühwerke (zum Beispiel die Kurfürsten-Sonaten von 1783) – adäquat zu positionieren. Dabei spielte wieder Neefe eine wichtige Rolle. Dank seiner wohlüberlegten Kombination aus Theorie- und Praxis-Unterricht einerseits und geschickt-lancierten PR andererseits gelang es, den kurfürstlichen Erzbischof – in mehrfacher Hinsicht – aufhorchen zu lassen. Als einer derjenigen Habsburger, die mit überdurchschnittlicher Musikalität gesegnet waren, liebte Maximilian Franz Mozart … und daher lag es nahe, das Bonner Eigenbau-Jung-Genie ein erstes Mal den Duft der weiten Welt schnuppern zu lassen. Eigentlich eine klassische Win-win-Situation – der Kurfürst konnte die Welt (und Wien war damals eine ihrer Hauptstädte) wissen lassen, welch exzellente Jahrgänge nicht nur an der Donau, sondern auch am Rhein gedeihen würden, gleichzeitig brächte Jung-Beethoven den einen oder anderen Mozart’schen Gedanken zurück, um damit die Bonner Ohren aufs Neue zu entzücken.

Doch … der Plan floppte. Zwar soll Ludwig van Beethoven im Frühling 1787 Mozart vorgespielt haben, aber als Pianist konnte der junge Bonner weder mit dem neunjährigen Johann Nepomuk Hummel (mit dem ihn Jahre später eine enge Freundschaft verbinden sollte) noch mit anderen Wiener Klavierwunderkindern aus Mozarts Umfeld mithalten. Und als Komponist hatte Beethoven noch nichts anzubieten, was Mozart beeindruckt hätte … Erst recht nicht im Frühling 1787, als Mozarts Vater starb und der nun seines Lebens-Managers Beraubte noch dazu mitten im Schaffensprozess seines Don Giovanni stand.

Und dann die private Katastrophe! Beethovens übereilte Heimreise nach Bonn, der Tod der Mutter und seiner kleinen Schwester, des Vaters endgültiges Straucheln, die Verantwortung für sich und seine jüngeren Brüder – es waren wohl seine Genialität und das Gefühl einer inneren Verpflichtung einerseits sowie seine freundschaftlichen Kontakte andererseits, die Beethoven in dieser Zeit weiter wachsen ließen.

Wachsen … und lernen. Auf der musikalischen Seite boten Operngastspiele verschiedener Theatergesellschaften Anregungen, auf der intellektuellen Ebene war es die junge Bonner Universität, die nicht nur neue, bis dahin undenkbare Weltenbilder eröffnete, sondern auch diesen Ideen entsprechende Lehrkräfte anzog. Ein berühmtes Beispiel war Eulogius Schneider, ein allzu bunter Paradiesvogel der Aufklärung, den sein Lebensweg vom Franziskanerpater über den Bonner Universitätsprofessor für Literatur und schöne Künste zum glühenden Anhänger der Französischen Revolution und – beinahe folgerichtig – unter die Guillotine führte.

Wobei – Beethoven setzte auch in diesen Jahren sein erlerntes Muster, Lernstoff nicht systematisch-konsequent, sondern in ihm gerade begegnenden „Brocken“ zu erlernen, fort. Ein Muster, das ihm in seinem ureigensten Berufsleben, erst recht als Organist und Bratschist der Bonner Hofkapelle, allerdings vollkommen fremd war.

Auch in seinem privaten Umfeld zeigte sich der rund 20-Jährige in mehrfacher Hinsicht konsequent, wobei er ein spezielles Verhalten ähnlich intensiv betrieb wie seine Beschäftigung mit der Musik.

„In den biographischen Notizen, welche Herr Ign. Ritter von Seyfried den Studien von Beethoven anhing, findet sich S. 13 folgende Stelle: ‚Beethoven war nie verheirathet und, merkwürdig genug, auch nie in einem Liebes-Verhältniß.‘ Die Wahrheit, wie mein Schwager Stephan von Breuning, wie Ferdinand Ries, wie Bernhard Romberg, wie ich sie kennen lernte, ist: Beethoven war nie ohne eine Liebe und meistens von ihr im hohen Grad ergriffen. Seine und Stephan von Breuning’s erste Liebe war Fräulein Jeanette d’Honrath aus Köln. […] Darauf folgte die liebevollste Zuneigung zu einer schönen und artigen Fräulein v. W. […] Diese Liebschaften fielen jedoch in das Uebergangs-Alter und hinterließen eben so wenig tiefe Eindrücke, als sie deren bei den Schönen erweckt hatten. In Wien war Beethoven, wenigstens so lange ich da lebte, immer in Liebesverhältnissen und hatte mitunter Eroberungen gemacht, die manchem Adonis, wo nicht unmöglich, doch sehr schwer geworden wären.

Ob man auch, ohne die Liebe in ihren innersten Tiefen zu kennen, Adelaide und Fidelio und so manches Andere componiren könne, lasse ich die Kenner und die Dilettanten beurtheilen.“

Noch elf Jahre nach Beethovens Tod, 1838, konnte sich Franz Gerhard Wegeler an den Beginn des männlichen Erwachens seines Jugendfreundes präzise erinnern, wohl nicht zuletzt deshalb, weil Beethovens eigene Entflammbarkeit sowie seine besondere Begabung, Frauenseelen erglühen zu lassen, ihn lebenslang zu genialen Werken anregen sollte.

Dass Jung Beethoven aber nicht zu früh zu viel zarten Frauenspuren und anderen Verlockungen nachjagte, dafür sorgte – „auch“, möchte man meinen – seine „zweite Mutter“ Helene von Breuning.

„Noch in späteren Tagen nannte er die Glieder dieser Familie seine damaligen Schutzengel und erinnerte sich gern der vielen von der Frau des Hauses erhaltenen Zurechtweisungen. ‚Die verstand es, sagte er, die Insecten von den Blüthen abzuhalten.‘ Er meinte damit gewisse Freundschaften, welche der naturgemäßen Fortbildung seines Talents, wie auch des rechten Maßes künstlerischen Bewußtseyns bereits gefährlich zu werden begonnen und durch Lobhudelei die Eitelkeit in ihm erweckt hatten. Schon war er nahe daran, sich für einen berühmten Künstler zu halten, sonach lieber Jenen Gehör zu geben, welche ihn in diesem Wahn bestärkt, als Solchen, die ihm begreiflich gemacht, daß er noch alles zu lernen habe, was den Jünger zum Meister macht.“

Anton Schindler, Beethovens selbst ernanntes Faktotum der späten Jahre, mag zwar nach dessen Tod aus Eitelkeit manch Dokument gefälscht haben, diese Stelle im „Ersten Theil“ seiner Biographie von Ludwig van Beethoven dürfte aber durchaus den Tatsachen entsprochen haben.

Jedoch war Familie von Breuning nicht nur Beethovens privater Rettungsanker, in beruflicher Hinsicht diente sie ihm ebenfalls als freundschaftliches Sprungbrett. So lernte er dort Graf Ferdinand Ernst von Waldstein-Wartenberg kennen, der zu einem seiner wichtigsten Förderer werden sollte.

1787 war der Sohn aus dem berühmten böhmischen Adelsgeschlecht in den OT, den Ordo Teutonicus, den Deutschen Orden, eingetreten, dessen Hochmeister Fürsterzbischof Maximilian Franz ihn am 17. Juni 1788 zum Ritter schlug. Als Bonner Neuling wurde Waldstein natürlich gleich in den entsprechenden Kreisen herzlich aufgenommen – zum Beispiel bei von Breunings, die seit Generationen dem Deutschen Orden eng verbunden waren.


Ein Förderer der ersten Stunde: der Jurist, Idealist und vielseitige Musiker Christian Gottlob Neefe (1748–1798)

Wie weit das Ritterballett, das am 6. März 1791 im Bonner Redoutensaal uraufgeführt wurde, eine Waldstein-Beethoven’sche-Koproduktion war und ist, ob einige der verwendeten Melodien wenigstens in Ansätzen vom Grafen Waldstein stammen, wird wohl kaum mehr eruierbar sein. Tatsächlich wurde der Wirkliche Geheimrat, Mitglied der Staatskonferenz und Mitglied der kurkölnischen Landstandschaft Graf Waldstein nicht nur als Gastgeber dieser Faschings- beziehungsweise Karnevalsveranstaltung für die Bonner Aristokratie angesehen, sondern auch als – einziger – Komponist dieses „karakteristischen Ballet in altdeutscher Tracht“ genannt, „darinn die Hauptneigungen unsrer Urväter, zu Krieg, Jagd, Liebe und Zechen“ musikalisch gewürdigt wurden.

Auf jeden Fall hielt sich der Irrtum bis 1838 – erst in diesem Jahr wiesen Beethovens Jugendfreunde Wegeler und Ries in ihren Biographischen Notizen über Ludwig van Beethoven auf die Urheberschaft ihres genialen Freundes hin.

Am Rande bemerkt: Ein Thema dieses Balletts verarbeitete Beethoven zu einem vierhändigen Klavierwerk, das 1794 unter dem Titel Variations à quatre mains pour le Pianoforte sur une Thème de Monsieur le Comte de Waldstein par Louis van Beethoven in Bonn verlegt wurde.

Egal ob Beethoven Graf Waldstein eine allzu öffentliche Wer-hat’s-komponiert-Klarstellung mit all ihren bösartigen Mauscheleien ersparen wollte oder ob er dieses Werk von vornherein als Klanggabe zur Selbst-Inszenierung für seinen gräflichen Förderer gedacht und ihm geschenkt hatte, er hatte sich nicht nur als Freund, sondern auch als kluger Taktiker erwiesen. Graf Waldstein war – und wurde immer mehr – zu seinem Gönner und Fürsprecher.

Schon 1790 hatte Haydn auf dem Weg nach London Bonn einen Besuch abgestattet. Als er dann 1792 von dieser – triumphalen – England-Reise nach Wien zurückkehrte, hatte ihn vielleicht sein Manager und ehemaliger Nachbar der Familie Beethoven, Johann Peter Salomon, veranlasst, den Weg noch einmal über Bonn zu nehmen. Die Chance, sich vor dem greisen – Haydn war immerhin schon 60 Jahre alt – Giganten adäquat zu präsentieren, ließ sich Ludwig van Beethoven nicht nehmen.

Eine zweite Wien-Reise des jungen Bonners wurde besprochen … und fand dank Graf Waldsteins Überzeugungskunst und der darauffolgenden finanziellen Unterstützung durch Maximilian Franz tatsächlich statt. Die Abschiedsworte, die der Graf seinem Schützling am 29. Oktober 1792 ins Stammbuch schrieb, wurden legendär:

Lieber Beethowen!

Sie reisen itzt nach Wien zur Erfüllung ihrer so lange bestrittenen Wünsche. Mozart’s Genius trauert noch und beweinet den Tod seines Zöglinges. Bey dem unerschöpflichem Hayden fand er Zuflucht, aber keine Beschäftigung; durch ihn wünscht er noch einmal mit jemanden vereinigt zu werden. Durch ununterbrochenen Fleiß erhalten Sie: Mozart’s Geist aus Haydens Händen.

Bonn d 29t. Oct. 1792. Ihr warer Freund Waldstein OT

Legendär … und sehr oft missverstanden. Denn kaum einer, der während der vergangenen 200 Jahre diese Worte mit bejahendem Kopfnicken las, war sich ihrer Tragweite bewusst.

Salopp formuliert: Woher hat der denn das mit dem Genius schon damals so genau gewusst haben wollen, der Herr Graf?

Denn 1792 war Mozart bereits tot und damit endgültig unsterblich geworden, Haydn war spätestens in den vergangenen zwei Jahren in London und damit in der Welt schon zu Lebzeiten zu seinem eigenen Denkmal gereift, aber Beethoven … Er galt noch nicht als das Genie, als das wir ihn heute ganz selbstverständlich in unserem Bildungskanon eingeordnet haben. Doch Graf Waldstein, selbst großer Verfechter aufklärerischer Gedanken, erkannte dank seiner Fähigkeit, hinter die Herkunft und Erbtitellosigkeit eines Menschen zu blicken, schon zu diesem Zeitpunkt in jenem ungelenken und zeitweise schwierigen Burschen den Mann, in dem der – seit Mozarts Tod vor einem Jahr heimatlose – Genius eine neue Heimat gefunden hatte.

Ludwig van Beethoven schien nun endgültig zum musikalischen Zeremonienmeister eines der größten gesellschaftlichen Umbrüche, der Aufklärung, und ihrer – teils eruptiven – Umschichtungen herangewachsen zu sein. Aber er war nicht nur ein kongenialer In-Töne-Übersetzer neuer Gedanken, seine Musik klang weit darüber hinaus.

Liberté, Égalité, Fraternité … und Beethoven!

Beethoven

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